HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Caussa, die Ursach, wird bey denen Medicis HIS-Data
5028-5-1709-1
Titel: Caussa, die Ursach, wird bey denen Medicis
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 5 Sp. 1709
Jahr: 1733
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 5 S. 793
Vorheriger Artikel: Caussa. Es ist dieses ein Attributum des Entis
Folgender Artikel: Caussa, ist ein General-Wort
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel

  Text  
  Caussa, die Ursach, wird bey denen Medicis für alles dasjenige gehalten, was entweder die Gesundheit erhält, oder eine Kranckheit verursacht und zu wege bringet.  
  Einige von denen neuern Medicis, welche entweder die Seele, oder die Lebens-Geister, vor den Werckmeister des menschlichen Cörpers halten, haben die vier Caussas derer Philosophorum, nemlich die efficientem, materialem, formalem und finalem angenommen, und meynen, das Principium vitale wäre, in Ansehung seiner angebohrnen Wissenschafft, vermögend, nicht nur das Corpus organicum zu bauen, und alle Functiones, so zu desselben Gesundheit gereicheten, zu dirigiren, sondern sich auch allen bevorstehenden und herannahenden Ubeln, als der Caussae materiali zu wiedersetzen, und die Kranckheiten, als die Caussam formalem, zu erwecken, und dieselben finaliter so weislich zuordnen, daß dasjenige, was dem Cörper eine tödtliche Fäulniß oder Untergang gedräuet, vermöge einer fast gantz uncörperlichen, oder doch wenigstens unmercklichen Bewegung, verbessert und ausgetrieben werde.  
  Ob nun schon nicht zu leugnen, daß weder Leben, noch Gesundheit, noch auch Kranckheit ohne Bewegung und Motu sich vorstellig gemachet werden kan; so halten doch andere für wahrscheinlicher, daß alle Functiones des Cörpers von einer mechanischen Eigenschafft derer gantzen und flüssenden Theile herrühren; und glauben, daß alle Res materiales, so der Gesundheit des Cörpers Gewalt thun, nach denen Regeln der Bewegung ihre Würckungen in dem Cörper verrichten, dahero sie zweiffeln, ob oben angeführte Eintheilung derer Caussarum bei denen Medicis statt finde.  
  Von der finali caussa bey denen Kranckheiten hat Sennertus gar schön gehandelt, wenn er spricht, daß diejenigen Sachen nur einen Finem haben könnten, deren Wesen in einiger Vollkommenheit bestehe, und was guts, aber nichts böses zu erlangen sucheten: Da nun die Kranckheiten aus einem Mangel der Vollkommenheit entstünden, und ihr Wesen in einer Unvollkommenheit beruhe, könnten sie nicht die finalem caussam abgeben. Denn ob schon die  
  {Sp. 1711/1712}  
  Ursachen der Kranckheit wegen ihres Endzwecks würcken, daß sie nemlich ihresgleichen hervorbringen, und das, so ihnen entgegen und zuwieder sey, verderben mögen, wie denn warme Sachen in unserm Cörper Wärme, kalte aber Kälte machen: so ist doch die Kranckheit vor keine Endursache zu halten, sondern entstehet nur zufälligerweise.  
  Demnach hat ein Medicus vornemlich auf die Caussas efficientes, das ist die würckenden Ursachen zu sehen. Weil aber dererselben unendlich viel sind, also sollen nur die vornehmsten und deren Eintheilung angeführt werden. Man theilet sie aber  
 
1) in nonnaturales, praeternaturales und supernaturales.
 
 
  Zu denen Nonnaturalibus, das ist, nicht natürlichen, gehören Speise und Tranck, Lufft, Bewegung und Ruhe, Retinenda und Excernenda, Schlaff und Wachen, wie auch die Gemüths-Bewegungen. Ob nun wohl angeführte Sachen gantz wohl natürlich sind, und, die Gesundheit zu erhalten, nothwendig erfordert werden; so werden sie doch, weil durch derselben Mißbrauch unendlich viel Kranckheiten erwecket werden können, von denen Medicis Res nonnaturales genennet.
 
 
  Die Praeternaturales Res, das ist, die widernatürlichen Ursachen, begreiffen unter sich Würmer, Steine, Gift, und alle dergleichen fremde Sachen, welche entweder in dem Cörper wachsen, oder in denselben von aussen gebracht werden, und nicht nur der Natur sehr zuwieder sind, sondern auch viele Ungelegenheit verursachen können.
 
 
  Supernaturales Caussae, übernatürliche Ursachen, heissen diejenigen, welche die Kräffte der Natur übersteigen, und entweder von GOtt, oder auf dessen Zulassung, vom Teuffel ihren Ursprung haben, wie man bei Besessenen und denenjenigen siehet, welche eine fremde Sprache reden, so sie doch niemahls gelernet
 
 
2) Ferner werden die Ursachen eingetheilet in
 
 
 
  • Caussam remotam, mediatam, in die mittelbahre, und
  • Caussam proximam, immediatam, in die unmittelbahre Ursache.
 
 
  Die Remotae sind wieder entweder Procatarcticae oder Antecedentes. Jene, welche im Lateinischen Praeincipientes heissen, können an und vor sich selbst keine heftige Kranckheit hervorbringen, aber wohl einen Cörper, der zu Kranckheiten geneigt ist, in eine Kranckheit stürtzen, die darinne verborgen gelegenen Ursachen erregen, und also die verborgene Kranckheit offenbahren und hervor bringen; hieher gehören Wärme, Kälte, Hunger, Ruhe und unterschiedliche Bewegungen, so wohl der Seele als des Leibes. Denn Galenus sagt Lib. de Caussis procatarct. c. 1. Es wird niemand, der sonst einen guten und gesunden Leib hat, von Hitze, oder Kälte, oder starcker Bewegung so gleich krancken; sondern diese Ursachen können nur kränckliche Cörper in einen übeln Zustand setzen.
 
 
  Die Antecedentes Caussae sind bereits an ihrem Orte T. II. p. 495. abgehandelt worden.
 
 
  Caussa proxima oder immediata ist, auf welche die Kranckheit unmittelbar folget. Diese kan nun entweder eine innerliche oder äusserliche sein, und entweder, nachdem die Kranckheit angebracht worden, weichen, (wie z.E. bey einer Wunde, da die Caussa immediata, nemlich das Instrument, nachdem die Verletzung
 
  {Sp. 1713/1714|S. 794}  
 
  angebracht worden, weichet,) oder bei der Kranckheit vereiniget bleiben, da denn diese letztere Art besonders continens oder conjuncta genennet wird, weil sie, sobald sie sich einstellet, die Kranckheit verursachet, sobald sie aber wieder weichet, oder nachlässet, auch die Gesundheit erfolget.
 
 
3) Sind die Caussae entweder per se, oder per accidens. Caussa per se ist, welche durch ihre eigenen und keine fremden Kräffte, noch durch Beyhülffe einer andern Sache, eine Würckung hervor bringet. Also kan Wein, Pfeffer, und dergleichen, vor sich den Cörper erwärmen
 
 
  Caussa per accidens ist, welche nicht durch ihre eigene, sondern fremde Kräffte, und Beyhülffe einer andern Sache würcket. Da z.E. die äusserliche Kälte, indem sie die Schweiß-Löcher verstopffet, in dem Cörper Hitze erreget.
 
 
4) Hat man auch Caussas positivas und privativas. Positivae sind, welche mit ihrer Gegenwart eine ihnen gleiche Würckung hervorbringen, indem z.E. das Feuer positive einen brennenden Schmertz erreget. Privativae werden diejenigen genennet, welche durch ihre Abwesenheit würcken. Also erreget der Speichel, wenn er fehlet, Durst.
 
 
  Endlich, und zum fünfften, werden auch die Caussae nicht unbillig in Manifestas, Obscuras und Occultas getheilet. Manifestae oder offenbahre sind, welche leichtlich in die Sinne fallen, als z.E. ein Splitter, den man sich in die Finger gestossen.
 
 
  Die Obscurae hingegen können nicht so leichtlich mit denen Sinnen begriffen, sondern müssen erst durch die gesunde Vernunfft erkannt werden: hieher gehören die meisten in dem Cörper liegende Ursachen.
 
 
  Occultae heissen, welche weder in die Sinne fallen, noch auch durch die Vernunfft dergestalt eingesehen werden können, daß man vermögend wäre, dieselben klar und deutlich zu beschreiben. Ob schon einige von denen neuern Medicis die Caussas occultas vor ein Asylum ignorantiae halten, so ist doch, wenn man die Wahrheit sagen will, nicht zu leugnen, daß die Ursachen derer gifftigen, bösen Fieber und anderer dergleichen Kranckheiten, dergestalt versteckt und verborgen sind, daß alles, was in diesem Stück von denen Auctoribus vorgebracht wird, nicht nur von dererselben grossen Mißhelligkeit zeuget, sondern auch sehr wenig die Art und Natur der Malignität vor Augen leget.
   
 

HIS-Data 5028-5-1709-1: Zedler: Caussa, die Ursach, wird bey denen Medicis HIS-Data Home
Stand: 5. Januar 2013 © Hans-Walter Pries