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Zedler: Mensch [2] HIS-Data
5028-20-716-2-02
Titel: Mensch [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 20 Sp. 719
Jahr: 1739
Originaltext: Digitalisat BSB Bd.20 S. 369
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Folgender Artikel: Mensch [3]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel

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Übersicht
I. Beschaffenheit und Natur (Forts.)
 
  Teile des Menschen (Forts.)
 
  Hypothesen (Forts.)
 
  3. Leib, Seele und Geist (Forts.)
 
  b) Leib, Seele, und innerliches Licht: Quäker
  c) dreifache Seele
  4. Leib und Seele

Stichworte Text Quellenangaben
b) Leib, Seele, und innerliches Licht: Quäker Von diesen Fanaticis sind gewisser massen die Quacker und dieieni-  
  {Sp. 720}  
  gen, die es mit ihnen halten, unterschieden. Denn Ihre vornehmste Lehre ist, daß allen Menschen von Natur ein innerliches Licht eingepflantzet, welches eine von der Vernunfft unterschiedene Substantz, und zwar ein Stück des Göttlichen Wesens seyn soll, und legen daher dem Menschen drey wesentliche Theile, den Leib, die vernünfftige Seele und das innerliche Licht, bey. Solches habe GOtt allen Menschen eingepflantzet, damit sie durch dessen Schein und Glantz dasjenige, was zur Erlangung der Seligkeit zu wissen nöthig sey, erkennen mögen; nachdem aber der Mensch gefallen, so sey in Ansehung desselben zwischen den Gottlosen und Frommen ein grosser Unterscheid. Denn bey jenen sey selbiges verdunckelt, und habe seinen Schein verlohren, oder wie einige reden, in eine Gefangenschafft gerathen, daß es zu seiner Krafft nicht kommen könne, da es hingegen bey den Frommen von allem befreyet wäre, und sich in seiner rechten Würckung befände, dergestalt, daß sie dadurch alles erkennen könten. Man kan hiervon sonderlich Roberti Barclaji Apologiam religionis vere christianae, die 1676 in Lateinischer Sprache gedruckt worden, und denen Auctorem des Buchs ratio et fides collatae, welches 1708 Poiret zu Amsterdam herausgegeben, lesen.
  Diese Meynung ist von derjenigen, welche die oben angeführten Fanatici haben, darinnen unterschieden, daß diese den dritten Theil, oder den Geist, als ein zum Wesen und zur Natur des Menschen nöthiges Stück ansehen; die Quacker hingegen halten das Licht vor was übernatürliches, das von der Natur und dem Wesen des Menschen unterschieden sey.  
c) dreifache Seele Wie nun diese Auctores nach den beyden ersten Classen ohnstreitig den gröbsten Irrthum hegen, daß sie den dritten Teil des Menschens zu einem Stück des Göttlichen Wesens machen, also sind hingegen andere, die zwar auch drey Theile des Menschen lehren, sich aber auf eine erträglichere, wiewol um gleiche Art erklären, von denen wir auch einige einführen wollen.  
  Ob man die gemeine Lehre der Scholasticorum und Aristotelisch-gesinnten, welcher einem ieden Menschen eine dreyfache Seele, als animam vegetativam, sensitivam und rationalem, oder eine wachsthümliche, sinnliche und vernünfftige zuschreiben, hieher rechnen könne? ist nicht gewiß zu sagen, weil selbige sehr verworren, und diese Leute sich selber widersprechen. Denn solten diese drey Seelen drey würcklich von einander unterschiedene Substantzen seyn, so kämen vier Theile des Menschen heraus; wolte man aber die wachsthümliche und sinnliche vor eine annehmen, welche der Mensch mit dem Vieh gemein habe, so wären zwar drey Theile da, sie statuiren aber selbst nur zwey wesentliche Theile, Leib und Seele, folglich müsten sie die wachsthümliche und sinnliche Seele mit zum Leibe rechnen, und die Sache käme nur darauf an, ob man etwas, das zum Leibe gehöre, eine Seele nennen könte?  
  Aristoteles hat diese Einteilung der Seelen niemals so gesetzet, wie nachgehends die Scholastici gethan. Denn ob er wol lib. 2. de anima p. 388. von der Seele saget, daß sie der Grund von dem wachsthümlichen, sinnlichen und verständlichen, auch von der Bewegung sey, so theilt er sie doch damit noch nicht in drey besondere Arten, welche er vielmehr an andern Orten in eine vernünfftige und unvernünfftige, und die letztere in eine wachs-  
  {Sp. 721|S. 370}  
  thümliche und begierige eintheilet, wie Rüdiger in phys. divina lib. 1. ... gewiesen.
  Daß dieser Philosophus einen Unterscheid unter psychen und noun gemacht, thut zur Sache nichts, indem er durch das letztere den thätlichen Verstand gemeynet, von dem er sich einen ungereimten und dabey gefährlichen Begriff gemacht, siehe Walchs parerga academica ...
  Mit mehrer Gewißheit können wir von denen neuern hieher rechnen Gassendum, welcher phys. Sect. 3. ... das Gemüth des Menschen von der empfindlichen Krafft gäntzlich unterscheidet; hält aber selbige vor cörperlich und ausgedehnet, ja daß sie könte mit gebohren werden und verwesen.  
  Eben dieses hat Willisius de anima brutorum weitläufftig zu erweisen gesucht, daß die empfindende Seele was unterschiedenes von der vernünfftigen, und also der Mensch drey Theile habe. In dem ersten und andern Capitel hält er dafür, daß diese empfindliche Seele leiblich, ja gar sterblich, und eben so groß, als der Leib, und habe die Krafft der Einbildung, des Appetits, des Verlangens und Eckels, könne auch gewisser massen auf eine sinnliche Art Vernunfft-Schlüsse machen, sey aber doch von der vernünfftigen Seele unterschieden.  
  In den folgenden Capiteln hat er verschiedene Zeugnisse zusammen gelesen, und trägt seine Beweis-Gründe für, davon das vornehmste Webster in der Untersuchung der vermeynten und sogenannten Hexereyen Cap. 16. ... angeführet, welcher eben dieser Meynung ist, und §. 69 sich, wie Paracelsus, erkläret: Es fänden sich in dem Menschen drey besondere Theile, als erstlich der grobe Leib, der aus Erden und Wasser bestehe, und nach dem Tode wieder zur Erden werde; ferner die sinnliche und cörperliche Seele, oder der Astral-Geist, der aus Feuer und Lufft zusammen gesetzet, und nach dem Tode in der Lufft herum wandere; oder nicht weit von dem Cörper sey; und endlich die unsterbliche und uncörperliche Seele, welche unmittelbar zu GOTT, der sie gegeben habe, wiederkehre.  
  Diesem fügen wir Rüdiger bey, der in seiner phys. divina ... dem Menschen auch einen gedoppelten Geist beyleget, davon er einen Mentem, den andern Animam nennet. Jener habe die Krafft zu gedencken und zu urtheilen, der gleich nach dem Tode von dem Cörper getrennet, und in den Stand der Ewigkeit versetzet werde; dieser aber, oder die Anima, sey dem Untergang unterworffen, doch so, daß er nicht alsbald von dem Cörper scheide, sondern bisweilen um denselben herumschweiffe und mit einem zarten Leib umgeben, noch unterschiedene Verrichtungen nach den in dem Leben geistlichen und cörperlichen eingedruckten Ideen herfür bringe.  
  Man pflegt auch den Luther anzuführen, der es auch mit dieser Meynung gehalten, daß der Mensch aus drey Theilen zusammen gesetzet sey, indem er tom. 1. Jenens. p. 479. also schreibet: Die Schrifft theilet den Menschen in drey Theile, da St. Paulus 1 Thessal. im letzten Capitel sagt: GOTT, der ein GOtt des Friedens ist, der mache euch heilig durch und durch, also, daß euer gantzer Geist, Seele und Leib unsträfflich erhalten werden auf die Zukunfft unsers HErrn JEsu CHristi. Und ein iegliches dieser dreyen samt dem gantzen Menschen wird auch getheilet auf eine andere Weise in zwey Stücke, die da heissen Geist und Fleisch, welche Theilung nicht  
  {Sp. 722}  
  der Natur, sondern der Eigenschafft ist, das ist, die Natur hat drey Stücke, Geist, Seel und Leib, und mögen allesamt gut oder böse seyn, das heist denn Geist und Fleisch seyn, davon ietzt nicht zu reden ist.  
  Das erste Stück, der Geist, ist das höchste, tieffeste und edelste Theil des Menschen, damit er geschickt ist, unbegreiffliche, unsichtige, ewige Dinge zu fassen, und ist kürtzlich das Haus, da Glaube und GOttes Wort inne wohnet. Das andere, die Seele, ist eben derselbe Geist nach der Natur, aber doch in einem andern Werck, nemlich in dem, als er den Leib lebendig macht, und durch ihn würcket, und wird offt in der Schrifft für das Leben genommen, denn der Geist mag wohl ohne Leib leben, aber der Leib lebet nicht ohne dem Geist.  
  Diß Stück sehen wir, wie es auch im Schlaff, und ohne Unterlaß lebet und würcket, und ist seine Art nicht, die unbegreifflichen Dinge zu fassen, sondern was die Vernunfft erkennen und ermessen kan, und ist nemlich die Vernunfft hie das Licht in diesem Hause, und wo der Geist nicht mit dem Glauben, als mit einem höhern Licht, erleuchtet, das Licht der Vernunfft regieret, so mag sie nimmer ohne Irrthum seyn.  
  Diesen zweyen Stücken eignet die Schrifft viel Dinges zu. Es ist aber daraus noch nicht zu erweisen, daß er Leib, Seel und Geist vor drey wesentliche Substantzen angesehen; sondern wenn wir diese Worte genau ansehen, so werden wir vielmehr finden, daß er Geist und Seele nur in Ansehung der Eigenschafften und Würckungen von einander unterschieden habe.  
zwei Beweise Die Hypothesin von drey wesentlichen Theilen des Menschen geben ihre Vertheidiger nicht nur vor gründlich, sondern auch vor sehr bequem und nützlich aus, weil man daraus die schwersten Begebenheiten in der Natur auf eine leichte Art erklären könte. Ihre Gründlichkeit soll auf zweyerley Beweis-Gründen beruhen, die sie sowol aus der Sache selbst, als aus der H. Schrifft nehmen.  
aus der Sache Denn was die Sache selbst anlangt, so will man aus der Natur des Leibes und des Geistes, und dem, was man bey dem Menschen wahrnimmt, schlüssen, daß noch ein drittes Principium vorhanden seyn müsse, dergleichen Gründe wir in ihren Schriften hin und wieder vier angetroffen haben. Einmal berufft man sich auf die Vereinigung des Leibes und des Geistes, und erinnert, daß zwey Dinge, die einander gerade entgegen wären, nicht anders, als durch eine mittlere Sache, so aller beyder ihrer Natur näher komme, und von beyden participire, könten vereiniget und zusammen gebracht werden.  
  Also könne ja die Seele, die nach einhelligem Geständniß aller Menschen ein geistliches, reines, unmaterialisches und uncörperliches Wesen sey, mit dem Cörper nicht vereiniget werden, wenn nicht eine mittlere Natur darzwischen komme, welche geschickt sey, diese zwey Extrema mit einander zu vereinigen, so eben das mittlere Principium, oder die Seele, ingleichen, wie ihn einige nennen, der Astral-Geist sey. Denn da dieser ein sehr subtiles materialisches Wesen das gleichsam zwischen dem groben Cörper und dem Geist mitten inne stehe, an sich habe, so konte er ein Band abgeben, dadurch die Vereinigung des Leibes mit dem Geiste geschehe.  
  Den andern Beweisthum nimmt man von dem Streit her, der sich in dem Menschen befindet, und sonst pugna rationis et appetitus sensitivi genennet wird. Denn da bey einem Streit zwey streitende Partheyen seyn  
  {Sp. 723|S. 371}  
  müsten, deren iede vor sich bestehe, also wäre auch bey diesem Streit die Seele und der Geist die beyden Substantzen, zwischen denen eine Widerwärtigkeit vorgienge, daß der reine Verstand des Geistes, mit der sinnlichen Begierde der Seelen stritte.  
  Drittens könte man die Würckungen der unvernünfftigen Thiere ohnmöglich alle aus der mechanischen Structur ihrer Leiber herleiten, und da also ausser dem Leibe noch ein ander Principium in ihnen seyn müste, von dem die Empfindungen, auch bey einigen Thieren das Gedächtniß dependire, so müste auch solches bey dem Menschen seyn, in so fern seine Natur dem Wesen eines Viehes gleich komme, der aber ausser dem noch ein anders hätte, welches die vernünfftige Seele wäre, durch die er sich von dem Vieh unterscheide.  
  Diesen Gründen setzen einige noch den Umstand bey, daß man sowol in dem Gehirn als in dem Hertzen des Menschen gantz unterschiedene Würckungen, die nicht vom Cörper dependiren könten, wahrnehme, daraus denn zu schlüssen, daß wol zwey Substantzen vorhanden wären, von denen solche Würckungen herkommen.  
aus der Schrift Aus der Schrifft pflegt man verschiedene Stellen anzuführen, als  
 
  • wenn es beym Esaia Cap. XXVI, v. 9. hieß, von Hertzen begehr ich dein des Nachts, darzu mit meinem Geist wache ich frühe zu dir;
  • ingleichen beym Luca cap. I. 46. 47. meine Seele erhebet den HErrn, und mein Geist freuet sich GOttes meines Heylandes;
  • 1 Cor. XIV, v. 15. Ich will beten mit dem Geist, und will beten auch im Sinn, ich will Psalmen singen im Geist, und will auch Psalmen singen mit dem Sinn;
  • in der 1 Thessal. V. v. 23. aber würden ausdrücklich alle drey Theile des Menschen benennet: Er aber, der GOtt des Friedens, heilige euch durch und durch, und euer Geist samt der Seele und Leib müssen behalten werden unsträfflich, auf die Zukunfft unsers HErrn JEsu CHristi,
  • wie denn auch noch Ebr. IV. v. 12. vom Worte GOttes gesagt werde, es durchdringe, bis daß scheidet Seel und Geist.
 
  Sie geben aber diese Hypothesin nicht nur vor gegründet, sondern auch vor sehr bequem aus, dadurch man die schwersten Begebenheiten in der Natur erklären könte. Denn da soll das Bluten der gewaltthätiger Weise entseelten Cörper von der Anima als dem mittlern Theil des Menschen herkommen, welche die zornige Begierde in sich habe, und indem sie auf Rache bedacht sey, so verursache sie das Bluten, sie möge in oder ausser dem Leibe seyn. So wären die Gespenster nichts anders, als dieser andere Theil, oder die Anima, welche nach der Trennung des Leibes und Geistes noch eine Zeitlang herumschweiffe, und da sie sonderlich aus der Lufft einen zarten Leib habe, so könne sie selbigen bald zusammen ziehen, bald ausdehnen, und das sey eben das, was man von dem Erscheinen und Verschwinden eines Gespenstes sagte.  
  Die Praesagia animi, wenn man sagt, daß einem etwas ahnde, oder schwane, will man nicht weniger von dieser Anima herleiten, die mit einer Kraft zu weissagen, und zwar gegenwärtige Dinge, begabet sey, auch dasjenige verrichte, was bey den Nachtgängern vorgienge, welche mit geschlossenen Augen die Wege unterscheiden, und auf- und abwärts wohl steigen könten.  
4. Leib und Seele Nun ist noch die vierdte Classe der unterschiedenen, Meynungen über den Punct: aus wie viel Theilen der Mensch bestehe, übrig, welche diejenigen in sich fasset, daß der Mensch zwey wesentliche Theile, Leib und Seele habe, so die ge-  
  {Sp. 724}  
Prüfung wöhnlichste und gemeinste ist, daß wir uns also bey deren Ausführung nicht aufzuhalten haben, und vielmehr eine kurtze Prüfung der ietzt angeführten verschiedenen Meynungen anstellen wollen.  
     

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Stand: 3. April 2013 © Hans-Walter Pries