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Quellenangaben |
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Endlich stellen wir auch noch eine¶ |
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Theologische Betrachtung der Wahrheit¶ |
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an. Die Wahrheit wird an
verschiedenen
Orten
der
Schrifften Luthers folgendergestalt
erkläret: |
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„Ich halt, daß wir
Deutschen das
Ebräische
Wort [ein Wort
Hebräisch], Wahrheit, also verdeutschen,
Recht,
als wenn wir
sagen, das ist der rechte
Gott, das ist
das rechte Evangelium, das ist die rechte Kirche,
damit wir anzeigen gegen die falsche Kirche,
Evangelium, Gott, den wahren Gott, die wahre
Kirche, das wahre Evangelium, also auch die
wahre
Werck, gegen die falschen Wercke, heissen
wir die rechten Werck. |
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Das
Wort aber [ein Wort
Hebräisch], Jaschar, das man zu
Latein
Aequitas,
Rectitudo, und ich zu Deutsch aufrichtig heisse, ist
so viel, daß ein Christ, nicht aus Gunst, noch um
Lohn, noch um einiger
Personen
Ansehen willen,
Gutes thut, sondern aus freyem, reinem, richtigem,
einfältigem Hertzen, nicht das Seine sucht, noch
Jemand zu Liebe, oder Leide, sondern allein
Gott
zu Ehren, und dem Nächsten zu gut, wohl thut,
nicht, wie die Miethlinge und Eigennützige und
Ehrgeitzigen thun. |
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Daß Wahrheit sey wider
die
Werck, ohn Hertzen geschehen, aufrichtig,
wider die Werck, aus eigennützigen Hertzen, das
auf sich selbst gekrümmet ist. Diese zwey
Wort
pflegt St. Paulus 1 Cor. V, 8. zu nennen
Simplicitatem et Sinceritatem, daß er uns lehret,
daß wir sollen einfältige und lautere Kinder Gottes
seyn,„ |
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T. V. … über den CXI
Psalm. |
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II. |
Ephes. VI, 14. Umgürtet eure Lenden mit
Wahrheit. |
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„Wahrheit heisset die Schrifft rechtschaffen
Wesen, das nicht falsch, noch erlogen ist.„ |
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T. V. … über Ephes.
VI. |
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III. |
Wahrheit und Gerechtigkeit. |
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„Wahrheit heißt,
rechtschaffen seyn gegen Gott, und kein Heuchler, mit rechtem Glauben
und Ernste Gott dienen. Gerechtigkeit heist, die Liebe und
Barmhertzigkeit, damit man gegen dem Nächsten recht thue. In diesen
zweyen Stücken ste- |
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{Sp. 925|S. 476} |
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het das gantze Leben
eines H. Volcks.„ |
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Ausleg. des VIII Cap. Zachar.
… |
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IV. |
„Wahrheit, Verheissung der
Gnaden und des Lebens.„ |
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Esa. XXXVIII, 18.
Gl. |
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V. |
„Güte und Wahrheit, das
ist, Wohlthat und aufrichtiger Sinn und Gemüth,
daß keine Heucheley da ist.„ |
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Eißl. A.T.B. … über den 25
Psalm. |
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VI. |
„Wahrheit ist nicht allein
Christum hören, oder von ihm viel waschen
können, sondern auch im Hertzen gläuben, daß
Christus uns frey und loß machen wolle, daß man
solches im Hertzen erfahre, das machet einen
rechten Christen.„ |
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Eißl. A.T.B. …, über das 8
Cap. Joh. |
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VII. |
„Wahrheit ist, das recht ist,
daß nicht falsch ist, das nicht ein Gleiß noch Schein
hat, sondern für GOtt recht ist, als der im Glauben
für GOtt wandelt und gehet, und gehet darnach auf
dem Weg der Liebe, daß er dem Nächsten
diene.„ |
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Eißl. A.T.B. …, über den 26
Psalm. |
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VIII. |
„Wahrheit ist die Frucht des
Geistes wider die Heucheley und Lügen, daß ein
Christ nicht allein wahrhafftig ist in seinen Worten,
sondern auch rechtschaffen in seinem Leben, als
daß er nicht den Nahmen führe im Werck, und sey
ein Christ, und doch heidnisch lebe, in
Unkeuschheit, Geitz und andern Lastern.„ |
|
R.P.W.S. … |
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IX. |
„Wahrheit ist, daß sie nicht
falsch und tückisch, mit Betrug und Schalckheit
umgehet, sondern rechtschaffen und richtig nach
dem reinen Wort GOttes gelehret und gelebt ist,
solches muß bey den Christen seyn, und sich
erzeigen, als die nun in einem neuen Stand und
Wesen sind, etc.„ |
|
R.P.S.S. … |
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X. |
„Wahrheit wird genennet,
daß GOTT nicht allein uns will gnädig und
barmhertzig seyn, und die Sünden uns schencken
und erlassen, sondern dasjenige, was wir förder
leben, das soll köstlich Ding seyn, unangesehn, ob
wir gleich noch wohl an unsern Halß viele
Gebrechlichkeit und Sünde, auch Fleisch und Blut
und viel böser Lüste nach der Tauffe fühlen, da wir
mit dem Fleisch zu fechten und zu ringen haben,
welche Sünde GOtt billig straffen und richten
möchte, denn es laufft bey uns noch viel vom alten
Adam mit unter, da wir nichts anders aus.„ |
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E.T. …, über das 1 Cap.
Johann. |
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„Du hast Lust zur Wahrheit.
Das Wort (Wahrheit) soll nicht allein auf die Rede,
und unsere Worte gezogen, und allein davon
verstanden werden, sondern ingemein von unserm
gantzen Leben, daß alles, zumahl, was wir reden,
dencken, thun und leben, ja alles, was um und an
uns ist, soll gewiß und wahrhafftig seyn, und auf
das nicht allein die Welt, sondern auch wir selbst
nicht betrogen werden.„ |
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III, W, …, über den LI
Psalm. |
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„Sie werden die Ohren von
der Wahrheit wenden. Er heist hie die Wahrheit auf
seine Weise den Glauben Christi, wie auch die
Hebräische Art ist. Setzt ein Unterscheid durch
Widerspiel, zwischen Wahrheit und Gleißnerey,
oder das gleich viel ist, zwischen der Wahrheit und
blossen Schein des Christli- |
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{Sp. 926} |
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chen Wesens, als
nehmlich Ephes. IV, 15. Last uns vollbringen die
Wahrheit in der Liebe, das ist, last uns
rechtschaffen seyn in der Liebe und wachsen an
ihn. Abermahl, sagt er daselbst: Ziehet an den
neuen Menschen, der nach GOtt geschaffen ist in
Gerechtigkeit und Heiligkeit, da will er ja freylich die
Gerechtigkeit der schnöden Eitelkeit, und des
schön gleissenden Aberglaubens, verworffen
haben.„ |
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- VII. W. … Offenb. des
Antichrists.
- Förtschens Bibl. Lex. Lutheri
…
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Zu diesen Erklärungen fügen wir noch die
Erklärung der Sprüche: III Esra III, 12, u. IV, 41, wo
von der Wahrheit
gesaget wird, daß sie alles
überwinde, daß sie groß sey, und über alles
herrsche. Es wolten einmahl die drey
Cämmerlinge, welche, den
Leib des
Königs zu
bewahren verordnet waren, die
Zeit zu verkürtzen,
sich mit kurtzweiligen Fragen unter einander üben.
Die Haupt-Frage aber bestund in diesem: Was
doch das stärckste sey auf der
Welt? Der eine gab
den Vorzug dem Weine; der andere dem Könige;
der Dritte den
Weibern, doch so, daß die Wahrheit
alles überwinde. Denn die Wahrheit bleibe und
walte in Ewigkeit, lebe und herrsche von Ewigkeit
zu Ewigkeit. Welches er mit einem solchen
Nachdruck vorbrachte, daß alles
Volck schrye und
sprach: Groß ist die Wahrheit und herrschet über
alles. Hat also die Wahrheit allein, wie
Billig, den
Sieg behalten. |
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Es ist die Wahrheit entweder
philosophisch,
oder sittlich, oder theologisch. |
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Die philosophische Wahrheit ist die eigentliche
Beschaffenheit eines
Dinges, die von
menschlichem Verstande
begriffen werden kann;
Ingleichen, da ein
Gelehrter in allen Disciplinen
gewisse Lehrsätze hat, woraus er solche
Schlüsse
machen kan, welche mit der eigentlichen
Beschaffenheit eines Dinges genau
übereinstimmen. Z.E. Das ist eine Wahrheit aus
der Physic, oder
Natur, wenn
Agur
saget: Wenn
man Milch stösset etc. |
Sprüchw. XXX, 33. Siehe
Matth. XXIV, 32; Jac. III, 11. |
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Das ist eine Wahrheit aus der Mathematick;
Was krumm ist, kan nicht schlecht seyn, |
Hohel. I, 15. |
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Und wenn 1 Chron. XXI, 6, stehet: Da war ein
grosser Mann, der hatte etc. so ist das eine
Wahrheit aus der Mathematick. |
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Doch von dieser
Art ist nicht nöthig, viel zu
handeln. Mehr hat die sittliche Wahrheit auf sich,
die zwar, wenn wir sie in der
Ethic besonders
betrachten wollen, auch wohl zu der
Philosophie
gehöret, ja, nicht weniger zu der Theologie, als
eine herrliche Tugend des Christenthums.
Wiewohl, wir sehen sie nur an, wie sie allen
Menschen in dem gemeinen
Leben zukömmt, und
eine solche Tugend ist, welche sich mit sehr viel
andern, ja mit allen, befreundet. Denn so eine
Tugend nicht wahr ist, wie kan sie eine Tugend
seyn? |
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Die Wahrheit hat ihren Sitz in dem Hertzen,
und giebet sich so wohl in
Worten, als in
Wercken,
zu
erkennen. Offenbahret sich die Wahrheit in
Worten, so redet der Mund nichts anders, als das
Hertz gesinnet ist, |
wie
- Matth. V, 37.
- Jac. V, 12.
- Zach. VIII, 16.
- Ephes. IV, 25
stehet. |
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Die Theologische Wahrheit beziehet sich
insonderheit auf
GOtt und
Göttliche
Dinge. Hierüber ist die Bedeutung in
Heil. |
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{Sp. 927|S. 477} |
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Schrifft vielfältig und mancherley. Nur die
vornehmsten zu berühren, so wird darunter die
Erkänntniß GOttes verstanden, auch welche uns
von Natur noch übrig geblieben ist, |
- Röm. I, 18.
- Johann IV,
23.
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Es ist auch so viel, als eine Erfüllung der
Fürbilder Alten Testamentes, |
wie Joh. I, 17. |
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Es deutet auch den
Stand der Vollkommenheit
an Gerechtigkeit und Heiligkeit an, darinnen
GOtt
die Engel und
Menschen erschaffen hat, |
Joh. VIII, 44. |
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So wird auch die Wahrheit allen dreyen
Personen der Gottheit offt zugeeignet: |
- Ps. LXXXIX, 50.
- Ebräer VI, 13.
- Joh. XIV, 6;
- 1 Joh. V, 20.
- Joh. XIV,
17. XVI, 13.
- 1 Joh. V, 6.
- Ps. CXLIII, 10.
- Ps. XXV,
10.
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Woraus denn fliesset, daß GOttes Wort
überhaupt Wahrheit heisset, |
Joh. XVII, 17. |
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Wenn demnach in unsern
Worten von der
Wahrheit
geredet wird, so scheinet es ja, daß
Zoroabel auf die sittliche sehe, und sie deshalb
also preise, damit der
König
Darius sich seines
Versprechens erinnern, und es erfüllen möchte,
welches er des Tempels wegen gethan hat; wie er
denn hernach zu ihm
sagte: Gedencke an das
Gelübde, das du gethan hast, daß Jerusalem soll
gebauet werden, etc. Jedoch, weil die Jüden
und Jüdischen Weisen das
Gesetz
Mosis über alles zu
preisen, und mit den allerherrlichsten
Nahmen zu
beehren pflegen, so scheinet es, daß Zoroabel
ebenfalls das Gesetz in dem
Sinne habe.
Inzwischen weil das, was er von der Wahrheit
rühmet, meistens vor
GOtt, GOttes Wort, GOttes
Regierung und Gottesdienst gehöret, so kan auch
die Göttliche oder Theologische Wahrheit, am
meisten verstanden werden. |
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Und hiervon wird nun
gesaget, sie überwinde
alles. Zoroabel führete gar eine prächtige
Rede,
wenn er diesen Spruch vor dem
Könige erklären
und
beweisen soll: Lieben
Männer, sind denn die
Weiber nicht mächtig? etc. Dieses alles hat er in
das eintzige
Wort Überwinden zusammen
gebunden, welches nicht eben bloß von einem
Siege, den man in den Kriege und Streite erhält,
sondern auch von der Vortrefflichkeit und
Beständigkeit zu
verstehen ist. Und gewiß, davon
wird sich die Wahrheit preisen, man nehme sie, in
welcherley Deutung man wolle. |
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Es ist die Wahrheit (wie gesagt) entweder in
GOtt oder in den
Menschen, zu betrachten. Die
Wahrheit GOttes betrifft erstlich das
Wesen
desselben. Diese ist eine solche unaussprechliche
und unvergleichliche Übereinstimmung und
gleichförmige Vollkommenheit mit dem
Göttlichen Verstande,
daß er wahrhafftig ein solcher wahrer
GOtt ist, wie er selbst sein wahrhaftiges und
ewiges Wesen auf das allervollkommenste
erkennet, weiß und
verstehet, welches er uns denn
auch also in seinem wahrhafftigen Worte
offenbahret, und nicht anders, als auf solche Art,
will von dem Menschen erkannt, geehret, gelobet
und gepreiset werden, |
- 1 Thessal. I, 9.
- Joh. V,
20. XVII, 3..
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Die Wahrheit GOttes betrifft zweytens sein
Wort und Verheissungen, und ist aus folgenden
Sprüchen zu erkennen: |
- Joh. XVII, 17.
- Ps.
XXV, 10.
- 4 B. Mos. XXIII, 19.
- Ebräer VI, 18.
- 1 Joh.
V, 20.
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Diese Göttliche Wahrheit ist also zu erwegen,
damit wir dem heiligen GOtt keinen Betrug,
Lügen, |
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{Sp. 928} |
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oder Falschheit, beymessen, sondern
denselben also erkennen lernen, daß er allezeit
alles, wie es in Wahrheit an ihm selber ist,
eigentlich
redet, und seine
Meynung klärlich und
aufrichtig anzeiget, dergestalt, daß wir ihm in allen
seinen unfehlbaren heiligen
Worten und
Verheissungen sicherlich trauen, und an seinem
ernsten Drauungen niemahls zweiffeln
dürffen. |
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Die Wahrheit der
Menschen in dem gemeinen
Leben bestehet darinnen, daß der Mensch also
rede, wie er es in dem Hertzen meyne. Hierzu wird
erfordert: |
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1) |
Daß er der Lügen feind
sey, dieselbe, als eine Teuffels-Brut, hasse, fliehe
und meide. Denn wer Lügen und Verleumdungen
höret, derselbe giebet damit zu
verstehen, daß er
ein Feind der Wahrheit, und ein Werckzeug der
Teuffels sey. |
|
- Ps. CI, 7. CXIX, 163.
- Syrach XXVIII. 20.
- 1 Cor. V, 11.
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2) |
Daß man die Wahrheit frey
heraus sage, und nicht
Menschen zu Gefallen,
oder aus Furcht für den Menschen
verschweige. |
|
- Sprüchw. Salom. XII,
17.
- Syrach IV, 29.
- Matth. XXII,
16.
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3) |
Daß man die Wahrheit
beständig vertheidige, |
|
Syrach IV, 33. |
|
4) |
Daß man täglich zu
GOTT
seuffze und bete, daß er uns bey der
Liebe zu der
Wahrheit erhalten wolle. |
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Die Unwiedergebohrnen sind von der
Wahrheit weit entfernet; und wie falsch und
betrüglich der Ruhm solcher unglückseligen
Seelen von der Göttlichen Gemeinschafft sey, wird
1 Joh. I, 6, mit dem doppelten
Urtheile bezeuget:
Sie lügen, und thun nicht die Wahrheit. |
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Erstlich spricht Johannes, lügen die, so in der
Finsterniß wandeln, wann sie
sagen, daß sie mit
GOtt Gemeinschafft haben. Dann sagen sie diß in
ihrem Hertzen, dencken und meynen sie es selbst
also, so ist es Lügen, weil es sich ja in der
That
gantz anders verhält. Sagen sie es aber nur mit
ihrem Munde, daß ihr Hertz nicht mit beystimmet,
so ist es doppelt Lügen, weil sie nicht nur anders
reden, als sich die
Sache selbst befindet, sondern
auch gantz etwas anders sagen, als ihr Hertz und
Gewissen ihnen zu
erkennen giebt und vorstellet.
Sie belügen und betrügen sich selbst, wann sie
sich bey ihrem Wandel in der Finsterniß für
Christen und Kinder GOttes halten. Sie belügen
andere, wann sie sich gegen dieselben des
Glaubens und der Gottseligkeit rühmen. So ist
auch in dem übrigen alles, was an ihnen ist,
betrüglich und lügenhafft, |
Esa. XXVIII, 14. |
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Lügen ist es, wenn dergleichen Leute beten:
Vater Unser! Denn nicht
GOtt, sondern den Satan
haben sie zu ihrem
Vater: Nicht GOttes, sondern
des Teuffels Kinder sind sie. Lügen ist es, wenn sie
singen: Ich bin ein Glied an Christi Leib, des tröst
ich mich von Hertzen etc. Denn sie sind Glieder der
Höllen, und können sich Christi bey ihrer
Sünden-Finsterniß keinesweges getrösten. Lügen
ist es, wenn sie von Vergebung ihrer Sünden, von
Freude an GOtt und seinem Worte, und anderm
Guten, sagen. Denn daran haben sie (ohne
rechtschaffene Bekehrung von der Finsterniß zu
dem Lichte) keinen Theil. |
|
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So ist es auch Lügen, wenn sie sprechen:
HErr, wenn ich dich nur habe. Christus ist mein
Leben: Denn wo sie nur selber in ihr Gewissen
gehen wollen, werden sie befinden, daß diese und
dergleichen Trost- |
|
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{Sp. 929|S. 478} |
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|
Worte sich auf sie gar nicht reimen, und daß
deren Gebrauch lauter sträfliche Unwahrheit und
Vermessenheit bey ihnen sey, u.s.w. |
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Hierbey bleibet es nun aber nicht einmahl.
Johannes versichert ferner von allen denen, die in
der Finsterniß herrschender Sünden wandeln: Sie
thun nicht die Wahrheit. Nehmlich, wie es Lügen
ist, wenn die Maul-Christen in dem Hertzen
dencken und mit den
Worten
sprechen, daß sie
Gemeinschafft mit
GOtt haben; so muß man
davon, daß sie auch mit allerley äusserlich guten
und Christlichen
Wercken der göttlichen
Gemeinschafft sich berühmen, gleichermaßen das
Urtheil fällen, daß sie hierinnen nicht die Wahrheit
thun; daß solche ihre guten Bezeiligungen lauter
That-Lügen, lauter Betrug, Blendung und
Gauckelwerck seyn; daß sie zwar den Schein von
der Gottseligkeit haben, aber die
Krafft derselben
verleugnen; |
2 Tim. III, 5; |
|
und daß also das rechtschaffene
Wesen,
das in Christo JEsu ist, gar keinen Platz bey ihnen finde; hergegen aber lauter
Falschheit, Heucheley, unnütze Verstellung, und heimtückisches unlauteres Wesen
bey ihnen wahrzunehmen sey. |
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Es sind nehmlich alle Tugenden, alle Gottesdienste, und alle vorgegebenen
guten Wercke und Übungen derer, die in einer oder in mehr herrschenden Sünden
leben, nichts, als eine Larve ihrer innerlichen Bosheit, und ein
Comödianten-Spiel, womit sie die wahren Gläubigen nachäffen; sie sind ein Schaum
und Schatten, der zu gar nichts nutzet; sie sind schön scheinende Sünden, und
recht heßliche Betrügereyen. |
|
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Die Maul-Christen thun unzehlich vieles, das
würcklich mit der göttlichen Wahrheit nicht
übereinstimmet; wenn sie aber auch noch etwas
der Wahrheit gemässes thun, so thun sie es nicht
mit wahrhafftigen, redlichen, aufrichtigen Hertzen,
sondern aus lauter verwerflichen, unrichtigen
Absichten. Z.E. In ihrem
Allmosen, suchen sie
Ehre
und Ansehen für den Leuten, oder Ruhe des
Gewissens bey ungerechtem Gute. In ihrer offt
extravaganten Heuchels-Demuth gegen andere,
suchen sie, daß sich jederman um so vielmehr
wieder für ihnen demüthigen soll. In ihrer
Gedult,
suchen sie den Ruhm der Großmuth, und öffters
nur
Zeit zu der Rache. Und so wird in allem andern
ihrem
Thun nicht
GOttes Willen und Wahrheit,
sondern lauter Lügen und Falschheit gethan und
ausgeübt; sie thun nie, was sie zu thun scheinen,
und gehen in nichts aufrichtig und redlich mit
GOTT
und mit dem Nächsten um. Es soll aber unsere
Liebe nicht mit
Worten und mit der Zunge, sondern
mit der
That und mit der Wahrheit geschehen, |
1 Johann. III, 18. |
|
Wie die
Wercke bey den Worten und
liebreichen Neigungen seyn sollen, so wird beydes
zu den Wercken, und zu den Worten und
Neigungen, die Wahrheit, oder wie es einige
Ausleger übersetzen, die Aufrichtigkeit und
Redlichkeit, erfordert. Es kan sich nehmlich nicht
nur bey liebreichen Worten sondern auch bey
liebreichen Wercken, eine blosse Heuchel-Liebe
einschleichen und verbergen. Man kan (wie dort
das klare Exempel an dem Ananias ist) so gar alle
seine Güter mit dem Nächsten theilen, und doch
gantz leer von einer rechtschaffenen Liebe seyn.
Darum ist es eine |
|
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{Sp. 930} |
|
|
notwendiger Erinnerung, daß ein Kind GOttes
nicht nur mit der
That, sondern auch mit der
Wahrheit, das ist, ohne Heucheley, Falschheit,
Verstellung und Schein, lieben solle. Es wird aber
hierzu erfordert: |
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|
1) |
Daß es das Hertz recht
aufrichtig und gut mit dem Nächsten in Erzeigung
der schuldigen Liebe meyne; |
|
|
|
2) |
Daß es innerlich eben so
liebreich sey, als es sich äusserlich in den
Wercken
der Liebe bezeugt und zu
erkennen giebt; |
|
|
|
3) |
Daß es keine falschen und
unreinen Absichten, keine heimlichen Tücke und
verborgenen unlauteren Motionen seiner
Liebes-Geschäffte, habe; |
|
|
|
4) |
Daß es aus rechter Liebe
zu
GOtt, und aus dem rechtschaffenen
Wesen
einer wahren Wiedergeburt, den Nächsten liebe;
Und denn endlich |
|
|
|
5) |
daß es seine
Liebes-Wercke nicht grösser mache, und höher
schätze, als sie sind, derselben Mängel und
Unvollkommenheit willig erkenne, GOtt allein alle
Ehre davor gebe, und sie nicht, durch Paßionen
und Partheylichkeit, beflecke und vernichte. |
|
|
|
Wenn man es mit seinem Nächsten nicht
aufrichtig und redlich meynet, so werden zwar die
guten
Worte, die man ihm giebt, und die liebreichen
Wercke, welche man ihm erzeiget, vor
Menschen
den Schein einer wahren Liebe haben; aber
GOtt,
der das Hertz ansieht, kennet eines solchen
Menschen Tücke, und richtet sich nicht nach dem
äusserlichen Bezeigen, sondern nach der
innerlichen Falschheit und Bosheit, die einen
solchen verdammen wird. |
|
|
Die Wahrheit, Redlichkeit und Aufrichtigkeit,
muß, wie alle gute Wercke, also auch absonderlich
die Wercke der Liebe, zieren. Sie ist das Saltz,
ohne welches dem Wahrheit liebenden GOtt gar
kein Opffer, und also auch kein Liebes Opffer,
wohlgefällt. Sie scheidet
Natur und
Gnade, sie
heiliget unsere Neigungen, sie giebt den
Würckungen des
Geistes der Wahrheit
Raum, sie
verhütet die betrüglichen Einflüsse des
Bösewichts, und macht recht Christlich und
Göttliche, was sonsten heydnisch und
menschlich,
wo nicht gar teufflisch ist. |
|
|
|
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