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Prüfung der Hypothesen: Körper |
Die erste war, daß der blosse
Cörper den
Menschen ausmachte, und dasjenige,
was man sonst die
Seele
nennet, nur ein Accidens desselbigen sey, der wir
folgendes Argument entgegen setzen: wenn wir bey dem Menschen solche
Würckungen
wahrnehmen, die über das
Vermögen des Cörpers sind, und also von selbigen nicht
herkommen können, so folgt, daß ausser demselben noch eine
Substantz, als die
Ursach solcher Würckungen da seyn
müsse; daß aber würcklich dergleichen
Begebenheiten bey dem Menschen sich
täglich äussern, kan gar leicht erwiesen
werden, wenn wir nur selbige gegen die
Natur des Cörpers halten
wollen. |
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Denn wenn wir die
Gedancken sowol als die
Begierden des Menschen nach ihrer
Beschaffenheit genau betrachten, so können selbige unmöglich von dem
Cörper
hergeleitet werden. Der Mensch gedencket, macht sich Abstractiones, fasset
Urtheile und Vernunfft-Schlüsse ab, macht Reflexiones, welches alles nicht nur
in gehöriger
Ordnung, sondern auch von solchen
Dingen, die nicht mit den
äusserlichen
Sinnen begriffen werden, geschicht, wozu weder eine blosse
Bewegungs-Krafft, wenn wir auch selbige der
Materie in so weit beylegen wollen,
daß selbige in ihr nichts wesentliches, sondern was zufälliges sey, noch die
Empfindungen der äusserlichen
Dinge hinlänglich ist. |
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Es hat der Mensch eine
Freyheit, durch allerhand Vorstellungen sich bald
diese, bald jene
Begierde entweder zu erregen, oder zu dämpffen, welches freye
Wesen abermals der
Natur der
Materie, oder des
Cörpers zuwider, daß sich auch
selbige durch eine von
GOTT in ihr gelegte
Bewegungs-Krafft bewegte, so geschähe
doch solche
Bewegung auf mechanische und nothwendige Art, von welchem Punct
unten in dem
Artickel von der
Seele ein mehrers fürkommen wird. |
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Seele |
So kan auch die Meynung derer nicht gebilliget werden, welche den
Leib
verächtlich halten, und des Menschen
Wesen allein in der
Seele suchen. Denn man
siehet aus der Beschaffenheit des Leibes und dessen Vereinigung mit der Seelen,
daß
GOTT den Menschen also geschaffen habe, daß er nicht weniger aus dem Leibe
als aus der Seele bestehen solte. Alle
Ideen des
Verstandes rühren ursprünglich
von der
Empfindung her; durch die
Gedancken und Vorstellungen aber müssen die
willkührlichen
Begierden erreget werden, da denn die
Bewegungen der Seelen und
des Leibes in einer
Ordnung mit einander übereinstimmen. Solches bestätiget auch
die
Heilige Schrifft, welche bezeuget, daß wir nicht weniger den Leib, als die
Seele von GOTT empfangen haben. |
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drei Teile |
Die dritte
Meynung, daß der Mensch drey wesentliche Theile habe, brauchte
mehrere Untersuchung. So viel ist voraus gewiß, daß die Neben-Hypothesis
einiger, als wäre der
Geist ein Stück des
Göttlichen Wesens, höchst ungereimt
und gefährlich. Denn auf Seiten GOTTes müste daraus folgen, daß sein Wesen in so
viel Stücke getheilt werde, und daher nicht ein einfaches, sondern ein zusammen
gesetztes
Ding sey, folglich müste man ihm eine Unvollkom- |
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{Sp. 725|S. 372} |
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menheit beylegen. Es müste der Mensch ferner Göttliche Eigenschaften, die
von dem Wesen Gottes nichts unterschiedenes sind, an sich haben, und z.E.
allwissend, allgegenwärtig u.s.f. seyn; wer mag sich aber was ungereimters und
närrischers, als dieses einbilden? zu geschweigen, wie man mit dieser Meynung in
der Lehre von der Erb-Sünde nicht auskommt. Denn da durch dieselbige der Mensch
dergestalt verderbet, daß von
Natur nichts gutes an ihm ist, so könnte dieses
nicht seyn, wenn der Geist ein Stück des Göttlichen Wesens sey, durch welchen
noch was gutes in uns wäre, weil derselbige nicht kan verderbet werden. |
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Läst man diese Neben-Hypothesin fahren, und erkläret den Unterscheid der
Seelen und des
Geistes auf eine unanstößige Art, so hat die
Sache nicht viel auf
sich, wenn man drey wesentliche Theile des Menschen statuiret, wofern man nur
hinlängliche Gründe vor die
Existentz dieser dreyen Theile anzubringen weiß. |
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Denn einmal ist bekannt, wie sowol die
Hebräischen
Wörter, nephesch
und ruach, als auch im
Griechischen pneuma und
psyche vielen
Bedeutungen unterworffen; wie ferner die
H. Schrifft offt einerley
Sache mit
zweyerley Wörtern ausdrücke, und wie noch über dieses die angeführten Stellen
auf eine andere Art gar
beqvem zu erklären sind. Entweder kan man
sagen, daß die
H. Schrifft einen Unterscheid unter
Geist und
Seele mache, weil die Seele des
Menschen, als eine
Substantz, auf zweyfache Art zu betrachten, einmal sofern sie
in der Gemeinschafft mit dem
Leibe; und denn ausser demselbigen anzusehen, da
sie in der ersten Absicht die Seele, in der andern aber der Geist heisse; oder
man kan diese Auslegung machen, daß der Geist, wenn er der Seelen entgegen
stehe, die in der Wiedergeburt bekommene geistliche Kräffte bedeute, welche
Erklärung wenigstens
1 Thessal. V, 23. füglich angeht. |
Nach der ersten Art erklärt diesen Unterscheid Marius von Aßigny
in der wahrhafftigen Gedächtniß-Kunst ... Uber den letzt angeführten
Ort aber kan man, jedoch mit gehöriger Prüfung lesen, was Vitringa
in observ. sacris ... aus der alten Hebräischen und Platonischen
Philosophie anführet. |
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So läst sich auch wider die
Gründe, die man aus der
Sache selbst nehmen
will, noch manches einwenden. Denn erinnert man, daß die
Seele, als das mittlere
Principium, das
Band der Vereinigung zwischen dem
Leibe und der Seele seyn
müsse, so setzet man dabey zwar voraus, daß zwey Extrema, die einander
gerade entgegen wären, nicht anders, als durch eine mittlere Sache, so aller
beyden ihrer Natur näher komme, und von beyden participire, könten vereiniget
und zusammen gebracht werden, welches aber eben auf die Vereinigung des Geistes
mit dem Leibe nicht zu extendiren. Es ist solche Vereinigung ein philosophisches
Geheimniß, davon man die Art und Weise nicht wissen kan. |
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Will man sich auf den Streit, der in der
Seele vorgehet, beruffen, so werden
andere antworten, daß die streitende Partheyen nur die
Vernunfft und die |
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{Sp. 726} |
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sinnliche
Begierde wären, welche man nicht als zwey
Substantzen anzusehen,
die wohl wider einander wircken könten. Der eintzige Umstand ließ sich noch
einiger massen hören, daß, wenn bey denen unvernünfftigen Thieren ausser dem
Leibe noch ein
Principium, solches auch bey dem Menschen in Ansehung seiner
animalischen Natur seyn müsse, daß er also mit der
vernünfftigen Seele drey
Theile habe, welches wir in dieser gantzen Sache vor den wichtigsten Punct
halten, der diese
Meynung einigermassen wahrscheinlich macht. |
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Wenigstens sehen wir nicht, wie selbige gefährlich seyn könne, wenn man sich
von der Natur der
Seelen und des
Geistes keinen irrigen Concept machet, solte
man sich auch gleich die Seele als eine mittlere
Substantz, die was
cörperliches
und geistliches an sich habe, vorstellen, dergleichen
GOtt nach seiner Allmacht
gar wohl hat erschaffen können. Doch wenn man auch dieser
Meynung beypflichten
will, so bilde man sich dabey keine grössere Gewißheit ein, als man sie in der
That haben kan, und dencke nicht, man könnte bey dieser Hypothesi mit der
Auflösung vieler schweren Begebenheiten so bald fertig werden. |
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Bey denen, deren wir oben gedacht, läst sich noch manches gedencken. Die
gemeine Lehre von 2 Theilen des Menschen ist auch so beschaffen, daß man nichts
erhebliches dawider einwenden kan, weil man keine hinlängliche
Ursache wird
angeben können, warum dasjenige, was man bey der
Meynung von drey Theilen des
Menschen der mittlern
Substantz zuschreibet, nicht zum Theil vom
Leibe, zum
Theil von der
vernünfftigen Seele
herkommen kan? mithin sehen wir diesen Punct überhaupt als ein Philosophisches
Problema an, |
davon man übrigens
- Cypriani Diss. de partium hominis essentialium numero.
- Teubers moderatum judicium de quaestione theolog. an dentur tres
partes hominis essentiales? Magdeburg 1708.
- Wiedeburg in
Disp. de tribus partibus hominis, corpore, anima et spiritu, Helmst.
1695.
- Gebhardi disp. de tribus partibus hominum
essentialibus, Greiffsw. 1707
lesen kan. |
Beschreibung des Menschen |
Nachdem wir dieses vorausgesetzet, so kommen wir auf die Beschreibung des
Menschen, welche man insgemein so abfasset, daß man
sagt, er sey ein animal
rationale, ein vernünfftiges Thier. Ob nun zwar einige an dieser Definition
verschiedenes aussetzen wollen, als Syrbius in philosophia
prima ... so halten wir doch dafür, daß selbige zwar nicht allzudeutlich,
aber doch hinlänglich sey, indem alle wesentl.
Eigenschaften eines Menschen,
folgl. auch diejenigen Kennzeichen, davon er von den andern Creaturen
unterschieden wird, angegeben werden. |
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Denn daß er einen belebten
Leib hat, ist ihm mit dem unvernünftigen Vieh
gemein, die
vernünftige Seele aber kommt ihm, als was eigenes zu, indem man dem
Vieh auf keine Weise, weder eine
Vernunfft, welche vorneml. das
Vermögen zu
abstrahiren, zu reflectiren, zu urtheilen, u. Vernunftschlüsse zu machen,
begreift; noch einen
freyen Willen zuschreiben kan. Eben daraus
erkennet man
deutl. wie ein Mensch von einem Engel unterschieden, massen jener eine Creatur,
die aus Leib und Seel zusammen gesetzt; dieser aber ein blosser
Geist ohne Leib.
Undeutl. aber ist diese Erklärung, weil sie nicht nur was kurtz abgefasset,
sondern auch solche
Wörter darinnen gebraucht werden, die nicht von allen auf
gleiche Art gebraucht und verstanden werden, welchem Fehler leicht abzuhelffen, |
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{Sp. 727|S. 373} |
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wenn man sie erweitert, und durch specialere
Ideen das
Wesen determiniret,
daß nemlich derselbige eine solche Creatur sey, welche aus einem belebten Leibe
u. einer vernünftigen freyen Seele bestehet, daß sie sich auf eine willkührliche
Art möglich machen, auch eine
Begierde zur höchsten Glückseligkeit von
Natur in
sich habe. |
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Es hat also der Mensch eine zweyfache
Natur, eine
physische und eine
moralische: jene ist das
Wesen des natürlich-belebten
Leibes u. die Connexion
derselben mit der cörperl. Natur in Ansehung seiner Erhaltung; dieser aber ist
das Wesen der
vernünftigen Seele in Absicht auf die menschl. Glückseligkeit. |
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Unterschiede zu anderen Kreaturen und dem Schöpfer |
Auf solche Weise haben wir den Menschen an u. vor sich betrachtet, den wir
nunmehro gegen die andern Creaturen auf dem
Erdboden, und gegen seinen Schöpffer
halten, und dessen Unterscheid von denselbigen untersuchen wollen. |
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andere Kreaturen |
Was die andern Creaturen auf dem Erdboden betrifft, so ist der Mensch das
edelste unter allen sichtbaren Geschöpffen, und wird
microcosmus, oder die kleine Welt, oder wie ihn Plinius
nennt, mundi Compendium geheissen. Er hat
vor den andern Thieren nicht nur in Ansehung seiner
vernünftigen Seele, sondern
auch des
Leibes, einen grossen
Vorzug, massen er sein Haupt aufrecht trägt, und
mit Händen, als dem geschicktesten Werckzeug versehen, welches keinem anderen
Thier gegeben. Seneca
schreibt lib. 6. c. 23.
de beneficiis wohl: du must wissen, daß der Mensch nicht ein in der Eil
aufgerafftes und ohne Bedacht verfertigtes
Werck sey. Die Natur hat nichts unter
ihren höchsten Vortrefflichkeiten, damit sie sich mehr rühmen, oder dem zu
Gefallen sie sich mehr rühmen könnte. |
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Von welcher
Würde u.
Vorzug des Menschen in besondern
Schriften gehandelt
worden, wie denn Gregorius Qveccius ein eigenes
Werck de
nobilitate et praestantia hominis geschrieben hat; doch muß man auch des
Elends, damit der Mensch nach dem
Fall umgeben, nicht vergessen. Wenn er nach
seinen verderbten
Begierden in Tag hinein lebet, u. die natürl.
Kräffte, daran
er sonst die Thiere übertrift, übel brauchet, so kan er schlimmer u. elender
werden, als die Bestien selber denn eine Bestie folgt dem Lauf der
Natur, u.
indem sie mit dem wenigen vergnügt ist, was zu ihrer Erhaltung nöthig, so hat
sie keine Sorge und Bekümmerniß, durch welche hingegen der Mensch unaufhörlich
in seinem
Gemüth beunruhiget wird, daß er darüber die allerempfindlichste Qvaal
ausstehen muß, welche eben durch das, so ihm den Vorzug geben soll, neml. durch
die
Gedancken und Betrachtung, erreget und unterhalten wird. Es ist nicht genug,
daß er sich wegen des gegenwärtigen durch die Unersättlichkei beunruhiget,
sondern seine
Gedancken führen ihn auch auf das Vergangene und auf das Künftige,
und geben zu unzehligen und wider einander lauffenden Begierden Anlaß. |
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Schöpfer |
Halten wir den Menschen gegen seinen Schöpffer, so giebt die Betrachtung
desselbigen die herrlichsten und gründlichsten Beweisthümer von der
Existentz
GOttes an die Hand. Denn sehen wir die
Bildung, Einrichtung u. Proportion des
Leibes und aller Gliedmassen an, und erwegen, wie alles zu einem gewissen
Zweck
und Gebrauch geordnet, so schlüssen wir
billig, daß dieses nicht von ohngefehr
geschehen, u. der Mensch einen weisen Schöpffer gehabt, der seinen Leib so
gebildet. |
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Die aufgerichtete
Natur ist ihm so besonders, daß er dadurch von allen
andern Thieren unterschieden wird; daß ihm aber solche darum gegeben worden,
damit er desto freyer den Himmel be- |
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{Sp. 728} |
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trachten, und also sowol seinen, als der gantzen
Welt Schöpffer
erkennen
könte, haben auch schon die Heyden angemercket. Cicero de
natur. deor. lib. 2. cap. 56.
sagt: man könte vieles noch zu
dieser fleißigen und vorsichtigen Vorsorge der
Natur hinzusetzen, daraus
abzunehmen wäre, wie grosse und trefliche
Dinge
GOtt denen Menschen
verliehen
habe; da er sie zuerst von der
Erden genommen, u. hoch u. aufgerichtet wachsen
lassen, damit sie, wenn sie den Himmel anschaueten, von den
Göttern einige
Erkänntniß schöpffen möchten. Denn es sind die
irrdischen Menschen nicht wie
bloße Einwohner, sondern als Zuschauer der obersten und himmlischen Dinge, deren
Betrachtung u. Anschauung keiner andern
Art von Thieren zukommt. |
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Es verdienet an dem Gebäude des menschl.
Cörpers auch die grosse Varietät
der menschl. Gesichter bewundert zu werden, daß in der so grossen Menge Menschen
gar selten nur zwey gefunden werden, die sich dem Gesichte nach gantz ähnlich
sehen, obgleich die Theile des Gesichtes eben nicht so gar viele, und dazu
einerl.
Art sind, welches um desto mehr bewundern ist. Dieses hat schon
Plinius lib. 7. 1. hist. natur. observiret, wenn er
schreibet: es wären kaum in unserm Gesichte zehn oder wenig mehr Gliedmassen,
und es wären doch bey so viel tausend Menschen nicht zwey, die in der Bildung
sich vollkommen gleichten, welches keine
Kunst, wenn sie sich gleich darauf
befliesse, in so wenig Stücken an der Zahl ausrichten, u. zuwege bringen könte. |
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Es kommt noch weiter bey der Betrachtung des mensch.
Cörpers
dessen Vollkommenheit vor, indem es bey demselben an gar keinem Gliedmaß fehlet,
welches zur Erhaltung u. Zierde des Menschen gereichet; es ist auch keines
überflüßig, daß mans entbehren könte, |
welche
Materie mit mehrern
- Parcker de Deo et provid. ...
- Rajus in existent. et Sapient. Dei
manifestata ...
- Fenclon de l'existence de dieu ...
- u.
Wolff in den vernünftigen Gedancken von dem Gebrauch
der Theile in Menschen, Thieren und Pflantzen
ausgeführet haben. |
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So geben auch die
Kräffte und
Wirckungen unserer
Seelen die stärcksten
Beweisgründe an die Hand. Denn die schönste
Ordnung, welche die Kräffte unter
sich sowol, als gegen den
Leib haben, die Erstaunenswürdige
Würckungen, die auf
unsere Glückseligkeit abziehlen, daß wir vorher das wahre und falsche, das gute
und böse erkennen, und hierauf nach dem guten ein Verlangen tragen, die
Schrancken, darinnen selbige eingeschlossen, und andere dergl. Umstände zeigen
unwidersprechl. an, es sey ein
GOtt, der alles so weisl. geordnet und gemacht hat, |
wovon man
Buddeum in thes. de atheismo et superstit.
... lesen kan. |
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