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3. Von den Meynungen der Christen:
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a) Zu den ältern Zeiten.
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Was dißfalls in der
Christlichen
Kirche zu den
ältern
Zeiten fürgegangen,
haben wir so weitlaufftig nicht auszuführen, und ist genug, wenn wir so viel
anmercken, daß die
heydnischen
Irrthümer sich auch bey denen, welche Christen
heissen
wolten, eingeschlichen haben. Es
theilten sich hier die
Meynungen in
drey
Classen. |
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Einige haben die
Freyheit des
Willens gäntzlich auf, als die Valentinianer,
Marcioniten, Hermogenianer, und andere, von denen Voßius de
Manichaeis et Stoicis ... zu lesen ist, und dahin insonderheit die
Manichäer gehören, welcher Irthum aus dem irrigen Grundsatze, daß das
Böse von
einem besondern
Principio herrühre, flosse. |
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Die Manichäer waren nicht einerley
Meynung. Einige statuirten, daß einige
Menschen, krafft der
Schöpffung selber, oder der
Natur zu dem
Bösen determiniret
würden; Und diesen könne auf keine Weise geholffen werden. Von andern
sagten
sie, sie hätten in der Schöpffung selbst eine gute heilige Natur empfangen, und
die brauchten keine Gnade zu ihrer Bekehrung. Andere aber wären von mittlerer
Be- |
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schaffenheit, und diese könnten von der Sünde befreyet werden. Das geschehe
aber nicht durch die gnadenreiche Würckung
GOttes, dadurch ihnen neue
Kräffte
mitgetheilet würden; Sondern es geschehe dergestalt, daß durch gewisse Speisen,
und durch gewisse Übungen des
Leibes, die sündliche
Substantz von der reinern
Substantz abgesondert würde. |
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Es ist aber diese Lehre so absurd; und hat solche abscheuliche Folgen, daß
nach der
Zeit keiner leicht gewesen ist, der dieselbe behauptet hätte. Die
Kirchen-Väter
disputirten
dahero wider die Manichäer, |
deren, nehmlich der Väter, verschiedene Stellen, Petavius in Dogmat. theol. ...
und Jaquelot, in Examin. theol. Baelii praefat.
angeführet haben. |
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Andere erhoben die
Freyheit
des
Menschen in dem Geistlichen zu sehr, und
meyneten, daß der Mensch auch aus natürlichen Kräfften was Gutes und
GOtt
wohlgefälliges thun könnte, welches man den Pelagianismus nennet, der seinen
Ursprung aus der Stoischen
Schule hatte. Doch, wie einige de Spinozismo ante
Spinozam, andere de Manichaeismo ante Manichaeos, geschrieben
haben; Also könnte man auch ein nützliches
Werck, de Pelagianismo ante
Pelagium, verfertigen. |
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Es hat der
Artickel von dem freyen Willen am allerersten Noth zu leiden
angefangen, und zwar, wie die Magdeburgischen
Centuriatores, Centuria II ... anmercken, so ist
solches daher geschehen weil die meisten unter den Vätern in den
philosophischen
Schulen aufgezogen waren. Die
Philosophie aber pflegt des
Menschen
Kräffte zu
erheben und groß zu machen. Doch haben die Väter ihre unbequemen
Redens-Arten,
deren sie sich in der Lehre von dem
freyen Willen bedienet, an andern Orten
bequemer wider erkläret. |
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Origenes soll zuerst mit dieser Lehre dem Pelagius
fürgegangen seyn; So nennet ihn Hieronymus, L. III. dial.
adversus Pelagian. ...; Pelagianorum amasium, und in Epistol. ad
Ctesiphontem; Pelagiani erroris principem, die Lehre aber des
Pelagius: Origenis ramusculum;
welches auch Huetius, in Origenianis, worin er seine
Lehren gar genau untersuchet, nicht in Abrede seyn kan: Wie denn auch über
dieses von ihm bekannt ist, daß er sich durch die heydnische Philosophie zu
andern Irthümern habe verleiten lassen. |
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Nach dem Origenes, rechnet man den Theodor
von Antiochien hieher; Und die Haupt-Person selbst war Pelagius,
der sich unterstund, irrige Grundsätze von den
Kräfften des freyen Willens
öffentlich zu behaupten. Es war derselbe ein Mönch aus Britannien, der um das
Jahr 405 bekannt zu werden anfieng. Dieser widersetzte sich mit grossem Eyfer
den Manichäern, welche alle
Freyheit
in
moralischen
Dingen aufgehoben. Da nun
Pelagius insonderheit den falschen Satz der Manichäer, daß
selbst die
Substantz einiger
Menschen verderbet sey, oder, daß einige Menschen
Krafft ihrer
Schöpffung, zu dem
Bösen determiniret wären, wiederlegen wolte,
verfiel er auf den andern Abweg, leugnete eine innerliche (inhaerentem)
Verderbniß der
Natur, und schrieb dem Menschen so viel
Kräffte zu, daß er, ohne
Beyhülffe einer besondern
Gnade, sich bekehren, und das
Gesetz
GOttes erfüllen
könne, ob wohl die |
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Gnade den menschlichen Kräfften zu Hülffe komme, daß sie die Sünde leichter
vermeiden, und die guten Wercke hurtiger ausüben könnten. Und mit dieser
Meynung
hielt es Cölestius und Julianus, ob wohl
Augustinus und Prosper Aquitanicus sich diesem
Irthum aus allen Kräfften widersetzten. |
Vergl.
- Gerhard Johann Voßii und Heinrich Norisii
Historiam Pelagianam,
- Johann Latii
Commentar. de Pelagianis et Semi-Pelagianis,
- Garnerii Dissertationes, ad Pelagianismum pertinentes,
- und andere
Schrifften.
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Ob nun gleich der Irthum des Pelagius von dem
Augustinus, Hieronymus, und andern, widerleget worden, so that er sich
doch von neuem durch die Semi-Pelagianer hervor, deren vornehmstes Haupt
Johann Caßianus war, der in seinen 12
Büchern de institutis
coenobiorum, und in seinem
Buche de collationibus patrum, lehrete,
daß der Mensch zwar aus eigenen
Kräfften etwas gutes anfangen, aber nicht
vollenden könne. Und also schrieb er den Anfang des Glaubens und der Bekehrung
den Kräfften des freyen Willens zu, zu der Fortsetzung aber erforderte er den
Beystand
GOttes. |
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Wiewohl nun Augustinus, Prosper, und Hilarius
diese
Meynung widerleget, so hatte sie sich doch schon, sonderlich mit den
Schrifften des Caßianus, in die
Klöster eingeschlichen,
insonderheit, da Benedictus, von welchem die Benedictiner
herkommen, die von ihm aufgerichteten Kloster-Orden zu fleißiger Lesung der
Schrifften des Caßianus anwieß. |
Des Caßianus
Opera omnia, cum commentariis D. Alardi Zaei,
sind zu Leipzig 1733 in Fol. sehr schön wieder aufgeleget worden, welches ohne
Zweiffel die beste Edition derselben seyn wird. |
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Noch andere blieben hier in der Mittel-Strasse, und diese befanden sich auf
dem rechten Wege, indem sie dem
menschlichen Willen nicht alle
Freyheit
gäntzlich absprachen, aber doch behaupteten, daß man in dem Geistlichen keinen
freyen Willen habe.¶ |
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b) In mittlern Zeiten.
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In denen mittlern
Zeiten hatten die Scholasticker das
philosophische
Regiment unter denen die wahre Lehre von dieser
Freyheit
angefochten wurde. Denn
ob gleich in dem Anfange des 8 Jahrhunderts Venerabilis
Beda dem Pelagianismus sich opponiret, dergleichen auch
Ansselmus in dem 12 Jahrhunderte, und Bernhardus,
welche beyde von der Gnade und dem freyen Willen geschrieben, gethan haben; So
frassen doch diese Irthümer in den
Klöstern wie ein Krebs um sich, sonderlich,
da in dem 13 Jahrhunderte Franciscus und Dominicus
neue Mönchs-Orden stiffteten, und gleich Falls solchen ihren neuen Orden des
Caßianus
Bücher institutis coenobiorum mit grossem
Fleiß recommendirten. Weil nun nachgehends die Mönche aus diesen
Orten nehmlich
die Franziscaner und Dominicaner, zu den öffentlichen Lehrstühlen admittiret
wurden, so wurden auch die
Schulen mit diesen Irthümern angestecket. |
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Zwar sind einige, als Petrus Lombardus, in diesem Stücke
der Wahrheit näher getreten. So bestätigte auch Bonaventura,
ein
Lehrer des 13 Jahrhunderts, die Knechtschafft des Willens wenn er in
Breviloquio ...
schreibet: |
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„Der freye Wille kan zwar vor sich in Sünden fallen, aber keinesweges ohne
Beystand der göttlichen Gnade wieder aufstehen. Er kan die Gnade weder
verlangen, noch erkennen, wofern ihm nicht von oben herab geholffen wird.„ |
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Diesen tritt Albertus M. bey, wenn er in
Matth. c.
XVIII kurtz
schreibet: „Der Mensch kan von sich selbst, ohne die Gnade,
nichts haben.„ |
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Wie der Haupt-Lehrer selbiger Zeit, Thomas Aquinas, so wohl
dem
Verstande als dem
Willen, alle
Krafft in
göttlichen
Dingen mit klaren
Worten
abspricht, kan man in des Dotschäus Thoma Aquinate ...
nachsehen. |
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In dem 14 Jahrhunderte findet man ebenfalls Zeugnisse wider den freyen
Willen. Z.E. Bey dem George von Rimini, einem
Doctor der Theologie zu Paris, und General-Prior der Augustiner-Eremiten, um das
Jahr 1357, und bey andern. |
(Siehe Catal. Test. Verit.
...) |
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Desgleichen bey dem Thomas Bradwardinus, in den
Büchern, so
er gegen den Pelagius heraus gegeben hat, worin er zwar sonsten
gar sehr auf den Prädestinatianismus verfällt. Es
spricht derselbe unter andern: |
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„Ach lieber GOtt! Wie viel streiten heutiges Tages mit Pelagio
vor den freyen Willen wider die Gnade, so aus Gnaden gegeben wird, welchen doch
Paulus, als der Vorfechter der geistlichen Gnade, widerstehet.
Man hat einen Abscheu vor der aus Gnaden geschenckten Gnade, und giebt vor, es
könne der freye Wille zur Seligkeit verhelffen, und sage damit zu Gott: Weiche
von uns, u.s.w.„ |
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Allein Joh. Scotus, der sich dem Thomas de Aquino
in allen Stücken widersetzte, hat die mehresten Pelagianischen Irthümer
fortgepflanzet; Und weil er einen sehr grossen Anhang bekam, so ward die gantze
Scholastische Theologie von diesem Sauerteige immer mehr durchdrungen. Denn man
fieng da öffentlich zu lehren an, der
Mensch könne sich aus den
Kräfften des
freyen Willens zu der
Gnade und zu seiner Bekehrung vorbereiten, er könne die
Gebote GOttes, nach der
Substantz der Handlung, halten, er könne auch, ohne
Gnade des Heiligen Geistes, alle Todt-Sünde meiden; Ja, einige statuirten gar,
der Mensch könne aus pur natürlichen Kräfften
GOtt über alles
lieben. Und so
ward die Scholastische Theologie mit dem Sauerteige dieser irrigen Lehre
durchsäuert. |
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Von denen
Philosophen des Scholastischen Zeit-Begriffes, welche die
Freyheit
überhaupt, und zwar directe, leugneten, führet Bellarminus
de libero arbitrio ... den Joh. Buridanus ... u. den
Andreas de Castre ... an. Daß dem Buridanus
nicht unrecht geschehen, könnte man aus seinem bekannten Sophisma von dem Esel
schliessen; Nur weiß man nicht, was er eigentlich damit habe andeuten wollen. Es
erinnert dahero
Bayle, in dem Dictionar. ... weil man
nichts gewisses davon bey
glaubwürdigen Scribenten anträffe, so habe man noch
daran zu zweiffeln. |
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IndIrecte thaten solches hernach diejenigen, so das so genannte Systema
causarum occasionalium annahmen, daß
GOtt alles
unmittelbar würcke und
bewege, die Creaturen aber ihm nur Gelegenheit darzu gäben, und sich leidend
verhielten.¶ |
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