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Sünden-Fall,
Lat.
Lapsus primorum hominum,
ist derjenige Abfall der ersten Menschen von
GOTT, welcher durch die von der Verführung des
Teuffels veranlassete Übertretung des Göttlichen
Verbots verursachet, und dadurch die
Sünden-Seuche nicht nur auf dieselben, sondern
auch auf alle ihre Nachkommen gebracht
worden. |
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Verführung der Eva |
Den Sünden-Fall unserer ersten
Eltern
beschreibet uns Moses in seinem
ersten Buche
cap. III, 1. bis 6. Und die Schlange war listiger denn
alle Thiere auf dem Felde, die GOtt der Herr
gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja solte
GOtt gesagt haben, ihr solt nicht essen von allerley
Bäumen im Garten? Da sprach das Weib zu der
Schlangen: Wir essen von den Früchten der
Bäume im Garten; aber von den Früchten des
Baums mitten im Garten, hat GOtt gesaget: Esset
nicht davon, rührets auch nicht an, daß ihr nicht
sterbet. Da sprach die Schlange |
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{Sp. 73|S. 50} |
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zum Weibe: Ihr werdet mit nichten des Todes
sterben; sondern GOtt weiß, daß, welches Tages
ihr davon esset, so werden eure Augen aufgethan,
und werdet seyn, wie GOtt, und wissen was Gut
und Böse ist. Und das Weib schauete an, daß von
dem Baum gut zu essen wäre, und lieblich an
zusehen, daß es ein lustiger wäre, weil er klug
machte; und nahm von der Frucht, und aß, und gab
ihrem Manne auch davon; und er aß. |
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Wir haben hier am ersten zu bemercken, daß
unsere ersten
Eltern, nicht aus und von sich selbst
von
GOtt durch die Sünde abgefallen sind; sondern
daß sie dazu von einem andern sind veranlasset
und gebracht worden. Dieses entschuldiget zwar
ihren Fall an und vor sich selbst nicht gäntzlich;
allein es machet doch denselben in etwas
leidlicher, und findet das Mitleiden um desto eher
Statt. Den Verführer unserer ersten Eltern nennet
Moses die Schlange. Es giebet dieser heilige
Scribent in seiner kurtzen und dem ersten Ansehen
nach etwas dunckeln Beschreibung, so viel an die
Hand, daß er zwar freylich von einer natürlichen
und leiblichen Schlange
rede, aber doch auch
zugleich auf einen andern ziele, der das
Haupt-Werck bey dieser Verführung ausgerichtet
habe. |
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Daß Moses würcklich eine natürliche und
leibliche Schlange
verstehet, solches siehet man
aus seiner Beschreibung die er von der Schlange
machet. Sie war,
spricht er, listiger, denn alle
Thiere auf dem Felde, die
GOtt der HErr gemacht
hatte. Solte durch die Schlange, wie einige wollen,
allein der böse Geist, den wir einen Teuffel nennen
zu
verstehen seyn; so würde derselbigen
Vergleichung mit den Thieren auf dem Felde sehr
wunderlich heraus kommen. Denn was solte das
heissen: Ein Geist war listiger als die
unvernünfftigen Thiere? Wozu solte eine solche
Vergleichung nützen, und was solte sie für eine
Erläuterung der
Sache geben? |
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Es wollen zwar diejenigen, welche obige
Meynung hegen, sich damit helffen, daß das
Grund-Wort, welches Lutherus durch
Thiere
übersetzet hat, auch wohl so gegeben werden
könne: Die Schlange war listiger denn alles
lebendige auf dem Felde, was GOTT der HErr
gemacht hatte; da denn auf solche Weise die
Menschen
mit eingeschlossen würden. Allein diese Ausflucht hebt den Scrupel nicht. Denn
einmahl, wenn schon die Menschen mit eingeschlossen werden könnten, so könnten
doch die unvernünfftigen Thiere um desto weniger mit
eingeschlossen werden, da derselben die meisten
waren, indem Moses
spricht: Die Schlange sey
listiger gewesen denn alle Thiere auf dem Felde.
Weil nun aber solchergestalt die Meynung seyn
müste, der Teufel wäre lästiger gewesen, nicht nur
als die Menschen, sondern auch als alle übrige
lebendige Thiere auf dem Felde, so bleibet der
obige Einwurff von den Thieren einmahl wie das
andere ungehoben. |
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Dazu kommt, daß, wenn wir das vorige Capitel
zu Rathe ziehen, in demselben das
Grund-Wort,
welches Lutherus durch Thiere auf dem Felde
übersetzet hat, nicht die
Menschen, sondern
alleine die unvernünfftigen Thiere ausdrucket. Im
gedachten Capitel bedienet sich Moses dieses
Worts |
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{Sp. 74} |
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zweymahl nacheinander, und zwar beyde
mahl so, daß es die unvernünfftigen Thiere im
Gegen-Satz gegen die ersten Menschen
bedeutet. Denn im 19 Vers heißt es: Als GOtt der
HErr gemacht hatte, von der Erden allerley Thiere
auf dem Felde, brachte er sie zu dem Menschen,
daß er sehe, wie er sie nennete. Und im 20sten
Vers wird hinzu gethan, daß der Mensch einem
ieglichen Thiere auf dem Felde seinen
Nahmen
gegeben habe. Wenn nun Moses bald darauf in
seinem III. Capitel fortfähret: Und die Schlange war
listiger, denn alle Thiere auf dem Felde, die
GOTT
der HErr gemacht hatte, welche letztere Worte mit
Cap. II, 19. übereinkommen, so stehet ja wohl nicht
anders zu gedencken, als, daß hier eben so wohl,
wie dort, die unvernünfftigen Thiere alleine müssen
verstanden werden. Woraus dann folget, daß auch
die Schlange eins von den unvernünfftigen
Thieren, so dem Adam im Paradiese zugeführet
worden, müsse gewesen seyn. |
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Man möchte hierbey noch einwenden, wenn
von einer leiblichen Schlange, und also von einem
unvernünfftigen Thiere die
Rede sey, wie denn
derselben eine besondere List und
Klugheit vor
allen andern Thieren zugeschrieben werden
könne? Hierauf antworten wir einmahl überhaupt,
daß auch unser Heyland einer Schlange eine
besondere Klugheit beylege, wenn er zu seinen
Jüngern sagt: Seid klug, wie die Schlangen; und
ohne falsch, wie die Tauben. |
Matth. X, 16. |
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Und so haben wir durch diesen Ausspruch
unsers Heylandes wenigstens so viel vor aus, daß
man um des Zusatzes willen, daß die Schlange
listig gewesen sey, nicht nothwendig an ein
vernünfftiges Wesen, so hier eine Schlange
genennet werde, gedencken müsse. Wenn wir nun
auch schon keine
Ursache anzugeben wüsten,
warum einer Schlange eine grössere List, als allen
andern unvernünfftigen Thieren zugeschrieben
würde; so würde doch deßwegen noch lange nicht
folgen, daß der Ausspruch Mosis so wohl, als
unsers Heylandes, in dem Stücke nicht recht
gegründet wäre. |
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Wir nehmen zwar an einigen andern Thieren,
z.E. an einem Fuchs, mehr List wahr, als an unsern
hiesigen Schlangen; allein wir müssen nicht von
diesen letztern einen
Schluß auf alle Schlangen
machen; eben so wenig, als man von einem
tummen Bauern-Hunde, einen Schluß auf einen
jeglichen Hund machen kan. Gehet dieses letztere
nicht an, da doch sonst unter den Hunden eine so
grosse Ähnlichkeit ist; so gehet es noch weniger
bey den Schlangen an, da derselben verschiedene
Arten und
Geschlechte
sich finden. Es sind in den
Morgen-Ländern verschiedene grosse Sorten von
Schlangen, die wegen ihrer schönen und
gläntzenden Haut von den Reisenden, und
Naturkündigern sehr bewundert werden. Diese
aber sind nunmehro in den Wildnißen, und sonst so
schädlich und gefährlich, daß man auf ihre
Handlungen nicht so viel Achtung geben kan, als
auf die Handlungen eines Fuchses. Und so ist es
nicht zu verwundern, daß wir keine genungsame
Erfahrung von der List einer Schlangen, in so ferne
dieselbe die List aller andern Thiere übersteiget,
haben, oder haben können. |
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Dem ohngeachtet lässet sich doch noch von
dieser
Sache wohl etwas sagen. Wir setzen
nehmlich voraus, daß zwischen der Beschaf- |
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{Sp. 75|S. 51} |
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fenheit eines
Cörpers, und derjenigen
Seelen,
die mit dem Cörper vereiniget ist, eine
Übereinstimmung sey. Nun betrachte man den
Cörper einer Schlangen. Es berühret derselbe
nicht nur allenthalben unmittelbar die
Erde, indem
er keine Füsse hat; sondern er ist auch sehr
geschlang, allenthalben langsam, und von einer
solchen Einrichtung, daß er leichte allenthalben ein
und durch schlüpfen, und sich auf hunderterley
Weise schräncken, drehen und wenden kan. |
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Aus dem ersten lässet sich schliessen, daß
eine Schlange ein überaus zartes Gefühl haben
müsse, weil das geringste, was den
Ort, wo die
Schlange ist, nur einiger massen erschüttert, und in
Bewegung setzet den gantzen
Leib der Schlangen
unmittelbar berühret; welches bey einem Thiere,
daß nicht nur Füsse, sondern auch eine dickere
Haut, und noch wohl darzu Haare oder Federn hat,
nicht so geschehen kan. |
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Aus dem andern kan man den
Schluß
machen, daß die
Seele einer Schlange sehr
mancherley und geschwinde Vorstellungen haben
müsse, und zwar solche, die da alle die
äusserlichen Handlungen, welche von der
Schlange vorher sind bemercket worden, nach sich
ziehen. |
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Eine Creatur, die ein sehr zartes Gefühl hat,
verspüret bald, was ihr
schädlich oder auch
dienlich seyn möchte; und wenn sie einen
Cörper
besitzet, der sich leicht und auf mannigfaltige
Weise bewegen, zusammen ziehen und
ausstrecken, krümmen und wenden kan, so ist sie
vermögend, mit leichter Mühe, dem was ihr
schädlich ist, zu entgehen, und dem, was ihr
dienlich nachzusetzen. In diesem allen hat eine
Schlange vor andern Thieren auf dem Felde einen
unstreitigen
Vorzug. Wer nun, was ihm schädlich
und dienlich ist leichte mercken kan, und jenem zu
entgehen, diesem aber nachzukommen weiß, den
hält man für klug und listig. |
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Weil nun die Schlange, wie wir gesehen
haben, dieses alles vor andern zu
bewerckstelligen, fähig ist; so haben wir den
Grund, warum ihr vor allen andern Thieren eine
besondere List zugeschrieben werde. Und dis mag
auch wohl die
Ursache seyn, warum man noch heut
zu Tage von einem verschmitzten
Menschen
saget: Er sey so listig, wie eine Schlange; und
warum auch schon die Heyden, welche die
Eigenschafften ihrer
Götter, durch gewisse
Abzeichen vorzustellen pflegen, dem Mercurio
unter andern eine Schlange zu geben. Denn, da
Mercurius von ihnen für der übrigen Götter Boten
gehalten wird; eines guten Abgesandten
Eigenschafft aber seyn soll, daß er die
Gemüther
der Menschen leicht abmercken, und seine
Worte
so zu kehren und zu wenden wisse, daß er in
dieselbe eindringen, und solcher
Gestalt seinen
Zweck desto füglicher erreichen könne, wie denn
auch Mercurius als ein guter Redner und Vorsteher
der Redner-Kunst beschrieben wird; so haben die
Heyden ihren Mercurium mit einer Schlangen
bezeichnen wollen. |
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Wenigstens siehet unser Heyland auf
obgedachte
Eigenschafft einer Schlangen, wenn er
derselben
Klugheit seinen Jüngern
anbefiehlet.
Denn damit will er, daß sie in allen Stücken fein
vorsichtig handeln sollten, und daß sie eines Theils
dahin zu sehen hätten, wie den
Menschen mit dem
Evangelium am besten ins Hertz zu kommen sey;
andern Theils aber müsten sie auch auf ihre
Sicherheit be- |
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{Sp. 76} |
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dacht seyn, und denen Menschen, die ihnen
gerne zu
Leibe wollen, auszuweichen suchten; nur
daß alles so geschähe, daß sie sich keiner
Falschheit nach sündlichen Vorstellungen dabey
bedieneten. |
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Wenn wir nun die
Sache so ansehen; so
finden wir zugleich den
Grund, warum von dem
Haupt-Verführer eben eine Schlange vor andern
Thieren zum Werckzeuge, die Evam zu verführen,
auserkohren sey. Adam hatte nehmlich der
Schlange selbst einen
Nahmen, der eine List und
Klugheit ausdrücket, beygeleget; weil er ihre
Eigenschafften also befand, daß sie vor andern
Thieren listig sey, und leichte etwas vornehmen
könne. Der Eva war solches nicht unbekannt. Sie
mag auch wohl überdem gerne mit dieser Creatur,
um ihrer besonders artigen und mannigfaltigen
Handlungen willen, umgegangen seyn; wie
angemercket wird, daß an manchen
Orten die
Menschen, auch noch heutiges Tages, mit den
Schlangen gern und gleichsam spielend
umgehen. |
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Da nun der Verführer zum
bequemsten fand,
durch ein gewisses Werckzeug die Eva mit List zu
berücken; so gesellete er sich am liebsten zu
einem solchen, das in der List etwas ähnliches
hatte, und von welchen die Eva noch am ersten
was besonders und ungemeines vermuthen
konnte. Moses zeiget nehmlich nicht undeutlich an,
daß die Verführung nicht allein auf die leibliche
Schlange, sondern hauptsächlich auf einen andern
ankomme. Er berichtet, daß die Schlange
gesprochen, um mit dem
Weibe eine förmliche
Unterredung gehalten habe. |
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Nun ist zwar nicht unbekannt, daß auch einige
unvernünfftige Thiere zum
Reden, oder vielmehr
zur Aussprache gewisser
Worte, angewöhnet
werden können; alleine diese müssen eine solche
Zunge haben, welche für sich selbst tüchtig ist, die
Lufft also zu bewegen, daß ein vernehmlicher
Schall, und deutliches Wort herauskomme. Wenn
sie nun aber auch hierzu aufgeleget sind; so weiß
man doch wohl, daß unvernünfftige Thiere nichts
weiter hervorbringen können, als was sie von
Menschen gelernet haben; förmliche
Unterredungen aber zu pflegen,
Schlüsse zu
machen, und andere zu belehren, dazu sind sie
gantz ungeschickt. Nun hat eine Schlange so eine
dünne Zunge, daß sie zum reden gantz und gar
nicht aufgelegt ist. Über dem, so werden hier von
der Schlange solche Reden geführet, die von
einem unvernünfftigen Thiere unmöglich herrühren
können. |
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Da nun aber gleichwohl nach Mosis Bericht,
dieses alles von der Schlange ist bewerckstelliget
worden; so verweiset uns Moses eben damit auf
einen andern, von welchem diese
Sprache der
Schlangen ihren
Ursprung genommen habe.Im
Buche der Weisheit Cap. II, 23. 24. stehet
geschrieben: GOtt hat den Menschen geschaffen
zum ewigen Leben, und hat ihn gemacht zum
Bilde, daß er gleich seyn solte, wie er ist. Aber
durch des Teufels Neid ist der Tod in die Welt
kommen. Bey Moses stehet dem Buchstaben nach
nichts vom Teufel, sondern nur von der Schlangen,
die mit den Thieren auf dem Felde in Vergleichung
gesetzt wird. So muß denn damahls, als der
Urheber des Buches der Weisheit geschrieben hat,
eine bekannte und ausgemachte
Sache gewesen
seyn, daß der Teufel hier die Haupt-Person
gespielt habe. |
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{Sp. 77|S. 52} |
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Es muß auch zu Mosis
Zeiten bekannt
gewesen seyn, dieweil dieser
Scribent nicht
einmahl nöthig gefunden hat, den Teufel zu
nennen. |
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Dem sey aber, wie ihm wolle; so bestätiget
unser Heyland mit ausdrücklichen
Worten, daß der
Haupt-Verführer unserer ersten
Eltern der Teufel
gewesen sey. Er spricht
Joh. VIII, 44. zu den
Juden: Ihr seyd von dem Vater dem Teufel, und
nach eures Vaters Lust wollet ihr thun; derselbige
ist ein Mörder von Anfang und ist nicht bestanden
in der Wahrheit, denn die Wahrheit ist nicht in ihm,
wenn er die Lügen redet, so redet er von seinem
Eigenen, denn er ist ein Lügner, und ein Vater
derselben. Ist der Teufel dadurch, daß er die Lügen
geredet hat, der erste Mörder worden; und aber
unsere ersten Eltern, sind durch die verführerische
Reden der Schlange in den
Tod gestürtzet worden;
so ist solche Rede der Schlange nach dem
Ausspruch Christi, dem Teufel
zuzuschreiben. |
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Diesem stimmet der Apostel mit bey, wenn er
2 Corinth. XI, 3. seine Beysorge der Corinther
wegen an den Tag leget, und spricht: Ich fürchte,
daß nicht, wie die Schlange Evam verführete mit
ihrer Schalckheit, also auch eure Sinnen (durch die
falschen Apostel) verrücket werden von der
Einfältigkeit in Christo, so giebt er V. 13. zu
erkennen, wie solche Verrückung besorglich
geschehen möchte, denn,
spricht er: Solche
falsche Apostel und trügliche Arbeiter, verstellen
sich zu Christus Aposteln. Worauf er V. 14. hinzu
thut: Und das ist auch kein Wunder, denn er selbst
der Satan verstellet sich zum Engel des
Lichts. |
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Aus welchem Zusammenhange man so viel
abnehmen kan, daß der Apostel zu
verstehen
geben wolle, der Satan habe zu der Eva durch die
Schlange als ein Engel des Lichts
geredet, und
sey die
Sache von ihm also angebracht und
vorgetragen worden, als ob die Eva durch das
Essen von dem Baum des Erkänntniß Gutes und
Böses zu einem gantz besondern
Göttlichen Lichte
gelangen würde. Und so stimmen diese
Schrifft-Örter mit dem Buche der Weißheit,
darinnen überein, daß die Verführung unserer
ersten
Eltern den Satan eigentlich zum Urheber
habe. |
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Man findet hiervon auch einige Spuhren bey
den Heyden. Porphyrius gedencket eines solchen
Geistes, den man weder unter die
Götter, noch
auch unter die guten Engel zählen könne, sondern
welche man den Verführer heissen müsse. Van
Dale de oraculis führet p. 8. eben auch einen
Ort
aus dem Porphyrio an, da er
schreibet, daß von
den bösen Geistern aller Betrug herrühre, indem
der Betrug ihnen eigen sey. Sie wolten für Götter
gehalten seyn, und der vornehmste unter ihnen
wollte das Ansehen haben, als ob er der grösseste
GOtt wäre. |
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Wenn man nun dieses alles zusammen fasset,
so kan man sich die
Sache nicht wohl anders
vorstellen, als daß der Satan durch die Schlange,
wie dort ein guter Engel durch Bileams Eselin
geredet habe. Hat er in den Tagen Christi durch
besessene Menschen gesprochen; so kan
dergleichen eben auch durch die Schlange
geschehen seyn. Denn, obgleich die Zunge einer
Schlange natürlicher Weise nicht |
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{Sp. 78} |
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so zum Reden aufgeleget ist, wie die breite
Zunge eines Thieres oder auch eines Menschen;
so weiß man doch aus der
Schrifft, daß ein guter
Engel in einer angenommenen
Gestalt zu
Zacharia, der Maria, den Hirten und andern, und
daß der Satan mit Christo in der Wüsten auf
gleiche Weise geredet habe, da bey allen keine
natürliche Zunge vorhanden gewesen ist. Warum
solte denn der Satan nicht eben dergleichen durch
eine Schlange haben bewerckstelligen
können? |
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Doch, diß sind nur einige Neben-Umstände;
wenn dieselben auch schon nicht so gewiß und
eigentlich ausgemacht werden könnten, so würde
doch der
Sache selbst dadurch nichts benommen
seyn. Das Haupt-Werck kommet auf die
Vorstellung selbst an, durch welche Eva ist
verführet worden. Diese leget uns Moses in denen
oben angeführten
Worten vor. Wir bemercken
dabey vorgängig, daß Moses bey Erzehlung der
ersten Worte der Schlangen: Ja! solte GOtt
gesaget haben? etc. genugsam zu
verstehen
gebe, das vom denselben nicht der Anfang der
Unterredung zwischen der Schlange und dem
Weibe müsse gemacht worden seyn; sondern, daß
sie schon vorher beyderseits einige
Reden mit
einander müssen gewechselt haben. |
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Im
Hebräischen heisset es: [Hebräischer Text]
Ey ja freylich, solte GOtt gesaget haben? Noldius,
welcher in seinen Concordantiis particularum
hebraicarum … verschiedene Übersetzungen
beybringet, zeiget, daß in denselben allen die
Hebräische beyde
Wörter, welche Lutherus durch
Ja! übersetzet hat, Fragweise genommen würden.
Diese Art zu
reden aber zeiget deutlich an, daß
schon eine andere Unterredung müsse vorher
gegangen seyn; wie auch einige Rabbinen
bemercket haben. |
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Man möchte sich die
Sache etwa so
vorstellen, daß die Schlange gantz ungewöhnlicher
Weise von den Creaturen im Paradiese, von der
besondern Glückseeligkeit der ersten
Menschen,
und von andern, den Schöpffer selbst angehenden
Dingen, als ein Engel des Lichts zu
reden
angefangen habe. Eva, die sich darüber
verwundert, und zwar sonst wohl gewust, daß die
Schlange ein besonders kluges Thier sey, aber
auch, daß sie sonst zu dergleichen Reden nicht
sey aufgeleget gewesen, wird gefraget haben, wie
denn die Schlange zu solchen Einsichten, und zu
solcher
Sprache komme? Da denn die Schlange
geantwortet; Sie habe von der Frucht dieses
Baumes genossen, und dadurch sey ihre gantze
Natur geändert worden, daß sie nun von einem
sonst unvernünfftigen Thiere zu der Staffel einer
vernünfftigen Creatur hinangestiegen sey. Nun
wäre ja die Eva schon ein vernünfftiger Mensch. Da
solte sie nun bedencken, zu was für einer hohen
Stuffe der
Erkänntniß sie gelangen würde, wenn
sie auch von dieser Frucht zu essen sich
entschliessen würde. Darauf aber die Eva
versetzet habe, ihr
Mann und sie dürfften
Krafft des
Göttlichen Verbots nicht davon essen. |
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Die Schlange hat denn, wie hier Moses
berichtet, zu erst den Zweiffel aufgeworffen: Ja,
solte GOtt gesagt haben, ihr sollt nicht essen von
allerley Bäumen im Garten; wie solte das möglich
seyn? das kan ich mir nicht einbilden. Du hast es ja
nicht selbst unmittelbar von |
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{Sp. 79|S. 53} |
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GOtt gehöret. Solte es denn dein
Mann auch
wohl recht begriffen haben? Oder, hast du auch
wohl deinen Mann recht verstanden? Darauf das
Weib geantwortet:
Wir essen und dürffen essen,
von den Früchten der Bäume im Garten, aber von
den Früchten des Baums mitten im Garten, hat
GOtt allerdings gesaget: Esset nicht davon, rührets
auch nicht an, daß ihr nicht sterbet. |
V. 2. 3. |
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Hier bricht denn nun die Schlange loß: Ihr
werdet mit nichten des Todes sterben. |
V. 4. |
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GOtt hat uns Thieren auf Erden, und allem
Gewürme, das grüne Kraut zur Speise verordnet,
euch aber alleine die fruchtbaren Bäume im
Paradiese vorbehalten. |
Cap. I, 29. 30. |
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Ich habe die von GOtt gemachte Ordnung
überschritten, und von diesem fruchtbaren Baume
gegessen, und bin doch nicht gestorben, sondern
vielmehr zu einer grössern Glückseeligkeit
gelanget. GOtt weiß, demnach, daß, welches
Tages ihr davon esset, eure Augen vielmehr
werden aufgethan werden, und, da ich worden bin,
wie ihr, so werdet ihr seyn wie GOtt, und wissen
was gut und böse ist. |
V. 5. |
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Worauf dann auch das
Weib sich das Essen
von dem Baum hat gefallen lassen, um dadurch zu
mehrerer
Klugheit zu gelangen, und
GOtt selbst
gleich zu werden. |
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Ob nun wohl diese Umstände zwar
wahrscheinlich, aber doch nicht gewiß sind; sie
auch Niemand für gewiß annehmen darf, sondern
ein jeglicher seine
Freyheit
hat, hiervon nach
seiner Einsicht ein
Urtheil zu fällen; so wird doch
wenigstens hieraus so viel erhellen, daß es sehr
wohl möglich gewesen sey, daß Eva auch im
Stande der Unschuld auf diese Weise habe irre
gemacht werden können; da sonst manche nicht
zusammen räumen können, wie sich Eva durch die
Schlange hätte können verführen lassen, fals sie
so viel, als angegeben zu werden pfleget, vom
Göttlichen Ebenbilde besessen hätte. |
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