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Zedler: Vater [2] HIS-Data
5028-46-710-3-02
Titel: Vater [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 46 Sp. 713
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 46 S. 370
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Übersicht
väterliche Gewalt (Forts.)
  Römer (Forts.)
 
  Rechte
 
  Entwicklung
 
  Leben und Tod
  Kinderverkauf
  Vermögen der Kinder

Stichworte Text   Quellenangaben und Anmerkungen
Rechte Endlich aber waren dieser väterlichen Gewalt anklebende Rechte selbst gantz besonders. Und zwar gehöret hieher  
 
1) das Recht über Leben und Tod.
 
 
  Denn es stand einem Vater nicht allein frey, seine Kinder wegzusetzen, sie in das Gefängniß zu legen, zu stäupen, und gebunden zur Feld-Arbeit zu gebrauchen, sondern auch, wenn sie es verdienet hatten, auf eine solche Art, wie es ihm beliebte, zu tödten.
  • Dionysius Halicarnassensis
  • Simplicius in Comment. ad Epicteti Enchirid. c. 37.
 
  Daß also nicht wenig zu verwundern, warum doch Libanius in Declam. 21. Diese Strenge des alten Rechts etwas leidlicher erklären und den Vätern nur das Recht, ihren Kindern den Tod zu drohen, zugestehen wollen; da doch das Gegentheil gar leicht durch soviel Exempel zu erweisen stehet, woraus zu ersehen, daß die Väter in ihren eigenen Häusern mit Zuziehung ihrer Anverwandten und anderer angesehener Leute ihrer Kinder Verbrechen untersuchet, und denenselben nach der Sachen Bewandniß diese oder jene Leibes- und Lebens-Straffe zuerkannt haben.
  • Valerius Maximus
  • Seneca de Clement. …
 
  Und sind solchergestalt nicht allein
 
 
 
  • Cassius,
Valer. Max. l.c.
 
 
  • Scaurus,
Valerius ibid.
 
 
  • und Fulvius,
Sallustius de Bell. Catil. c. 39.
 
  von ihren Vätern getödtet, sondern auch von dem Titus Arius dessen Sohn vermöge dieses Rechts ins Elend geschicket worden.
Seneca l.c.
 
  Insbesondere aber hat dieses Recht der Väter bey den Römern, ihre Kinder wegzusetzen, und zu tödten, der berühmte Gerhard Noodt in einer sehr gelehrten Abhandlung unter den Titul: Julius Paullus, sive de Partus expositione et nece apud veteres, mit mehrern vorstellig gemacht, daraus wir gegenwärtig den Ursprung und Fort-
 
  {Sp. 714}  
 
  gang dieser grausamen Gewohnheit nur gantz kürtzlich erzehlen wollen.
 
 
  Zwar nach des Romuli Verordnung war es nicht erlaubt, die Knäblein, noch auch die erstgebohrnen Töchter, wegzusetzen, wenn sie nicht durch fünf benachbarter Leute Meynung vor pure Mißgeburten, oder doch vor gebrechlich und allzuhäßlich geachtet worden wären.
Dionysius Halicarnassensis Antiq. Rom. …
 
  Welche Romulische Verordnung nebst andern auch denen XII. Gesetz-Tafeln einverleibet worden.
Cicero de Legib. …
 
  Es waren aber diese beyde Gesetze nach und nach dergestalt in Vergessenheit gerathen, daß auch unter denen Kaysern nichts gewöhnlicher, als daß Kinder wegsetzen war.
  • Svetonius in Octav. c. 65. und in Calig. c. 5.
  • Tacitus in Histor. …
  • Tertullianus ad Nation. …
 
  und zeiget Gerhard Noodt in Jul. Paul. … daß diese Gewohnheit weder durch den Plancianischen, noch auch denjenigen Rathschluß, welcher unter des Hadriani Regierung zum Vorschein gekommen, geändert worden; wie denn auch eben dieser Noodt l.c. … anmercket, daß das Kinderwegsetzen noch unter dem Diocletiano und Maximiano, ja so gar auch noch unter dem Constantino, erlaubt, und die Kayser Valentinus Valens und Gratianus, die ersten gewesen, so dieser Grausamkeit Einhalt gethan.
l. 2. C. de infant. exposit.
 
2) [1] Eben diese väterliche Gewalt begriff auch II. das Recht, die Kinder dreymal zu verkauffen.
[1] HIS-Data: Zählung erschlossen
 
  Denn wenn ein zum erstenmahle in die Sclaverey verkaufter Sohn von seinem Herrn freygelassen worden war; so konnte er von seinem Vater aufs neue und zum andernmahle verkauft werden. Wenn er aber auch dieses mahl wiederum loßgelassen ward; so fiel er in seines Vaters Gewalt zurücke, um konnte also auch von diesem zum dritten mahle verkauft werden. Dafern aber derselbe zum dritten mahle die Freyheit erlangte; so ward er erst zugleich der väterlichen Gewalt loß.
  • Dionysius Halicarnassensis
  • Simplicius in Comm. ad Epicteti Enchirid. c. 37.
[1] HIS-Data: Zählung erschlossen
 
  Und obgleich Alcander ad Caji Instit. … und Jacob Gothofredus … den Dionysium eines Irrthums beschuldigen, und das oberwehnte Gesetze des Romuli bloß von der eingebildeten dreyfachen Verkauffung, welche man sonst bey der Freylassung zu beobachten pflegte, verstanden wissen wollen; so hat doch Gothofredus auf die Sache nicht wohl Acht gehabt. Denn der Gebrauch dieser eingebildeten Verkauffung war eine so genannte Actio Legis, oder eine solche Handlung, welche in einem besondern Gesetze ihren Grund hatte, dergleichen aber samt und sonders erstlich durch die XII. Gesetz-Tafeln eingeführet und in Schwang gebracht worden. Zudem hat auch denen vom Aleander und Gothofredo beygebrachten Beweißthümern sowohl Anton Schulting ad Ulpiani Fragm. … und Thomasius de Usu pract. … mehr als zu viel ihre abhefliche Maaß gegeben.
 
 
  Übrigens ist dieses Romulische Gesetze zwar auch schon von dem Numa in etwas eingeschräncket, und absonderlich denen Vätern verboten worden, diejenigen Söhne zu verkauffen,
 
  {Sp. 715|S. 371}  
 
  denen sie erlaubet, sich zu verheyrathen.
Dionysius Halicarn.
 
  Nachgehends aber hat man eben diese Verordnung auch in die XII. Gesetz-Tafeln eingerückt, allwo es mit folgenden Worten zu lesen war: En do Liberis justis jus vitae necis venumdandique potestas ei esto. Si Pater filium ter venumduit, filius a patre liber esto.
Jacob Gothofredus in Quat. Font. Jur. Civ. …
 
3) [2] Endlich und III. gehöret auch zu der väterlichen Gewalt, sein Vermögen durch die Kinder zu vermehren, und was dieselben erwarben und vor sich brachten, zu seinen, des Vaters, Gütern zu schlagen, wovon insonderheit Sextus Empyricus in Pyrrh. Hyp. III. 24. klärlich zeuget, da er sagt, daß die Urheber der Römischen Gesetze verordnet, die Kinder sollten nicht anders, als Knechte und Leibeigene in ihres Vaters Gewalt, und also auch nicht sie, sondern ihre Väter, Herren ihres Vermögens seyn, solange sie nicht, wie sonst die Sclaven aus ihrer Herren, so auch diese aus der väterlichen Gewalt entlassen würden.
[2] HIS-Data: Zählung erschlossen
Entwicklung Es hat sich aber in denen vernünftigern und gesittetern Zeiten der Republick in allen diesen Stücken eines und das andere nach und nach geändert, absonderlich, da sich diese häußliche Majestät zu der Monarchischen Staats-Verfassung unter denen Kaysern übel zu schicken schien, und zwar hat sich eine dergleichen Veränderung so viel zuförderst das Recht über Leben und Tod anbetraf, nicht zu den Zeiten Augusti, wie Franciscus Balduinus ad Leg. Rom. … vorgeben wollen, sondern erstlich unter der Regierung des Trajani, eräugnet, als welcher nicht allein einen Sohn, der von seinem Vater wider alle natürliche Liebe allzustrenge und harte gehalten worden, der väterlichen Gewalt befreyet, sondern auch nach dessen Ableben den Vater nicht einmahl in den Besitz des von jenem hinterlassenen Vermögens lassen wollen. l. ult.
Leben und Tod Dessen Exempel ist bald hernach der Kayser Hadrianus gefolget, und hat einen Vater, welcher seinen Sohn aus Verdacht eines begangenen Ehebruchs auf der Jagd getödtet hatte, auf eine Insul verweisen lassen. l. 5. …
  Daher wurde es mit mähligen gebräuchlich, die Kinder, welche etwas schweres verbrochen hatten, der Obrigkeit zu überliefern, welchen aber gleichwohl die Eltern das Urtheil vorschrieben, so sie an denen Kindern vollziehen sollten. l. 13. …
  Endlich aber kam auch diese Gewohnheit ab, so, daß denen Eltern nicht einmahl frey stand, ihre ungehorsame Kinder zu verstossen. l. 6. C. de patr. pot.
  Und kam also endlich das gantze Recht über Leben und Tod, welches vor Alters denen Eltern zugestanden hatte, auf die Obrigkeiten; wie ihnen denn auch solches durch eine ausdrückliche Verordnung des Kaysers Valentiniani übertragen wurde. l. un. C. de emend. propinq.
  Besiehe hierbey mit mehrerm Thomasius in Diss. de Usu pract. … wie auch in diesem Lexico den Artickel Mord (Kinder-) im XXI. Bande p. 1568. u.f.  
  Noch viel weniger aber liessen die Käyser die ebenfalls von Alters  
  {Sp. 716}  
Kinderverkauf her eingerissene üble Gewohnheit, die Kinder dreymahl zu verkauffen, bey Kräften; indem auch von ihnen, nicht aber, wie Balduinus meynet, schon zu den Zeiten der freyen Republick, denen Vätern dieses Recht entzogen worden. Und zwar ist, wie es scheinet, Diocletianus der erste gewesen, welcher die Kinder unter einerley Titul oder Vorwande zu verkauffen verboten. l. 1. …
  Hernach aber erlaubte Constantinus nur solchen Eltern, die von der äussersten und schmählichsten Armuth gedruckt wurden, ihre noch blutigen Kinder zu verkauffen; jedoch mit dem Bedinge, das so wohl dem verkauffenden Vater, als dem verkauffenden Sohne, oder auch sonst einem jedweden, welcher dem Käufer das bezahlte Kauf-Geld wieder zustellte, oder auch nur an des verkaufften Sohnes statt demselben einen andern Knecht schaffte, frey stehen sollte, den Käuffer dahin anzuhalten, daß er den ihm von seinem Vater verkauften Sohn wieder frey und loß gäbe, diese aber alsdenn so gut, als ein anderer freygebohrener Mensch, geachtet werden sollte. d. l. 1.
  Ja damit es endlich auch dieser Verkauffung der noch blutigen Kinder nicht bedürffte; so verordnete bald darauf eben dieser Kayser, daß denen allzudürftigen und nothleidenden Eltern der benöthigte Unterhalt aus dem öffentlichen Fisco gereichet werden sollte. l. 1. …
  wobey noch zu gedencken, daß allhier unter der Benennung derer blutigen Kinder, Lat. Filii sanguinolenti, keine andere, als die Erstgebohrnen, und von ihrer Mutter Leibe noch gantz röthlich oder blutig scheinenden Kinder, zu verstehen sind. Denn diese erlaubte der gemeldete Kayser Constantinus wegen der sonst zu besorgenden Gefahr der Hinweglegung zu verkauffen, wie unter andern Huber in Digress. II. 5. mit mehrerm darthut. Und zwar pflegten die Eltern gar öffters die noch vom Blute trieffende Geburth entweder an einem gantz einsamen und wüsten Ort, daß sie daselbst Hungers sterben sollten, zu werfen, oder aber an gewisse öffentliche Örter zu legen, dergleichen absonderlich in der Stadt Rom die sogenannte Columna Lactaria war, von welcher Festus p. 303. also saget: Lactaria columna in foro olitoris dicta, quod ibi infantes lacte alendos deferebant. Besiehe auch Rävard Conject. …
Vermögen der Kinder So viel endlich das dritte Stücke der väterlichen Gewalt, vermöge dessen nehmlich die Eltern berechtigt sind, sich ihrer Kinder Vermögen, und alles, was sie erworben und vor sich bringen, zuzueignen, und die damit getroffene Veränderung anbelanget; so soll bald mit mehrerm gesagt werden, was dieserwegen hauptsächliches zu mercken.  
     

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Stand: 24. August 2016 © Hans-Walter Pries