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Zedler: Vater [1] HIS-Data
5028-46-710-3-01
Titel: Vater [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 46 Sp. 710
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 46 S. 368
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Übersicht
Bedeutungen
väterliche Gewalt
  Römer

Stichworte Text   Quellenangaben
  Vater, Lat. Pater, oder Porens, Frantz. Pere, heisset insgemein derjenige, welcher ein Kind männliches oder weibliches Geschlecht gezeuget, und daher vor dessen Erziehung zu sorgen verbunden.  
  {Sp. 711|S. 369}  
  In verblümten Verstande nennet man diejenigen, die einem vorgesetzt sind, und vor einen sorgen, auch Väter, als die Obrigkeit, Lehrer und Prediger, Vormünder u.s.f.  
Bedeutungen Will man noch genauer die unterschiedenen Bedeutungen des Wortes Vater wissen; so können wir mercken, daß ein Vater heisse  
 
1) ein Erfinder eines Dinges; daher
 
 
 
  • Jabal ein Vater der Hirten;
  • Jubal ein Vater der Sänger und Lustigmacher;
  • Thubalcain ein Vater der Schmiede und die mit dem Ertz umzugehen wissen,
 
 
  genennet werden. Nicht zwar, als wenn vor Jabals Zeiten kein Vieh gehütet worden, sondern daß er der erste gute Hof-Meister und Mayer gewesen, der Schäfereyen angeleget, und die Vieh-Zucht mit gutem Vortheil angestellet, der Jubal auch die Music zur angenehmen Harmonie gebracht. u.s.w.
Polidor Vergilius de Invent. rer.
 
2) Heisset Vater ein Ältester in einer Familie, oder Zunft und Innung, welche in selbiger die Meister der Erbarkeit seyn sollen, wie sie der Apostel Paulus an den Tit. II, 2. beschreibet. Also nennet man
 
 
3) diejenigen, welche Gewalt zu strafen haben Väter, als öffentliche Lehrer, Kirchen-Diener oder Seelsorger, und dergleichen, gestalt denenselben ebenmäßige Ehre, Hochachtung und Gehorsam erwiesen werden soll, wie denen leiblichen Vätern.
Johann Althus in Dicaeolog. …
 
  Auf welche Masse sich auch der Pabst zu Rom den Nahmen eines allgemeinen Vaters anmasset, und worunter sich
 
 
4) die Pfleg-Väter oder Vormünder, so die Gewalt derer ihrer Vorsorge anvertrauten Mündlein oder Pflegbefohlnen Vermögen und Geschäfte zu verwalten haben, finden, nicht weniger,
 
 
5) Stieff-Väter, oder welche die Kinder ausser der Ehe oder aus verbotener Ehe gezeugt, da die Würckung des Vater-Rechts wegfällt.
 
  Absonderlich aber heisset man diejenigen Väter, die aus einer rechtmäßigen Ehe Kinder erziehen, oder wie es in denen Römischen Rechten ausgedrucket wird: Pater est, qui liberos ex justis nuptiis procreavit. L. 3. …
  oder: Pater is est, quem Nuptiae demonstrant, l. quia certa
  Und ist also diese Benennung und deren Bedeutung in dem letztern Verstande hauptsächlich aus denen Bürgerlichen Rechten herzuleiten. Denn obgleich an und vor sich nach dem ordentlichen Lauffe der Natur schlechterdings unmöglich ist, daß ein Mensch gezeuget und zur Welt gebracht werden könne, der nicht seinen Vater und Mutter habe; so ist doch auch im Gegentheile so viel gewiß daß nicht allemahl eines Kindes wahrhaftiger Vater so leicht bezeichnet werden könne, als dessen Mutter, und wenn sie auch sonst gleich mit noch soviel Manns-Personen zu thun gehabt. d. l. quia ff. de in jus voc.
  Indessen wird doch in denen Rechten zu Vermeidung aller sonst daraus zu besorgenden Unordnung und Ungelegenheit, derjenige vor eines Kindes rechten und wahrhaftigen Vater erkläret und auch davor gehalten, so lange man nicht des Gegentheils vergewissert ist, welcher sich mit dessen Mutter in ein ordentliches und rechtmäßiges Ehe-Bündniß eingelassen, und mit derselben so, wie es sich vor rechtschaffene Eheleute gebühret, lebet  
  {Sp. 712}  
  und Haus hält.  
väterliche Gewalt Daraus entstehet nur nicht allein die einem wie dem andern nach allen göttlichen und menschlichen Rechten von Seiten ihrer Kinder schuldige Ehrfurcht, Liebe und Gehorsam, sondern auch die insbesondere nach denen Römisch-Bürgerlichen Gesetzen einem Vater zustehende Gewalt über seine Kinder. l. furiosae
Römer Daher denn auch der Kayser Justinianus in §. 2. J. de patr. pot. gar recht gesprochen, die väterliche Gewalt, oder das Recht eines Vaters über seine Kinder, sey nur denen Römischen Bürgern eigen: massen sonst niemand zu finden, der über seine Kinder eine solche Gewalt, als die Römer über die Ihrigen, hätte. Denn obgleich nach des Aristotelis in Ethic. L. VIII. c. 10. Zeugniß auch bey denen Persern die Väter über ihre Kinder eine ziemlich strenge Herrschafft ausgeübet; so haben doch die Römer hierinnen alle andere Völcker dergestalt übertroffen, daß dieser ihre väterliche Gewalt bey den besten Schrifftstellern nicht unbillig Patria Majestas, das ist eine väterliche Majestät oder unumschränckte Herrschaft, genennet wird.
  • Valerius Maximus
  • Quintilianus in Declam. 375.
  Sonst will zwar auch Oisel ad Caji Instit. … als ob aus des Sexti Empyrici Pyrrh. Hypot. III. zu erweisen stehe, daß auch schon bey denen Atheniensern die Gewalt der Väter über ihre Kinder so groß gewesen, daß jene auch sogar das Recht über dieser ihr Leben und Tod gehabt, mithin dieses Recht viel mehr eines Atheniensischen als Römischen Ursprunges zu achten sey. Es zeiget aber dagegen Dionysius Halicarnassensis … gar deutlich, daß in allen Solonischen Gesetzen nichts zu finden gewesen, welches diesem Römischen Rechte beygekommen. Besiehe auch
  • Johann Meursius in Solon. …
  • Huber in Digress. …
  • Thomasius de Usu pract.
  Daß also allerdings der Ursprung der väterlichen Gewalt, wie sie ehemahls bey denen Römern beschaffen gewesen, nirgends sonst, als bey denen Römern selbst, und in ihren besondern Rechten zu suchen ist.  
  Es war aber dieselbe bey ihnen so groß, daß auch in manchen Stücken bey denen Römern der Kinder ihre Umstände noch schlimmer, oder doch nicht viel besser und leidlicher, als selbst der leibeigenen Knechte und Sclaven ihre, waren, wie unter andern Libonius in Declam. 37. Seneca in Contr. … und Lactantius in Divin. Iustit. … ausdrücklich bekennen, wie denn auch absonderlich der letztere in solcher Absicht von denen Kindern saget, sie wären verbunden gewesen, ihren Vater sowohl, als dessen Knechte und Sclaven zu dienen, und daher auch von jenen sich der Redens-Art: Servire patri, bedienet. Gerhard Noodt Probab. …
  Es zeiget also Dionysius Halicarnassensis l.c. gantz klar und deutlich, daß der erste Urheber dieses Rechtes eigentlich Romulus gewesen. Und hindert nicht, daß Ulpianus in l. 8. ff. de his, qui sunt sui vel al. jur. saget, die väterliche Gewalt sey durch Gewohnheit (Moribus) eingeführet worden. Denn  
  {Sp. 713|S. 370}  
  der Letztere hat damit nur seine Absicht auf die XII. Gesetz-Tafeln, welchen dieses Gesetzes nicht als eine Königliche Verordnung, (massen alle Königliche Gesetze so gleich nach der Ausstossung des Tarquinii Superbi abgeschaffet worden, l. 2. …) sondern als ein alter Gebrauch, einverleibet worden. Und zwar weil der ausnehmende Haß der Römer auch nur gegen den Königlichen Nahmen es nicht litte, daß sie auch nur das allergeringste, so von denen Königen herstammte, duldeten. Schulting ad Coll. Leg. …
  Es war demnach erstlich die väterliche Gewalt nach des Romuli Verordnung immerwährend, und dauerte so lange, als der Vater lebte; so, daß kein Kind bey seines Vaters Lebzeiten und wider dessen Willen seyn eigener Herr werden konnte, wenn es auch schon in der Republick Diensten stand, und ein Obrigkeitliches Amt, oder eine noch so hohe Ehren-Stelle bekleidete, oder wenn es sich auch sonst schon um das Vaterland noch so verdienet gemachet hatte. Dionysius Halicarnassensis l.c.
  Hernach waren dieser väterlichen Gewalt nicht allein die Söhne und Töchter, sondern auch deren Kinder und Enckel, unterworffen. Jedoch hatten diese Gewalt nicht beyderseits Eltern, oder Vater und Mutter zugleich, sondern nur allein der Vater, nach dessen Tode alsdenn die Kinder gantz frey und ihres eigenen Gewalts wurden.  
     

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Stand: 24. August 2016 © Hans-Walter Pries