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Zedler: Wort [6] HIS-Data
5028-59-265-11-06
Titel: Wort [6]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 59 Sp. 310
Jahr: 1749
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 59 S. 168
Vorheriger Artikel: Wort [5]
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Übersicht
III. Theologische Abhandlung (Forts.)
  4. Von Worten, welche heterodox sind, und doch orthodox scheinen.
  5. Von unnützen verbotenen Worten.

  Text   Quellenangaben
  4. Von Worten, welche heterodox sind, und doch orthodox scheinen.  
  Unsere Gottesgelehrten haben auch angemerckt: daß es Worte gebe, welche heterodox sind, und doch so orthodox scheinen. Hievon könnte eine weitläuftige, und zugleich sehr wichtige Abhandlung gemacht werden, weil durch solche Worte, die den Schein der Rechtgläubigkeit haben, unzählige Menschen sind verführt worden. Die gantze Welt ist durch dieses Kunst-Stück vor Zeiten Arianisch, und fast gantz Sachsen ehemahls Zwinglianisch worden. Der Endzweck derer, die ihre Worte mit den reinen Lehren auf gleiche Weise führen, ist zwar nicht einerley: aber bey vielen ist er doch gewesen, andere zu betrügen.  
  Paulus klagt schon über solche falsche Apostel: Solche dienen nicht dem HErrn JEsu Christo, sondern ihrem Bauche; und durch süsse Wor-  
  {Sp. 311|S. 169}  
  te und prächtige Reden verführen sie die unschuldigen Hertzen. Röm. XVI, 18. und Tit. I, 10.
  Die Heilige Schrifft hasset die Zweygängigen, Jac. IV, 8.
  Der Heyde Seneca schreibt. Epist. XXIV Turpe est aliud loqui, aliud sentire.  
  Irenäus, der Bischoff zu Lion, klagt im 1 B. 1. Cap. wider die Ketzer, über dieselben, und insonderheit über die Valentinianer des II Jahrhunderts also: [ein Satz griechisch], Sie reden auf gleiche Weise, meynen es aber anders.  
  Viele Widriggesinnete haben diesen Fehler zeither, und noch jetzo an sich gehabt. Wir wollen nur einige Exempel aus etlichen Glaubens-Artickeln anführen, wie orthodoxe Worte, einen heterodoxen Verstand haben können.  
  Die meisten Gottesgelehrten der Rechtgläubigen behaupten: Unsere wahre Theologie sey logos tou Theou. Die Schwärmer nehmen die Redens-Art, und eben diese Worte an, und beschreiben die Gottesgelahrheit: Sie sey logos tou Theou: sie schelten aber auf unser Wort GOttes und auf unsere Theologie. Gichtel erkläret ihren Sinn P. III. Theosoph. pract. p. 2322: Der Heilige Geist zündet in einem sein Licht an, und begnadiget ihn aus seiner eigenen Inspiration und Erleuchtung zu reden: (das ist das innere Wort GOttes) durch den Buchstaben (das Wort GOttes, d.i. die Heilige Schrifft) ist das Studium Theologiae auf unsern Academien erdacht worden. Barclajus in Apologia Theol. Christ. Thes. 2.
  Die Theologie ist ihrer Natur nach habitus theosdotos; denn der Mensch wird allein durch das Licht des Göttlichen Worts erleuchtet. Die Fanatici sagen, dieser habitus sey theosdotos, in Ansehung, daß er unmittelbar eingeflösset sey, und alles Forschen in der Schrifft ausschliesse. Dieser habitus ist practicus in Betrachtung des Endzwecks, des Vorwurfs und der Gnaden-Mittel: Die Fanatici sprechen, er sey practicus, weil er durch viele innerliche Erfahrungen erlanget werde, und in der Liebe und dem Anschauen GOttes bestehe.  
  Das Wort Traditio bedeutet  
 
1) menschliche Lehren, die nicht in der Schrifft stehen, ja auch wider die Schrifft sind. Diese werden in Articul. Smalcald. p. 337. verworffen.
 
 
2) Eine Göttliche Satzung, d.i. Das Wort GOttes, so erst mündlich, hernach schrifftlich vorgetragen worden.
Chemnitius in Exam. conc. Trident. dec. I. sess. 4. p. 61.
 
3) Die Darreichung der Canonischen Bücher, und das öffentliche Zeugniß der Kirche von denselben.
Irenäus Lib. III, Cap. 2.
 
4) Fromme Gebräuche, welche in der Heiligen Schrifft nicht befohlen sind.
 
  Die Kirchen-Lehrer loben den 2, 3, und 4 Verstand. Die Papisten behalten die richtigen Worte, deuten sie aber auf übele Weise auf die erste Bedeutung. Dergleichen Satzungen aber sind verboten.
  • Matth. XV, 9.
  • 5 B. Mos. IV,
  • 2. Ezech. XX, 18.
  Die Arianer, Böhmisten und Weigelianer sind diesem gefolgt. Ihre Trinitas aber ist mehr eine Dreyfachheit, als Dreyeinig-  
  {Sp. 312}  
  keit. Jani disput. de Trinitate Platonismi falso suspecta p. 31.
  Wir bekennen recht, daß in der Dreyeinigkeit eine ousia oder ein Wesen, und drey hypostaseis oder Selbstständigkeiten sind. Die wahre Kirche hat diesen Verstand allezeit gehabt, ob sie gleich in Worten zuweilen abgegangen. Die rechtlehrenden Väter haben bald eine ousian, bald drey ousias; bald eine hypostasin, bald drey hypostaseis bekennet. Die Anti-Trinitarii haben sich im III und IV Jahrhundert oft unter diesen unbestimmten Wörtern verborgen.  
  Die Sabellianer und Samosacenianer verstanden durch ousian eine Person. Da hingegen in diesem Verstande die Väter drey ousias behaupteten: so traten die Arianer zu ihnen, verstanden aber dadurch nicht drey Personen sondern drey Wesen. Sie nahmen auch drey hypostaseis an; erkläreten es aber wieder durch drey Wesen. Diesen ist auf dem Sardinischen Concilio 347 widersprochen worden. Hieronymus und andere brauchten vor hypostasis das Wort prosopon. Buddeus in Isagoge Hist. theol. p. 1054.
  Athanasius und andere Kirchen-Lehrer haben in der Kirchen-Versammlung zu Alexandrien 362 die Bedeutungen dieser Worte genau determinirt. Athanasii Opp. T. I, p. 447.
  Einige Montanisten haben im II Jahrhundert gelehret, es sey GOtt Vater Sohn und Heiliger Geist. Centuriat. Magdeburg. Cent. V, p. 78.
  Sie haben aber dieses für Nahmen einer Person gehalten. Eben dieses ist von den Sabellianern im III Jahrhundert zu sagen. Epiphanius Haeres. 62.
  Die Mennonisten, Arminianer, und Socinianer nennen Christum den Sohn GOttes; doch leugnen sie die übernatürliche Zeugung. Die Arianer hiessen Christum listiger Weise einen GOtt, meynten aber er habe einen Anfang. Calvinus Lib. I. Institut. Cap. 13. Sect. 5. p. 33.
  Die neuen Photinianer in Catechismo Racou, p. 64. nennen Christum verum Deum; sie verstehen aber durch Deus einen, der eine hohe Gewalt von dem einigen GOtt bekommen hat. Catechesis Racou. Moj. Cap. I, Qu. 28.
  Wir behaupten, daß der Mensch aus Gnaden gerecht werde. Wenn die Papisten eben dieses sagen; so verstehen sie durch die Gnade eine beywohnende Gabe.
  • Bellarmin Lib. I. de gratia et libero arbitrio Cap. 3 et 6.
  • Concil. Tridentin. Sess. VI, Cap. II.
  Wir sagen, daß wir durch den Glauben gerecht werden.
  • Röm. III, 28.
  • Phil. III, 4.
  Die Ketzer haben auch also geredet; aber entweder einen historischen Glauben ohne Zuversicht, oder mit dem Aetius und Eunomius eine blosse Einbildung, daß GOtt auch den Unbußfertigen die Sünde nicht zurechne; oder mit den Papisten den Beyfall, oder das Bekenntniß der Catholischen Lehre; oder mit Weigeln, die Liebe und Nachahmung Christi verstanden.  
  Wir lehren, daß im Heiligen Abendmahle nicht signa sēmantika und andeutende, sondern metadotika und darreichende Zeichen zugegen. 1 Cor. XI, 16.
  Einige Reformirten nehmen dieses an, aber nur in Ansehung der Gnade, und der angehängten Verheissungen.  
  Wir bekennen, daß Christi Leib und Blut im heiligen Abendmahle wahrhaftig zugegen sey, Matth. XXVI, 27: und so redet Wendelin in Christian. Theol. p. 408. und andere auch;  
  {Sp. 313|S. 170}  
  aber sie verstehen nur ad essentiam contemplativam eine Gegenwart der Betrachtung nach, da der Glaube Christum, ob er schon der menschlichen Natur nach, nicht zugegen, als gegenwärtig ergreiffe. Mit dieser Gemüths-Erklärung hat auch Bucerus die Unsrigen betrogen. Chyträus in Hist. Aug. Conf. p. 749.
  Einige geben die Gegenwart zu, aber eine solche, dergleichen die Gegenwart der Sonne auf unserer Erde ist. Zanchius T. VII, col. 49. u.f.
  Wir könnten aus allen Glaubens-Artickeln Exempel anführen, bey welchen man Worte, die in der That orthodox scheinen; aber dem ohngeachtet in heterodoxen Verstande genommen worden sind, angewendet hat. Allein diese wenigen werden vorjetzo schon hinlänglich seyn; und man wird zugleich daraus abnehmen können, wie behutsam man die Schrifften der Widriggesinneten, die doch mit unsern Lehren überein zu stimmen scheinen, lesen müsse.  
     
  5. Von unnützen verbotenen Worten.  
  Hier wollen wir nunmehro eine kurtze Untersuchung über die verbotenen unnützen Worte, von welchen am jüngsten Tage Rechenschafft gegeben werden soll, anstellen. Der Hochverdiente D. Val. Ernst Löscher hat hiervon eine kurtze Abhandlung aufgesetzt, welche in den Unschuldigen Nachrichten des Jahres 1720. p. 969 zu finden ist, und deren wir uns mit Nutzen bedienen wollen.  
  Von diesen unnützen verbotenen Worten handelt die Stelle Matth. XII, 36. Es ist aber hierbey nicht zu rathen, daß man mit dem Grotius durch die unnützen Worte, nur die gehäßigen Reden wider den Nächsten oder mit Hammond und andern seichten Auslegern nur die Gotteslästerungen verstehe. Denn es ist überhaupt besser gethan, wenn man bey den Worten der Heil. Schrifft genau bleibt, als wenn man sich die Freyheit, sie zu mildern und einzuschräncken, nimmt.  
  Der Heyland schließt Matth. XII, 36 augenscheinlich vom geringern zum grössern, und redet also von allem unnützen Geschwätze, worauf er um desto schärffer auf schandbare Worte und Narrentheidungen, ja noch viel mehr auf Gotteslästerungen, und dergleichen mit dem Munde begangene grobe Sünden schliesset. Es ist aber unnützes Geschwätze nicht jedwede gleichgültige Unterredung im täglichen Umgange; sondern eine jede Rede, die nicht in ihren Angeln und Grentzen stehet, wie es in den Sprüchen Salomons ausgedrückt wird die ohne Absehen auf einen guten Endzweck vorgebracht wird, entweder nur aus Gewohnheit, oder aus blosser Gefälligkeit, oder aus Lust zu schwatzen. Dieses letztere ist der unterste Grad der unnützen Worte. Wenn ein mehrers darzu kömmt: so werden arge Worte und ein faul Geschwätz daraus.  
  Solchergestalt aber wird manches zartes Gewissen in den täglichen Umgange unaussprechlich beschweret werden? Die Antwort ist: man mercke nur genau auf die Worte des Heylandes: so wird man Ruhe finden vor seine Seele. Es heißt nicht, man solle um eines jeglichen unnützen Wortes willen verdammt werden; sondern man solle Rechenschafft geben. Nun soll man auch von Mitteldingen, ja gar vor guten anvertrauten  
  {Sp. 314}  
  Sachen Rechenschafft geben. Ein unnützes Wort in dem oben gemeldeten Verstande ist keine verdammliche Sünde; sondern ein hēttēma, ein Fehler, nach Pauli Redens-Art, 1 Corinth. V, 7. welcher uns überführet, wie gering und elend wir in geistlichen Dingen nach dem Sünden-Falle worden sind, mit dem wir uns zur Überzeugung unserer Nichtigkeit schleppen müssen.  
  Von solchen Fehlern muß GOtt allerdings Rechenschafft gegeben werden, ob man sich in denselben vertieft, und eine Fertigkeit darinne erlangt, oder ein Handwerck daraus gemacht habe: ob man seine Freude und Vergnügen daran gehabt, und also seyn geistliches Elend und Nichtigkeit dabey vergessen habe. Ist dieses geschehen, so läst es sich freylich keineswegs verantworten; sondern es muß durch hertzliche Buße vor dem Ausgange aus diesem Leben geändert werden.  
  Daher kan ein gewissenhafter Christ in diesem Puncte sein Hertz stillen vor GOtt; wenn er  
 
1) die liederliche Art der Welt, da man ohne sein Fleisch und Blut zu zwingen, schwatzt, was einem vorkömmt; hasset, und in solches unordentliche Wesen nicht mit zu lauffen, allen Fleiß anwendet.
 
 
2) Den festen Vorsatz faßt, auch in der That sich dahin bemühet, daß er seine Reden überall zu gewissen guten Endzwecken nach Anleitung der Christl. Klugheit richte, und sich dessen bey menschl. Schwachheit offt erinnert, zuförderst aber den guten Geist GOttes um rechte Bewahrung des Mundes im wahren Glauben anrufft.
 
 
3) Wenn er übereylet wird, daß er in der Gesellschafft etwas redet, davon ihn sein Gewissen überzeugt, daß es entweder gar keinen guten und zugelassenen Endzweck habe, oder doch nicht dahin gemeynet gewesen, sondern ihm entfahren sey, daß er daran nicht ein Vergnügen hat, sondern es als ein Merckmahl seiner Unvollkommenheit ansiehet, auch daraus erkennet, daß er im Fleische sey, und einen bessern Zustand in der Ewigkeit zu erwarten habe, auch um desto mehr an seiner eigenen Gerechtigkeit verzage, und zu der Versöhnung, so durch Jesum Christum geschehen ist, seine Zuflucht nehme.
 
  Wenn er  
 
4) ernstlich und fleißig bemühet ist, daß aus solchem Fehler nicht eine Fertigkeit werde, als worbey nicht geringe Seelen-Gefahr, und eine grosse Fahrläßigkeit anzutreffen ist.
 
  Wo dieses fest gesetzt bleibt: so kommen eines wiedergebohrnen Christen unnütze Worte zwar in Judicium discussionis, welches uns in täglicher Wachsamkeit erhalten soll: aber nicht in Judicium condemnationis. Es scheinet zwar als ob der Heyland in der obigen Stelle durchaus von einem verdammlichen bösen Hertzen, und also auch von solchen Worten rede, die keine verdammliche Frucht und Ausbruch desselben sind, wie sonderlich der 33. 34. 35 v. an die Hand geben. Allein das de, aber, womit der 36 v. anfängt, zeigt, daß der Heyland etwas besonderes in demselben vortragen wollen. Daher es auch die besten Übersetzer, z.E. E.S. Schmid, also gegeben. Jam porro vero dico vobis. Jesus macht nemlich einen Schluß, von kleinern zum grössern: Hat jedermann auch so gar die Frommen Ursache sich wohl zu prüfen, indem sie auch von  
  {Sp. 315|S. 171}  
  unnützen Worten Rechenschafft geben sollen: wie viel mehr habt Ihr Ursache besser zu leben, und eurer Verdammniß zu entgehen? Diese Redens-Art, ich sage euch, braucht Christus ordentlich, wenn er eine Sache genau erinnert, also Matth. V, 22. 32. 34. 44. XII, 6. XIX, 4.  
  Daß im 37 Verse vom Verdammen geredet wird, daraus folgt nicht, daß im 36 v. auch eine Rechenschafft zur Verdammung Judicium damnationis, verstanden werden müsse. Denn im 36 v. ist das Argument; im 37 Verse aber die Application zum Hauptsatze, daß nemlich die Pharisäer verdammlich sündigten, und daß auch ihre Zungen-Sünden würden verdammt werden.  
  Übrigens kan man nach den Gewissens-Regeln der Schrifft das nicht einmahl unnütze Worte nennen, wenn jemand nach Proportion seiner Arbeit und Gemüths-Zustandes mit einem rechtmäßigen und erlaubten Endzwecke von gleichgültigen Dingen mit andern redet; sondern wenn diese Endzwecke aus den Augen gesetzt, und überschritten werden. Dies ist der erste Grad der unnützen Worte. Hieronymus redet schon von einem höhern Grade, und wer der Sache nachdenckt, wird ein mehrers finden.  
     

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Stand: 4. April 2013 © Hans-Walter Pries