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Text |
Quellenangaben und Anmerkungen |
Rechte |
Endlich aber waren dieser
väterlichen Gewalt anklebende
Rechte
selbst
gantz besonders. Und zwar gehöret hieher |
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1) |
das Recht über
Leben
und
Tod. |
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Denn es stand einem Vater nicht allein
frey,
seine
Kinder wegzusetzen, sie in das Gefängniß zu legen, zu stäupen, und
gebunden zur Feld-Arbeit zu gebrauchen, sondern auch, wenn sie es
verdienet hatten, auf eine solche Art, wie es ihm beliebte, zu tödten. |
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- Dionysius Halicarnassensis …
- Simplicius in Comment. ad Epicteti
Enchirid. c. 37.
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Daß also nicht wenig zu verwundern, warum doch
Libanius in Declam. 21. Diese Strenge des
alten Rechts
etwas leidlicher erklären und den Vätern nur das Recht, ihren
Kindern
den
Tod zu drohen, zugestehen wollen; da doch das Gegentheil gar leicht
durch soviel Exempel zu erweisen stehet, woraus zu ersehen, daß die
Väter in ihren eigenen Häusern mit Zuziehung ihrer Anverwandten und
anderer
angesehener Leute ihrer
Kinder Verbrechen untersuchet, und
denenselben nach der
Sachen
Bewandniß diese oder jene
Leibes- und Lebens-Straffe zuerkannt haben. |
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- Valerius Maximus …
- Seneca de Clement. …
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Und sind solchergestalt nicht allein |
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Valer. Max. l.c. |
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Valerius ibid. |
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Sallustius de Bell. Catil. c. 39. |
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von ihren Vätern getödtet, sondern auch von dem
Titus Arius dessen
Sohn vermöge dieses Rechts ins Elend geschicket
worden. |
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Seneca l.c. |
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Insbesondere aber hat dieses
Recht
der Väter bey den Römern, ihre
Kinder wegzusetzen, und zu tödten, der
berühmte Gerhard Noodt in einer sehr gelehrten
Abhandlung unter den
Titul:
Julius Paullus, sive de Partus expositione et nece apud veteres,
mit mehrern vorstellig gemacht, daraus wir gegenwärtig den
Ursprung
und Fort- |
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{Sp. 714} |
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gang dieser grausamen
Gewohnheit
nur gantz kürtzlich erzehlen wollen. |
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Zwar nach des Romuli
Verordnung war es nicht erlaubt, die Knäblein, noch auch die
erstgebohrnen
Töchter, wegzusetzen, wenn sie nicht durch fünf
benachbarter Leute
Meynung vor pure Mißgeburten, oder doch vor gebrechlich und
allzuhäßlich geachtet worden wären. |
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Dionysius Halicarnassensis Antiq. Rom.
… |
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Welche Romulische Verordnung nebst andern auch
denen XII. Gesetz-Tafeln einverleibet worden. |
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Cicero de Legib. … |
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Es waren aber diese beyde
Gesetze
nach und nach dergestalt in Vergessenheit gerathen, daß auch unter denen
Kaysern
nichts gewöhnlicher, als daß
Kinder wegsetzen war. |
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- Svetonius in Octav. c. 65. und in
Calig. c. 5.
- Tacitus in Histor. …
- Tertullianus ad
Nation. …
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und zeiget Gerhard Noodt in Jul.
Paul. … daß diese
Gewohnheit
weder durch den Plancianischen, noch auch denjenigen Rathschluß, welcher
unter des Hadriani
Regierung
zum Vorschein gekommen, geändert worden; wie denn auch eben dieser
Noodt l.c. … anmercket, daß das
Kinderwegsetzen noch unter dem Diocletiano und Maximiano, ja so gar auch
noch unter dem Constantino, erlaubt, und die Kayser Valentinus Valens
und Gratianus, die ersten gewesen, so dieser Grausamkeit Einhalt gethan. |
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l. 2.
C. de infant. exposit. |
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2) |
[1] Eben diese väterliche
Gewalt
begriff auch II. das
Recht,
die
Kinder dreymal zu
verkauffen. |
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[1] |
HIS-Data: Zählung erschlossen |
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Denn wenn ein zum erstenmahle in die Sclaverey
verkaufter
Sohn von seinem Herrn freygelassen worden war; so konnte er
von seinem Vater aufs neue und zum andernmahle verkauft werden. Wenn er
aber auch dieses mahl wiederum loßgelassen ward; so fiel er in seines
Vaters
Gewalt
zurücke, um konnte also auch von diesem zum dritten mahle verkauft
werden. Dafern aber derselbe zum dritten mahle die
Freyheit
erlangte; so ward er erst zugleich der
väterlichen Gewalt loß. |
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- Dionysius Halicarnassensis …
- Simplicius in Comm. ad Epicteti
Enchirid. c. 37.
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[1] |
HIS-Data: Zählung erschlossen |
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Und obgleich Alcander ad
Caji Instit. … und Jacob Gothofredus … den
Dionysium eines Irrthums beschuldigen, und das oberwehnte
Gesetze
des Romuli bloß von der eingebildeten dreyfachen Verkauffung, welche man
sonst bey der Freylassung zu beobachten pflegte, verstanden wissen
wollen; so hat doch Gothofredus auf die
Sache
nicht wohl Acht gehabt. Denn der Gebrauch dieser eingebildeten
Verkauffung war eine so genannte Actio Legis, oder eine solche
Handlung, welche in einem besondern Gesetze ihren
Grund
hatte, dergleichen aber samt und sonders erstlich durch die XII.
Gesetz-Tafeln eingeführet und in Schwang gebracht worden. Zudem hat auch
denen vom Aleander und Gothofredo beygebrachten Beweißthümern sowohl
Anton Schulting ad Ulpiani
Fragm. … und Thomasius de Usu pract. …
mehr als zu viel ihre abhefliche Maaß gegeben. |
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Übrigens ist dieses Romulische
Gesetze
zwar auch schon von dem Numa in etwas eingeschräncket, und absonderlich
denen Vätern verboten worden, diejenigen
Söhne zu
verkauffen, |
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{Sp. 715|S. 371} |
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denen sie erlaubet, sich zu
verheyrathen. |
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Dionysius Halicarn. … |
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Nachgehends aber hat man eben diese
Verordnung auch in die XII. Gesetz-Tafeln eingerückt,
allwo es mit folgenden
Worten
zu lesen war: En do Liberis justis jus vitae necis venumdandique
potestas ei esto. Si Pater filium ter venumduit, filius a patre liber
esto. |
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Jacob Gothofredus in Quat. Font. Jur.
Civ. … |
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3) |
[2] Endlich und III. gehöret auch zu der
väterlichen Gewalt,
sein
Vermögen durch die
Kinder zu vermehren, und was dieselben
erwarben und vor sich brachten, zu seinen, des Vaters,
Gütern
zu schlagen, wovon insonderheit Sextus Empyricus in
Pyrrh. Hyp. III. 24. klärlich zeuget, da er sagt, daß die Urheber
der Römischen Gesetze verordnet, die Kinder sollten nicht anders, als
Knechte und
Leibeigene in ihres Vaters Gewalt, und also auch nicht sie, sondern
ihre Väter,
Herren ihres Vermögens seyn, solange sie nicht, wie sonst
die Sclaven aus ihrer Herren, so auch diese aus der väterlichen Gewalt
entlassen würden. |
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[2] |
HIS-Data: Zählung erschlossen |
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Entwicklung |
Es hat sich aber in denen vernünftigern und gesittetern Zeiten der Republick
in allen diesen Stücken eines und das andere nach und nach geändert,
absonderlich, da sich diese häußliche
Majestät zu der
Monarchischen Staats-Verfassung unter denen
Kaysern
übel zu schicken schien, und zwar hat sich eine dergleichen
Veränderung
so viel zuförderst das
Recht
über
Leben
und
Tod anbetraf, nicht zu den Zeiten Augusti, wie Franciscus Balduinus
ad Leg. Rom. … vorgeben wollen, sondern erstlich unter der
Regierung
des Trajani, eräugnet, als welcher nicht allein einen
Sohn, der von seinem Vater
wider alle natürliche Liebe allzustrenge und harte gehalten worden, der väterlichen Gewalt
befreyet, sondern auch nach dessen Ableben den Vater nicht einmahl in den Besitz
des von jenem hinterlassenen
Vermögens lassen wollen. |
l. ult.
… |
Leben und Tod |
Dessen Exempel ist bald hernach der
Kayser
Hadrianus gefolget, und hat einen Vater, welcher seinen
Sohn aus Verdacht eines
begangenen Ehebruchs auf der Jagd getödtet hatte, auf eine Insul verweisen
lassen. |
l. 5. … |
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Daher wurde es mit mähligen gebräuchlich, die
Kinder, welche etwas schweres
verbrochen hatten, der
Obrigkeit zu
überliefern, welchen aber gleichwohl die
Eltern das
Urtheil
vorschrieben, so sie an denen Kindern vollziehen sollten. |
l. 13. … |
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Endlich aber kam auch diese
Gewohnheit
ab, so, daß denen
Eltern nicht einmahl frey stand, ihre ungehorsame
Kinder zu
verstossen. |
l. 6.
C. de patr. pot. |
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Und kam also endlich das gantze
Recht
über
Leben
und
Tod, welches vor Alters denen
Eltern zugestanden hatte, auf die
Obrigkeiten; wie
ihnen denn auch solches durch eine ausdrückliche
Verordnung des
Kaysers
Valentiniani übertragen wurde. |
l. un. C. de
emend. propinq. |
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Besiehe hierbey mit mehrerm Thomasius
in Diss. de Usu pract. … wie auch in diesem Lexico den
Artickel
Mord (Kinder-) im XXI.
Bande
p. 1568. u.f. |
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Noch viel weniger aber liessen die
Käyser die
ebenfalls von Alters |
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{Sp. 716} |
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Kinderverkauf |
her eingerissene üble
Gewohnheit,
die
Kinder dreymahl zu
verkauffen, bey
Kräften;
indem auch von ihnen, nicht aber, wie Balduinus meynet, schon
zu den Zeiten der freyen Republick, denen Vätern dieses
Recht
entzogen worden. Und zwar ist, wie es scheinet, Diocletianus der erste gewesen,
welcher die Kinder unter einerley
Titul
oder Vorwande zu verkauffen verboten. |
l. 1. … |
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Hernach aber erlaubte Constantinus nur solchen
Eltern, die von der
äussersten und schmählichsten
Armuth gedruckt wurden, ihre noch blutigen
Kinder
zu verkauffen; jedoch mit dem Bedinge, das so wohl dem verkauffenden Vater, als
dem verkauffenden
Sohne, oder auch sonst einem jedweden, welcher dem Käufer das
bezahlte Kauf-Geld wieder zustellte, oder auch nur an des verkaufften Sohnes
statt demselben einen andern
Knecht schaffte, frey stehen sollte, den Käuffer dahin
anzuhalten, daß er den ihm von seinem Vater verkauften
Sohn wieder frey und loß
gäbe, diese aber alsdenn so gut, als ein anderer
freygebohrener
Mensch,
geachtet werden sollte. |
d. l. 1.
… |
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Ja damit es endlich auch dieser Verkauffung der noch blutigen
Kinder nicht
bedürffte; so verordnete bald darauf eben dieser
Kayser,
daß denen allzudürftigen und nothleidenden
Eltern der benöthigte Unterhalt aus
dem öffentlichen Fisco gereichet werden sollte. |
l. 1. … |
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wobey noch zu gedencken, daß allhier unter der Benennung
derer blutigen
Kinder,
Lat.
Filii sanguinolenti, keine andere, als die
Erstgebohrnen, und von ihrer Mutter
Leibe
noch gantz röthlich oder blutig scheinenden Kinder, zu
verstehen sind. Denn
diese erlaubte der gemeldete
Kayser
Constantinus wegen der sonst zu besorgenden Gefahr der Hinweglegung zu
verkauffen, wie unter andern Huber in Digress. II. 5.
mit mehrerm darthut. Und zwar pflegten die
Eltern gar öffters die noch vom Blute
trieffende Geburth entweder an einem gantz einsamen und
wüsten Ort, daß sie
daselbst Hungers
sterben sollten, zu werfen, oder aber an gewisse
öffentliche
Örter zu legen, dergleichen absonderlich in der
Stadt Rom die sogenannte
Columna
Lactaria war, von welcher Festus p. 303. also saget:
Lactaria columna in foro
olitoris dicta, quod ibi infantes lacte alendos deferebant. |
Besiehe auch Rävard Conject. … |
Vermögen der Kinder |
So viel endlich das dritte Stücke der
väterlichen Gewalt,
vermöge dessen nehmlich die
Eltern
berechtigt sind, sich ihrer
Kinder
Vermögen, und alles, was sie erworben und vor sich bringen,
zuzueignen, und die damit getroffene Veränderung anbelanget; so soll bald mit
mehrerm gesagt werden, was dieserwegen hauptsächliches zu mercken. |
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