Titel: |
Unsinnigkeit, (verliebte) |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
49 Sp. 2066 |
Jahr: |
1746 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Bd.
49 S. 1048 |
Vorheriger Artikel: |
Unsinnigkeit, (Simulirte) |
Folgender Artikel: |
Unsinnigkeit, (Vermuthung der) |
Siehe auch: |
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Hinweise: |
- Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe
Hauptartikel
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Text |
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Unsinnigkeit, (verliebte) heißt eine unmäßige
und thörichte Liebesneigung, welche sich bey
jungen und
alten
Personen von beyderley
Geschlechte bisweilen äussert, so, daß sie
beständig ihren verliebten
Gedancken nachhängen
darüber Essen, Trincken, Schlafen, und alle übrige
Verrichtungen vergessen, und endlich in eine
besondere
Art der Melancholie, oder Liebesthorheit
gerathen, dergleichen Beschwerde die Griechen
Heros
genennet haben. |
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Diejenigen, welche an einer solchen Seuche
kranck sind, können füglich in zwey Gattungen
eingetheilet werden: indem einige überhaupt den
Umgang mit dem andern Geschlechte begierig
suchen, denn bey erhaltener
Gelegenheit sich auf
eine lächerliche, oder auch ungestüme Weise in
Reden und Geberden ausserordentlich verliebet
bezeigen, und ihre
Dienste frech und
unzüchtig
anbieten; Andere aber einen
gewissen Gegenstand
ihrer verliebten
Neigung haben, nach dessen Besitz
und Genuß sie mit
ängstlichen Seuffzen und
Ächzen streben,
Tag und
Nacht alles Tichten und
Trachten darauf richten, und sich wachend und
schlafend in den Gedancken, mit dem Geliebten, als
gegenwärtig, besprechen. |
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Die Verliebten von beyderley Art wer- |
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{Sp. 2067|S. 1049} |
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den endlich durch solche unaufhörliche
Vorstellungen und
Einbildungen, wenn sie den
Zweck ihrer Wünsche nicht erreichen, im
Verstande
verrückt, und verfallen, nach
Unterscheid ihres
Temperamentes, und nach der Hefftigkeit ihrer
Leidenschafft, entweder in eine traurige und
schwermüthige Tiefsinnigkeit, oder in eine wütende
und rasende Tollsucht. |
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So deutlich nun aus der angeführten
Beschreibung die Kennzeichen sind, aus welchen
man diese Maladie abnehmen kan; so schwer und
bisweilen
unmöglich fället hingegen die Cur und
Wiederherstellung der an solcher Unsinnigkeit
kranck liegenden Personen. Denn da mehrentheils
die
Umstände so beschaffen sind, daß man das
rechte Mittel, nach welchen sich der Krancke
sehnet, nicht wohl verordnen, und zu gestehen kan;
so wollen hernach, ausser dem, weder Kraut noch
Pflaster helffen. |
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Man hat aber bey Unternehmung der Cur auf
die unterschiedlichen
Ursachen wohl Acht zu
geben, und besonders zu
untersuchen, ob eine
solche
unordentliche Liebesneigung nur blos von
moralischen Ursachen herkomme, oder ob
würcklich materielle Ursachen in dem Cörper
angetroffen werden, welche entweder überhaupt zur
Geilheit anreitzen, oder zu einer besondern
Liebesmelancholey und Thorheit Anlaß geben
können. |
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So
zehlet man
z.E. unter die ersten Ursachen
eine üble
Auferziehung, den öfftern
Umgang mit
unzüchtigen Personen,
Müßiggang, Verführung,
beygebrachte
Meynung, als wenn diese oder jene
Person eine besondere Neigung zu einem trüge,
und man dadurch sein
Glücke machen könne,
dergleichen Comödien offtermahls mit
leichtgläubigen und einfältigen Leuten gespielet
werden, und nachgehends gar leichte zur
gäntzlichen Verrückung des Verstandes
Gelegenheit geben. |
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Zu den materiellen Ursachen aber kan man
rechnen, ein wollüstiges und verliebtes
Temperament, hitziges scharffes und saltziges
Geblüte, Überfluß des Saamens, bey den
Frauenzimmern verstopffte monatliche Zeit und
soferner. |
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Wenn also dieses Übel von moralischen
Ursachen herkommt, so
muß
man auch gleichmäßige Mittel dafür brauchen, nehmlich, wenn es junge Leute sind,
dieselben in
guter
Zucht halten,
ihnen den Umgang, und die Gelegenheit, wodurch
sie können verführet werden, beschneiden,
hingegen
Arbeit und zu
thun verschaffen, daß sie
keine
Zeit haben, den unzüchtigen Gedancken
nachzuhängen; sie von den Personen, in welche sie
sich verliebet, auf eine Weile entfernen, in fremde
Länder schicken, oder, wenn es die Umstände
leiden, mit einer verständigen Person
verheyrathen. |
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Verfallen aber Leute von reiffen Alter in solche
Thorheit, so muß man versuchen, wie weit man es
durch gute Vorstellungen und Ermahnungen
bringen könne, und darbey diejenigen Artzneymittel
brauchen, welche das hitzige Blut mäßigen, und
mithin die Hefftigkeit der Leidenschafften
bezäumen, dergleichen sind starcke Purgansen,
Aderlassen, kühlende und niederschlagende
Artzneyen, von welchen wir gleich jetzo ein
mehreres gedencken wollen. |
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Denn daferne eine kränckliche oder auch
besondere Leibesbeschaffenheit dabey vorfället, so
muß dieselbe vor allen
Dingen geändert und
verbessert werden. Das wallende und hitzige Ge-
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{Sp. 2068} |
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blüte besänfftiget man, nach geschehener
Ausleerung, z.E. durch Aderlassen, Schröpffen,
oder eine gute Purgantz, am besten durch
Salpeterartzneyen, mit Absorbir- und gelinden
Schmertzmitteln verbunden; die Menge oder der
Überfluß des Saamens wird theils durch eben diese
Mittel, theils auch durch einige sogenannte
Specifica, als Lattich, Münze, Seeblumen, Hanff und
Keuschbaumsaamen, Campher, weisses Fischbein,
Bleyzucker und andere Bleyartzneyen, sowohl
innerlich, als äusserlich auf die Lenden und über die
Schaamgegend geleget, gemäßiget, die verstopffte
monatliche Zeit aber durch gehörige Medicamente
wieder hergestellt. |
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Dabey hat man solchen Personen eine strenge
Diät vorzuschreiben, daß sie sich überhaupt mit
Essen und Trincken nicht überladen, sondern mäßig
und nüchtern leben; absonderlich sind ihnen keine
scharffgesaltzene, gewürtzte und zur
Wollust
reitzende Speisen, auch keine dicken und starcken
Biere oder geistige Weine zum
ordentlichen
Gebrauche zu zulassen. |
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Wenn alle diese Mittel nichts ausrichten,
sondern die Thorheit täglich mehr zunimmt, so
pfleget man endlich dergleichen
unglückliche
Liebesgecken in ein Toll- oder Zuchthaus zu
bringen, und damit entweder zu versuchen, ob man
durch etwas schärffere Zucht den Kützel vertreiben
könne, oder zum wenigsten zu verhüten, daß
dergleichen unsinnige Leute weder sich selbst, noch
andern Personen ein Leid und
Schaden zufügen
mögen. |
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David Friedel, hat dem 1ten Haupttheile seines
expediten und bewährten Medici … aus Woyts
Schatzkammer … folgende Kühlmilch zu
dergleichen
Zustande: |
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[6 Zeilen lateinische Rezeptur] |
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Vermischet es wohl untereinander. |
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Es kan auch von dieser
Materie der
Artickel: |
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nachgelesen werden. |
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