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Zedler: Wort [5] HIS-Data
5028-59-265-11-05
Titel: Wort [5]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 59 Sp. 303
Jahr: 1749
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 59 S. 165
Vorheriger Artikel: Wort [4]
Folgender Artikel: Wort [6]
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Übersicht
III. Theologische Abhandlung
  1) von dem selbstständigen Worte.
  2) Von dem eingepflantzten Worte.
  3) Vom innern und äussern Worte.

  Text   Quellenangaben
  III. Theologische Abhandlung  
  1) von dem selbstständigen Worte.  
  Wir finden in der Schrifft, daß unser Erlöser Vorzugsweise das Wort ho logos, genennet wird. GOtt dem Herrn wird überhaupt in der Schrifft ein dreyfaches Wort zugeschrieben: mentale, orale, und substantiale. Christus ist das selbstständige Wort GOttes, welchen Nahmen er darum führt, weil der Vater seine verborgenen Gedancken und Rathschlüsse von unserer Seeligkeit durch denselben geoffenbahret hat; gleichwie wir unsere Begriffe durch die Stimme und durch Worte andern bekannt machen. Daher heist es von ihm Joh. I, 18: Houtos exegesato der hat es uns geoffenbahret, oder verkündiget. So sind auch die Worte Johann I, 14: Das Wort ward Fleisch, und wohnte unter uns, von Christo zu verstehen.  
  Durch Wort wird die Göttliche Natur unsers Heylandes von dem Evangelisten angezeigt. Dieses ist aus seinen Worten und was er in denselben von dem Worte und dessen Eigenschafften und Würckungen sagt, unwidersprechlich offenbar. Gleich vom Anfange seines Evangelii saget Johannes: Daß das Wort vom Anfange gewesen sey; daß es bey GOtt gewesen, daß es GOtt selbst gewesen. Alle Dinge seyn durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe sey nichts gemacht. In ihm sey das Leben, und dieses Leben sey das Licht der Menschen. Dieses sey das wahrhafftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet. Es gebe die Macht, GOttes Kinder zu werden, denen, die an seinen Nahmen gläuben. Im 16 Vers rufft Johannes aus: Aus seiner Fülle haben sie alle genommen, nehmen noch, und werden inskünfftige nehmen Gnade über Gnade.  
  Dieses sind lauter Göttliche Eigenschafften und Wür-  
  {Sp.304}  
  ckungen, welche die Göttlichkeit des Wortes, das Fleisch worden ist, d.i. unsers Heylandes, klärlich anzeigen. Die Göttliche Natur unsers Heylandes ist also vor allen Dingen und von Ewigkeit gewesen. Solches zeigt nicht nur Johannes mit den Worten an: Im Anfang war das Wort; sondern es fliesset auch aus der Göttlichekit von sich selbst. Und da dieses Wort GOtt ist, GOtt aber ewig ist; und niemahls worden, sondern als das nothwendige Wesen allezeit gewesen ist: so ist auch das Wort allezeit und von Ewigkeit gewesen.  
  Diese ewige Natur unsers Heylandes wird das Wort genennet; nicht in derjenigen Bedeutung, in welcher die von den Menschen ausgesprochenen oder geschriebenen Worte also genennet werden. Denn erstlich finden sich solche Worte nicht bey GOtt, und  er hat nicht nöthig, seine Gedancken durch einen Schall oder sichtbares Zeichen auszudrücken. Und ob er wohl, wie er alles vermag, auch einen solchen Schall, wie in den menschlichen Reden geschiehet, oder solche Zeichen, wie die menschlichen Schrifften sind, wenn er will, hervorbringen kan, solches auch würcklich vielmahls gethan, und z.E. mit Adam, Noah, Abraham, und andern Gläubigen, ja auch mit einigen Gottlosen, z.E. dem Cain etc. vernehmlich geredet, als auch auf die dem Mose gegebene steinerne Tafeln des Gesetzes sichtbare Worte geschrieben hat: so sind doch, welches der zweyte Grund ist, daß hier nicht von einem solchen Worte die Rede sey, solche Worte nichts wesentliches, und selbstständiges, sondern geschehen in der Zeit, und können also die Göttliche Natur unsers Heylandes, als etwas Wesentliches und Ewiges nicht anzeigen.  
  Und dieser Begriff von einem solchen menschlichen Worte muß in Erklärung dieser Stelle ferne von uns bleiben. Durch dieses Wort wird vielmehr die ewige und wesentliche Weisheit GOttes angezeigt. Johannes sagt nicht, ein Wort, oder eine Rede, sondern logos, welches eigentlich die Vernunfft oder die Weisheit anzeigt. Und wenn der Geist GOttes durch David sagt: Der Himmel ist durch das Wort des HErrn gemacht, Ps. XXXIII, 6: so erkläret er durch Salomo, was für ein Wort hier verstanden werde, wenn dieser sagt: Der HErr hat die Erde durch seine Weisheit gegründet, und durch seinen Rath die Himmel bereitet; durch seine Weisheit sind die Tiefen zertheilet. Welches der Geist der Weisheit durch den Propheten Jeremias wiederholet: Er hat die Erde gemacht, und den Welt-Kreis bereitet durch seine Weisheit, und den Himmel ausgebreitet durch seinen Verstand, Jer. X, 12, LI, 15.
  Und diese selbstständige Weisheit wird uns beschrieben in dem VIII Cap. der Sprüchwörter Salomonis mit solchen Worten, die mit demjenigen, was in den gegenwärtigen Worten Johannis und in andern Stellen der heiligen Schrifften von Christo gesaget wird, eigentlich übereinstimmen; wie denn dieses Capitel der Sprüche Salomonis durchgehends bey den Auslegern von Christo und seiner ewigen Gottheit angenommen und erkläret wird: Rufet nicht die Weisheit, und die Klugheit lässet sich hören öffentlich an dem Wege, und an  
  {Sp. 305|S. 166}  
  der Strasse stehet sie, an den Thoren bey der Stadt, da man zur Thüre eingehet, schreyet sie etc. Sprüchw. VIII, 1 u.f.
  Dieses ist von unserem Heylande in seinem gantzen Leben und durch den Geist der Weissagung schon vor seiner Menschwerdung vom Anfange der Welt geschehen; es geschiehet noch, und wird bis an das Ende der Welt geschehen. Mein ist beyde Rath und That; ich habe Verstand und Macht. Durch mich regieren die Könige und die Raths-Herren setzen das Recht. Durch mich herrschen die Fürsten und alle Regenten auf Erden. Sprüchw. VIII, 14.
  Solches ist eben das, was von Christo gesagt wird in unterschiedenen Psalmen, bey dem Propheten Jesaia, und was er selbst von sich saget: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.  
  Insonderheit aber trifft mit dem Anfange des Evangelii Johannis genau überein, was diese Weisheit von dem 22 V. an des angezogenen VIII Capitels der Sprüche von sich redet: Der HERR hat mich gehabt im Anfange seiner Wege, ehe er was machte, war ich da. Ich bin eingesetzet von Ewigkeit von Anfange vor der Erde, da die Tiefen noch nicht waren, da war ich schon bereitet. Er hatte die Erde noch nicht gemacht, und was daran ist = = = Da er die Himmel bereitete, war ich daselbst. Da er die Tieffen mit seinem Ziele verfassete = = = Da er dem Meere das Ziel setzte, und den Wassern, daß sie nicht übergehen seinen Befehl. Da er den Grund der Erden legte, da war ich der Werckmeister bey ihm, und hatte meine Lust täglich, und spielete vor ihm allezeit; und spielete auf seinem Erdboden: und meine Lust ist bey den Menschen-Kindern.  
  Daß in keinem andern das Heyl sey, und kein anderer Nahme den Menschen gegeben worden, darinnen sie sollen seelig werden, wird in den letzten Worten dieser Stelle der Sprüche angezeigt: Wer mich findet, der findet das Leben, und wird Wohlgefallen vom HErrn bekommen. Wer aber an mir sündiget, der verletzet seine Seele: alle die mich hassen, lieben den Tod. V. 35. 36.
  Eben dergleichen wird von dieser wesentlichen Weisheit auch vorher gerühmet: Wohl dem Menschen, der Weisheit findet. Ihre Wege sind liebliche Wege, und alle ihre Stege sind Friede; sie ist ein Baum des Lebens allen, die sie ergreiffen, und seelig sind, die sie halten. Sprüchw. II, 13.
  In dem folgenden wird eine göttliche Sicherheit und der völlige Friede GOttes denjenigen versichert, die diese göttliche Weisheit haben, und mit ihr vereiniget sind. Dann wirstu sicher wandeln auf deinem Wege = = daß du dich nicht fürchten darffst. Denn der HERR ist dein Trotz. Sprüchw. III, 21-26.
  Dieses kan von keiner menschlichen Weisheit gesagt werden, und eben dieses ist dasjenige, was von Christo gesagt wird: In ihm haben wir Friede, er ist unser Friede. Johann XVI, 33.
  Diese in diesen Worten, und vielen andern Stellen der Heiligen Schrifft beschriebene ewige und selbstständige Weisheit GOttes ist das Wort, logos, von welchem Johannes in der oben an-  
  {Sp. 306}  
  geführten Stelle redet, und welches Wort Fleisch worden ist, nemlich die göttliche Natur unsers Heylandes. Daher wird dieser Nahme seiner gantzen Person, nach der Vereinigung des Wortes und des Fleisches, und noch nach seiner Himmelfahrt beygelegt. Wir erkennen solches aus dem heiligen Gesichte, welches dem Johanni gezeiget worden, und von ihm beschrieben wird; da er den Himmel offen sahe, und in demselben ein weisses Pferd; und der darauf saß, hieß treu und wahrhafftig, und richtet, und streitet mit Gerechtigkeit. Und seine Augen waren wie Feuer-Flammen, und auf seinem Haupte viel Kronen; und hatte einen Nahmen geschrieben, den niemand wußte, denn er selbst. Und er war angethan mit einem Kleide, das mit Blut besprenget war, und sein Nahme heißt ho logos tou Theou, das Wort GOttes. Offenbahr. XIX, 11.
  Es erhellet aus dieser und der noch nachfolgenden Beschreibung, daß unser Heyland hier angezeigt werde, und von Johanne sey gesehen worden. Eben derselbe, der in dieser herrlichen Erscheinung den Nahmen auf seinem Kleide und an seiner Hüffte geschrieben führte: Ein König aller Könige und ein HERR aller Herren, träget auch den Nahmen ho logos tou Theou, das Wort GOttes; aus welchem Nahmen deutlich erhellet, daß durch das Wort, ho logos, nicht ein in der Zeit ausgesprochenes oder geschriebenes Wort, sondern ein selbstständiges Wesen angezeiget werde.  
  Durch dieses Wort des HErrn sind die Himmel gemacht, Ps. XXXIII, 6, und obgleich diese Worte auch von einem blossen Befehls-Worte, obwohl nicht so eigentlich (denn Worte vermögen nichts, wo sie nicht mit einer geistlichen und würckenden Krafft verbunden sind) verstanden werden möchten: so erkläret uns doch dieselbe Paulus, und zeiget, durch was für ein Wort des HErrn die Himmel und alle Geschöpfe gemacht worden sind, wenn er in dem Briefe an die Colosser I, 15 u.f. von Christo also schreibt: Daß er sey das Ebenbild des unsichtbaren GOttes, der Erstgebohrne vor allem Creaturen. Durch ihn sey alles geschaffen, das im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, beyde die Thronen und Herrschafften und Fürstenthümer und Obrigkeiten. Es ist alles durch und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allen, und es bestehet alles in ihm. Und Hebr. I, 2 u.f. Durch den Sohn, welchen er gesetzet hat zum Erben über alles, durch welchen er auch die Welt gemacht hat, welcher ist der Glantz seiner Herrlichkeit, und das Ebenbild seines Wesens.  
  Wie nun Paulus dieses ausdrücklich von dem Sohne GOTTes sagt, Johannes aber und David eben dasselbe von dem Worte GOttes anführen, und der Prophet Jeremias in den zuvor angezogenen Stellen solches der Weisheit GOttes zuschreibt: also ist es deutlich und gewiß, daß Christus das Wort GOttes, das Wort GOttes aber die Weisheit GOttes, der Sohn GOttes sey.  
  Es wird aber Christus nicht nur das Wort GOttes, sondern das Wort die Weisheit insgemein genennet. Denn er ist die einige und allgemeine Weisheit; er ist die Weisheit des Vaters; er ist aber auch  
  {Sp. 307|S. 167}  
  nach dessen Ordnung und Willen die Weisheit aller Menschen und vernünfftigen Wesen. Und wie er uns von GOtt gemacht ist zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung: also ist er uns auch von ihm gemacht zur Weisheit,
  • 1 Corinth. I, 30.
  • Coloss. II, 3.
  In ihm und in dem Geheimnisse seiner Erkenntniß liegen verborgen alle Schätze der Weisheit. Daher wird er auch von Johanne in eben diesem ersten Capitel seines Evangelii genennet, das Licht der Menschen, das wahrhafftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen: in welchem das Leben der Welt ist. Und gleichwie die Sonne, als das natürliche Licht, alles erleuchtet, erwärmet, bewegt und belebet: so ist Christus in viel höhern Verstande die Sonne, das allgemeine Licht der Seele, welches alles erleuchtet, und alles lebendig macht.  
  Gleichwie aber die Weisheit und der Verstand sich durch Worte offenbahren, und diese Zeichen desselben sind; und eben daher auch das Wort, welches eigentlich Vernunfft, Weisheit bedeutet, auch in dem Verstande gebraucht wird, da es ein Wort, oder auch eine Rede anzeiget: also ist auch Christus, der Sohn GOttes, billig das Wort GOttes, oder des Vaters genennet worden: weil er uns den Willen GOttes, den niemand je gesehen, verkündiget und erkläret hat, wie Johannes in eben diesem ersten Capitel schreibt; und weil der Vater hat durch ihn alles gewürcket und hervorgebracht hat.  
  Der Ausdruck verdienet hiernächst angemerckt zu werden: im Anfang war das Wort. Im Anfang da nichts war, ausser GOtt, da GOtt Himmel und Erde schuf, war das Wort schon, und das Wort war bey GOtt, und GOtt war das Wort; oder, das Wort war GOtt. Diesem Worte wird die Schöpfung aller Dinge zugeschrieben: alle Dinge sind durch dasselbige gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.  
  Übrigens ist auch dieses hier noch zu bemercken, daß der Evangelist, wenn er was selbstständiges anzeigen will, lieber dieses Wort, als den Nahmen Sohn brauche; theils damit er das Gemüth von aller materiellen und fleischlichen Zeugung abführe, theils damit er sich den Ketzern entgegen setze, welche die ewige Gottheit leugneten.  
  Dieses bedeutet also das Wort; welcher Nahme Christo beygelegt wird.  
     
  2) Von dem eingepflantzten Worte.  
  Wir gehen nunmehro zu andern Betrachtungen fort.  
  Hier wollen wir gleich anmercken, daß Justinus ein eingepflantztes Wort vorgegeben habe. Er sagt ho logos, das Wort, wodurch er doch den Sohn GOttes verstehet, sey allenthalben, und was alle Scribenten von der Wahrheit aufgezeichnet hätten, wäre ihnen durch den Saamen des eingepflantzten Wortes bekannt worden. So viele mit diesem Worte gelebt hätten, wären Christen, ob sie schon für Atheisten wären gehalten worden, als Socrates, Heraclitus, und dergleichen. Apol. I, p. 83. Apol. II, p. 46. 51.
  Auf diese irrigen Gedancken ist er unstreitig durch Verleitung der Platonischen Philosophie gerathen. Vielleicht hat er sich eingebildet, er könne auf solche Weise die Weltweisen  
  {Sp. 308}  
  desto leichter überreden, wenn er lehrete, die Christliche Religion sey von den Regeln der klügern Weltweisen nicht unterschieden; weil die Heyden und Christen einem Lehrmeister, nehmlich Christo, die Wahrheit zu dancken hätten.  
     
  3) Vom innern und äussern Worte.  
  Es ist auch in dem gegenwärtigen Jahrhunderte von einigen Enthusiastischen Köpfen viel vom innern und äussern Worte geredet worden. Durch das innere Wort verstehet man eine unmittelbare freundliche Rede GOttes in Christo Jesu durch den Heiligen Geistt mit seinen Kindern und allen wahrhafftig Gläubigen in dem inwendigsten Grunde ihrer Seelen zu ihrer täglichen Unterweisung und zu ihrem ewigen Heyl. Es habe solches seinen Grund in der Schrifft, welche fast auf allen Blättern davon zeige, und in der Erfahrung.  
  Diese innere Stimme, oder Einsprache werde nicht mit äuserlichen, sondern mit innerlichen Ohren des Geistes gehöret, und verstanden. Sie sey eben das, was sonst in Heiliger Schrifft Christus in uns, die Salbung, der Heilige Geist, die innerliche Offenbahrung, und dergleichen mehr genennet werde. Dem äusserlichen Worte, oder der Heiligen Schrifft sey sie nicht entgegen; sondern stimmte mit demselben überein, indem das äusserliche Wort aus dem innerlichen entsprungen. Es sey das innere Wort wohl in allen Menschen, aber nicht auf einerley Art und Weise.  
  Auf eine andere Art wäre es in denen noch Unbekehrten; oder die noch auf dem Wege der Bekehrung wären, und zwar als ein Richter der Gedancken und Sinnen des Hertzens, welchen jedermann auch wider Willen hören müsse; auf eine andere Art aber in den bereits zu GOtt bekehrten, und ihm gehorsamen Hertzen, und zwar als eine freundliche Vaters- und vertraute Bräutigams-Stimme; als recht Evangelisches Fried- und Freuden-Wort, voller Geist, Leben, Liebe, Huld, Gnade, Süßigkeit und Seeligkeit.  
  Was die vernehmliche Stimme dieses Worts betreffe: so höre man solche eben nicht immerfort; am allerwenigsten, so offt man es etwa aus geistlicher Eigenliebigkeit über alle Kleinigkeiten gern hätte; sondern nur in wichtigen Angelegenheiten und grossen Leibes- und Seelen-Nöthen. Doch sey nicht zu leugnen, daß je getreuer die Seele diesem innern Worte in allen seinen An- und Einsprüchen werde, und je näher sie GOtt in Christo und seiner Nachfolge komme; je mehr und öffters werde sie auch dasselbe zu hören gewürdiget.  
  Am allermeisten lasse sich solches in der Nacht-Zeit hören und vernehmen, bisweilen auch im Schlafe. Das vornehmste Mittel zur Anhörung dieses innern Wortes zu gelangen, sey ein ernstliches unabläßig inneres Gebet. Demjenigen, was man auf solche Weise gehöret, müsse man treulich nachkommen.  
  Auf diese Weise wird das innere Wort von dem bekannten Fanaticus und Enthusiasten Tennharten und seinen Anhängern vorgestellet und beschrieben. Allein dieser Enthusiaste und alle seines gleichen, welche auf das innere Wort fallen, und die natürlichen Regungen der Seele und insonderheit der Imagination für göttlich halten, müssen noth-  
  {Sp. 309|S. 168}  
  wendig auf grobe Irrthümer verfallen.  
  Er hat auch 1713 eine Schrifft hiervon heraus gegeben, welche den Titel führt: Schriftmäßiges Zeugniß vom innern und äussern Worte GOttes, wie nemlich alles nach der Natur und Gnade, Kraft des wesentlichen innern und ewigen Wort des Vaters von innen heraus komme; und was denn das äusere, insonderheit die Heilige Schrifft und Lehr-Amt zum Heyl der Menschen im Reiche der Gnaden beytrage und befördere, aus Liebe des Nächsten heraus gegeben durch einen aufrichtig Gesinneten. Ingleichen hat er in eben diesem Jahre ans Licht gestellet: Kurtze doch gründliche Unterweisung von dem innern Worte GOttes, um der Einfältigen willen, in Frag und Antwort gestellet, von einem Liebhaber desselben, und nun zum andernmahle desselben im Druck gegeben. Diese Unterweisung ist auch 1726 zum drittenmahle zum Vorschein gekommen.  
  Unter denenjenigen, welche Tennhardten beygefallen und seine vorgegebenen Meynungen gebilliget, dieselben auch zu vertheydigen und zu befestigen gesuchet haben, ist der vornehmste Tobias Eisler. Es hat derselbe nebst allen denjenigen, welche sich von dieser und andern Meynungen einnehmen lassen, viele Unruhen in der Kirche Christi verursacht.  
  Diese Leute, die so viel von dem innern Worte geredet haben, sonderten es von dem äusern Worte ab, welches die meisten einen blossen todten Buchstaben nenneten. Also hat jetzt gedachter Tobias Eisler in dem grossen Geheimnisse in allen Menschen, oder in dem durch Türcken und Heyden beschämten Christenthum, 1720, p. 207 u.ff. behaupten wollen: Das Gesetz im Gewissen sey Christus selbst. Dieses innere Wort sey der einige wahre Grund des gantzen rechtschaffenen Christenthums. Eben dieses Wort nennet er auch, das innere natürliche Licht, wobey der Verfasser dieses Buches offt die Mittel zur Seeligkeit verachtet, und sie nur Ausgeburten der Vernunfft nennet.  
  Die Gottesgelehrten haben daher aus gutem Grunde das innere Wort der Schwärmer verworffen. Allein nicht alle Gelehrten fassen die Meynung der rechtgläubigen Lehrer recht, und viele verstehen sie gar nicht. Dieses Unglück hat Herr Saligen betroffen, welcher im III Theile seiner vollständigen Historie der Augspurgischen Confeßion und derselben zugethanen Kirchen im XI Buche 11 Cap. §. 28. eine weitläufftige und meistentheils unnütze Digreßion machet, und von dem innern Worte handelt. Er schreibt, er könne sich nicht genug verwundern, daß die Lehre davon bis auf den heutigen Tag vielen so gar verdächtig, fanatisch, enthusiastisch und schwärmerisch vorkomme, da sie doch so offenbahr in der Schrifft ihren Grund habe. Denn Christus, als das selbstständige Wort, wohne ja in unsern Hertzen, und sey nicht stumm darinne.  
  Woher muß aber Herr Salig erfahren haben, daß Christus deswegen das Wort heisse, weil er in unsern Hertzen wohnet? Hier zeigt er eine vortreffliche Probe, daß er die Schrifften der reinen Gottesgelehrten nicht verstehe: wie er sich denn überhaupt sehr vergehet, wenn er Schwenckfelden vertheidiget, und seine Widersacher hurtig verdammet.  
  Eben so haben nur vor wenig  
  {Sp. 310}  
  Jahren die Fanatici in Ostgothland viel vom innern Worte, und vom mystischen Verstande geredet, woraus nichts anders als viel ungereimte Reden geflossen sind. In dem IV Theile der höchst anstößigen Berlenburgischen Bibel wird Daniel X, 9. eines dreyfachen förmlichen Wortes Erwehnung gethan: das eine sey das äusere, das andere sey das Wort im Verstande, und das dritte sey im Centro der Seele. Die beyden erstern Arten sollen sehr betrüglich, das dritte aber gewisser seyn. Auch soll es noch wesentliche und nicht förmliche Worte geben, die aber in die höhern Zustände, und vor die im Glauben stehenden Seelen allein gehöreten.  
  Was aber die Schwenckfelder anbetrifft; so haben sie doch bis auf das jetzige Jahrhundert einen Anhang in Schlesien behalten; obgleich ihr Haupt Caspar Schwenckfeld schon 1527 aus Schlesien vertrieben worden. Um das Jahr 1720 haben sich viele Schwenckfelder im Herzogtum Jauer befunden, unter welchen damahls George Hauptmann, ein vier und achtzigjähriger Chymicus und Medicus, der vornehmste gewesen. Dieser hat seyn gründliches und eigentliches Bekenntniß nach XIV Artickeln des Christlichen Apostolischen Glaubens-Bekenntnisses eingerichtet, aufgesetzt, in welchem er sich im VII Art. folgendermassen erkläret:  
  Vom GOttes Worte glaube ich, daß es vom Heiligen Geiste in das Hertz und Seele und in den innern Menschen eingesprochen lebendig und kräftig wird. Nicht in Schrift- und Zeuge-Wort auch nicht darinne verbunden. Denn wir gehen im Worte Fiat im Mutterleibe auf, welches ist Licht und Leben in uns, das scheinet in uns. Von dem zeuget das äusere Wort dem äusern Menschen. Darum ist ein Unterscheid das äusere und innere Wort GOttes zu hören: das äusere Wort dienet, das innere herrschet, das äusere vergehet, das innere bleibt, das äusere spricht ein Mensch zu, das innere spricht der Heilige Geist ein. Ist also das Wort GOttes, welches ist unser Leben und Licht in uns, so muß ichs ja durch den wahren Glauben an Jesum Christum, welcher ist eine Substantz, oder das Füncklein, oder Lichtlein in mir, aufwecken, und durch die Liebe GOttes und Christi anzünden.  
     

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Stand: 5. April 2013 © Hans-Walter Pries