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Quellenangaben |
II. Arten der Menschen |
Wir sind nun mit dem ersten Stück dieser
Materie von der
Natur u.
Beschaffenheit des Menschen
fertig, und kommen nun auf das andere von den
unterschiedenen
Arten
der Menschen. |
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In den
wesentl.
Eigenschafften sind sie
einander alle gleich. Es hat zwar Thomasius in seinen oration. academicis
... die
Frage: ob die Menschen von einander specie unterschieden?
untersuchet, u.
gemeynet, man habe die
gewöhnl. aristotelische Lehre, als machte
der Mensch eine sogenannte Speciem infimam aus, vor
irrig anzusehen,
welches er insonderheit wider Leibnitzens
Disp. Spec.
quaest. philos. ex jure collectarum,
Leipz. 1664. behauptet, die
Sache aber
scheinet blos auf einen Wort-Streit anzukommen, daß wir uns dabey nicht
aufzuhalten haben. |
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Doch findet sich unter denen Menschen in den zufälligen Eigenschaften ein
grosser
Unterscheid, |
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{Sp. 729|S. 374} |
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ordentlicher natürlicher Unterschied |
der entweder ein natürl. oder
moralischer: jener ist entweder ein ordentl.
oder ausserordentl. Der ordentl. natürl. Unterscheid dependiret von der
Ordnung der Natur, und zeiget sich sowol auf Seiten des
Leibes als der
Seelen. Denn was
den Leib betrifft, so äussert sich dieser Unterscheid in verschiedenen
Umständen. Nach dem
Geschlechte sind einige
Manns- andere
Weibspersonen, welcher
Unterscheid in Ansehung der menschlichen Natur nur zufällig; in Ansehung des
Geschlechts aber wesentl. Einige sind lang, dicke; andere klein u. hager, etl.
sind von starcker; etl. von schwacher Leibes-Constitution. Sonderl. ist die
allzugrosse Varietät der menschl. Gesichter was wunderwürdiges, wie wir schon
kurtz vorher erinnert, welches eine sondere Weisheit GOttes anzeiget. |
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Gesichter |
Budd. in thesib. de atheismo et superstit. ...
schreibet davon wohl: man muß
aber nicht dencken, daß diese so grosse Unterschiedlichkeit der Gesichter so von
ohngefehr ohne
Ursach, oder ohne weisen Rath anzutreffen sey. Denn das war
höchst nothwendig, vielen grossen Verdrüßlichkeiten zu entgehen, die in der
bürgerl.
Gesellschafft sonsten entstehen müsten. Man bedencke doch, was vor ein
verwirrter
Zustand in dem gemeinen Leben in allen Stücken entstehen würde, wenn
man auf diese Art die Menschen nicht von einander unterscheiden könnte. In
Verträgen, Bündnissen,
Contracten könte niemand gewiß seyn, mit welcher
Person
er zu thun hätte. Denn bald würde dieser leugnen können, man hätte mit ihm
nichts zu thun gehabt, jener es bejahen mit dem doch nicht gehandelt worden. |
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Es würde nicht leichtl. ein auch noch so greul. Bubenstück können
bestraffet
werden, weil niemand rechte Gewißheit haben könte, der solches begangen hätte.
Sehr leicht würde es auch seyn,
Fürsten und grosse
Herren aus dem Wege zu
räumen, u. andere an ihre Stelle zu setzen, wenn nicht der Unterscheid der
Gesichter im Wege stünde. Was soll ich
sagen von den unzehl. Betrügereyen,
Ehebrechen, herbey schaffen falscher Zeugen, welches alles auf keinerley Weise
könte verhütet werden, wenn es nicht die Varietät der Gesichter hinderte. |
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Kräfte der Seelen |
Solchen natürl.
Unterscheid nimmt man auch an den
Kräften der
Seelen wahr,
daß man bald dieses bald jenes Naturell unter den Menschen antrifft. Denn in dem
Verstand
sind die drey Hauptfähigkeiten, das
Gedächtniß,
Ingenium u.
Judicium;
und in dem
Willen die drey Haupt-Neigungen
in Ansehung ihrer Lebhaftigkeit von
Natur auf
verschiedene Art vermischet, wovon unten in dem
Artickel vom
Naturell
mehrers fürkommen wird. |
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außerordentlicher natürlicher Unterschied |
Der ausserordentl. natürl. Unterscheid zeiget sich, wenn die Natur von ihrer
ordentl. Art zu wircken abweichet, und etwa einen Zwerg oder Riesen, oder einen
solchen Menschen, dem entweder was fehlet, oder der etwas zu viel, oder doch
nicht in gehöriger
Ordnung hat, hervorbringet. |
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moralischer Unterschied |
Der Moralische Unterscheid der Menschen unter einander rühret von
moralischen Ursachen her. Uber den natürl.
Stand hat man noch andere Stände, u.
kleinere Gesellschafften eingeführet, daher einige
Eltern, andere
Kinder, etl.
Herren u.
Frauen, andere
Knechte u.
Mägde; einige
Regenten, andere
Unterthanen
sind. Nachdem man allerhand
Künste u.
Wissenschaften zu erlernen, u. dadurch die
Commodität des menschl.
Lebens zu befördern angefangen, so unterscheiden sich
auch die Menschen durch mancherley
Art der Professionen von einander. Denn man
hat gelehrte u.
ungelehrte Leute, u. unter den gelehrten Theologos, Juristen,
Medicos und
Philosophos. So ist auch unter |
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{Sp. 730} |
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den Menschen das
Vermögen ungleich, daß mancher
reich, hingegen ein andrer
arm ist, welches auch seine moralischen Ursachen hat. |
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III. Ursprung des Menschen |
Es ist noch übrig, daß wir auch drittens den
Ursprung des menschlichen
Geschlechts untersuchen. Es ist keine
Sache gewesen, die den alten Heyden mehr
zu thun gemacht, als eben diese. Denn da sie die Bücher Mosis
nicht hatten, oder sie nicht annahmen, so konten sie davon nichts aussinnen, das
nur einigen Schein der Wahrscheinlichkeit hatte, und wenn sie davon zu
raisoniren anfangen wolten, geriethen sie auf Thorheiten. |
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Von den Poeten wollen wir nichts gedencken, welche gedichtet, die Menschen
wären aus Steinen des Dencalions entsprungen; oder sie wären
wie Eichel von Eichen herab gefallen, oder aus der weichen
Erde des
Promethei gebildet worden. Es sind so gar
Philosophi oder
Lehrer der
Weisheit gewesen, welche eben so abentheurliche
Meynungen vom
Ursprung der
Menschen geheget haben, die sich in zwey Classen eintheilen lassen. |
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Menschen immer gewesen |
Einige haben gemeynet, die Menschen wären sowol, als die
Welt allezeit
gewesen, und hätten niemals einen Anfang genommen, unter welche
Censorinus de die natali cap. 4. den Platonem,
Aristotelem, Dicäarchum, Pythagoram, Ocellum, Lucanum, Archytam Tarentinum,
Xenocraten und Theophrastum gerechnet. Von dem
Aristotele und denen, die ihn gefolget, ist dieses gewiß. Denn er
statuirte, die Welt sey ewig, welches auch insonderheit unter den neuern
Andräas Cäsalpinus vertheidiget, der in der peripathetischen
Philosophie so
erfahren gewesen, daß Parcker de Deo et
provid. ... von ihm urtheilet, er sey unter den neuern der erste, auch wohl
der letzte gewesen, der des Aristotelis
Meynung recht
eingesehen, mit der auch seine eigene Lehre genau übereinstimmet, indem alles
dahin auslaufft, daß diese Welt von aller Ewigkeit her gewesen. |
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Mit was vor
Recht einige die Pythagoräer und Platonicos denenjenigen
zugesellen, die dem menschlichen
Geschlecht eine Ewigkeit zugeschrieben, hat
Buddeus in hist. eccles. vet. test. ... vorgestellet. |
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Die Einfalt solcher
Gedancken, daß von Ewigkeit her Menschen gewesen, kan
man mit Händen greiffen, wenn man sie nur überlegen will. Denn da wir durch die
glaubwürdigsten
Scribenten Nachricht von der Vermehrung des menschl.
Geschlechts
und von dem
Ursprung mancherley
Völcker haben, so muß man auf solcherart
nothwendig, wo nicht auf zwey, doch auf etliche wenige Menschen kommen, von
denen die übrigen ihren Ursprung haben. Wären hingegen allezeit Leute gewesen,
so könte man keine Zeit benennen, darinnen nicht eben eine so grosse, ja noch
grössere Anzahl Menschen gewesen seyn solte, als heutiges Tages ist. So wenig
überhaupt die
Welt von sich selbst hat seyn können, so wenig ist das menschliche Geschlecht die
Ursache seiner selbst, und muß daher die
Existentz von einem
andern haben, daß also dadurch die Ewigkeit wegfällt. |
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Anfang des Menschen |
Andere unter den Heydnischen
Weltweisen haben den
Ursprung der Menschen
behauptet, welche in einigen Puncten mit einander übereinkommen; in etlichen
aber gantz von einander unterschieden sind. Einig sind sie darinn, daß das
menschliche
Geschlecht nicht ewig sey, sondern einen Anfang habe; was aber die
Ursach gewesen, und auf was Art und Weise selbige entstanden sey, darüber haben
Sie ungleiche
Gedancken geführet. |
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Einige, als Epicurus und sein Ausleger Lucretius,
schreiben den
Ursprung des menschlichen
Geschlechts einem |
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{Sp. 731|S. 375} |
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blossen Zufall zu, daß durch den von ohngefehr geschehenen Zusammenlauff der
Atomorum und unrichtigen Geburten es endlich durch einen blossen Zufall
geschehen sey, daß unsere
Leiber zu solcher Figur, wie sie jetzo haben, von
ohngefehr gediehen wären; wieder welche
Meynung zweyerley
zu erinnern ist. |
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Denn einmal ist die
Materie allein nicht hinlänglich, daß ein Mensch mit
Leib und
Seel begabet, daraus kommen kan, mag beschaffen seyn, wie sie will;
hernach aber sind bey dem Leibe die Adern, Nerven, Blut-Röhren, Knochen, Haut,
und alle Glieder ordentlich und zu einem gewissen Gebrauch eingetheilet, daß
dieses unmöglich von ohngefehr kan geschehen seyn. |
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Andere haben gemeynet, daß die Menschen aus einer
Materie
Krafft der Wärme
hervor kommen, die sich wieder auf verschiedene Art erklären.
Anaximander Milesius
sagte: es wären aus warm gewordnen Wasser und
Erde
Fische, oder den Fischen gleiche Thiere entstanden, in welchem die Menschen
gewachsen und dieses Gehecke so lange inwendig darinn verborgen gehalten worden,
bis es zu seiner gebührende Reiffe gekommen, worauf endlich das, worinnen sie
bisher verborgen gelegen, von einander geborsten, und
Männer und
Weiber, die
sich selbst ernehren können, hervor gekommen. |
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Empedocles gab vor, daß alle Glieder zuerst aus der
gleichsam schwangern
Erde
Stück-weise hervor gebracht und endlich zusammen
gewachsen wären, so daß sie die
Materie zu einem gantzen und fest an einander
gesetzten Menschen, welche zugleich mit Feuer und Feuchtigkeit vermischet
gewesen, dargereichet hätten. |
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Democritus hat gemeynet, die Menschen wären zuerst aus
Wasser und Leimen geschaffen, wie bey dem Censorino de die
natali zu lesen. Es ist aber schon oben erinnert worden, daß die
Materie,
sie mag erwärmt gewesen seyn, oder nicht, keinen Menschen hervor bringen können.
Wenn dem so wäre, so möchte man fragen, wie es denn komme, daß die
Erde, welche
noch jetzo wie im Anfange, Kräuter, Bäume, Blumen und Pflantzen hervorbringe,
nicht mehr Menschen oder zum wenigsten andere Thiere zeuge? wolte man
sagen, die
Erde hätte ihre vorige
Krafft verlohren, und könte jetzo keine solchen Thiere
mehr hervor bringen, so kan man weiter fragen: wie es käme, daß die Pflantzen
noch immer auf eben diese Weise wie vor Alters, aus der Erden hervor kämen? wäre
ihr an dieser Krafft was abgegangen, so müsten keine grossen Bäume, sondern nur
kleine Gebüsch seyn. |
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Solch abentheurlich Zeug haben die Heydnischen
Philosophen gemacht, wenn sie
nach ihrer Phantasie den
Ursprung des menschlichen
Geschlechts ausdencken
wollen; aber noch grössere Thorheiten begehen diejenigen
Atheisten, welche
lieber vorsetzlich mit diesen blinden Leuten straucheln, als das Ansehn, der
H. Schrift annehmen wollen, die doch in der That nichts, was die
Vernunft mit
Grund
verwerffen könte, hievon meldet. Die Vernunft
erkennt auf das deutlichste, daß
die
Welt, als auch das menschl.
Geschlecht seinen Ursprung von
GOtt habe, wie
schon oben gewiesen worden; die besondern Umstände aber, z.E. daß GOtt nur zwey
Menschen erschaffen, daß dieses am sechsten Tage geschehen, daß er den
Leib des
Adams aus der
Erden gebildet u.s.w. können wir ohne besondere Offenbahrung nicht
wissen. |
Man lese hier nach
- Matthäi Hale Tr. vom
Ursprung der Welt u. denen Menschen ...
-
Buddeus in hist.
eccl. vet. test. ... u. in thesib. de atheismo et superstitione
...
- und den
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{Sp. 732} |
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Auctoren der observ. miscell. ... |
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- nebst vielen andern, die wider
die Atheisten geschrieben, und oben angezeiget worden.
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Zu Paris ist 1714 eine
Schrifft, traité de l'homme heraus kommen,
worinnen der Auctor viele Sätze ausführet, neml. daß der Menschen aus was mehr,
als aus einer
Materie und
Cörper bestehe, daß dasjenige, was den
Leib belebet,
u. sich selbst bewege, die
Seele sey, daß der Mensch und die
Welt
unter sich eine Gemeinschafft hätten, u. daß der Mensch dem Leibe nach
sterblich; in Ansehung der Seelen aber unsterblich sey. |
Man findet davon einen Auszug in den
memoires de Trevoux 1714. maj. p. 798. Es ist auch hier nach
zu lesen
- Joh. Sigismund Elsholtii anthropometria ...
Franckfurt 1663.
- Walch
im Philosophischen Lexico.
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Wer mehrere
Schriften von dem Menschen sowol überhaupt, als seinen Theilen
u.
Eigenschafften wissen will; findet deren eine ziemliche Zahl in
Julius Bernh. von Rohr physicalische Bibliotheck, in welcher das gantze
X. Capitel von dem Menschen handelt. |
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