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Quellenangaben und Anmerkungen
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Verstand des
Menschen,
Lat.
Intellectus humanus, Intellectus hominis.
Wir
wollen hier eine Dogmatische und
Historische Abhandlung anstellen, und bey
jener die Sache erklären;
bey dieser aber die
vornehmsten
Meynungen der
Philosophen hiervon erzehlen.¶ |
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Bey der Dogmatischen Betrachtung haben wir erstlich
überhaupt zu sehen: Was der menschliche
Verstand sey? Wir nennen ihn eine
Fähigkeit der
Seelen, zu
empfinden, und auf menschliche Art zu gedencken, die
uns die Natur mittheilet. Daß wir solche Fähigkeit haben, dessen sind wir durch
die eigene
Empfindung völlig versichert, indem wir die
Würckungen, die daher
fliessen, empfinden, und uns derselbigen bewust sind. Eben solche Empfindung
nebst der
Erfahrung dessen, was wir an den
Reden und
Thaten anderer Leute
wahrnehmen, ist der
Grund, woraus wir die Beschreibung desselbigen nehmen, und
wo es nötig ist,
beweisen müssen. |
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Wir legen darinnen dem menschlichen Verstande eine doppel- |
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{Sp. 1981|S. 1004} |
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te Krafft bey. Die eine ist das
Vermögen zu
empfinden, welches man auch die
Sinnen zu nennen pfleget; das andere das Vermögen auf menschliche Art zu
gedencken, da es denn
GOtt sehr weislich geordnet, daß jenes diesem vorgehet.
Denn wenn wir gedencken wollen, muß ein Object da seyn, daran wir gedencken
können. Ehe aber der Verstand daran gedencken kan, muß es ihm vorher bekannt
gemacht seyn, wozu die
Empfindung dienet. |
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Also ist die
Empfindung das erste, so zum
Wesen unsers Verstandes erfordert
wird, daß wenn dieses geschehen, so fängt er an, daran zu gedencken, und zwar,
wie wir in der Beschreibung
sagen, auf menschliche Art. Hiermit haben wir den
Unterscheid zwischen den
Menschen und Bestien in diesem Stücke anzeigen wollen.
Man kan mit den Cartesianern die Bestien nicht zu blossen
Maschinen machen, und
wenn man ihnen einen Verstand beyleget, ist nöthig, daß man einen Unterscheid
unter einem viehischen und menschlichen Verstand
setzet. |
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Von dem Vieh weiß man aus der
Erfahrung, daß es nicht nur
empfindet; sondern
auch gewisse
Arten der Gedancken hat, indem es etwas behalten und sich dessen
erinnern kan. Der Mensch hat hierinnen vor demselbigen noch was besonders, daß
er nehmlich nachdencken kan, folglich, wie aus dieser
Würckung zu schliessen,
eine besondere
Krafft an seinem Verstande haben muß. Wolte man also den Verstand
als das
Genus, und den menschlichen nebst dem viehischen, als zwey Arten
desselbigen ansehen, so könnte man folgende Erklärungen machen. |
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Der Verstand überhaupt sey eine Fähigkeit
empfinden und zu gedencken; der
Verstand des Menschen insonderheit eine Fähigkeit seiner
Seelen
zu empfinden und auf menschliche Art zu dencken; und der Verstand eines
Viehs eine Fähigkeit zu empfinden und durch das Gedächtniß zu dencken.
Doch ist nicht zu leugnen, daß nicht einem jeden Vieh eine Gedancke kan
beygeleget werden |
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Rüdiger in physica divina ... mercket an, daß einige Thiere
nur die
Bewegungs und
Empfindungs
Krafft hätten, wie die Insecten; etliche noch
dabey das Gedächtniß, und bey etlichen träf man auch das Ingenium an, wie an den
Affen zu sehen. Doch wir bleiben hier bey der Untersuchung des menschlichen
Verstandes, u. da wir dessen eigentliches
Wesen in dem Nachdencken setzen, so
geschicht dieses nicht vergebens; sondern wir wissen dieses aus der
Empfindung
und
Erfahrung. |
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Geben wir Acht auf unsere Gedancken, so werden wir verschiedene
Arten
derselbigen wahrnehmen. Wenn in uns durch die
Empfindung
Ideen erreget werden,
so können wir solche nicht nur behalten und uns derselbigen wieder erinnern;
sondern auch durch das Nachdencken und Überlegen derselbigen bewust seyn, sie
gegen einander halten, ihre mancherley
Art der Übereinstimmung, oder Abweichung
bemercken, sie von einander trennen; oder zusammen setzen und sich allgemeine
Ideen, oder
ideas abstractas machen. |
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Diese
Art der Gedancken durch das Nachdencken; oder Überlegen pflegt man
cogitationem reflexam zu nennen. Sie zeigt an, daß der menschliche Verstand
auch mit besondern
Kräfften zu würcken müsse begabet seyn, wel- |
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{Sp. 1982} |
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che man das Ingenium und Judicium nennet; daß wenn der viehische Verstand
nur eine
Empfindungs-Krafft und das Gedächtniß hat; so hat der menschliche
hingegen die Empfindungs-Krafft, das Gedächtniß, Ingenium und Judicium. |
Man lese, was D.
Müller in seiner Logick ...
hiervon angemercket hat. |
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In der Beschreibung setzen wir noch hinzu, es sey der Verstand eine solche
Fähigkeit, die uns die
Natur mittheile, womit wir den
Grund des Unterscheids,
den man unter Verstand und
Vernunfft machen kan, anzeigen wollen. Denn den
Verstand kan man als eine natürliche Fähigkeit; die Vernunfft aber als eine
durch Fleiß und Übung erlangte
Geschicklichkeit ansehen. |
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Herrn
Wolffen ist der Verstand eine
Krafft, das Mögliche
deutlich vorzustellen. Und hierinnen ist ihm der Verstand von den
Sinnen und der
Einbildungs-Krafft unterschieden, daß, wo diese alleine sind, die Vorstellungen
nur höchstens klar, aber nicht deutlich seyn: Hingegen, wo der Verstand dazu
kommt, dieselben deutlich werden. |
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Daher, wenn uns einer von einer
Sache nichts zu
sagen weiß, ob er sie gleich
sich einbilden kan, das ist, wenn er keine Deutlichkeit in seinen Gedancken hat,
pflegen wir zu sagen, er habe keinen Verstand davon, oder er verstehe sie nicht.
Hingegen, wenn er uns sagen kan, was er sich von der
Sache vorstellet, so sagen
wir, er habe Verstand davon oder er verstehe sie.
Und unterweilen geben wir gar deutlich die Deutlichkeit als einen
Grund
an, daß einer die Sache nicht verstehe, wenn wir nehmlich sagen: Wie
will er es sagen, er
verstehet nichts davon, ob uns gleich bekannt, daß
er die Sache empfunden und sich weiter einbilden kan. |
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Einige nehmen das
Wort: Verstand, in einem weitläufftigen
Verstande, nehmlich überhaupt pro omni facultate cognoscitiva, für das
Vermögen
zu
erkennen (oder für eine
Krafft der
Seele das
Mögliche vorzustellen, es mag deutlich oder undeutlich, ja gar auch dunckel
geschehen). Und in diesem Fall gehören die
Sinnen (oder Krafft zu
empfinden) und
die Einbildungs-Krafft mit zum Verstande und werden zugleich mit darunter
begriffen. Allein das heisset ohne Noth durch eine Unbeständigkeit im
Reden ein
Wort zweydeutig und dadurch Verwirrung machen, da gleichwohl an dem Unterscheide
gar viel gelegen, und wir
Wörter genug haben, wodurch wir alle Kräfte der Seele
von einander zu unterscheiden vermögend sind: Wir haben zweyerley
Erkänntniß,
deutliche und undeutliche. |
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Derowegen ist
billig, daß wir beydes
Vermögen unterscheiden, welches die
Seele dazu hat. Das Vermögen undeutlich eine
Sache vorzustellen, sind die
Sinnen
und Einbildungs-Krafft. Denn, wenn wir in dem, was sie vorstellen, Deutlichkeit
suchen, so äussert sich der Verstand. Und demnach behält
billig das Vermögen,
die Sachen deutlich vorzustellen, diesen
Nahmen. |
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Es ist einfältig, wenn man den Verstand in einem weitläufftigen
Verstande
genommen, oder das
Vermögen zu
erkennen überhaupt ein freyes Wesen der
Seele,
oder facultatem liberam nennen will. Denn dieses Vermögen hat keine
Freyheit, sondern muß den vorgeschriebenen
Regeln folgen, unerachtet die Seele
Freyheit hat, sich zum Gebrauch desselben |
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{Sp. 1983|S. 1005} |
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nach ihrem Gutbefinden zu determiniren. Ist demnach der Verstand diejenige
Krafft der Seele, in so weit sie das Mögliche deutlich vorstellet: So ist der
Verstand um soviel vollkommener, jemehr er
Dinge deutlich vorstellen kan, und
jemehr er in einem einigen Dinge deutlich vorzustellen vermögend ist. So weit
Herrn
Wolff in seiner deutschen Metaphysick und in den
Anmerckungen darüber.¶ |
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Erklärung des Verstandes |
Wir kommen nun wieder zu der oben gegebenen Erklärung des Verstandes, und
müssen wir nunmehro vors andere insonderheit die besondern Stücke dabey
durchgehen, daß wir die
Sache genauer
erkennen lernen. Es kan alles, was davon
zu
sagen und zu wissen nöthig ist, füglich auf drey Puncte gebracht werden, daß
wir diese Fähigkeit, Beschaffenheit,
Stand und Gebrauch erwegen. Was anlangt |
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1) |
deren Beschaffenheit, so haben
wir sie zwar vorher schon beschrieben; es müssten aber die
Ideen, woraus
die Beschreibung bestehet, genauer betrachtet werden. |
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Wir
erkennen die Beschaffenheit des Verstandes
aus dem, was durch denselbigen geschiehet, woraus wir dessen
Kräffte schliessen, daß obwohl diese Kräffte der
Natur ehe
sind, so handeln doch diejenigen nicht übel, welche zuerst dasjenige,
was in dem Verstande geschiehet, betrachten, weil uns solches ehe
bekannt ist. Auf solche Weise haben wir, um die Beschaffenheit des
menschlichen Verstandes kennen zu lernen, zweyerley zu erwegen, dessen
Kräffte und
Würckungen, die in demselbigen durch die Kräffte geschehen. |
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Bleiben wir bey der natürlichen
Ordnung, und
machen in der Darstellung den Anfang von den Kräfften des Verstandes, so
schliessen wir aus den unterschiedenen
Würckungen, die in demselbigen
vorgehen, daß ihn
GOtt mit verschiedenen
Kräfften begabet, derer nach
dem, was wir vorher angemercket, viere seyn müssen, die
Empfindungs-Krafft, das Gedächtniß, das Ingenium und das Judicium,
wiewohl man auch derselbigen nur dreye zählet, und die
Empfindungs-Krafft weglässet, weil sie nicht sowohl eine Krafft des
Verstandes, etwas zu thun, als vielmehr die Würckungen der Objecten, von
denen er afficiret werde, anzunehmen. Von einer jeden ist insbesondere
gehandelt worden, daß man nur die
Artickel von der
Empfindung, von den
Sinnen, von dem Gedächtniß, Ingenio und Judicio aufsuchen darf. |
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Alle diese
Kräffte
zielen auf die Absicht, daß wir die
Wahrheit
erkennen sollen. Bey einer Wahrheit, wenn sie soll
erkannt werden, kommen zwey Stücke vor. Das eine ist der materielle
Theil, welchen die
Ideen ausmachen; das andere aber das Formale, das auf
die Verbindung oder
Verhältniß der Ideen ankommt. Zu jenen brauchen wir
die
Empfindungs-Krafft und das Gedächtniß. Denn durch die
Empfindung
bekommen wir alle Ideen; wäre aber kein Gedächtniß da, so würden sie
nicht einmahl entstehen können, indem man sich der
Bewegung, so durch
die Empfindung erreget worden, nicht erinnern könnte, mithin hätte man
keine
Sachen, von denen man die Wahrheit erkennen, und das Judicium
dabey brauchen könnte. |
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Eben dieses Judicium brauchen wir zum formalen
Theile der |
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{Sp. 1984} |
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Wahrheit, weil wir durch dasselbige
erkennen
müssen, wie sich die
Ideen gegen einander verhalten, und wie also ihre
Verbindung unter einander einzurichten, ob sie zu
verknüpffen, oder
abzusondern sind. Auf solche Weise scheinet es, daß man das Judicium[1]
bey der Erkänntniß der Wahrheit nicht brauche, weil alles durch die
Empfindungs-Krafft, durch das Gedächtniß und Judicium könne ausgerichtet
werden. |
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[1] |
HIS-Data: richtig: Ingenium |
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Wir haben schon oben, da wir von diesem Ingenio
gehandelt, angemercket, daß man bey demselbigen einen zweyfachen
Zweck
zu erwegen. Die Göttliche Absicht dabey ist gewesen, daß der
Mensch
diejenigen Connexionen der
Dinge, die er vermittelst des Judicii weder
durch die
Sinne; noch durch nothwendige Folgerungen zu
erkennen vermag,
durch ingenueses oder sinnreiches Herumrathen, oder Versuch allerhand
möglichen Connexionen zu seinem grossen
Nutzen zu finden möge fähig
seyn. |
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Auf diesem
Grunde bestehet die gantze Lehre von
der Wahrscheinlichkeit und auf diese wieder eine ziemlicher Anzahl der
schönsten Disciplinen unserer
Gelehrsamkeit. Also hat das Ingenium
seinen grossen
Nutzen bey den wahrscheinlichen
Wahrheiten. Die
Menschen
aber haben angefangen, solches zur
Erfindung allerhand artiger
Connexionen ihrer
Ideen zu brauchen, die blos zur Belustigung dienen,
und sich in den Schertzreden, Erdichtungen u.d.g. zu zeigen. |
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Aus diesem sieht man zugleich die
Ordnung, wie
diese
Kräffte auf einander folgen, und daß wir nicht ohne
Ursache sie in
diese Ordnung gebracht:
Empfindungs Krafft, Gedächtniß, Ingenium und
Judicium. Denn zuerst geschicht die Empfindung, worauf durch das
Gedächtniß, wenn man sich erinnert, was man empfunden, die
Ideen
entstehen und verwahret werden, mit denen das Ingenium allerhand
mögliche Connexionen anstellet, und damit dem Judicio gleichsam den Weg
bahnet. |
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Dieses bestätiget auch die
Erfahrung.
Denn das erste, so sich bey einem
Menschen äussert, ist die
Empfindung,
worauf man das Gedächtniß verspüret; nach diesem das Ingenium, und
zuletzt das Judicium, da man zu
sagen pfleget, der Verstand kommt nicht
vor den Jahren. Denn das
Wort Verstand wird auch in
engerm
Sinn genommen, daß man darunter das Judicium
verstehet, z.E. wenn man
spricht, der Mensch hat keinen Verstand, so
bedeutet hier der Verstand nicht den intellectum, indem er
sonst gar nicht
empfinden und gedencken, folglich kein Mensch seyn
könnte; sondern das Judicium, und zeigt an, er könne nicht nachdencken,
nicht überlegen, die
Sachen gegen einander halten. |
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Den würcklichen Unterscheid dieser
Kräfften
schliessen wir aus dem Unterscheide der Gedancken, der sich auch
deutlich zu
erkennen giebt, wenn wir die verschiedene Manieren etwas
vorzustellen und auszurichten an andern Leuten, sonderlich die sich den
Studien wiedmen, bemercken. Denn man findet, daß welche in
Sachen des
Gedächtnisses, viel vor sich bringen können; die hingegen zu judicieusen
und ingenieusen
Dingen nicht
geschickt sind. Andere sind ingenieuse
Köpffe; zu Sachen aber die ein Gedächtniß und Nachdencken erfordern,
nicht aufgelegt. Noch andere sind fähig, eine |
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{Sp. 1985|S. 1006} |
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Sache einzusehen, zu überlegen, und das, so auf
das Judicium ankommt,
geschickt zu tractiren; bey welcher
Geschicklichkeit aber ein Unvermögen des Gedächtnisses und Ingenii
verspüret wird. Um deswegen ist nicht ein jeder zu allen
Künsten und
Profeßionen, zu jeglicher Lebensart, zur Expedition eines jeden
Geschäffts
geschickt. |
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Durch diese
Kräffte des Verstandes entstehen auch
in demselbigen gewisse
Würckungen, die wir in zwey
Arten abtheilen
müssen, in die
Empfindungen und Gedancken, unter denen folgender
Unterscheid ist: die Empfindungen gehen vorher; und die Gedancken folgen
auf selbige, so, daß wir keine eintzige Gedancke ohne der Empfindung
haben können. Denn der Gegenstand der Gedancken sind die
Ideen; alle
Ideen aber kommen von der Empfindung her. |
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Die
Empfindungen sind
Leidenschafften des
Verstandes, welcher nicht nur, wenn die Objecte vor die
Sinnen kommen,
nothwendig empfinden muß; sondern auch nicht anders empfinden kan, als
es die Beschaffenheit der
Sache mit sich bringt, z.E. bey einer sauren
Speise können wir keinen süssen Geschmack haben. Indem er aber
gleichwohl die
Würckungen der Objecten, von denen er afficiret wird,
annehmen muß, und also auch dabey eine Thätlichkeit vorgehet, so wollen
einige die Empfindung lieber eine Commotionem, als
passionem intellectus nennen. |
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Die Gedancken hingegen sind blosse Thätlichkeiten
des Verstandes. |
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Beyde
Arten dieser
Würckungen lassen sich wieder
abtheilen. Denn wie die
Empfindungen entweder äusserliche; oder
innerliche sind; also hat man Gedancken des Gedächtnisses, wenn man
etwas mercket, und sich dessen erinnert; des Ingenii, wenn man was
ersinnet, das vielleicht möglich oder auch artig ist; oder des Judicii,
wenn man durch das Nachdencken das wahre
Verhältniß zweyer
Ideen
erkennet, und bald ein
Urtheil, bald einen Vernunft-Schluß abfasset. |
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Von diesem ist nicht unterschieden, wenn andere
die
Ordnung der Gedancken so setzen, daß wir erstlich
Ideen oder
Vorstellungen hätten; hierauf Judicia oder
Urtheile abfaßten, und denn
Vernunfft-Schlüsse machten. Denn zu den Gedancken des Gedächtnisses
müssen wir die Ideen, oder die Vorstellungen rechnen. |
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Auf die
Würckungen des Gedächtnisses folgen die
Würckungen des Ingenii und Judicii. Diese beyde
Kräfte kommen überhaupt
darinnen mit einander überein, daß sie die
Ideen gegen einander halten,
und an ihr Verhältniß unter sich dencken, ob sie etwan beysammen stehen
können, oder nicht. Hieraus entstehen die
Urtheile, oder die
Propositiones, welche entweder bejahend, oder verneinend seyn müssen,
weil keine Gegeneinanderhaltung ohne Bejahung oder Verneinung geschehen
kan, und das wäre die
Art der Gedancken. |
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Indem aber unter dem Ingenio und Judicio dieser
Unterscheid ist, daß das Ingenium nur eine
Krafft allerhand mögliche
Verbindungen der
Ideen zu erdencken; das Judicium hingegen eine Krafft,
das wahrhafftige Verhältniß oder den wahren Zusammenhang der Ideen zu
treffen, so müssen die
Urtheile oder Propositiones nothwendig zweyerley
seyn, entweder ingenieuse oder judicieuse. |
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Endlich kommt die dritte
Art der Gedancken, oder
der Vernunft-Schluß |
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{Sp. 1986} |
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hinzu, wenn das Judicium sein Nachdencken
fortsetzet, und den in dem
Urtheil getroffenen Zusammenhang der
Ideen
mit mehrern verbindet, und also einen Satz mit dem andern
verknüpffet, |
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wovon D.
Müller in der schon angeführten Logick c.
3. zu lesen. |
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