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Zedler: Mensch [1] HIS-Data
5028-20-716-2-01
Titel: Mensch [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 20 Sp. 716
Jahr: 1739
Originaltext: Digitalisat BSB Bd.20 S. 367
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Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

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Übersicht
I. Beschaffenheit und Natur
 
  Teile des Menschen
 
  Hypothesen
 
  1. Körper
  2. Seele
  3. Leib, Seele und Geist
 
  a) Leib und zweifacher Geist: Fanatiker

Stichworte Text Quellenangaben
  Mensch, Lat. homo.  
  Bey dieser wichtigen u. weitläufftigen Materie, wollen wir auf 3 Stücke sehen, als erstlich auf die Beschaffenheit und Natur eines Menschen, vors andere auf die unterschiedenen Arten derselbigen, u. drittens auf ihren Ursprung.  
I. Beschaffenheit und Natur Was erstlich die Beschaffenheit u. Natur eines Menschen anlangt, so haben wir selbige sowol an u. vor sich selbst, als auch gegen andere Creaturen und gegen den Schöpffer zu betrachten. Erwegen wir die Natur des Menschen an u. vor sich, so werden wir in der Erkenntniß dieser Sache besser zu rechte kommen, wenn wir vorher die einzelen Stücke, die bey einem Menschen fürkommen, betrachten, ehe wir eine Erklärung durch allgemeine Begriffe machen.  
Teile des Menschen: Hypothesen Es fragt sich daher: aus wieviel Theilen der Mensch bestehe? oder, ob eine, oder mehrere Substantzen, die wesentlich von einander unterschieden sind, die menschliche Natur ausmachen? Wenn wir die unterschiedene Meynungen der Philosophen in den ältern und neuern Zeiten davon ordentl. zusammen anführen wollen, so lassen sich selbige füglich in 4 Classen bringen.  
1. Körper Einige meynen, der blosse Cörper mache den Menschen aus, und sehen die Seele vor ein Accidens desselbigen an. Unter den Alten meldet Cicero lib. 1. c. 10. quaestion. Tusculan. von dem Dicäarcho, daß er dafür gehalten, die Seele sey mit all nichts, und das Wort Seele oder Gemüth sey ein leeres Wort, das nichts bedeute. So haben sich auch zu den neuern Zeiten welche gefunden, die sich eingebildet, daß die Seele keine vom Cörper unterschiedene Substantz sey, massen Hobbesius in dem Leviathan c. 4. alle Substantzen, die keinen Cörper haben, geleugnet, und c. 34. das Wort Substantia und corpus vor einerley ausgegeben.  
  Eben darauf laufft die Meynung des Cowardi, eines berühmten Engl. Medici, hinaus, welcher behauptet, die gemeine Meynung von der Seelen, als sey sie eine immaterielle Substantz, somit dem Leibe vereiniget, wäre von den Heyden erdichtet, reime sich auch nicht mit denen Principiis der Philosophie und Vernunfft, noch Religion; nach der Schrifft aber sey die Seele nicht anders, als das Leben der Menschen, die, so lange der Mensch lebe, vorhanden, und mit demselben zwar untergehe, aber doch auch in der Aufferstehung wieder darinnen seyn werde, welche Meynung er nicht nur in verschiedenen Schrifften fürgetragen, sondern auch wider die Widersacher, die er darüber bekommen, zu vertheidigen sich bemühet, wie aus den actis erudit. 1707. p. 352. zu ersehen.  
  Auf gleichen Schlag urtheilet auch der ungenannte Auctor in dem vertrauten Brief-Wechsel vom Wesen der Seelen von der Sache, der sich Menschen vorstellet, denen die Seele fehlet. Denn was wir Seele nennen, das hält er nur vor ein Accidens des Cörpers, das auf einem Mechanismo beruht, wovon wir unten in dem Artickel der Seele mit mehrern handeln wollen.  
2. Seele Wie nun diese sich Menschen ohne Seele einbilden, also hats auch welche gegeben, die den Leib vor keinen wesentlichen Theil des Menschen gehalten, welche wir in die andere Classe setzen. Es stimmten vor dem die Platonici, Pythagoräer, und Stoici meistens darinnen überein, daß zum Menschen eigentlich nichts mehr als die Seele gehöre, weswegen sie den Leib eine Strafe, eine Last, ein finsteres Wohnhaus, ein  
  {Sp. 717|S. 368}  
  Gefängniß, ein Zucht-Haus des Gemüths oder der Seelen nennten, wie wir bereits oben in dem Artickel von dem Leib die Zeugnisse davon angeführet haben.  
  Unter den neuern ist Heinr. Morus zu dieser Meynung sehr geneigt gewesen, wie sonderlich aus seinem Tr. de immortalitate animae und aus der Defensione philo cabb. erhellet, darinnen er nicht nur mit dem Plato die Präexistentz der Seelen annimmt, sondern auch den irdischen Leib vor ein Gefängniß, vor ein Grab, vor eine Hinderniß des Gemüths ausgiebt.  
  Es haben auch einige den Cartesium hierinnen des Platonismi beschuldiget, als habe er gleichfalls dafür gehalten, daß zum Menschen bloß das Gemüth gehöre, welches nur eine denckende Sache sey, wie Thomasius in introductione philosoph. aulic. ... schreibet; es ist aber die Sache so schlechterdings noch nicht ausgemacht. Denn obwol Cartesius seinen Zweiffel zu weit ausgedehnet, als müste man auch an der Existentz des Cörpers und dessen Gliedmassen zweiffeln, und das Wesen der Seelen in dem Dencken gesetzet, in beyden aber sich sehr verstossen; so kan man doch nicht erweisen, daß er gelehret, als wenn der Leib keinen wesentlichen Theil des Menschen ausmache, davon vielmehr das Gegentheil nicht nur aus seiner Meditation 6. und den Responsibus ad objectiones, sondern auch aus denen Schrifften seiner Anhänger, als des Claubergs, de la Forge und anderer zu schliessen.  
3. Leib, Seele und Geist In die dritte Classe setzen wir diejenigen, die drey wesentliche Theile des Menschen, den Leib, die Seele und den Geist statuiren, von welcher Meynung am meisten wird zu sagen seyn, indem wir nicht nur die Autores, so derselben zugethan sind, erzehlen, sondern auch ihre Beweis-Gründe anführen.  
  Man pflegt den Ursprung dieser Meynung aus dem Judenthum und Platonischen Philosophie zu leiten.  
  Was die Juden anlangt, so legen die Cabbalisten der menschlichen Seele verschiedene Kräffte bey, und geben Ihnen besondere Namen, daß sie einen Unterscheid unter nephesch, ruach und neschamah machen. Die erste sey der Lebens-Geist, und komme mit derjenigen Seele überein, welche von den Philosophis anima vegetativa genennet wird, die andere, oder ruach sey eben das, was man sonst animam sensitivam nennet, und die dritte, oder neschamah bedeute die vernünfftige Seele, wie Vitringa in observationibus sacris ... und Buddeus in introd. in histor. philos. ebraeor. ... aus ihren Schrifften gewiesen haben. Allein da sie durch diese Wörter nicht sowol unterschiedene Substantzen, als vielmehr verschiedene Kräffte einer Substantz anzeigen wollen, so läst sich diese Jüdische Lehre mit der Meynung derjenigen, die drey wesentliche Theile des Menschen statuiren, nicht wohl vergleichen.  
  Besser geht solches mit der Platonischen Philosophie an. Denn einmal legte Plato dem Menschen eine dreyfache Seele bey, eine zornige, begierige und vernünfftige deren die erste in der Brust, die andere unter dem Hertzen, und die dritte im Kopff ihren Sitz habe. Die vernünfftige mache den Menschen aus, und müsse über die beyden andern das Regiment bekommen. Durch die zornige trachte der Mensch nach Macht, Sieg und Ehre, durch die begierige falle er auf Speise, Tranck und venerische Wercke, und die vernünfftige bringe ihn zur Erkänntniß der Wahr-  
  {Sp. 718}  
  heit, welches aus dem Platone selbst. de republ. lib. 4. und 6. Cicerone quaest. Tusculan. lib. 1. cap. 10. und Omeis in ethic. Platonic. p. 28. mit mehrern zu sehen.
  Doch pflegte man auch die zornige und begierige vor eine anzunehmen, und also nur von einer zweyfachen Seele des Menschen zu reden, wie Vitringa in Observat. sacris ... zeiget.
  Nun hielte Plato weiter dafür, daß die vernünfftige Seele ein abgerissen Stück des göttlichen Wesens sey, welche, weil sie sich aus Eigen-Liebe so hoch geschwungen, zur Straffe in das Gefängniß des Leibes herab gestürtzet und eingeschlossen worden; indem er sich aber drey Götter, den obersten Gott, das Gemüth und den Welt-Geist einbildete, so meynte er, daß die Seelen der Menschen aus dem letztern, oder aus dem Welt-Geist, der auch Göttliches Wesens sey, geflossen.  
  Dieses alles fliesset aus den Grund-Sätzen der Platonischen Philosophie klar, wenn man gleich aus dem Platone selbst keine ausdrückliche Stelle aufweisen kan, wovon mit mehrern Jacob Thomasius de stoica mundi exustione dissert. 21. Hanschius in diatr. de enthusiasmo platonico zu lesen.
  So viel findet man von der Fanatischen Meynung, daß der Mensch drey wesentliche Theile habe, in der Platonischen Philosophie, deswegen folgt aber noch nicht, daß eben die Fanatici solche aus dem Platone genommen, den wohl manche unter ihnen nicht gesehen.  
  Doch da diejenigen, welche drey wesentliche Theile dem Menschen zuschreiben, nicht mit einander übereinkommen, und ihre Meynung auf verschiedene Art erklären, so müssen wir solche Leute in gewisse Classen theilen, und von ieder distinct handeln. Es sind selbige dreyerley:  
a) Leib und zweifacher Geist: Fanatiker Einige haben die Heydnische Lehre behalten, und, indem sie dem Menschen ausser dem Leib einen zweyfachen Geist oder Seele beygelegt, den einen zu einem Theilgen des Göttlichen Wesens gemacht, welches die sogenannten Fanatici, als die Weigelianer, Böhmisten, insonderheit Poiret gethan. In der Sache selbst kommen diese mit einander überein, daß der Mensch einen zweyfachen Geist habe, davon der eine aus dem göttlichen Wesen kommen; in der Benennung aber sind sie von einander unterschieden. Denn einige sagen, der Mensch hat drey Theile, Leib, Seel und Geist; einige drücken die Sache so aus, daß der Mensch aus einem Leibe und einer zweyfachen Seele, einer sinnlichen und vernünfftigen, die sie aber als zwey unterschiedene Substantzen ansehen, bestehe.  
  Der erste unter den neuern, welcher diese Meynung angenommen, ist Theophrastus Paracelsus gewesen, welcher in seinen Schrifften hin und wieder ausdrücklich lehret, daß sich in dem Menschen drey wesentliche Theile befänden, welcher er die drey grossen Substantzen nennet, und daß ein iedes von diesen dreyen nach dem Tod, da sie getrennet wären, dahin wieder kehre, woher es gekommen als die Seelen, die von GOtt eingeblasen, kehre wieder zu GOtt, der sie gegeben habe; der Leib als der grobe Theil, welcher aus Erde und Wasser zusammen gesetzt zu seyn schiene, werde wider zur Erde; der dritte Theil aber, welchen er den Astral-Geist oder Stern-Leib nennet, weil er dem Firmament gleich sähe, und aus Lufft und Feuer bestehe, verwandle sich nach und nach wieder in die Lufft, brauche aber zu seiner Verwesung längere Zeit,  
  {Sp. 719|S. 369}  
  als der Leib.  
  Ihm folgte Helmontius, absonderlich aber sind deswegen die Weigelianer und Böhmisten bekannt. Denn was die Weigelianer betrifft, so schreibt Valentin Weigel in seinem Buch von dem alten und neuen Jerusalem also: aus den Elementen kommt dem Menschen der Leib und der elementische Geist zu essen, zu trincken, zu schlaffen, seines gleichen zu zeugen. Aus dem Gestirn kommt dem Menschen der fiderische Geist, als Handwerck, Künsten, Sprache. Also gehöret der Mensch in die alte Stadt nach diesen Theilen: aber der Geist, der ewig ist, kommt dem Menschen aus GOtt.  
  Jacob Böhm aber sagte in seiner Schrifft vom Wesen aller Wesen: der Mensch ist nicht allein ein irdisch Bild, sondern er ist urständig aus dem Wesen; als nemlich erst aus der allerinnersten Welt, welcher auch die alleräusserste ist, und die finstre Welt genannt wird, aus welcher urständet das Principium der fremden Natur. Und denn vors andere ist er aus der Licht- oder Engel-Welt, aus GOttes wahrem Wesen. Drittens ist er aus dieser äussern Sonnen- und Stern-Welt. Ob wol dieses nach seiner Art so dunckel abgefasset, daß zu zweiffeln stehet, ob er sich selber verstanden, so siehet man doch so viel, daß er eine dreyfache Welt als ein dreyfaches Principium statuire, aus deren iedem der Mensch einen zu seinem Wesen gehörigen Theil bekommen, und also demselben drey wesentliche Theile beylege, deren vornehmsten aller aus dem wahren Wesen GOttes kommen.  
  Ja wenn man die Lehre des Böhmii genau untersuchet, so liegt darinnen der Spinosismus. Denn da er lehrte, daß GOtt alles sey, so war sein eigentlicher Sinn, daß alles aus dem Wesen GOttes geflossen, wie er an verschiedenen Orten sich gantz deutlich hierüber erkläret, wenn er schreibt: so man die Sonne und Sternen recht will betrachten, mit ihrem Wesen, Würckungen, und Qualitäten, so findet man recht darinnen das Göttliche Wesen,  
  in aurora p. 8.
 
  • ingleichen: so man nennet Himmel und Erden, Sternen und Elemente, und alles was darinnen ist, so nennt man hiemit den gantzen GOtt, der sich in diesem oberzehlten Wesen in seiner Krafft, die von ihm ausgehet, also creatürlich gemacht hat
ibid. p. 11.
 
  • Noch weiter: wenn nun dieses geschiehet, so bist du wie der gantze GOtt ist, der da selber Himmel, Erden, Sterne und Elemente ist,
ibid. p. 300.
  So heist es bey dem Felgenhauer im Vorhof am Tempel des HErrn cap. 9. p. 135. nach dem Zeugniß seyn drey Zeugen in GOtt, und nach der Offenbahrung sind sieben Geister GOTTes. Also hat ein Mensch drey Theile, Leib, Seel und Geist, und sieben Sinne, das ist das Geheimniß GOttes in seiner Summa bezeuget an dem Menschen.  
  Diesem fügen wir noch den Peter Poiret bey, welcher zwar nicht ausdrücklich leugnet, daß der Mensch aus zweyen Theilen bestehet; gleichwol aber ist er auch in diesem Stück fanatisch gesinnet. Denn einmal will er nicht nur in seiner Oeconomia divina ... aus dem Wesen der Seele sowol als auch aus der Heil. Schrifft beweisen, daß selbiges aus dem Wesen GOttes gezeuget; sondern redet auch vor das andere immer von dem innerlichen Licht, welches er von dem Verstand unterscheidet.  
     

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Stand: 18. August 2013 © Hans-Walter Pries