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Mensch,
Lat. homo. |
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Bey dieser wichtigen u. weitläufftigen
Materie, wollen wir auf 3 Stücke
sehen, als erstlich auf die Beschaffenheit und
Natur eines
Menschen, vors andere auf die
unterschiedenen
Arten derselbigen, u. drittens auf ihren
Ursprung. |
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I. Beschaffenheit und Natur |
Was erstlich die Beschaffenheit u.
Natur eines Menschen anlangt, so haben
wir selbige sowol an u. vor sich selbst, als auch gegen andere Creaturen und
gegen den Schöpffer zu betrachten. Erwegen wir die Natur des Menschen an u. vor
sich, so werden wir in der
Erkenntniß dieser
Sache besser zu rechte kommen, wenn
wir vorher die einzelen Stücke, die bey einem Menschen fürkommen, betrachten,
ehe wir eine
Erklärung durch allgemeine
Begriffe machen. |
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Teile des Menschen: Hypothesen |
Es
fragt sich daher: aus wieviel
Theilen der Mensch bestehe? oder, ob eine,
oder mehrere
Substantzen, die wesentlich von einander unterschieden sind, die
menschliche Natur ausmachen? Wenn wir die unterschiedene
Meynungen der
Philosophen in den ältern und neuern Zeiten davon ordentl. zusammen anführen
wollen, so lassen sich selbige füglich in 4 Classen bringen. |
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1. Körper |
Einige meynen, der blosse
Cörper mache den Menschen aus, und sehen die
Seele
vor ein Accidens desselbigen an. Unter den Alten meldet Cicero lib. 1.
c. 10. quaestion. Tusculan. von dem Dicäarcho,
daß er dafür gehalten, die Seele sey mit all nichts, und das
Wort Seele oder
Gemüth sey ein leeres
Wort, das nichts bedeute. So haben sich auch zu den neuern
Zeiten welche gefunden, die sich eingebildet, daß die Seele keine vom Cörper
unterschiedene
Substantz sey, massen Hobbesius in dem
Leviathan c. 4. alle Substantzen, die keinen Cörper haben, geleugnet, und
c. 34. das Wort
Substantia und
corpus vor einerley
ausgegeben. |
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Eben darauf laufft die
Meynung des Cowardi, eines berühmten
Engl. Medici, hinaus, welcher behauptet, die gemeine Meynung von der
Seelen, als
sey sie eine immaterielle
Substantz, somit dem
Leibe vereiniget, wäre von den
Heyden erdichtet, reime sich auch nicht mit denen
Principiis der
Philosophie und
Vernunfft, noch Religion; nach der
Schrifft aber sey die Seele nicht anders, als
das
Leben der Menschen, die, so lange der Mensch lebe, vorhanden, und mit
demselben zwar untergehe, aber doch auch in der Aufferstehung wieder darinnen
seyn werde, welche Meynung er nicht nur in verschiedenen
Schrifften fürgetragen,
sondern auch wider die Widersacher, die er darüber bekommen, zu vertheidigen
sich bemühet, wie aus den actis erudit. 1707. p. 352. zu
ersehen. |
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Auf gleichen Schlag urtheilet auch der ungenannte Auctor in dem vertrauten
Brief-Wechsel vom Wesen der Seelen von der
Sache, der sich
Menschen vorstellet,
denen die
Seele fehlet. Denn was wir Seele nennen, das hält er nur vor ein
Accidens des
Cörpers, das auf einem Mechanismo beruht, wovon wir unten in dem
Artickel der
Seele mit mehrern handeln wollen. |
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2. Seele |
Wie nun diese sich Menschen ohne
Seele einbilden, also hats auch welche
gegeben, die den
Leib vor keinen wesentlichen Theil des Menschen gehalten,
welche wir in die andere Classe setzen. Es stimmten vor dem die Platonici,
Pythagoräer, und Stoici meistens darinnen überein, daß zum Menschen eigentlich
nichts mehr als die Seele gehöre, weswegen sie den Leib eine
Strafe, eine Last,
ein finsteres Wohnhaus, ein |
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{Sp. 717|S. 368} |
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Gefängniß, ein Zucht-Haus des
Gemüths oder der Seelen nennten, wie wir
bereits oben in dem
Artickel von dem
Leib die Zeugnisse davon angeführet haben. |
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Unter den neuern ist Heinr. Morus zu dieser
Meynung sehr
geneigt gewesen, wie sonderlich aus seinem Tr. de immortalitate animae
und aus der Defensione philo cabb. erhellet, darinnen er nicht nur mit
dem Plato die Präexistentz der
Seelen annimmt, sondern auch den
irdischen
Leib vor ein Gefängniß, vor ein Grab, vor eine Hinderniß des
Gemüths
ausgiebt. |
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Es haben auch einige den Cartesium hierinnen des Platonismi
beschuldiget, als habe er gleichfalls dafür gehalten, daß zum Menschen bloß das
Gemüth gehöre, welches nur eine denckende
Sache sey, wie Thomasius
in introductione philosoph. aulic. ...
schreibet; es ist aber die Sache
so schlechterdings noch nicht ausgemacht. Denn obwol Cartesius
seinen Zweiffel zu weit ausgedehnet, als müste man auch an der
Existentz des
Cörpers und dessen Gliedmassen zweiffeln, und das
Wesen der Seelen in dem
Dencken gesetzet, in beyden aber sich sehr verstossen; so kan man doch nicht
erweisen, daß er gelehret, als wenn der
Leib keinen wesentlichen Theil des
Menschen ausmache, davon vielmehr das Gegentheil nicht nur aus seiner
Meditation 6. und den Responsibus ad objectiones, sondern auch aus
denen
Schrifften seiner Anhänger, als des Claubergs, de la Forge
und anderer zu schliessen. |
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3. Leib, Seele und Geist |
In die dritte Classe setzen wir diejenigen, die drey wesentliche Theile des
Menschen, den
Leib, die
Seele und den
Geist statuiren, von welcher
Meynung am
meisten wird zu
sagen seyn, indem wir nicht nur die Autores, so derselben
zugethan sind, erzehlen, sondern auch ihre
Beweis-Gründe anführen. |
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Man pflegt den
Ursprung dieser
Meynung aus dem Judenthum und Platonischen
Philosophie zu leiten. |
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Was die Juden anlangt, so legen die Cabbalisten der menschlichen
Seele
verschiedene
Kräffte bey, und geben Ihnen besondere
Namen, daß sie einen
Unterscheid unter nephesch, ruach und neschamah machen. Die
erste sey der Lebens-Geist, und komme mit derjenigen Seele überein, welche von
den
Philosophis anima vegetativa genennet wird, die andere, oder
ruach sey eben das, was man sonst animam sensitivam nennet, und
die dritte, oder neschamah bedeute die
vernünfftige Seele, wie
Vitringa in observationibus sacris ... und
Buddeus
in introd. in histor. philos. ebraeor. ... aus ihren
Schrifften
gewiesen haben. Allein da sie durch diese
Wörter nicht sowol unterschiedene
Substantzen, als vielmehr verschiedene Kräffte einer
Substantz anzeigen wollen,
so läst sich diese Jüdische Lehre mit der Meynung derjenigen, die drey
wesentliche Theile des Menschen statuiren, nicht wohl vergleichen. |
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Besser geht solches mit der Platonischen Philosophie an. Denn einmal legte
Plato dem Menschen eine dreyfache
Seele
bey, eine zornige,
begierige und
vernünfftige deren die erste in der Brust, die andere unter dem
Hertzen, und die dritte im
Kopff ihren Sitz habe. Die vernünfftige mache den
Menschen aus, und müsse über die beyden andern das
Regiment bekommen. Durch die
zornige trachte der Mensch nach
Macht, Sieg und
Ehre, durch die begierige falle
er auf Speise, Tranck und venerische
Wercke, und die vernünfftige bringe ihn zur
Erkänntniß der Wahr- |
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{Sp. 718} |
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heit, |
welches aus dem Platone selbst. de republ. lib.
4. und 6. Cicerone quaest. Tusculan. lib. 1. cap.
10. und Omeis in ethic. Platonic. p. 28. mit mehrern
zu sehen. |
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Doch pflegte man auch die zornige und begierige vor eine anzunehmen, und
also nur von einer zweyfachen
Seele des Menschen zu
reden, |
wie
Vitringa in Observat. sacris ... zeiget. |
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Nun hielte Plato weiter dafür, daß die
vernünfftige Seele
ein abgerissen Stück des
göttlichen Wesens sey, welche, weil sie sich aus
Eigen-Liebe so hoch geschwungen, zur
Straffe in das Gefängniß des
Leibes herab
gestürtzet und eingeschlossen worden; indem er sich aber drey
Götter, den
obersten
Gott, das
Gemüth und den Welt-Geist einbildete, so meynte er, daß die
Seelen der Menschen aus dem letztern, oder aus dem Welt-Geist, der auch
Göttliches Wesens sey, geflossen. |
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Dieses alles fliesset aus den Grund-Sätzen der Platonischen Philosophie
klar, wenn man gleich aus dem Platone selbst keine
ausdrückliche Stelle aufweisen kan, |
wovon mit mehrern Jacob Thomasius
de stoica mundi exustione dissert. 21. Hanschius
in diatr. de enthusiasmo platonico zu lesen. |
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So viel findet man von der Fanatischen
Meynung, daß der Mensch drey wesentliche Theile habe, in der
Platonischen Philosophie, deswegen folgt aber noch nicht, daß eben die Fanatici
solche aus dem Platone genommen, den wohl manche unter ihnen
nicht gesehen. |
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Doch da diejenigen, welche drey wesentliche Theile dem Menschen zuschreiben,
nicht mit einander übereinkommen, und ihre
Meynung auf verschiedene Art
erklären, so müssen wir solche Leute in gewisse Classen theilen, und von ieder
distinct handeln. Es sind selbige dreyerley: |
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a) Leib und zweifacher Geist: Fanatiker |
Einige haben die Heydnische Lehre behalten, und, indem sie dem Menschen
ausser dem
Leib einen zweyfachen
Geist oder
Seele beygelegt, den einen zu einem
Theilgen des
Göttlichen Wesens gemacht, welches die sogenannten Fanatici, als
die Weigelianer, Böhmisten, insonderheit Poiret
gethan. In der
Sache selbst kommen diese mit einander überein, daß der Mensch
einen zweyfachen Geist habe, davon der eine aus dem göttlichen Wesen kommen; in
der Benennung aber sind sie von einander unterschieden. Denn einige
sagen, der
Mensch hat drey Theile, Leib, Seel und Geist; einige drücken die Sache so aus,
daß der Mensch aus einem Leibe und einer zweyfachen Seele, einer
sinnlichen und
vernünfftigen, die sie aber als zwey unterschiedene
Substantzen ansehen,
bestehe. |
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Der erste unter den neuern, welcher diese
Meynung angenommen, ist
Theophrastus Paracelsus gewesen, welcher in seinen
Schrifften hin und
wieder ausdrücklich lehret, daß sich in dem Menschen drey wesentliche Theile
befänden, welcher er die drey grossen
Substantzen nennet, und daß ein iedes von
diesen dreyen nach dem
Tod, da sie getrennet wären, dahin wieder kehre, woher es
gekommen als die
Seelen, die von
GOtt eingeblasen, kehre wieder zu GOtt, der sie
gegeben habe; der
Leib als der grobe Theil, welcher aus
Erde und Wasser zusammen
gesetzt zu seyn schiene, werde wider zur Erde; der dritte Theil aber, welchen er
den Astral-Geist oder Stern-Leib nennet, weil er dem Firmament gleich sähe, und
aus Lufft und Feuer bestehe, verwandle sich nach und nach wieder in die Lufft,
brauche aber zu seiner Verwesung längere Zeit, |
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{Sp. 719|S. 369} |
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als der Leib.
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Ihm folgte Helmontius, absonderlich aber sind deswegen die
Weigelianer und Böhmisten bekannt. Denn was
die Weigelianer betrifft, so
schreibt Valentin Weigel in seinem
Buch von dem alten und neuen Jerusalem also: aus den Elementen kommt dem
Menschen der
Leib und der elementische
Geist zu essen, zu trincken, zu
schlaffen, seines gleichen zu zeugen. Aus dem Gestirn kommt dem Menschen der
fiderische Geist, als
Handwerck,
Künsten,
Sprache. Also gehöret der Mensch in
die alte Stadt nach diesen Theilen: aber der Geist, der ewig ist, kommt dem
Menschen aus
GOtt.
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Jacob Böhm aber
sagte in seiner
Schrifft vom Wesen aller
Wesen: der Mensch ist nicht allein ein
irdisch Bild, sondern er ist urständig
aus dem
Wesen; als nemlich erst aus der allerinnersten
Welt, welcher auch die
alleräusserste ist, und die finstre Welt genannt wird, aus welcher urständet das
Principium der fremden
Natur. Und denn vors andere ist er aus der Licht- oder
Engel-Welt, aus
GOttes wahrem Wesen. Drittens ist er aus dieser äussern Sonnen-
und Stern-Welt. Ob wol dieses nach seiner Art so dunckel abgefasset, daß zu
zweiffeln stehet, ob er sich selber verstanden, so siehet man doch so viel, daß
er eine dreyfache Welt als ein dreyfaches Principium statuire, aus deren iedem
der Mensch einen zu seinem Wesen gehörigen Theil bekommen, und also demselben
drey wesentliche Theile beylege, deren vornehmsten aller aus dem wahren Wesen
GOttes kommen.
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Ja wenn man die Lehre des Böhmii genau untersuchet, so
liegt darinnen der Spinosismus. Denn da er lehrte, daß
GOtt alles sey, so war
sein eigentlicher
Sinn, daß alles aus dem
Wesen GOttes geflossen, wie er an
verschiedenen Orten sich gantz deutlich hierüber erkläret, wenn er
schreibt: so
man die Sonne und Sternen recht will betrachten, mit ihrem Wesen,
Würckungen,
und Qualitäten, so findet man recht darinnen das Göttliche Wesen,
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in aurora p. 8. |
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- ingleichen: so man nennet Himmel und
Erden, Sternen und Elemente, und alles was darinnen ist, so
nennt man hiemit den gantzen GOtt, der sich in diesem oberzehlten Wesen in
seiner Krafft, die von ihm ausgehet, also creatürlich gemacht hat
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ibid. p. 11. |
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- Noch weiter: wenn nun dieses geschiehet, so bist du wie der gantze GOtt
ist, der da selber Himmel, Erden, Sterne und Elemente ist,
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ibid. p. 300.
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So heist es bey dem Felgenhauer im Vorhof am Tempel des
HErrn cap. 9. p. 135. nach dem Zeugniß seyn drey Zeugen in
GOtt, und nach der Offenbahrung sind sieben Geister GOTTes. Also hat ein Mensch
drey Theile,
Leib,
Seel und
Geist, und sieben
Sinne, das ist das Geheimniß
GOttes in seiner Summa bezeuget an dem Menschen.
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Diesem fügen wir noch den Peter Poiret bey, welcher zwar
nicht ausdrücklich leugnet, daß der Mensch aus zweyen Theilen bestehet;
gleichwol aber ist er auch in diesem Stück fanatisch gesinnet. Denn einmal will
er nicht nur in seiner Oeconomia divina ... aus dem
Wesen der
Seele
sowol als auch aus der
Heil. Schrifft
beweisen, daß selbiges aus dem Wesen
GOttes gezeuget; sondern
redet auch vor das andere immer von dem innerlichen
Licht, welches er von dem
Verstand unterscheidet.
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