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Anwendung des Vermögens |
Nun ist noch übrig, zu erwegen, wie ein
erworbenes
Vermögen zu unserer
Nothdurfft,
Ehre und Vergnügung,
klüglich anzuwenden sey,
als welches der andere grosse Hauptzweck der
Klugheit zu wirthschaften ist. Diese Klugheit
beruhet ohnstreitig auf dreyen
Regeln, deren eine
aus der andern folget. |
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1. Regel |
Die erste ist, daß, so lange das Vermögen
noch sehr klein, man so spärlich, als es nur
möglich, mit der unentbehrlichen Nothdurft sich
behelffe, und ein mehreres, ob man gleich könnte,
nicht leicht verthue; Folglich der Ausgaben zu der
Lust beynahe schlechterdings, der Ausgaben aber
zu Ehren, so viel es nur der
Stand eines jeden
leidet, sich enthalte. Denn zu dieser
Art der
Ausgaben ist es zu der
Zeit, da das Vermögen
noch klein ist, noch nicht Zeit: Dieweil die Mittel,
sie mit
Grunde und mit Bestande zu machen,
noch nicht vorhanden sind, wohl aber vermittelt
dieser ersten Regel, mit der Zeit erlanget werden
können. Also weiset uns die erste Regel, mit dem
erworbenen wohl umzugehen, abermahl auf die
Sparsamkeit, als den vornehmsten Grund einer
klugen Haushaltung. |
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Besagte Regel hat auch noch diesen guten
Nutzen, in Ansehung des Gebrauchs eines
Vermögens, (welcher Nutz denenjenigen, die ihre
Wirthschafft recht von fornen, und ohne einen
Vorsprung des Vermögens zu haben, kümmerlich
anfangen müssen, zu dem Trost dienen kan,) daß
man der Mäßigkeit fein zu rechter Zeit, nehmlich
in der Jugend, zur Gründung einer festen
Gesundheit, gewohne, welche
Gewohnheit so
dann in den
Zustand, da man zur besserm
Vermögen gelanget, einen grossen Einfluß hat.
Dahero diejenigen, die einen dürfftigen Anfang
ihrer Nahrung haben andern, die einen guten
Vorsprung haben, ihr Glück zu beneiden nicht
Ursach haben: |
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{Sp. 1150} |
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Indem diese, wenn sie nicht in kurtzem weit
elender werden wollen, als jene, in ihrer Jugend,
mit eben so vieler Ansichhaltung, der Sparsamkeit
und Mäßigkeit sich befleißigen, und ihren
Vorsprung an Vermögen also bey nahe betrachten
müssen, als hätten sie ihn nicht. |
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2. Regel |
Die andere Regel ist, daß, wenn nun
vermittelst der
Arbeit und Sparsamkeit, mit
Beywürckung des Glücks und göttlichen Segens,
ein genügliches Vermögen erworben ist, dieses
auch wohl durch eben dieselben Mittel, als welche
mit dem Anwachs des Vermögens immer leichter
und fruchtbarer werden, von Grad zu Grad bis auf
einen ansehnlichen
Reichthum zunimmt;
Nunmehro es allerdings Zeit sey, seine saure
Arbeit und Sparsamkeit zwar nicht gäntzlich bey
Seite zu setzen, aber doch die erstere um ein
merckliches, nach Proportion des Vermögens,
sich zu erleichtern, und der Früchte der letztern
mit Ehre und Vergnügen zu geniessen. |
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Alsdenn soll man sich, den Seinigen und
andern Menschen, in allen Stücken der Nothdurft,
der
vernünfftigen und seinem Stande gemäßen
Ehre, der
Beqvemlichkeit und unschuldigen
Leibes- und
Gemüths Ergötzlichkeiten, gütlich
thun, und erwegen, daß dieses das eintzige sey,
was an dieser Art zeitlicher Güter die kurtze Zeit
über, da unsere
Verwaltung derselben währet, vor
so viele Arbeit und Sorge, die wir damit haben,
uns endlich zu Nutze kommen könne. |
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Wenn allhier gesagt wird, daß man von einem
erworbenen ansehnlichen Vermögen so wohl sich,
als seinen Nächsten gütlich thun solle, so ist zu
mercken, daß solches beydes ordentlicher Weise
zu gleicher Zeit geschehe. Denn indem man so
wohl sich selbst und den Seinigen gütlich thut, so
thut man auch seinem Nächsten gütlich, da man
solchergestalt mehr aufwendet, und verthut, als
ein
Armer kan, folglich vielen wackern
arbeitsamen Leuten und Künstlern, durch seinen
Aufwand, Arbeit und guten Abgang schaffet,
wornach sie in ihrer Dürfftigkeit sehnlich
Verlangen tragen; Wodurch sie denn ebenfalls zu
ihrer Nothdurfft zu ihren Ehren- und Vergnügungs-Ausgaben, etwas ansehnliches
verdienen
können. |
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Woraus erhellet, daß nicht aller grosser
Aufwand an Kleidern, Wohnung, Haußrath,
Gärten,
Bedienten, u.s.w. Verschwendung,
Üppigkeit, und wider die Regeln guter Wirthschaft
sey. Es kommet nur darauf an, wer den Aufwand
mache, und in was vor einer Absicht er ihn mache.
Ein
Reicher, der die Absicht hat, ehrlichen und
fleißigen Arbeitern etwas zu verdienen zu geben,
und die Beqvemlichkeit, die seltene Artigkeit und
Nettigkeit ihrer Waaren, zu seinem Vergnügen
immer mit zu nehmen, kan jährlich grossen
Aufwand machen, ohne den Vorwurff der
Üppigkeit und Verschwendung zu verdienen. |
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Wenn reiche und wohlvermögende Leute so
kärglich leben wollen, als die armen, so fällt die
Nahrung dieser letztern, und aller derer, die noch
gern etwas verdienen und vor sich bringen wollen.
Denn wovon wollen diese leben, und etwas
erwerben, wenn die Reichen nichts verthun, und
die saure Arbeit so vieler tausend Künstler, die
etwas sauberes, zu dem
Dienst derer, die es
bezahlen können, hervor zu bringen, sich um die
Wette bemühen, aus Kargheit, oder Aberglauben,
ver- |
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{Sp. 1151|S. 589} |
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schmähen, und dargegen ihren Uiberfluß
faulen Bettlern, die nichts haben lernen wollen
zuwenden wolten? Wir halten dahero dieses
vielmehr vor die erste, ordentliche und
vornehmste Art, wie reiche und wohlbegüterte
Leute von ihrem Reichthum andern Menschen
wohl und gütlich thun können und sollen: In
welcher Absicht sie diejenigen, die ihnen arbeiten
und dienen, wohl, richtig und bald bezahlen, und
sonderlich nothdürfftigen Leuten nicht durch ein
allzuknickerisches Handeln gleichsam das Hertz
aus dem Leibe abdringen sollen. |
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Es nehmen es auch, wie die
Erfahrung lehret,
alle ehrliche und nothdürfftige
Arbeiter, die nicht
betteln, sondern ihr eigen Brod essen wollen, vor
eine gute Wohlthat reicher und wohlvermögender
Leute, und vor einen Segen GOttes durch sie, auf,
wenn sie durch ihren Aufwand ihnen etwas zu
verdienen geben, und dadurch veranlassen, daß
sie das
Werck ihrer Hände mit Nutzen, gutem
Auskommen, und mit Freuden treiben können.
Sehr viele geitzige Reiche in einem
Lande sind mit
eine grosse Ursache schwehrer Zeiten. Doch kan
und soll man freylich auch ausserordentlicher
Weise, nehmlich umsonst, den Armen durch
Allmosen Gutes thun, und den Notdürfftigen, die
sich nähren können und wollen, durch Darlehne
und Vorschüsse, auch wohl ohne Zinsen, in ihrer
Nahrung aufhelffen. |
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3. Regel |
Hieraus folget endlich die dritte Regel, daß
also unser gantzer öconomischer Wandel ohne
Geitz seyn müsse, das ist, daß wir nicht vor
allzugrosser oder vielmehr verkehrter
Haußhältigkeit, in die Eitelkeit verfallen müssen,
zeitliches Vermögen, oder Reichthum; seiner
selbst wegen, etwa gar als das höchste Gut
dieses Lebens zu suchen, als welche Art der
Leutte nimmermehr genug bekommen kan,
sondern an statt, daß gutes Vermögen ein Mittel
eines mit Ehren vergnügten Lebens seiner selbst
und vieler anderer, seyn solte, es vielmehr zu
einer
Materie machet, den Leib und das Gemüth
desto mehr mit Arbeit auszumergeln, und das
Hertz mit Unmuth, Sorgen und Neid, sich desto
mehr abzufressen, ja andere destomehr zu
schinden und zu drücken, jemehr nur das
Vermögen wächset. Woraus deutlich erhellet, daß
ein Geitziger einer der grösten Haupt-Narren der
Welt sey. |
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Frugalitas |
In diesen dreyen Grundregeln eines
vergnüglichen Wohllebens, und darzu erforderten
vernünfftigen Aufwandes wohlbegüterter Leute,
stecket unsers Erachtens derjenige Inbegriff der
Tugenden, welchen die
Lateiner Frugalitas
nenneten. Zwar nahmen sie dieses
Wort zuweilen
in so weitem
Verstande, daß sie darunter ein
tugendhafftes Leben überhaupt verstunden:
Inmassen sie Hominem frugi einen
rechtschaffenen braven Mann überhaupt, der in
allen Stücken recht und klüglich zu handeln wisse,
nenneten. So bezeuget Cicero, Tuscul. lib. 4. Ex
quo [sieben Zeilen lateinischer Text] Und lib. 3.
Tres … |
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{Sp. 1152} |
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[sechs Zeilen lateinischer Text]. |
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Doch scheinet es, daß man eben durch
diesen natürlichen Zusammenhang aller
Tugenden, durch welchen eine jede zu einer jeden
das ihrige beyträgt, veranlasset worden, diejenige
Tugend und Klugheit wohlbegüterter Leute, die zu
einem vergnüglichen Wohlleben, und in dem
dahin gehörigen Aufwande, erfodert wird, (welche
Tugend und Klugheit in eigentlichem Verstande
Frugalitas heisset) auf so viele andere Tugenden
auszudehnen, die sie zugleich mit in sich
begreiffen soll. |
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Nehmlich so viel ist gewiß, daß, nach den
Regeln der Tugend und Klugheit, wohlbegüterte
Leute ihr ansehnliches Vermögen zuförderst zu
ihrer und der Ihrigen Nothdurfft, hierneben aber
auch zu aller vernünfftigen
Beqvemlichkeit des
Lebens anwenden und gebrauchen sollen, zu
welcher letztern fürnehmlich die Ehre, die einem
jeden nach seinem Stande gebühret, und alle
unschädliche Lust und Ergötzlichkeit gehöret.
Doch ist der letzte dieser beyden
Zwecke,
nehmlich der Zweck der Bequemlichkeit, der
Standesmäßigen Ehre und Ergötzlichkeit, nicht
schlechterdings und an sich selbst den Regeln der
Tugend und Klugheit gemäß, sondern nur unter
der Bedingung, soweit die Ehre und an sich selbst
zuläßliche Lust, auf die man etwas möchte
wenden wollen, der Gesundheit und der Aufwand
selbst den Regeln guter Wirthschafft, nicht
zuwider ist. |
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Solte demnach ein auf Lust und Ehre
angesehener Aufwand der Gesundheit zu
Nachtheil gereichen, so erfordern die Regeln der
Tugend und Klugheit, sich dessen zu enthalten;
Welche Tugend die Mäßigkeit heisset. Solte er
nach Proportion des Vermögens dessen, der den
Aufwand machen will, den Regeln guter
Wirthschaft zuwider seyn, so erfodern die Regeln
der Tugend und Klugheit gleichfalls, den Aufwand
zu unterlassen; Welche Tugend die Sparsamkeit
heisset. Solte hingegen ein Aufwand entweder die
Nothdurfft erfordern, oder eine vernünfftige
Beqvemlichkeit, in Absicht auf Stand und Ehre,
oder Lust, dabey weder die Gesundheit leide,
noch den bishero ausgeführten Regeln guter
Wirthschafft zuwider gehandelt werde: So wäre es
weder Mäßigkeit noch Sparsamkeit, sondern
Kargheit und Knickerey, bey gnugsamen
Vermögen, oder Reichthum, sich und den
Seinigen in obgedachten Stücken über die Gebühr
etwas abzubrechen. |
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Die Tugend demnach wohlvermögender
Leute, den Aufwand, den sie neben der
unentbehrlichen Nothdurfft, auf Stand es mäßige
Ehre und Ergötzlichkeit zu verwenden haben, mit
Vermeidung der Kargheit und Knickerey, nach den
Regeln aller Tugenden, insonderheit der
Mäßigkeit, und Sparsamkeit, oder guter
Wirthschaft, zu mäßigen, ist unsers Erachtens
diejenige, die die Lateiner in eigentlichem
Verstand Frugalitas nenneten. Der höheste Grad
derselben, dessen nur
Standes Personen von
grossen Einkünfften, oder doch in sehr hohem
Grade reiche Leute, fähig sind, heisset megalo
presbeia, Magnificentia. Diese ist ein mehr als
gemeiner ansehnlicher Aufwand vorneh- |
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{Sp. 1153|S. 590} |
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mer und reicher Leute, die nach ihrem Stande
und Vermögen zu leben wissen, sonderlich in
öffentlichen Ehren Ausgaben; Da sie ihren
Überfluß theils zu dem
gemeinen Besten, z.E. an
öffentliche Gebäude, zu ansehnlicher Belohnung
grosser Verdienste, theils auch zwar in Privat-Geschäfften, jedoch aber zu gemeinem Nutzen,
und mit öffentlicher Milde und Gutthätigkeit, wohl
anzuwenden wissen, z.E. in Gebäuden, in
Kleidung, Hausrath,
Bedienung, und andern
Beqvemlichkeiten, insonderheit in feyerlichen
Begebenheiten. |
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Denn vornehme und reiche Leute sind
verbunden, nicht wie niedrige und arme, oder die
von mittlerm Vermögen sind, sondern ihrem
Stande und Vermögen gemäß, zu leben, und
ihren Aufwand einzurichten. Dahero ist nicht zu
zweiffeln, daß, da dergleichen ansehnliche und
kostbare Lebens-Art so vernünftig und wohl
anständig geführet werden kan, also eine Tugend
in Ansehung derselben seyn müsse, die gewiß
nicht von geringer Wichtigkeit ist, und deren nur
vornehme Personen, die ein grosses Vermögen
zu Erhaltung der Würde ihres Standes, und zu
Beförderung des gemeinen Nutzens, wohl
anzuwenden haben, fähig seyn können. |
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Aristoteles hat von dieser Tugend, Nicom. …
nicht übel gehandelt, da er
sagt, sie sey: [ein Satz
griechisch], virtus quae circa faciendas impensas
versetur, decentem in magnis sumtum faciens. Sie
bestehet also: [ein Satz griechisch], ut scite et
prudenter judices, quid decori ratio postulet,
magnaque expendas digne et concinne. Er setzet
ihn zweene Fehler entgegen, während der eine
mikroprepeia heisset, das ist, eine geringe,
niederträchtige, knickerische und karge Lebens-Art vornehmer und reicher Leute: der andere
banausia kai apeirokalia, ineptitudo operaria et
magnificentia male affectata, das ist, ein nach Art
gemeiner Leute närrisch geführter
Staat und
Bauren-Stoltz dererjenigen, die sich in die
Vortheile ihres Standes und Vermögens nicht zu
finden wissen.¶ |
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