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Zedler: Wille Gottes [4] HIS-Data
5028-57-25-9-04
Titel: Wille Gottes [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 57 Sp. 45
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 57 S. 36
Vorheriger Artikel: Wille Gottes [3]
Folgender Artikel: Willehad
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe Personen, Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

vorhergehender Text  Teil 3 Artikelübersicht  

Übersicht
II Erklärung der andern Bedeutung des Willen GOttes.
III Erklärung einiger Schriftstellen.
Literatur
Siehe auch

  Text Quellenangaben
  II Erklärung der andern Bedeutung des Willen GOttes.  
  Man braucht das Wort Wille GOttes, auch in dem Verstande, daß es dasjenige bedeutet, was GOtt will, und insonderheit so viel ist, als sein geoffenbartes Gesetz. Als, wenn man sagt: Nach dem Willen GOttes, wider den Willen GOttes thun, den Willen GOttes aus der Natur erkennen.  
  Weil GOtt die Menschen eben dazu verbindet, wozu sie die Natur verbindet, so ist der Wille GOttes von der Einrichtung der freyen Handlungen mit dem Gesetze der Natur einerley, und wer sein Leben nach dem Gesetze der Natur einrichtet, der richtet es auch nach GOttes Willen ein, und lebet nach seinem Willen: Und wiederum, wer sein Leben nach GOttes Willen einrichtet, der richtet es nach dem Gesetze der Natur ein.  
  Es ist ausgemacht, daß GOtt haben wolle, daß wir die freyen Handlungen zu unserer und anderer ihrer Vollkommenheit einrichten sollen. Da nun diese Handlungen selbst nicht dahin gerichtet werden können, woferne sie nicht mit dem natürlichen durch einerley End-Ursachen bestimmet werden: So will GOtt allerdings, daß der Mensch die freyen Handlungen durch eben diejenige End-Ursache bestimme, durch welche die natürlichen bestimmet werden  
  Solcher gestalt erhellet, z.E. GOtt wolle, daß der Mensch diejenige Speise esse, welche seiner Gesundheit zuträglich ist; Daß dennoch einer, welcher dem Willen GOttes gemäß Speisen zu sich nehmen will, diejenigen erwählen muß, von welchen er wahrnimmt, daß sie der Gesundheit durchaus nicht schädlich seyn. Gleichergestalt erhellet, GOtt wolle daß der Mensch so viel Speise zu sich nehme, als die Erhaltung seiner Gesundheit erfordert.  
  Weil die Bestimmung der freyen Handlungen, durch einerley End-Ursachen mit den natürlichen, dem Willen GOttes gemäß ist: So erhellet ferner von freyen Stücken, daß die Bestimmung der natürlichen und freyen Handlungen durch verschiedene End-Ursachen, dem Willen GOttes zuwider sey; Daß GOtt folglich nicht wolle, daß der Mensch seine freyen Handlungen durch andere End-Ursachen bestimmen solle, als durch welche die natürlichen bestimmet werden. Denn die Bestimmung der natürlichen Handlungen, welche auf dem Wesen der Dinge beruhet, kömmt von GOtt her, welcher den Dingen dergleichen Wesen gegeben hat, in so ferne er von Ewigkeit beschlossen hat, daß sie würcklich seyn sollen, und sie in der Zeit zu der Würcklichkeit gebracht hat.  
  Er würde demnach wider sich selbst handeln, wenn er wolte, daß die freyen Handlungen durch solche Gründe  
  {Sp. 51|S. 39}  
  bestimmet werden solten, welche von denjenigen verschieden sind, durch welche die natürlichen bestimmet werden. Solchergestalt gehet es nicht an, daß GOtt wolte, der Mensch solte Speisen essen, welche der Gesundheit schädlich sind, da er will, der Mensch solle gesund seyn, und den Bau des menschlichen Leibes dergestalt eingerichtet hat, daß alle und jede Verrichtungen der zu dem Leben dienenden Gliedmassen zu der Erhaltung derselbigen auf das schönste übereinstimmen.  
  Wenn derowegen gleich jemand den Willen GOttes zu der Qvelle des natürlichen Gesetzes machen wollte, so könnte er doch kein anderes Gesetz der Natur herausbringen, als zu welchem diese Regel ein vollständiger Grund ist: Thue, was dich und deinen Zustand vollkommener machet, und unterlaß, was dich und deinen Zustand unvollkommener machet. Denn die grösseste Vollkommenheit ist der Bewegungsgrund des göttlichen Willens; Und also kan er keine Handlungen verlangen, als daraus die Vollkommenheit der Menschen und ihres Zustandes erwächset, und er muß diejenigen allen andern vorziehen, daraus die grösseste Vollkommenheit erfolget.  
  Auf solche Weise erhellet, daß GOtt das Gesetz der Natur nicht zu ändern verlanget, ja, vermöge seiner Natur, es nicht geschehen kan, daß er es ändert. Unterdessen folget hieraus gar nicht, (wie wir bereits bey den Eigenschaften des göttlichen Willens, und zwar, da wir denselben als höchst einfach vorgestellet, erwiesen haben) daß das Gesetz der Natur nicht von dem göttlichen Willen entspringe, sondern die Handlungen der Menschen gut, oder böse, ingleichen besser, oder schlimmer gewesen wären, ehe man sagen können, daß sie GOtt gewolt, oder nicht gewollt habe.  
     
  III Erklärung einiger Schriftstellen.  
 
a) 2 B. Samuel. II, 25: Der HErr hatte Willens, sie zu tödten. Vorher stehet das [ein Wort hebräisch] das machet viel Streit, indem es durch denn übersetzt worden ist; Da es doch besser gegeben wäre: Darum, deswegen. Wie es also Hoseä IX, 15, stehet: Alle ihre Bosheit geschiehet zu Gilgal, darum (nicht denn) bin ich ihnen gram. Und Lucä VII, 46, stehet von der grossen Sünderin: Ihr sind viel Sünden vergeben; Denn, besser: Darum hat sie viel geliebet. Und wenn Psalm CXVI, 10. stehet: Ich glaube, [ein Wort hebräisch] darum rede ich, so hat es Paulus, 2 Corinth. IV, 13. gegeben: dio elalksa, darum rede ich. Es soll aber das [ein Wort hebräisch] also erkläret werden, daß der heilige Geist spricht: Weil sie der Stimme Eli nicht gehorchten, deswegen, und um ihre Bosheit willen, hatte GOtt willens, sie zu tödten.
 
 
  Die Reformirten urgiren noch das [ein Wort hebräisch], das heisse Willens seyn, einen Wohlgefallen woran haben; Also habe GOtt von Ewigkeit her beschlossen, sein Müthgen an ihnen zu kühlen. Es antwortet aber Thilo, daß das [ein Wort hebräisch] Ezech. XXX, 11. mit der Verneinung stehe: GOtt wolle den Tod des Sünders nicht; Da denn die Reformirten selber einen Unterschied unter Wollen, (velle) und Gefallen haben, (delectari) machen, und sagen, es wolle zwar wohl GOtt den Tod des Sünders, er habe aber doch keinen Gefallen da-
 
  {Sp. 52}  
 
  ran; Und so läßt sich gewiß schliessen, GOtt habe an der Söhne Eli Verderben keinen Wohlgefallen gehabt.
 
 
  Sonst distinguiren die Gelehrten:
 
 
 
  • Inter causam rei, et argumenti,
  • inter causam conseqventis, et consequentiae;
  • inter quia illativum, et ratiocinativum.
 
 
  Wie denn Damascenus schreibet, daß viel Dinge in der Schrifft ursächlich ausgesprochen würden, die doch dem Ausgange nach verstanden werden müsten. Und wenn auch gleich das [ein Wort hebräisch] von einer Ursache redete, so müste man doch unter dem vorhergehenden und nachfolgenden Willen einen Unterschied machen. Nach dem vorhergehenden Willen GOttes, betheuret er hoch, er wolle nicht den Tod des Sünders; Nach dem nachfolgenden, oder richterlichen (judiciariam) Willen aber, da er als ein Richter sich erweiset, sagt die göttliche Weisheit, sie wolle lachen in der Menschen Unfall,
Sprüchwört. I, 26.
 
  Es muß also das [ein Wort hebräisch] folglich, (consecutive) oder schlüßlich, (conclusive) wie GOtt nach ihrer Bosheit sie zu straffen beschlossen habe, verstanden werden: Denn da hat ja GOtt die Söhne Eli nicht mit Gewalt zu der Sünde getrieben, wie die Reformirten wollen, sondern er hat ihnen, als Unwürdigen, die Hülfsmittel entzogen. Denn, man erwege nur ihre Sünde, so wird man sehen, wie sie den Tod gar wohl verdienet hatten.
 
 
  Denn erstlich hatten sie die Opffer, welche nichts, als Vorbilder des Leidens und Sterbens Christi waren, so doch GOtt gantz heilig gehalten haben wolte, schändlich besudelt, und dem Volcke geringe gemacht. Zweytens hatten sie die Weiber, welche aus Andacht, und ihre Sünde zu bekennen, auch zu opffern, gekommen waren, mit schändlicher Brunst zu der Unzucht gereitzet, und noch darzu an einem so heiligen Orte, und daß jedermann drum wuste.
 
 
  Daher werden ihre Sünden nahmhaft gemacht V 17 wider das andere Gebot; V. 25 wider das vierdte; V. 22 wider das sechste; Und V. 14 wider das siebende. Deswegen werden sie auch Belials, oder Teuffels-Kinder, oder die ärgsten bösesten Buben genennet. Und wenn auch gleich hier stehet, der Herr habe Willens gehabt die zu tödten; So müssen es doch die Reformirten nicht von dem ewigen Tode, sondern von dem zeitlichen verstehen: Wie GOtt eben denselben dem Eli selber drohete, und er auch in der That erfolgete. Daher kam es auch, daß Eli alles so vor genehm hielt, wenn er sagte: Er ist der Herr, er thue, was ihm wohlgefället
 
 
b) Matthäi XII, 50, und Marci III, 35. Wer den Willen thut meines Vaters im Himmel, derselbe ist mein Bruder, Schwester und Mutter. Das ist der offenbare Wille GOttes in seinem Worte, wie es Lucä VIII, 21. erkläret wird, und heisset es GOttes Wort hören und thun.
 
 
  Er ist theils in dem Gesetze offenbaret, wie wir leben sollen, als unsere Heiligung,
1 Thessal. IV, 3;
 
  Theils in dem Evangelio, da GOtt will, daß wir an seinen Sohn glauben sollen,
Johann. VI, 40.
 
  Solcher Wille wird gethan, wenn wir GOttes Wort hören, demselben gehorsam folgen, an Christum glauben, und ein GOtt gefällig Leben führen,
Michä VI, 8.
 
  Da ist der Glaube durch die Liebe thätig,
Galat. V,
 
  Daher haben wir auch dasjenige,
 
  {Sp. 53|S. 40}  
 
  was der HErr Christus hinzu setzet, nemlich die geistliche Verwandtschafft mit Christo, daß wir seine Brüder, Schwestern, und Mutter seyn. Es waren in währender Predigt seine Mutter und Brüder, das ist, Vettern, gekommen, in Willens, mit ihnen zu reden, welches ihm auch angesaget wurde. Weil er nun jetzo in dem war, das seines Vaters war,
Lucä II.
 
  so wolte er sich in seinem Amte nicht irren lassen, sondern antwortete und sprach zu dem, der es ihm ansagte: Wer ist meine Mutter? Und wer sind meine Brüder? Und reckete die Hand aus über seine Jünger, und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter, und meine Brüder.
 
 
  Alle Gläubige haben eine genaue Verwandtschafft mit ihm, da sie
 
 
 
  • seine Freunde seyn,
Joh. XV, 14.
 
 
C. XX, 17.
 
 
  • weil wir durch den Glauben Kinder des himmlischen Vaters sind,
C. I, 12. Galat. III, 26.
 
  Wir sind
 
 
 
  • Christi Mutter, weil wir ihn in geistlicher Weise in dem Hertzen tragen, darinnen er durch den Glauben lebet und wohnet,
  • Galat. II, 20.
  • Ephes. III, 17;
 
 
  • Lehrer und Prediger sonderlich, die durch den unvergänglichen Saamen des Wortes GOttes,
1 Petri I, 23.
 
 
 
  • die Gläubigen zeugen,
1 Corinth. IV, 15.
 
 
 
Galat. IV, 19.
 
  D. Luther erkläret sich über die bisher erwogene Schrifftstelle, in dem 1 Eißleb. Theile, ... in der Auslegung über Johann. XX. also:
  "Den Willen des Vaters thun, heist nicht, in ein Kloster lauffen, und ein Mönch werden, sondern sich an Christum halten, und gewiß glauben, daß es wahr sey, was er uns zusagt, daß er unser Bruder seyn wolle. So deutets der HErr selbst, Joh. VI, 29. was GOttes Werck und Wille sey, da er spricht: Das ist GOttes Werck, das ihr an den glaubet, den er gesandt hat. Und bald darnach, V 40: Das ist der Wille des, der mich gesandt hat, daß, wer den Sohn siehet, und glaubet an ihn, habe das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage. Da hörest du, wer sich an Christum hält, und an ihn glaubet, der ist Christus Mutter, Bruder, Schwester, GOttes Kind und Erbe."
D. Luthers Bibl. Lexic. extrahirt durch Fortschen, ...
 
c) Johann. IV, 3. spricht Christus von dem Willen des Vaters: Ich habe eine Speise zu essen, da wisset ihr nicht von. D. Luther machet dabey in der Randglosse folgende Anmerckung:
 
 
  "Seine Speise ist, des Vaters Willen thun. Des Vaters Willen aber ist, daß durch sein Leiden das Evangelium in aller Welt geprediget würde. Das war nun verhanden, gleichwie dazumahl die Erndte nahe war."
 
 
d) Apost. Gesch. XXI, 14: Des HErrn Wille geschehe. So sagten Pauli Gefährten, als er sich nicht überreden lassen wolte, von Jerusalem weg zu bleiben, woselbst er gebunden, und in der Heyden Hände überantwortet werden solte, wie der Prophet Agabus gesaget hatte. Sie erkennen einen HErrn über sich, dem sie einen Willen zuschreiben, welchem Willen sie sich unterwerffen. Dieser HErr ist der wahre GOtt, welcher Herrschafft und Autorität hat, wie kyrios anzeiget, daher auch die 70 Dollmetscher den wesentlichen Nahmen GOttes hiemit ausgedrucket haben.
 
 
  Der Wille GOt-
 
  {Sp. 54}  
 
  tes ist zweyerley: Der eine, da er selbst etwas thun will, und der geschiehet von ihm selber. Denn alles, was er will, das thut er,
Psalm CXXXV, 6.
 
  Der andere ist, da wir etwas thun, oder lassen sollen, welcher sonst der gebietende Wille genannt wird. Er betrifft theils das Geistliche und Ewige, da er will, daß wir nach dem Gesetz heilig leben,
1 Thessal. IV, 3.
 
  nach dem Evangelio aber an JEsum glauben sollen,
Johann. VI, 40.
 
  Theils das Zeitliche, der Menschen Glück und Unglück, und überhaupt ihre Führung in dem Irdischen; Und da will er, daß wir uns demselben ergeben, und ihn, nach Wohlgefallen, walten lassen, Ebräer X, 36. von welchem denn allhie hauptsächlich die Rede ist.
 
 
  Der ist nicht sträflich, wie der Menschen Wille, wenn er nicht von GOtt regieret wird: Denn er bald dieses, bald jenes begehret, das sich nicht geziemet, und die rasende Lust eines schwangern Weibes, wenn sie lüstern ist, weit übertrifft; sondern er ist heilig und unsträflich,
5 B. Mos. XXXII, 4.
 
  Scheinet es schon zuweilen, als sey er ungerecht; Voraus, wenn er es den Frommen übel, den Bösen wohl gehen lässet: So ist er doch eben so wenig zu tadeln, als ein Hauß-Vater, der seinem Kinde Wermuth, zu desselben Gesundheit, den Knechte aber Honig, zu dessen Nahrung, giebt. Genug, daß wir wissen, denen, die GOtt lieben, müsse alles zum Besten dienen,
Röm. VIII, 28.
 
  So dauchte es auch den Gefährten Pauli etwas hartes zu seyn, daß er von ihnen scheiden, und zu Jerusalem gebunden, und in der Heyden Hände überantwortet werden solte. Dennoch, da sie GOttes Winck und Willen hierunter erkannten, unterwarffen sie sich demselben, und kömmt ihr Wort mit der Erklärung Eli überein: 1 B. Sam. III, 18. Sie begehren ihren Mund nicht weiter darwider aufzuthun, sondern überlassen das Werck der göttlichen Führung. Das kömmt vom Herrn, darum können wir nichts wider dich reden etc.
1 B. Mos. XXIV, 50.
 
  Sie beweisen damit
 
 
 
  • einen grossen Muth, denn sie setzen sich dem alten Adam, der seinen eignen Willen gerne hat, tapffer entgegen, und überwältigen ihn, tödten durch den Geist des Fleisches Geschäffte,
Röm. VIII, 13.
 
 
 
 
 
 
  • denn sie murren nicht, wie jener aber der in dem Weinberge,
Matth. XX, 11;
 
 
 
  • Sondern ergeben sich, setzen und stillen ihre Seele, die unruhig werden wolte,
Psalm XXXIX, 10.
 
 
 
 
 
 
  • sie widerstreben nicht den Augen der Majestät GOttes, wie das jüdische Volck,
Jesaiä III, 8;
 
 
  sondern
 
 
 
 
  • in Betrachtung, daß Widerstreben eine Abgötterey, und Ungehorsam eine Zauberey-Sünde sey,
1 B. Sam. XV, 23.
 
 
  thun sie als ein Kind, und geben sich in ihres Vaters Willen.
 
 
e) 1 Thessal. IV, 3: Das ist der Wille GOttes, euere Heiligung, daß ihr leidet die Hurerey.
 
 
  Beza, in seiner Note über diese Stelle, verstehet es active, ihr solt euch selbst heilig machen, ein heilig unsträflich Leben führen. Andere aber paßive, GOtt will, daß ihr geheiliget werdet. Allein beydes kan wohl zusammen genommen werden, daß der Wille GOttes dahin gehe, daß der Mensch ein heilig und unsträflich Leben führe, und durch die Gnade GOttes, der man hiezu benöthiget ist, geheiliget werde, damit er in solcher Heiligkeit wohl andere Sünden, als insonderheit auch alle Hure-
 
  {Sp. 55|S. 41}  
 
  rey, fliehe. Ihr solt heilig seyn, denn ich bin heilig,
  • 3 B. Mos. XIX, 2.
  • 1 Petri I, 26.
 
  Es will auch GOtt, daß wir durch den H. Geist geheiliget werden, vermittelst seines Wortes und Evangelii,
Röm. XV, 16.
 
  durch und durch etc.
1 Thessal. V, 23.
 
  Es war unter den Heyden, unter welche kurtz zuvor auch die Thessalonicher gehöret hatten, kein gemeiner und ungescheueter Laster, als allerhand grobe Sünden wider das sechste Gebot, wie Röm. I, 29 u.f. zu sehen ist. Daher auch die Apostel auf dem ersten Concilio zu Jerusalem, für das nöthigste erachteten, die Heyden, nebst andern drey Lastern, von solchem Laster abzumahnen,
Apost. Gesch. XV, 20 u.f.
 
  Von solcher Hurerey sollen sie sich nun enthalten.
 
 
  Es wird darunter erstlich das schändliche Laster des Ehebruchs verstanden, welches hin und wieder in der Schrifft mit diesem Nahmen benennet wird,
  • 1 B. Mos. XXXVIII, 24.
  • B. Richt. XIX, 2.
  • Hoseä III, 3.
  • Syrach XLI, 20.
  • Matth. XIX, 9.
  • 1 Corinth. V, 1 u.f.
 
  Hernach das Laster der Unzucht und Hurerey, so auf vielerley Weise von ledigen Personen begangen wird; Wie also das Wort Hurerey
 
 
 
  • 3 B. Mos. XIX, 29.
  • Matth. XV, 19.
  • Marci VII, 21.
  • Gal. V, 19.
  • 1 Corinth. VII, 2.
 
 
  gefunden wird, da es ausdrücklich von der Ehebrecherey unterschieden, und von ledigen Personen gesaget wird.
 
 
f) Wenn in eben derselbigen Schrifft-Stelle, V. 6. zu dem Willen GOttes ferner dieses gerechnet wird: Daß niemand zu weit greiffe; So ist unter den Gelehrten streitig, ob hier von der zu weit greiffenden Huren- oder Diebs-Hand, geredet werde.
 
 
  Chrysostomus, Theophylactus, Hieronymus aus den neuen aber Estius und Heinsius, wollen, es rede hier Paulus von den Ehebrechern, bey denen wäre das hyperbainoin, sie überschreiten die Gesetze, Verbündnisse und Ordnungen des Ehestandes, kai pleonektein, sie bereden mit List und betrug ihres Nächsten Weib, daß dieselbige ihres Willens pflege.
 
 
  Diese Erklärung bewähren sie daher, daß, weil Paulus sowohl in vorhergehenden, als nachfolgenden Worten, von der Hurerey und Unreinigkeit rede, nicht zu vermuthen sey, daß er in der Mitten auf eine andere Materie gerathen, und von Betrug und Finantzerey reden werde. Andere vermeynen, wenn ja diese Worte von der zu weit greiffenden Huren-Hand redeten, so könnten sie doch nicht von dem Ehebruche verstanden werden, der sowohl bey den Heyden, als Jüden, gestraffet worden sey; Von der Unzucht aber sagt Paulus, daß sie bei den Heyden vergönnet sey, wenn er spricht, sie sollen nicht in der Lust-Seuche, wie die Heyden, wandeln: Demnach wären solche Worte von den Weichlingen vielmehr, und den Knabenschändern, zu verstehen, welche das Gesetz der Natur hyperbainein, überschreiten,
Röm. I, 26. 27.
 
  Allein, es sey unnöthig, daß wir von unserer deutschen Bibel abweichen, und die Worte anders, als von der zu weit greiffenden Diebes-Hand, verstehen solten, weil Cyprianus, und noch viel andere Väter der Kirchen, sonderlich auch der hochgelehrte Salmasius, und unsere Theologen, es insgesammt davon auslegen, ungeachtet, daß Paulus solches Laster sowohl vorher, als hernach, mit dem Laster der Hurerey und Unzucht einschliessen, massen Geitz und Hurerey einander sehr nahe ver-
 
  {Sp. 56}  
 
  wandt wären, und gemeiniglich eins das andere begleitete, daher die Väter der Kirchen hätten zu sagen pflegen: "Schafft ab den Geitz, so wird weder Krieg, noch Hurerey seyn."
 
 
  Und möchten sonderlich diese beyden Laster, Hurerey und Finantzerey, bey denen zu Thessalonich dazumahl in dem Schwange gegangen seyn. Dahero sage nun der Apostel: Das ist der Wille GOttes, daß niemand zu weit greiffe; das ist, was er ihnen hier vorbringe, das wären nicht seine eigenen Einfälle, er spinne es nicht aus seinem Gehirne, sondern es sey GOttes ernster Wille und Meynung, der verbiete es. Da heisse den hyperbainein eigentlich über etwas hingehen, und hinüber steigen, nicht auf der rechten Bahn bleiben, sie überschreiten, oder aus dem rechten Wege weichen, es geschehe gleich zu der rechten, oder lincken, über die Schnur hauen, der Sache zu viel thun, mehr denn es sich gebühre, und zugelassen sey, wie es denn die 70 Dollmetscher von dem Meere braucheten, das gerne über seine Grentzen mit seinen stoltzen Wellen schreiten will,
Hiob XXXVIII, 11. Siehe 5 B. Mos. XXVIII, 43.
 
  Es sey also hier ein Gleichniß von hoffärtigen und hochmüthigen Leuten genommen, die andere geringe nicht achteten, sie für ihren Fuß-Hader hielten, und so zu reden über sie hingiengen, wie man etwan in einer Schlacht der Erschlagenen nicht achte, sondern mit Füssen über sie hinlauffe.
 
Literatur  
  • Rambachs Dogmat. Theol. Th. I. ... Th. II. ...
  • Sinceri Pistophili Erläuter. schwerer Stellen H. Schrifft ...
  • Schmidts bibl. Phys. ...
  • Schröers Diss. theol. de verbis orthodoxis ... Wittenb. 1735.
  • Gründl. Auszüge aus Disputat. ...
  • Syrbii kurtze Anweisung zur Weish. ...
  • Wolffs natürl. Gottesgelahrheit ...
  • Desselben Gedancken, von GOtt, der Welt und der Seele ...
  • Desselben gesellschafftl. Leben der Menschen ...
  • Zimmermanns natürl. Erkänntniß GOttes, der Welt und des Menschen ...
  • Müllers philosoph. Wiss. ...
  • Von Leibnitz Thaeodicaea, durch Richtern ...
  • Grulichs Biblisches Vergnügen in GOtt ...
  • Böldickens abermahliger Versuch einer Theodicee ...
  • Walchs Philosophisches Lexicon.
  • Desselben Einleit. in die Rel. Streitigk. ausser der Ev. Kirche ...
  • Unschuld. Nachr. von 1723 ...
Siehe auch Siehe auch den Artickel: Rath GOttes, im XXX Bande, p. 952.  
     

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Stand: 29. März 2013 © Hans-Walter Pries