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Zedler: Mensch [4] HIS-Data
5028-20-716-2-04
Titel: Mensch [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 20 Sp. 728
Jahr: 1739
Originaltext: Digitalisat BSB Bd.20 S. 373
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Folgender Artikel: Mensch [5]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Übersicht
II. Arten der Menschen
 
  ordentlicher natürlicher Unterschied
 
  Gesichter
  Kräfte der Seelen
  außerordentlicher natürlicher Unterschied
  moralischer Unterschied
III. Ursprung des Menschen
 
  Menschen immer gewesen
  Anfang des Menschen

Stichworte Text Quellenangaben
II. Arten der Menschen Wir sind nun mit dem ersten Stück dieser Materie von der Natur u. Beschaffenheit des Menschen fertig, und kommen nun auf das andere von den unterschiedenen Arten der Menschen.  
  In den wesentl. Eigenschafften sind sie einander alle gleich. Es hat zwar Thomasius in seinen oration. academicis ... die Frage: ob die Menschen von einander specie unterschieden? untersuchet, u. gemeynet, man habe die gewöhnl. aristotelische Lehre, als machte der Mensch eine sogenannte Speciem infimam aus, vor irrig anzusehen, welches er insonderheit wider Leibnitzens Disp. Spec. quaest. philos. ex jure collectarum, Leipz. 1664. behauptet, die Sache aber scheinet blos auf einen Wort-Streit anzukommen, daß wir uns dabey nicht aufzuhalten haben.  
  Doch findet sich unter denen Menschen in den zufälligen Eigenschaften ein grosser Unterscheid,  
  {Sp. 729|S. 374}  
ordentlicher natürlicher Unterschied der entweder ein natürl. oder moralischer: jener ist entweder ein ordentl. oder ausserordentl. Der ordentl. natürl. Unterscheid dependiret von der Ordnung der Natur, und zeiget sich sowol auf Seiten des Leibes als der Seelen. Denn was den Leib betrifft, so äussert sich dieser Unterscheid in verschiedenen Umständen. Nach dem Geschlechte sind einige Manns- andere Weibspersonen, welcher Unterscheid in Ansehung der menschlichen Natur nur zufällig; in Ansehung des Geschlechts aber wesentl. Einige sind lang, dicke; andere klein u. hager, etl. sind von starcker; etl. von schwacher Leibes-Constitution. Sonderl. ist die allzugrosse Varietät der menschl. Gesichter was wunderwürdiges, wie wir schon kurtz vorher erinnert, welches eine sondere Weisheit GOttes anzeiget.  
Gesichter Budd. in thesib. de atheismo et superstit. ... schreibet davon wohl: man muß aber nicht dencken, daß diese so grosse Unterschiedlichkeit der Gesichter so von ohngefehr ohne Ursach, oder ohne weisen Rath anzutreffen sey. Denn das war höchst nothwendig, vielen grossen Verdrüßlichkeiten zu entgehen, die in der bürgerl. Gesellschafft sonsten entstehen müsten. Man bedencke doch, was vor ein verwirrter Zustand in dem gemeinen Leben in allen Stücken entstehen würde, wenn man auf diese Art die Menschen nicht von einander unterscheiden könnte. In Verträgen, Bündnissen, Contracten könte niemand gewiß seyn, mit welcher Person er zu thun hätte. Denn bald würde dieser leugnen können, man hätte mit ihm nichts zu thun gehabt, jener es bejahen mit dem doch nicht gehandelt worden.  
  Es würde nicht leichtl. ein auch noch so greul. Bubenstück können bestraffet werden, weil niemand rechte Gewißheit haben könte, der solches begangen hätte. Sehr leicht würde es auch seyn, Fürsten und grosse Herren aus dem Wege zu räumen, u. andere an ihre Stelle zu setzen, wenn nicht der Unterscheid der Gesichter im Wege stünde. Was soll ich sagen von den unzehl. Betrügereyen, Ehebrechen, herbey schaffen falscher Zeugen, welches alles auf keinerley Weise könte verhütet werden, wenn es nicht die Varietät der Gesichter hinderte.  
Kräfte der Seelen Solchen natürl. Unterscheid nimmt man auch an den Kräften der Seelen wahr, daß man bald dieses bald jenes Naturell unter den Menschen antrifft. Denn in dem Verstand sind die drey Hauptfähigkeiten, das Gedächtniß, Ingenium u. Judicium; und in dem Willen die drey Haupt-Neigungen in Ansehung ihrer Lebhaftigkeit von Natur auf verschiedene Art vermischet, wovon unten in dem Artickel vom Naturell mehrers fürkommen wird.  
außerordentlicher natürlicher Unterschied Der ausserordentl. natürl. Unterscheid zeiget sich, wenn die Natur von ihrer ordentl. Art zu wircken abweichet, und etwa einen Zwerg oder Riesen, oder einen solchen Menschen, dem entweder was fehlet, oder der etwas zu viel, oder doch nicht in gehöriger Ordnung hat, hervorbringet.  
moralischer Unterschied Der Moralische Unterscheid der Menschen unter einander rühret von moralischen Ursachen her. Uber den natürl. Stand hat man noch andere Stände, u. kleinere Gesellschafften eingeführet, daher einige Eltern, andere Kinder, etl. Herren u. Frauen, andere Knechte u. Mägde; einige Regenten, andere Unterthanen sind. Nachdem man allerhand Künste u. Wissenschaften zu erlernen, u. dadurch die Commodität des menschl. Lebens zu befördern angefangen, so unterscheiden sich auch die Menschen durch mancherley Art der Professionen von einander. Denn man hat gelehrte u. ungelehrte Leute, u. unter den gelehrten Theologos, Juristen, Medicos und Philosophos. So ist auch unter  
  {Sp. 730}  
  den Menschen das Vermögen ungleich, daß mancher reich, hingegen ein andrer arm ist, welches auch seine moralischen Ursachen hat.  
III. Ursprung des Menschen Es ist noch übrig, daß wir auch drittens den Ursprung des menschlichen Geschlechts untersuchen. Es ist keine Sache gewesen, die den alten Heyden mehr zu thun gemacht, als eben diese. Denn da sie die Bücher Mosis nicht hatten, oder sie nicht annahmen, so konten sie davon nichts aussinnen, das nur einigen Schein der Wahrscheinlichkeit hatte, und wenn sie davon zu raisoniren anfangen wolten, geriethen sie auf Thorheiten.  
  Von den Poeten wollen wir nichts gedencken, welche gedichtet, die Menschen wären aus Steinen des Dencalions entsprungen; oder sie wären wie Eichel von Eichen herab gefallen, oder aus der weichen Erde des Promethei gebildet worden. Es sind so gar Philosophi oder Lehrer der Weisheit gewesen, welche eben so abentheurliche Meynungen vom Ursprung der Menschen geheget haben, die sich in zwey Classen eintheilen lassen.  
Menschen immer gewesen Einige haben gemeynet, die Menschen wären sowol, als die Welt allezeit gewesen, und hätten niemals einen Anfang genommen, unter welche Censorinus de die natali cap. 4. den Platonem, Aristotelem, Dicäarchum, Pythagoram, Ocellum, Lucanum, Archytam Tarentinum, Xenocraten und Theophrastum gerechnet. Von dem Aristotele und denen, die ihn gefolget, ist dieses gewiß. Denn er statuirte, die Welt sey ewig, welches auch insonderheit unter den neuern Andräas Cäsalpinus vertheidiget, der in der peripathetischen Philosophie so erfahren gewesen, daß Parcker de Deo et provid. ... von ihm urtheilet, er sey unter den neuern der erste, auch wohl der letzte gewesen, der des Aristotelis Meynung recht eingesehen, mit der auch seine eigene Lehre genau übereinstimmet, indem alles dahin auslaufft, daß diese Welt von aller Ewigkeit her gewesen.  
  Mit was vor Recht einige die Pythagoräer und Platonicos denenjenigen zugesellen, die dem menschlichen Geschlecht eine Ewigkeit zugeschrieben, hat Buddeus in hist. eccles. vet. test. ... vorgestellet.  
  Die Einfalt solcher Gedancken, daß von Ewigkeit her Menschen gewesen, kan man mit Händen greiffen, wenn man sie nur überlegen will. Denn da wir durch die glaubwürdigsten Scribenten Nachricht von der Vermehrung des menschl. Geschlechts und von dem Ursprung mancherley Völcker haben, so muß man auf solcherart nothwendig, wo nicht auf zwey, doch auf etliche wenige Menschen kommen, von denen die übrigen ihren Ursprung haben. Wären hingegen allezeit Leute gewesen, so könte man keine Zeit benennen, darinnen nicht eben eine so grosse, ja noch grössere Anzahl Menschen gewesen seyn solte, als heutiges Tages ist. So wenig überhaupt die Welt von sich selbst hat seyn können, so wenig ist das menschliche Geschlecht die Ursache seiner selbst, und muß daher die Existentz von einem andern haben, daß also dadurch die Ewigkeit wegfällt.  
Anfang des Menschen Andere unter den Heydnischen Weltweisen haben den Ursprung der Menschen behauptet, welche in einigen Puncten mit einander übereinkommen; in etlichen aber gantz von einander unterschieden sind. Einig sind sie darinn, daß das menschliche Geschlecht nicht ewig sey, sondern einen Anfang habe; was aber die Ursach gewesen, und auf was Art und Weise selbige entstanden sey, darüber haben Sie ungleiche Gedancken geführet.  
  Einige, als Epicurus und sein Ausleger Lucretius, schreiben den Ursprung des menschlichen Geschlechts einem  
  {Sp. 731|S. 375}  
  blossen Zufall zu, daß durch den von ohngefehr geschehenen Zusammenlauff der Atomorum und unrichtigen Geburten es endlich durch einen blossen Zufall geschehen sey, daß unsere Leiber zu solcher Figur, wie sie jetzo haben, von ohngefehr gediehen wären; wieder welche Meynung zweyerley zu erinnern ist.  
  Denn einmal ist die Materie allein nicht hinlänglich, daß ein Mensch mit Leib und Seel begabet, daraus kommen kan, mag beschaffen seyn, wie sie will; hernach aber sind bey dem Leibe die Adern, Nerven, Blut-Röhren, Knochen, Haut, und alle Glieder ordentlich und zu einem gewissen Gebrauch eingetheilet, daß dieses unmöglich von ohngefehr kan geschehen seyn.  
  Andere haben gemeynet, daß die Menschen aus einer Materie Krafft der Wärme hervor kommen, die sich wieder auf verschiedene Art erklären. Anaximander Milesius sagte: es wären aus warm gewordnen Wasser und Erde Fische, oder den Fischen gleiche Thiere entstanden, in welchem die Menschen gewachsen und dieses Gehecke so lange inwendig darinn verborgen gehalten worden, bis es zu seiner gebührende Reiffe gekommen, worauf endlich das, worinnen sie bisher verborgen gelegen, von einander geborsten, und Männer und Weiber, die sich selbst ernehren können, hervor gekommen.  
  Empedocles gab vor, daß alle Glieder zuerst aus der gleichsam schwangern Erde Stück-weise hervor gebracht und endlich zusammen gewachsen wären, so daß sie die Materie zu einem gantzen und fest an einander gesetzten Menschen, welche zugleich mit Feuer und Feuchtigkeit vermischet gewesen, dargereichet hätten.  
  Democritus hat gemeynet, die Menschen wären zuerst aus Wasser und Leimen geschaffen, wie bey dem Censorino de die natali zu lesen. Es ist aber schon oben erinnert worden, daß die Materie, sie mag erwärmt gewesen seyn, oder nicht, keinen Menschen hervor bringen können. Wenn dem so wäre, so möchte man fragen, wie es denn komme, daß die Erde, welche noch jetzo wie im Anfange, Kräuter, Bäume, Blumen und Pflantzen hervorbringe, nicht mehr Menschen oder zum wenigsten andere Thiere zeuge? wolte man sagen, die Erde hätte ihre vorige Krafft verlohren, und könte jetzo keine solchen Thiere mehr hervor bringen, so kan man weiter fragen: wie es käme, daß die Pflantzen noch immer auf eben diese Weise wie vor Alters, aus der Erden hervor kämen? wäre ihr an dieser Krafft was abgegangen, so müsten keine grossen Bäume, sondern nur kleine Gebüsch seyn.  
  Solch abentheurlich Zeug haben die Heydnischen Philosophen gemacht, wenn sie nach ihrer Phantasie den Ursprung des menschlichen Geschlechts ausdencken wollen; aber noch grössere Thorheiten begehen diejenigen Atheisten, welche lieber vorsetzlich mit diesen blinden Leuten straucheln, als das Ansehn, der H. Schrift annehmen wollen, die doch in der That nichts, was die Vernunft mit Grund verwerffen könte, hievon meldet. Die Vernunft erkennt auf das deutlichste, daß die Welt, als auch das menschl. Geschlecht seinen Ursprung von GOtt habe, wie schon oben gewiesen worden; die besondern Umstände aber, z.E. daß GOtt nur zwey Menschen erschaffen, daß dieses am sechsten Tage geschehen, daß er den Leib des Adams aus der Erden gebildet u.s.w. können wir ohne besondere Offenbahrung nicht wissen. Man lese hier nach
  • Matthäi Hale Tr. vom Ursprung der Welt u. denen Menschen ...
  • Buddeus in hist. eccl. vet. test. ... u. in thesib. de atheismo et superstitione ...
  • und den
  {Sp. 732}  
   
  Auctoren der observ. miscell. ...
   
  • nebst vielen andern, die wider die Atheisten geschrieben, und oben angezeiget worden.
  Zu Paris ist 1714 eine Schrifft, traité de l'homme heraus kommen, worinnen der Auctor viele Sätze ausführet, neml. daß der Menschen aus was mehr, als aus einer Materie und Cörper bestehe, daß dasjenige, was den Leib belebet, u. sich selbst bewege, die Seele sey, daß der Mensch und die Welt unter sich eine Gemeinschafft hätten, u. daß der Mensch dem Leibe nach sterblich; in Ansehung der Seelen aber unsterblich sey. Man findet davon einen Auszug in den memoires de Trevoux 1714. maj. p. 798. Es ist auch hier nach zu lesen
  • Joh. Sigismund Elsholtii anthropometria ... Franckfurt 1663.
  • Walch im Philosophischen Lexico.
    Wer mehrere Schriften von dem Menschen sowol überhaupt, als seinen Theilen u. Eigenschafften wissen will; findet deren eine ziemliche Zahl in Julius Bernh. von Rohr physicalische Bibliotheck, in welcher das gantze X. Capitel von dem Menschen handelt.
     

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Stand: 25. Juli 2023 © Hans-Walter Pries