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Text |
Quellenangaben |
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(4) |
Der
Wille GOttes ist entweder
befehlend,
oder beschliessend, (Jubens,
vel decernens) |
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Der befehlende Wille hat das
Gute, das
GOtt von
uns gethan, und das
Böse, das er von uns gelassen haben will, zu seinem
Gegenstande. Der beschliessende Wille aber hat dasjenige zu seinem
Objecte, was GOtt entweder selbst thun, oder von andern geschehen lassen
will. Der befehlende Wille, der den
vernünfftigen Creaturen
Gesetze
vorschreibet, der ist nicht unwiderstreblich. Denn weil GOtt dabey mit
vernünfftigen Creaturen zu thun hat, so will er sie nicht als Klötzer
und Steine tractiren, und ihren Willen mit
Gewalt zu dem
Gehorsam
beugen, sondern es heißt: Ich lege euch vor
Leben und
Tod, Segen und
Fluch, daß ihr das Leben erwählet, |
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5 B. Mosis XXX, 15. u.ff. |
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Daher können die
Menschen wider den befehlenden
Willen GOttes handeln. Da denn aber auch GOtt durch die
Bestraffung
ihres
Ungehorsams zeiget, daß seyn Wille ernstlich gewesen, und daß es
ihm nicht gleichgültig sey, ob man seinen Willen beobachte, oder
übertrete. |
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Der beschliessende Wille hat zu seinem
vornehmsten Gegenstande dasjenige, was
GOtt selbst thun will. Das ist
von zweyerley Art: Entweder, er will etwas nach seiner blossen
Macht
thun, ohne dabey auf das Verhalten der Creaturen zu sehen, daher dieser
Wille, der zu dem
Reiche der Macht gehöret, unwiderstreblich ist: Weil
keine Macht der Creaturen der Macht GOttes widerstehen kan, Psalm
XXXIII, 9: Wenn er
spricht, so geschiehts. |
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Oder, er will etwas unter gewissen Bedingungen
thun, nachdem die vernünfftigen Creaturen sich verhalten werden. Dahin
gehören alle Bedrohungen und Verheissungen, die unter einer gewissen
Bedingung vorge- |
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{Sp. 46} |
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1 B. Sam. II, 30. u.ff. |
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Und diese
Art des göttlichen Willens gehöret
vornemlich zu dem
Reiche der Gnaden. Es hat aber auch der beschliessende
Wille zu seinem geringern Gegenstande dasjenige, was
GOtt von den
vernünfftigen Geschöpffen geschehen lassen will. So hat GOtt von
Ewigkeit her beschlossen, den
Sünden-Fall der
Menschen, und anderes
Böse, geschehen zu lassen. Da will GOtt nichts selber thun. Er will
nicht selber würcken, nicht befehlen, nicht reitzen, nicht zu der Sünden
antreiben, welches alles wider seine Vollkommenheit streiten würde;
Sondern er will nur diese und jene sündliche Handlung geschehen lassen,
oder, er will seine absolute
Macht nicht anwenden, dieselbe zu hindern. |
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Damit billiget er die sündliche Handlung der
Creaturen nicht; Sondern weil er in dem Lichte seiner Allwissenheit
vorher gesehen hat, daß die
vernünfftigen Creaturen, nach freyer Wahl,
auf diese und jene sündliche Handlung fallen werden; So hat er, bey der
Übersehung aller gegenwärtigen und zukünfftigen Umstände, nach seiner
und erforderlichen Weisheit, für zuträglicher gefunden, dieselbe
geschehen zu lassen, als sie durch eine absolute Macht zu verhindern
etc. |
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Übrigens ist zu bemercken, daß der Wille von
einer weitläufftigern Bedeutung sey, als der Rathschluß. Der Wille
erstreckt sich auch auf solche
Dinge, die an sich selbst zu begehren
sind, ob man gleich dieselben, nach Betrachtung aller Umstände nicht
würcklich vollbringen will. Der Rathschluß aber ist der kräfftige Wille,
da man dasjenige, was man will, auch würcklich zu thun beschliesset. Der
Rathschluß GOttes ist also eine
Würckung des göttlichen Willens, krafft
dessen er das Beste dem Bessern, das Bessere dem Guten; und das Gute dem
Bösen allezeit vorziehet.¶ |
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(5) |
Wird der göttliche Wille in den Willen des
Zeichens und Wohlgefallens (Signi
et beneplaciti) eingetheilet; Welche
Distinction in einem orthodoxen und heterodoxen
Verstande genommen werden kan. |
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In heterodoxem
Sinne wird diese
Distinction gebraucht, oder vielmehr gemißbraucht, wenn man diese
nachdrückliche Bezeugung
GOttes, daß er aller
Menschen Seligkeit wolle,
und seinen
Sohn für alle gegeben habe, so ausleget, als ob solches nur
von dem Willen des Zeichens nicht aber von dem Willen des Wohlgefallens
zu
verstehen sey. Denn GOtt könne etwas nach dem Willen des Zeichens
wollen, dass er nach dem Willen des Wohlgefallens nicht wolle. |
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Turretinus
schreibt in
Institut. Theol. Elencht. Diese Distinction habe von dem
Hugo de St. Victore ihren
Ursprung, sey von dem
Lombardus fortgepflanztet, von dem Thomas und
den übrigen Scholastickern angenommen worden, und werde noch behalten.
Dieser Distinction halber, machen ferner einige Reformirte Theologen
unter dem geoffenbahrten und geheimen
Willen einen Unterschied, da doch der geoffenbahrte und geheime Wille
nicht mit einander streiten kan, wenn man
GOtt nicht der Falschheit und
Heucheley beschuldigen will, indem er anders
rede, als meyne; |
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{Sp. 47|S. 37} |
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Sondern nur dieser Unterschied ist, daß der
geheimen Wille sich mit den unterschiedenen Gerichten GOttes
beschäfftiget, welche Paulus unerforschliche Gerichte
nennet, |
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Röm. XI, 33. |
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Der geoffenbahrte Wille aber betrifft das
Geschäffte unserer Seligkeit, da GOtt alle Heimlichkeiten seines
Hertzens, ohne einige Verstellung und Falschheit, uns geoffenbahret hat. |
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Desgleichen machen die Reformirten ohne
Grund
noch eine Eintheilung, unter der Allgemeinheit des Willens
GOttes, und unter dem
gnädigen Willen GOttes
selber. Jedoch, wir bleiben anjetzo bey der Eintheilung unter dem Willen
des
Zeichens, und dem Willen des Wohlgefallens, stehen. Diese
Eintheilung wird in orthodoxem
Verstande von vielen
Lutherischen Gottesgelehrten gebrauchet, als welche diese Eintheilung
nicht verabscheuen. |
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Siehe Carpzovs Isagogen ... |
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Wir
sagen, dieser doppelte Wille GOttes streite
nicht wider einander, sondern was GOtt äusserlich andeute, das wolle er
nach seinem Wohlgefallen. |
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Siehe Form. Concord. ... |
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- Apost. Geschicht XX,
27.
- 1 Corinth. II, 10,
- 5 B. Mos. XXIX, 29.
- Ebr. VI, 18.
- 4 B. Mos. XXIII, 19.
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Besonders kan diese Eintheilung in den Örtern der
Heil. Schrifft
statt finden, welche von den Versuchungen der Frommen handeln. Z.E. In
der Versuchung des Abrahams
befahl
GOtt dem Abraham, seinen
Sohn
Isaac zu opffern; Das war der Wille des
Zeichens. Unterdessen
hatte er in seinem Hertzen beschlossen, daß er nicht geopffert, sondern
ihm lebendig zurück gegeben werden sollte: Das war der Wille des
Wohlgefallens. |
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Wenn Johann Paul Hebenstreit, in
seiner Philosophia prima ... die Frage aufwirfft: Ob GOtt etwas
nach dem Willen des
Zeichens wolle, so er doch nach dem Willen des
Wohlgefallens nicht will? So antwortet er: Ut nostra [Ca. sechs
Zeilen lateinischer Text]. Eben dergleichen findet man aus D.
Hildebrands Theol. dogm. ... ausgezeichnet, in des
Probsts Reinbecks XI Betracht. über die Augsp.
Conf. ...: Notabis hoc loco [5 Zeilen lateinischer Text]. |
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Der Probst Reinbeck selbst aber
schreibet, an dem angeführten Orte: |
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„Wir
lesen wohl in der Historie Abrahams, daß GOtt demselben
befohlen habe, seinen eintzigen Sohn, den Isaac, ihm
zum Opffer zu schlachten, da sich doch hernach, als Abraham
gehorsam seyn wolte, gewiesen hat, daß solcher Befehl nicht der
eigentliche Wille GOttes, sondern nur eine Versuchung gewesen sey." |
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Es haben aber viele unserer Gottes-Gelehrten
schon längstens darzuthun gesuchet, daß diese Eintheilung des Willens
GOttes, in so fern das, was man den Willen des
Zeichens |
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{Sp. 48} |
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nennet, etwas anders bedeutet, oder haben will,
als das, was man den Willen des Wohlgefallens heisset, man möge sie
erklären, wie man wolle, höchst unanständig, und dem grossen
GOtt in der
That verkleinerlich sey. Das gieng wohl an, daß man den Willen GOttes,
womit er z.E. Abrahams Beschneidung gewolt hat, in
Ansehung der Zeit, ehe GOtt selbigen geoffenbahret, oder gar in Ansehung
aller Ewigkeit, den Willen des Wohlgefallens, in Ansehung der Zeit aber,
worinnen GOtt eben diesen seinen Willen dem Abraham
geoffenbahret hat, den Willen des Zeichens nenne. Es sey aber ein Wille,
und ein Object, welches GOtt wolle. Hingegen, wo man vorgebe, GOtt wolle
eine
Sache, nach dem Willen des
Zeichens, und wolle eben derselbigen
Sache Gegentheil, nach dem Willen des Wohlgefallens, so könne man es
nicht anders, als ernstlich verwerffen. |
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Es beruffen sich zwar einige auf die angeführte
Geschichte mit dem Abraham, und wenden ein, GOtt habe
die Absicht nicht gehabt, daß Isaac würcklich geopffert
werden solte, und dahero könne man es nicht anders, als eine
Vorstellung, ansehen. Ja, wenn es der rechte Ernst GOttes gewesen wäre,
so könne es Moses keine Versuchung nennen. Die andern
aber antworten hierauf zweyerley: |
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a) |
Wenn wir denen, welche die allgemeine
Gnade
GOttes leugnen, so viel einräumeten, es geschehe, und zwar offt, daß
GOtt äusserliche
Zeichen gebe, als wolle er eine
Sache, die er doch in
der That nicht wolle, so hätten wir schon ein grosses vergeben, Und wenn
wir schon darzu setzeten, es gehe in ernstlichen Sachen, und die der
Menschen Seligkeit betreffen, nicht an, so würden sie doch den
Grund
fordern, warum wir eben dieses ausnähmen, da wir doch gestünden, daß
GOtt sich offt äusserlich anders anstelle, als er es würcklich meyne?
Zudem, so sey die Geschichte von der Versuchung Abrahams
gewiß kein
Kinder-Spiel, sondern eine sehr ernstliche Sache. |
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b) |
Mosis Erzählung enthalte, daß
GOtt den Abraham, nachdem die gantze Versuchung vorbey
war, gelobet, daß er seiner Stimme gehorchet habe; Daraus sey
hoffentlich klar, daß die Stimme GOttes
Gehorsam gefordert habe, und daß
solcher erforderter Gehorsam würcklich geleistet worden sey. GOtt werde
ja aber nicht den Gehorsam eines Menschen loben, der das gethan habe,
was er würcklich nicht haben wolle. Es sey nichts gewissers, als daß
GOtt das alles würcklich und ernstlich haben wollen, was Abraham
darauf auch würcklich gethan. |
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GOtt habe befohlen, Abraham
solle seinen
Sohn opffern; Das habe er auch gethan. Nur sey mercken,
daß, wer jemand etwas zu thun befehle, so ernstlich der
Befehl auch
immer sey, es nicht also verstehe, der
Mensch solle sich keinen
anderweitigen Befehl an der gäntzlichen Vollziehung hindern lassen;
Sondern er solle zu der
Sache schreiten, und so lange, bis das
Werck
vollendet werde, fortfahren, so lange ihn nicht eine höhere
Gewalt
hindere. |
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Eine
hohe Landes-Obrigkeit befehle dem
Nachrichter, gewisse Missethäter mit dem Strange, oder auf andere Art,
hinzurichten. |
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{Sp. 49|S. 38} |
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Dieses Gebot sey kein Schertz. Der Nachrichter
müsse auch alle Anstalten machen, ob gleich allezeit in der
Obrigkeit
Gewalt bleibe, die würckliche Vollziehung durch ertheilten Pardon zu
hindern. Man irre sich, wenn man GOttes
Befehl an Abraham
als einen Entschluß GOttes vortrage: Isaac müsse
sterben. Wer wolle das aus GOttes Worte erzwingen? Es stehe da nicht,
was GOtt, selbst zu thun, oder zu verhängen beschlossen, sondern, was er
dem Abraham auferleget habe. Diese Auflage sey
ernstlich, sie fordere
Gehorsam; Sie benehme aber doch GOtt selbst die
Freyheit nicht, die Vollziehung zu hindern. |
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Man wisse nicht, was man damit meyne, wenn man
spreche: Weil es eine Versuchung sey, so sey GOttes Absicht eine andere,
als die in den
Worten angezeiget werde.
GOtt wolle das würcklich, was er
zu der Versuchung jemand auflege. Ein
Lehrer fordere dem Schüler eine
Probe seines Fleisses, durch gewisse Fragen und Aufgaben, ab, um zu
sehen, was hinter ihm stecke. Das wären Versuchungen; Jedoch sey kein
Zweifel, daß er das Exercitium, oder die Antwort auf die Frage,
würcklich, nicht Verstellungs-weise, haben wolle. |
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Niemand solle also
sagen: Wenn GOtt von
Abraham ernstlich verlangt, daß er den Isaac
opffern solte, so müste er auch ernstlich gewolt haben, daß
Isaac
sterben solte. Denn es wären dieses gewiß unterschiedene
Dinge, wie das Exempel von der Landes-Obrigkeit und dem Nachrichter,
welches zuvor gegeben worden ist, wohl zu
erkennen gebe. Diesemnach habe
man sich, bey vermeyntlicher Vertheidigung der Distinction, unter dem
Willen des
Zeichens und Wohlgefallens, gar nicht auf die Geschichte von
Abrahams Versuchung zu beruffen. Der Probst
Reinbeck aber habe, an dem angeführten Orte, p. 182,
billig erinnert, daß man das
Wort Verstellung von GOtt nicht ohne
Beysatz, womit die gewöhnliche harte Bedeutung dieses
Wortes gemildert
werde, gebrauchen solle. |
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Diß also sind die fünf vornehmsten Distinctiones, die von dem göttlichen
Willen in den
Schrifften der Theologen vorkommen.¶ |
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6)
Nutzen dieser Lehre.
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1) |
Ist der freye Wille GOttes der
Grund der gantzen
Religion: Denn, wenn
GOtt nicht willig und frey handelte, so könnten wir
weder Gutes von ihm bitten, noch das
Böse wegbitten, noch weniger, als
wir verbunden sind, der Sonnen für Ihr Licht und Wärme zu dancken, weil
sie solches nicht aus freyem Willen sondern aus
Nothwendigkeit der
Natur
ausgehen lässet. So würde auch die gantze Lehre von der Sorge und
Vorsehung GOttes, und von seiner
Regierung über die
Menschen, wegfallen,
wenn er aus
Nothwendigkeit der
Natur, ohne einige Willkühr des Willens,
handelte.¶ |
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2) |
Der freye Wille GOttes soll uns bewegen, unsern
Willen ihm zu unterwerfen, und, mit Verleugnung unsers eigenen
Willens,
zu vollbringen, nach dem Exempel Christi, Psalm XL, 8. 9:
Deinen Willen, mein GOtt, thue ich gerne. Johann. IV, 34: Meine
Speise ist die, daß ich thue den Willen des, der mich gesandt |
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{Sp. 50} |
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hat, und vollende sein
Werck. Matth. XXVI,
39: Nicht mein, sondern dein Wille, geschehe.¶ |
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3) |
Weil uns nichts nach einer fatalen
Nothwendigkeit
begegnet, sondern alles nach dem weisen und heiligen Willen GOttes, der
nichts anders will, als was uns gut und heylsam ist; So sollen wir in
allen Widerwärtigkeiten ruhig und getrost seyn, und darinnen
Gedult
beweisen, damit wir den Willen GOttes thun, und die Verheissung
empfahen, |
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Hebr. X, 36.¶ |
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