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Caussa, die Ursach, wird bey denen Medicis für alles
dasjenige gehalten, was entweder die Gesundheit erhält, oder eine Kranckheit
verursacht und zu wege bringet. |
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Einige von denen neuern Medicis, welche entweder die
Seele,
oder die Lebens-Geister, vor den Werckmeister des
menschlichen
Cörpers halten, haben
die vier
Caussas derer
Philosophorum, nemlich die efficientem,
materialem, formalem und finalem angenommen, und
meynen, das
Principium vitale wäre, in Ansehung seiner angebohrnen
Wissenschafft,
vermögend, nicht nur das Corpus organicum zu
bauen, und alle
Functiones, so zu desselben Gesundheit gereicheten, zu dirigiren,
sondern sich auch allen bevorstehenden und herannahenden
Ubeln, als der
Caussae materiali zu wiedersetzen, und die Kranckheiten, als die
Caussam formalem, zu erwecken, und dieselben finaliter so weislich
zuordnen, daß dasjenige, was dem Cörper eine tödtliche Fäulniß oder Untergang
gedräuet, vermöge einer fast
gantz uncörperlichen, oder doch wenigstens
unmercklichen
Bewegung,
verbessert und ausgetrieben werde. |
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Ob nun schon nicht zu
leugnen, daß weder
Leben, noch Gesundheit, noch auch
Kranckheit ohne
Bewegung und Motu sich vorstellig gemachet werden kan;
so halten doch andere für
wahrscheinlicher, daß alle Functiones des
Cörpers von einer mechanischen
Eigenschafft derer gantzen und flüssenden
Theile
herrühren; und
glauben, daß alle Res materiales, so der Gesundheit des
Cörpers
Gewalt
thun, nach denen
Regeln der Bewegung ihre
Würckungen in dem Cörper
verrichten,
dahero sie
zweiffeln, ob oben angeführte
Eintheilung derer Caussarum
bei denen Medicis statt finde. |
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Von der finali caussa bey denen Kranckheiten hat
Sennertus gar schön gehandelt, wenn er
spricht, daß diejenigen
Sachen nur einen Finem haben könnten, deren
Wesen in einiger
Vollkommenheit bestehe, und was
guts, aber nichts
böses zu
erlangen sucheten: Da nun die Kranckheiten aus einem
Mangel der Vollkommenheit
entstünden, und ihr
Wesen in einer
Unvollkommenheit beruhe, könnten sie nicht
die finalem caussam abgeben. Denn ob schon die |
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{Sp. 1711/1712} |
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Ursachen der Kranckheit wegen ihres
Endzwecks
würcken, daß sie nemlich
ihresgleichen hervorbringen, und das, so ihnen entgegen und zuwieder sey,
verderben mögen, wie denn warme Sachen in unserm
Cörper Wärme, kalte aber Kälte
machen: so ist doch die Kranckheit vor keine
Endursache zu halten, sondern
entstehet nur zufälligerweise. |
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Demnach hat ein Medicus
vornemlich auf die Caussas efficientes,
das ist die
würckenden Ursachen zu sehen. Weil aber dererselben unendlich
viel sind, also sollen nur die
vornehmsten und deren
Eintheilung angeführt
werden. Man
theilet sie aber |
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1) |
in nonnaturales, praeternaturales und
supernaturales. |
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Zu denen Nonnaturalibus, das ist,
nicht natürlichen, gehören Speise und Tranck, Lufft,
Bewegung und Ruhe, Retinenda und Excernenda, Schlaff
und Wachen, wie auch die
Gemüths-Bewegungen. Ob nun wohl angeführte
Sachen gantz wohl
natürlich sind, und, die Gesundheit zu erhalten,
nothwendig erfordert werden; so werden sie doch, weil durch derselben
Mißbrauch unendlich viel Kranckheiten erwecket werden können, von denen
Medicis Res nonnaturales
genennet. |
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Die Praeternaturales Res, das ist, die
widernatürlichen Ursachen, begreiffen unter sich
Würmer, Steine, Gift, und alle dergleichen fremde
Sachen, welche
entweder in dem
Cörper wachsen, oder in denselben von aussen gebracht
werden, und nicht nur der
Natur
sehr zuwieder sind, sondern auch viele Ungelegenheit verursachen können. |
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Supernaturales Caussae,
übernatürliche Ursachen, heissen diejenigen, welche die Kräffte
der Natur übersteigen, und entweder von
GOtt, oder auf dessen Zulassung, vom Teuffel ihren
Ursprung
haben, wie man bei Besessenen und denenjenigen siehet, welche eine
fremde
Sprache
reden, so sie doch niemahls gelernet |
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2) |
Ferner werden die Ursachen eingetheilet in |
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- Caussam remotam, mediatam, in die mittelbahre, und
- Caussam proximam, immediatam, in die
unmittelbahre
Ursache.
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Die Remotae sind wieder entweder
Procatarcticae oder Antecedentes. Jene, welche im
Lateinischen Praeincipientes heissen, können an und vor
sich selbst keine heftige Kranckheit hervorbringen, aber wohl einen
Cörper, der zu Kranckheiten geneigt ist, in eine Kranckheit stürtzen,
die darinne verborgen gelegenen Ursachen erregen, und also die
verborgene Kranckheit offenbahren und hervor bringen; hieher gehören
Wärme, Kälte, Hunger, Ruhe und unterschiedliche
Bewegungen, so wohl der
Seele als des
Leibes. Denn Galenus
sagt Lib. de Caussis procatarct. c. 1. Es wird niemand, der
sonst einen guten und gesunden
Leib hat, von Hitze, oder Kälte, oder
starcker
Bewegung
so gleich krancken; sondern diese Ursachen können nur kränckliche Cörper
in einen übeln
Zustand setzen. |
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Die Antecedentes Caussae sind bereits an
ihrem Orte T. II. p. 495. abgehandelt worden. |
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Caussa proxima oder immediata
ist, auf welche die Kranckheit
unmittelbar folget. Diese kan nun
entweder eine innerliche oder äusserliche sein, und entweder, nachdem
die Kranckheit angebracht worden, weichen, (wie z.E. bey einer Wunde, da
die Caussa immediata, nemlich das
Instrument, nachdem die
Verletzung |
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{Sp. 1713/1714|S. 794} |
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angebracht worden, weichet,) oder bei der
Kranckheit vereiniget bleiben, da denn diese letztere
Art besonders
continens oder conjuncta genennet wird, weil sie, sobald
sie sich einstellet, die Kranckheit verursachet, sobald sie aber wieder
weichet, oder nachlässet, auch die Gesundheit erfolget. |
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3) |
Sind die Caussae entweder per se,
oder per accidens. Caussa per se ist, welche
durch ihre
eigenen und keine fremden
Kräffte, noch durch Beyhülffe einer
andern
Sache, eine
Würckung hervor bringet. Also kan Wein, Pfeffer, und
dergleichen, vor sich den
Cörper erwärmen |
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Caussa per accidens ist, welche nicht
durch ihre eigene, sondern fremde
Kräffte, und Beyhülffe einer andern
Sache
würcket. Da
z.E. die äusserliche Kälte, indem sie die
Schweiß-Löcher verstopffet, in dem
Cörper Hitze erreget. |
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4) |
Hat man auch Caussas positivas und
privativas. Positivae sind, welche mit ihrer
Gegenwart eine ihnen
gleiche
Würckung hervorbringen, indem z.E. das Feuer positive
einen brennenden Schmertz erreget. Privativae werden diejenigen
genennet, welche durch ihre Abwesenheit würcken. Also erreget der
Speichel, wenn er fehlet, Durst. |
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Endlich, und zum fünfften, werden auch die
Caussae nicht
unbillig in Manifestas, Obscuras und Occultas
getheilet. Manifestae oder offenbahre sind, welche leichtlich
in die
Sinne fallen, als z.E. ein Splitter, den man sich in die Finger
gestossen. |
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Die Obscurae hingegen können nicht so
leichtlich mit denen
Sinnen begriffen, sondern müssen erst durch die
gesunde Vernunfft
erkannt werden: hieher gehören die meisten in dem
Cörper liegende Ursachen. |
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Occultae heissen, welche weder in die
Sinne fallen, noch auch durch die
Vernunfft dergestalt eingesehen werden
können, daß man
vermögend wäre, dieselben klar und deutlich zu
beschreiben. Ob schon einige von denen neuern Medicis die
Caussas occultas vor ein Asylum ignorantiae halten, so ist
doch, wenn man die
Wahrheit
sagen
will, nicht zu
leugnen, daß die
Ursachen derer gifftigen,
bösen Fieber und anderer dergleichen
Kranckheiten, dergestalt versteckt und verborgen sind, daß alles, was in
diesem Stück von denen
Auctoribus vorgebracht wird, nicht nur
von dererselben grossen Mißhelligkeit zeuget, sondern auch sehr wenig
die
Art und
Natur
der Malignität vor Augen leget. |
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