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c) In den neuern Zeiten.
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Was die neuern Controversien von dem
freyen Willen anbetrifft, so hat es
weder in der
Theologie, noch in der
Philosophie daran
gemangelt.¶ |
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(A) Abweichungen in der Theologie.
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Unter den Theologischen Gegnern gedencken wir:¶ |
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1) |
Der Römisch-Catholischen, als welche die
Scholastischen Lehr-Sätze angenommen, vertheidiget, und fortgepflanzet
haben. Insonderheit kommen die Jesuiten, in der Lehre von dem freyen
Willen, den Lehrsätzen der Pelagianer am nächsten, so gar, daß sie auch
den Augustinus beschuldigen, daß er gar zu hart von der
Knechtschafft des
Willens geschrieben habe. Hingegen die Dominicaner und
Jansenisten suchen sich von diesem Irthume weiter zu entfernen. Man hat
sich also nicht zu verwundern
Ursach, daß sie von den
Zeiten der
Reformation an sehr grossen Widerspruch bekommen haben |
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D. Luther
disputirte in dem 1517
Jahre, noch vor dem Streite mit Tetzeln, zu Wittenberg,
wider die Lehre der Papisten und der Scholastischen Theologen, von den
Kräfften und dem Willen des Menschen ohne die
Gnade, womit er schon die
Kirche auf einige Art zu reformiren anfieng. Seine Theses von dieser
Materie stehen in seinem ersten Lateinischen Jenaischen Theile, bey dem
Anfange. Als er selbige den 4 September gedachten Jahres an
Johann Langen, Priorn der Erfurtischen Mönche, schickte,
schrieb er Tom. I. Epistel 30. folgendergestalt: |
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"Ich erwarte sehr, über die massen, sehnlich und mit
Schmertzen, was denn ihr von diesem unsern widrigen Lehren haltet,
sintemahl ich gewiß glaube, daß euch diese den euern zuwider und
ertzgottlose vorkommen, welche uns nicht anders, als richtig, seyn
können." |
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Im Jahr 1524 bekam D. Luther mit
dem bekannten Erasmus von Rotterdam, wegen des freyen
Willens, einige Streitigkeit. Es war derselbe zuvor Luthers
guter Freund gewesen, und nur anfänglich von dem Pabst Adrianus,
noch hefftiger aber nachhero von dem
König in Engelland, angehetzet
worden, die Feder wider Luthern zu ergreiffen.
Erasmus gestehet solches selbst in seinem Briefe, den er
dieserwegen an Melanchthonen
geschrieben hat. Und in
einem Briefe an den Ludovicus Vives gestund er: Er
habe, da er von dem freyen Willen geschrieben, seinen freyen Willen
verlohren; Denn ein anders habe ihm sein Hertz
gesagt, ein anders aber
seine Feder aufgezeichnet. |
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(L. XIX. Epp. ...) |
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Er schrieb also ein
Buch: Von dem
freyen Willen
des Menschen; Er suchte seine Sätze mit vielen
Stellen aus der Schrifft
und denen Kirchen-Vätern, zu
beweisen. Hierwider setzte Luther
ein ander Buch auf: Von dem knechtischen Willen, wider den freyen Willen
des Erasmus; Worinnen er
sagte, daß der Mensch alles,
was er Gutes und
Böses thut, nicht aus freyem Willen, sondern aus einer
Art der
Nothwendigkeit, und durch seine sündlichen
Begierden ein Sclave
des Willens des Satans, oder durch die
Gnade ein
Knecht
GOttes würde. |
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Die Anrede dieses Büchleins an den
Erasmus ist sehr höflich und lesenswürdig; In dem
Wercke selbst
aber wird er sehr hefftig angegriffen. Erasmus |
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{Sp. 182} |
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schrieb die
Bewegungs-Ursachen, welche ihn zu
Herausgebung dieses Büchleins bewogen, an den Melanchthon,
worauf ihm Melanchthon höflich antwortete, und, da er
sahe, daß Erasmus von dem
Leben
auf die Lehre schloß, bezeugte, daß die Lehre an dem
bösen
Leben einiger nicht Schuld wäre,
und das Luther selbst höchstens bejammerte, daß viele
die Religion zu einem Deckmantel ihrer bösen
Begierden gebraucheten. |
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Erasmus beantwortete diesen Brief wiederum. Er
hatte sich auch bereits zuvor aus bey Luthern, wegen
seiner Verstellung, entschuldiget; Und als ihn Luther
ermahnte, er möchte nichts wider ihn
schreiben, sondern ein Zuschauer
von der Tragödie bleiben, biß ihm
GOtt mehr Muth schenckte, sich der
päbstlichen
Gewalt, wie Luther, öffentlich zu
widersetzen, antwortete er: |
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"Warum soll man nicht Frag-weise mit euch disputiren?
Überdiß wird Erasmus, durch sein Schreiben
wider euch, dem Evangelium mehr
Nutzen bringen, als alle, welche für
euch geschrieben haben." |
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Nachdem also, wie bereits
gesagt worden,
Erasmus wider Luthern
geschrieben, und dieser
darauf geantwortet hatte, widerlegte er Luthers
Schrifft nochmahls, zog hefftig gegen ihn loß, und klagte auch bey dem
Churfürsten über ihn: Denn es schmertzte ihn die
Ehre, so er bey dieser
Streitigkeit verlohr. Und er würde niemahls wider Luthern
geschrieben haben, besonders in einer
Sache, in welcher er mit
Luthern einerley
Meynung war; Wo er nicht geglaubt hätte,
Luther werde ihm die kleine Ehre für der
Welt gönnen,
und als sein guter Freund nicht antworten. |
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Im Jahr 1528 legte
Fürst Wilhelm
von Henneberg den
Geistlichen selbiger
Grafschafft einige Puncte zu
beantworten vor, unter welchen sich auch folgender befand: „Item, es
wird jetzo streitig gemacht, ob der menschliche Wille Gutes, oder Böses
zu würcken, frey sey, oder nicht?" Die Antwort war: |
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„Wiewohl der Mensch hat im Paradieß ein freyen
Willen, darauf lautet das Wort === Aber nachdem Adam hat gesündigt, hat
auch der Geist GOttes den Menschen verlassen, daß er gantz blind und
irrig ist worden, und nennt ihn die Schrifft, nach Art der ersten
Geburt, ein Fleisch, Gen. VI. nicht, daß allein die
empfindliche Krafft zu bösem geneigt und fleischlich sey, sondern Leib
und Seel durch Gifft der Sünde gar verderbt und verunreinigt, also, daß
der Mensch, von der ersten Geburt, durch alle natürliche Krafft nichts
vermag, denn sündigen, das bezeugte GOtt, da er spricht, Genes. VIII:
Die Verständniß und Rede des menschlichen Hertzen ist geneigt zu Bösem,
von Jugend auf. Ist sie nun bös von Kindheit her, so muß es von dem Erbe
her seyn. |
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Daß wir aber nichts guts vermügen aus unsern
eigenen Willen, bezeugte Paulus 2 Corinth. III.
sprechend: Wir seyn nit tüglich von uns selbst, etwas zu gedencken, als
von uns selbst, sondern, daß wir etwas Guts thun, ist von GOtt. Darum
der eigen an ihm selbst frey ledig ist, wann er wiederumb gebracht ist
worden von Christo, wie wir haben Joh. am VIII: Wann euch der
Sohn frey macht, so seyd ihr warlich frey. Daß aber der Frey-Will
verdienstlich sey, ist ohn die Gnad GOttes nit möglich, wie wir haben
Joh. am XV: |
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{Sp. 183|S. 105} |
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Ohn mich mögt ihr nichts thun. Auch Joh. III:
Niemand mag nigsth nehmen, dann es werd ihm gegeben vom Himmel. Darumb
sollen wir alles Gut GOttes Gnaden zuschreiben, die in uns würckt, nit
etwas eigner natürlicher Krafft erdencken dienstlich zu seyn, dadurch
der Will eins Theils ein Ursach des guten Wercks genennet werd. Also
sprach Paulus, 1 Corinth. XV: Ich hab mehr
gearbeitet, denn die andern all, doch nit ich, sondern die Gnade Gottes,
die bey mir ist. Von diesem freyen Willen zu sagen dem Volck, ist noth
einem Prediger, daß er solches demselbigen wohl erklär, auf daß nit
etlich werden abgezogen von den Wercken, und etlich ihn mit der Gnad
GOttes zu viel entziehen, und ihrem freyen Willen zugeben." |
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In dem XVIII
Artickel des 1530 zu
Augspurg übergebenen Glaubens-Bekänntnisses, ward ebenfals von dem
freyen Willen gehandelt, und zwar deswegen, daß sich die Bekenner der
Evangelischen
Wahrheit von dem Verdachte losmacheten, als wenn sie es
mit den Manichäern hielten, und daß sie auch bezeugeten, wie sie auch
mit den Pelagianern nichts gemein hätten. Denn die Papisten gaben ihnen
Schuld, daß sie dem
Willen des Menschen alle Freiheit nähmen, und es
also mit den Manichäern hielten, und daß der
Mensch alles, gezwungener
Weise, nothwendig thun müsse. |
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Deswegen erklärten sie sich, daß sie dem Menschen
seine natürliche Freyheit in äusserlichen und
bürgerlichen Dingen nicht
nähmen, sondern, daß sie nur behaupteten, der Mensch habe von
Natur nach
dem
Falle keine geistliche
Krafft, etwas Gutes zu gedencken, zu
reden,
und zu thun, und daß er sich daher weder zu dem Glauben zubereiten, noch
rechte gute Wercke thun könne. |
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Den 14 November 1535 überreicheten die Böhmischen
Brüder dem damahligen Römischen, Ungarischen und Böhmischen
Könige
Ferdinand ein Glaubens Bekänntniß, in welchem sie sich, in dem IV
Artickel, von dem freyen Willen also erkläreten: |
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„Auch sollen wir erkennen unser Unvermögen, und
angebohrnes grosses Elend, die Jammer und Noth, daraus ihm keiner selbst
helffen, noch sich rechtfertigen kan, mit irgend einigen auch
allerscheinbarsten
Wercken und Übungen. Dann der Will des Menschen, so
zuvor frey war, ist nun also verderbet, zurüttet und geschwächt, daß er
fort mehr von ihm selbst, ohne GOttes Gnade, keine vollkommene Willkühr,
oder Lust, geschweige dann Macht, hat, das Gute, so GOtt gefalle, zu
erwählen, Röm. VII, 15. 19. |
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Und ob er wohl selbst gutwillig gefallen ist, so
hat er doch aus eigenen Kräfften nicht können aufstehen, vermag noch auf
den heutigen Tag nichts, ohne GOttes gnädige Hülff. So hat auch niemand
nichts überall, damit er sich von seiner Missethat und Verdammnuß
erlösen und frey machen möge, ausser Christo, durch welchen allein die
Rechtgläubigen von Sünden, Tyranney und Zwang des Teuffels, von GOttes
Zorn, Tod und ewiger Pein, erlediget werden. |
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Es kan auch kein schlechter purer Mensch dem
andern zu Hülffe kommen. Dann, weilen die Erbsünde die gantze Natur
eingenommen hat, und darinnen tobet, sind sie alle Sündern, und mangeln
der Hulde und Gerechtigkeit GOttes, Röm. III, 23. Darum
spricht |
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{Sp. 184} |
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GOtt durch den Propheten Jesaiam,
C. XLIII, 26: Erinnere mich, o Mensch! laß uns mit einander
rechten; Sage an, wie du gerecht wilt seyn? Deine Voreltern haben
gesündiget, und deine Lehrer haben wider mich mißhandelt. Und oben, V.
23.
sagt er von den
Wercken des menschlichen Gottesdienstes: Mich hat
deines Dienstes nicht gelüstet im Speiß Opffer, habe auch nicht Lust an
deiner Arbeit im Weyhrauch. Mich hast du mit dem Fetten deiner Opffer
nicht gefüllet. Und zum Ebräern X, 5. 6. stehet geschrieben:
Opffer und Gaben hast du nicht gewolt; Brand-Opffer und Sünde-Opffer
gefallen dir nicht etc." |
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Als die fünf Königlichen Frey-Städte in
Ober-Ungarn dem gedachten
König Ferdinand 1549 ein Glaubens-Bekänntniß
übergaben, lehreten sie von dem freyen Willen in dem XIX
Artickel
also: |
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"Wir bekennen, daß für dem Fall, in unsern ersten
Eltern ein freyer Wille gewesen sey, wie denn die Engel, die nicht
gesündiget haben, denselben freyen Willen noch haben; Aber nach dem Fall
haben sie die Freyheit verlohren, wie auch andere schöne Gaben, mit
denen sie begabet waren. Also, daß wir allein in den äusserlichen
Dingen
zu erwählen eine Freyheit haben, als, daß wir mit dieser, oder jener
Farb uns kleiden, diese, oder eine andere Speiß essen, daß wir ehrlich
leben, Ärgerniß vermeiden, und unser Leben äusserlich nach den zehn
Geboten richten; Wiewohl auch dieser menschlicher Willen auf mancherley
Weiß verhindert wird. Aber rechtschaffene und vollkommene Furcht,
Glauben und Liebe zu haben, item, dem Evangelio zu glauben, das stehet
nicht in unsern Kräfften, wie geschrieben stehet: Niemand kennet den
Sohn GOttes, denn nur der Vater, und den Vater kennet niemand, denn nur
der Sohn, und wenn es der Sohn will offenbahren. Item: Niemand kommt zu
mir, es sey dann, mein Vater ziehe ihn, Johan. VI." |
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Währender Streitigkeiten, die zwischen den
Römisch Catholischen und ihren Gegnern unter andern auch von dem freyen
Willen geführet wurden, nahm das Concilium zu Trident seinen Anfang,
welches von 1545 bis 1563 daurete. Um den 20 August des 1546 Jahres that
der Cardinal S. Croix den Vorschlag, zu allererst die
vorbereitenden
Wercke und die Haltung des
Gesetzes abzuhandeln. Man
ernennte hierzu einige Glieder und Gottesgelehrten, einen Auszug aus
Luthers
Büchern zu machen, um zu sehen, was irrig darinnen wäre. Diesen
zu Folge, wurden folgende sechs
Artickel, welche ein solcher Auszug seyn
solten, von ihnen aufgesetzet: |
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„1) |
GOtt ist die einige Ursache unserer Handlungen,
sie seyn gut, oder böse. Denn die Bekehrung Pauli ist
eben sowohl ein Werck GOttes, als der Ehebruch Davids, die Grausamkeit
des Manlius, und die Verrätherey des Judas. |
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2) |
Niemand ist Herr über seine Gedancken, sie seyn
gut, oder böse, sondern alles kömmt von einer unumgänglichen
Notwendigkeit her, und wir haben keinen freyen Willen, als in der
Einbildung. |
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3) |
Der freye Wille ist durch die Sünde Adams
gäntzlich verlohren worden; Wenn der Mensch dasjenige thut, was er,
vermöge seiner eigenen Kräffte, thun kan, so begehet er eine Sünde;
Dahero von dem freyen Willen nichts, als |
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{S. 185|S. 106} |
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der blosse
Nahme, mehr übrig. |
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4) |
Der freye Wille ist bloß, Böses zu thun, also,
daß er niemahls Gutes thun kan. |
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5) |
Der freye Wille ist gleichsam ein lebloses
Werckzeug, das nichts verrichten kan, oder ein Thier ohne
Vernunft. |
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6) |
GOtt bekehret nur diejenigen, an denen er
Gefallen hat, und wenn sie gleich nicht wollen, und sich widersetzen.„ |
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- Du Pin Bibl. Eccl. ...
- Sarpii Hist. Conc. Trident. ...
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Die zwey ersten
Artickel wurden von allen, als
eine Wahnsinnigkeit und Gottlosigkeit, verdammet, als eine
Meynung,
welche ehemahls die Manichäer, die Priscillianisten, Abelard,
Wiclef, und andere, geheget hatten. Hierbey erinnerte
Martinier: Gleichwie es ungereimt wäre, zu
sagen, es hätte der
Mensch gar keine Handlung in seiner
Gewalt; also wär es auch eine
Thorheit, zu behaupten, daß alle Handlungen unserm
freyen Willen
unterworffen wären. Eben dieses sagten die Schul-Gelehrten, wenn sie
lehren, daß die ersten Bewegungen nicht in unserer
Freyheit stünden. |
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Ambrosius Catharinus bestund auf
seiner
Meynung, die er schon in den fünften Julius behauptet hatte; daß
nehmlich ein
Mensch, ohne besondern göttlichen Beystand, nichts Gutes
thun könnte, welches er mit vielen schönen
Gründen bestätigte und
bewiese. Ja, Luther selbst wär in diesem Stücke nicht
zu verdammen. Darinnen aber irrete er, daß er auch diejenigen
Wercke
verwerfflich und Sünde nennte, welche der vorkommenden
Gnade folgen, und
Vorbereitungen zu der Rechtfertigung sind; als der Abschied vor der
Sünde, und die
Furcht vor der Hölle. |
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Er suchte solches aus den
Büchern des H.
Thomas zu
beweisen, welcher
saget, daß bey Verrichtung eines
guten
Werckes alle Umstände zusammen kommen müssen, und daß, wenn einige
davon mangeln, die übrigen alle
böse werden; welche
Meynung er ferner
mit vielen
Gründen und Stellen aus dem Augustinus, und
Beweisen aus andern Vätern, bestärckte. Er stellete zugleich vor, daß
man diese Gottesgelahrheit aus der
Heiligen Schrifft, und nicht von den
Schul-Lehrern, erlernen müste. |
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Vega wolte sich hiebey auch
hören lassen; er brachte aber solche
Dinge zu Marckte, woraus man nicht
klug werden konnte. Endlich wurde viel von der Einigkeit und von der
Auseinandersetzung dieser Sätze geschwatzet: man konnte aber nicht
vollkommen einig werden. |
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Sarpius ... |
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Hierauf erhub sich ein Streit über die Frage: Ob
der Mensch die
Freyheit habe, zu glauben, und nicht zu glauben? |
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Die Franziscaner verneineten diese Frage, indem
sie dem Scoto folgeten, der sich hierüber also erkläret
hätte: gleichwie aus gründlichen
Beweisen (Demonstrationibus)
nothwendiger Weise das Gewiß wissen entstünde; also entstünde der Glaube
aus dem Zeugniß und Überlegung eines andern, (Persuasionibus)
folglich wär er in dem
Verstande zu suchen, welcher natürlicher Weise
von einem Gegenstande beweget werden könne. Sie beruffeten sich darbey
auf die
Erfahrung. Es würde niemand einen |
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{Sp. 186} |
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Schmertz
empfinden, wenn er glauben könnte, er
hätte keinen. Hieraus folgerten sie, daß der Glaube nicht auf dem freyen
Willen, sondern auf dem Verstande eines
Menschen beruhe. |
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Die Dominicaner behaupteten das Gegentheil, daß
dem
Willen nichts leichter wäre, als zu glauben, und daß der Mensch
durch die blosse Entschliessung seines Willens glauben könne, die Zahl
der Sterne sey gleich. |
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Sarpius ... |
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Bey dem dritten
Artickel fand man viel Stellen
des heiligen Augustinus, welche ausdrücklich
sagen, daß
der Mensch seine
Freyheit
durch die Sünde verlohren habe. Soto
sagte zu Erklärung der
Meynung des Augustinus, daß das
Wort Freyheit (Libertas) zweydeutig wäre, und
entweder von dem Bey-Worte frey, (liber) oder
von dem Worte frey machen, (liberare) herkäme.
In dem ersten
Verstande, würde das Wort Freyheit der
Nothwendigkeit, und indem andern der
Dienstbarkeit, entgegen gesetzet.
Wenn nun Augustinus von dem
Verluste der Freyheit des
Menschen
rede, so wolle er bloß so viel
sagen, daß der Mensch ein
Knecht
der Sünden und des Teufels geworden sey. Dieser Unterschied war aber den
meisten zu scharffsinnig, dahero sie ihn auch nicht verstunden. |
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Der vierdte
Artickel schien den meisten gantz
ungereimt, indem sie vorgaben, daß die
Freyheit ein
Vermögen bedeute,
zwey widrige
Dinge zu thun; Dahero könnte man nicht
sagen, daß der
Mensch eine Freyheit hätte,
Böses zu thun, da ihm dieselbe in Ansehung
des Guten entzogen wäre. Allein, sie
erkannten ihren Irthum, da man
ihnen die Antwort gab, daß die Engel und Heiligen einen freyen Willen
hätten, ohngeachtet nur Gutes thun könnten. Aus eben dieser
Ursach,
könnte man auch
sagen, daß diejenigen einen freyen Willen hätten, die
nur Freyheit haben, Böses zu thun. |
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Sarpius ... |
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Wegen der zwey letzten
Artickel, waren die
Franziscaner und Dominicaner abermahls widriger
Meynung. Die ersten
behaupteten, daß, gleichwie der
Wille sich selbst vorbereiten könnte, es
demselben noch mehr frey stehen müste, den göttlichen Ruf anzunehmen,
oder zu verwerffen. Die andern leugneten, daß die vor dem Beruff
hergehenden
Wercke würcklich zubereitende Wercke wären, und räumeten
also
GOtt die erste Stelle ein. |
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Unterdessen waren die Dominicaner untereinander
selbst vertheilet. Denn Soto
sagte: Ob gleich der
Mensch die Gnade, ohne die vorhergehende besondere Gnade GOttes, nicht
erwerben könnte, so könne der
Wille dennoch auf eine gewisse Weise der
Gnade widerstehen; wenn er aber solche annähme, so wäre dieses ein
Beweiß, daß er dieselbe gewolt habe. Würde unserer Einwilligung nicht
darzu erfordert, so könnte man keine
Ursach eingeben, warum sich nicht
alle Menschen bekehren; weil
GOtt an der Thüre unserer Hertzen klopffet,
und alle seine Gnade giebt, die sie verlangen. Über dieses sage die
H. Schrifft, daß unserer Beyfall nöthig sey, weil uns anderergestalt GOtt
Gewalt anthun müste. |
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Hierwider
sagte Ludwig Catonus,
ebenfalls ein Dominicaner, daß, nach der Lehre des H. Thomas,
GOtt den
Menschen mit zweyerley
Arten der Gnade zuvor käme; Einmahl, mit
einer genugsamen, (sufficiente) vor das an- |
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{Sp. 187|S. 107} |
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dere mit einer würckenden (efficiente).
Der ersten könne der
Wille widerstehen, der andern aber nicht; weil es
ein Widerspruch wäre, der
Würckung widerstehen. Endlich führte er
verschiedene Stellen aus dem Augustinus an. |
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Hierauf beantwortete er den Einwurff, daß nicht
alle
Menschen bekehret würden. Es geschähe dieses darum, weil
GOtt nicht
allen mit einer würckenden Gnade (Gratia efficaci) zuvor käme.
Man dürffe keine Sorge tragen, daß durch die Lehre des H. Thomas
der freye Wille über den Hauffen geworffen würde, wenn er
sagte:
Diejenigen
Dinge würden gewaltsamer Weise beweget, welche von einer
widrigen
Ursache beweget werden. Aus eigenen Triebe entstehe bey uns
niemahls eine gewaltsame
Bewegung. Da nun GOtt der
Grund des
Willens
sey, so wäre es ja gleich viel, ob man
sagte, entweder von GOtt, oder
von sich selbst beweget werden. Nach diesem verwarff er die
Redens Art:
Der Wille folge als ein lebloses Werckzeug; Ingleichen: GOtt bekehre nur
diejenigen, welche nicht widerstrebten. |
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Soto gab hierauf zu der Antwort,
daß eine göttliche Einwilligung an und vor sich nicht hinlänglich sey;
Diejenige, welche den Beyfall des freyen Willens erhalte, bekomme ihre
Würckung alsdenn von diesem Beyfalle; ohne denselben sey selbige
unkräfftig; jedoch, nicht in Ansehung
GOttes, sondern der
Menschen. |
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Hierwider wendete Catonus ein:
Auf diese Weise käme der Unterschied zwischen den Auserwählten und den
Verworffenen von den Menschen her, welches der beständigen
Meynung der
Kirche widerstritte, die da lehre, daß Gnade die Gefässe der
Barmhertzigkeit von den Gefässen des
Zornes unterschiede. Er fügte noch
hinzu, daß solches Gelegenheit geben könnte, zu glauben, daß die
Gnaden-Wahl keine
Würckung des
göttlichen Willens, sondern allein der
Vorhersehung unserer
Verdienste wäre. |
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Mit einem
Worte, die Väter des Tridentinischen
Concilii hielten es vor unmöglich, diese Streitigkeiten beyzulegen;
Daher sie nur darauf bedacht waren, mit Zweydeutigkeiten zu spielen, und
den Leuten eine blaue Dunst vor die Augen zu machen. Denn sie gaben
nirgends eine Definition des
freyen Willens, oder gezeigeten Distinct,
was dasselbe, in Ansehung der natürlichen, bürgerlichen und
moralischen
Objecte, und in Ansehung der geistlichen Gegenstände, vor
Kräffte habe,
welches doch höchst nöthig war; sondern sie suchten nur alle Worte auf
Schrauben zu setzen, und alles zu verwickeln, welches ein schlechtes
Kennzeichen eines Concilii ist, daß seine
Schlüsse vor göttliche
Aussprüche ausgiebet, und von der gantzen Kirche angenommen wissen will. |
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Petrus Suavius erzählet, in
Historia concilii Tridentini, daß über die
Materie von dem freyen
Willen wohl hundert Versammlungen der Theologen, oder
Bischöffe, zu
Trident gehalten worden wären, und daß man drey gantzer Monate an dem
Decret von dem freyen Willen gekünstelt habe, und zwar an demselben, das
heut zu Tage in dem Tridentinischen Concilio gelesen wird, darinnen
unter andern fest gesetzet worden ist: Vires liberi arbitrii, ad
inchoandas et perficiendas actiones spirituales, in hominibus
irregenitis attenuatas quidem esse, sed mini- |
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{Sp. 188} |
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me tamen exstinctas. Das ist: Daß die
Kräffte des freyen Willens, zu dem Anfange und der Vollendung
geistlicher Handlungen, in den unwiedergebohrnen Menschen zwar
geschwächet, aber doch keinesweges ausgetilget wären. |
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Man sehe auch des Inspector Christian Hechts
kurtzgefaßte Historie des Tridentinischen Concilii ... |
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Ehe wir die Römisch-Catholische mit unsern
Gedancken gäntzlich verlassen, müssen wir noch gedencken, daß der
Bischoff von Rennes in Franckreich, nur noch ohngefehr vor dem 27 Jahre
des jetzigen Jahrhunderts, folgende zwey Sätze des Thomas Aqvinas
verdammet habe: |
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α) |
Daß die
Furcht den Willen nicht gantz und gar
zernichte, ja, daß auch die übernatürliche Furcht vor der Höllen-Qvaal,
ob sie gleich gut und heilsam sey, dennoch die Neigung des Willens zum
Bösen gäntzlich zu zernichten nicht zureiche. |
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β) |
Um in dem Stande des freyen Willens zu seyn, sey
es nicht genug, daß man von allem Zwang frey sey, sondern man müsse auch
gantz und gar keinem natürlichen Zwang unterworffen seyn.„¶ |
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