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Zedler: Winter [6] HIS-Data
5028-57-878-4-6
Titel: Winter [6]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 57 Sp. 930
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 57 S. 478
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Hinweise:
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Übersicht
Verzeichniß einiger harten Winter
  Grosser Winter des 1726 Jahres
  Grosser Winter des 1729 Jahres
  Grosser Winter des 1740 Jahres

  Text Quellenangaben und Anmerkungen
  Verzeichniß einiger harten Winter:  
  Von ungewöhnlichen harten Wintern, giebt folgends Verzeichniß mehrere Nachricht.  
  Vor Christi Geburt  
  177 sind alle Bäume erfroren, die hefftigen Sturmwinde weheten dergestalt, daß sie  
  {Sp. 931|S. 479}  
  gantze Häuser darniedergerissen haben. Sethus Calvisius, in seinem opere Chronologico ex Livio.
  Nach Christi Geburt:  
  443 ist ein ungeheurer Schnee fast ein halbes Jahr gelegen, wodurch Menschen und Vieh umgekommen sind. Calvisius ex Sigonio.
  605 sind alle Bäume und Weinstöcke erfrohren. Calvisius ex Paulo Diacono.
  670 Ist ein langer und grimmiger Winter gewesen, daß auch Menschen und Vieh darüber gestorben. Calvisius ex Cedreno.
  717 ist in Asien die Erde 100 Tage lang mit Schnee bedeckt gewesen, daß auch Menschen und Vieh darüber sturben. Calvisius ex eod.
  764 war eine solche Kälte, daß auch das schwartze Meer mit einem Eiß von 30 Fuß dick zugefrohren. Calvisius ex Misc.
  801 war das schwartze Meer abermahls zugefrohren. Calvisius ex Annal. Fuld.
  821 waren alle Flüsse in Europa, 30 Tage lang zugefrohren, daß man mit Wagen darüber fahren konnte. Calvisius ex Aimon.
  823 war ein harter Winter, davon Menschen und Vieh erfrohren. Calvisius ex eod.
  859 war das Adriatische Meer zugefrohren, daß man zu Fuß nach Venedig gehen konnte. Calvisius ex Annal. Fuld.
  992 ist ein langer und grimmiger Winter gewesen, dabey am Heil. Christage ein Nordlicht gesehen worden. Calvisius ex Spang.
  1092 fiel im April ein grosser Schnee, worauf eine grimmige Kälte kam. Calvisius ex Cosm.
  1125 fiel zu Ende des Mays ein grosser Schnee mit hefftiger Kälte, wovon die Bäume und Pflantzen erfrohren. Calvisius ex eod.
  1334 fiel zu Ende des Aprils ein tiefer Schnee, der alle Bäume verderbet. Calvisius ex Hist. Polon.
  1400 war eine so grosse Kälte, daß die Meere zugefroren, Calvisius ex Annal. Flandr.
  1608 ist ein sehr harter Winter gewesen, davon die meisten Bäume erfrohren. Hist. de France par Mezerais.
  Krafts Beschreibung des 1740 zu Petersburg aufgegangenen Hausses von Eiß, welcher auf diese Nachrichten eine Muthmassung bauet, nehmlich es scheine fast, als wenn solche harte kalte Winter allemahl etliche 30 Jahre Zeit brauchten, ehe sie wiederkommen.  
  Das ietzige achzehnde Jahrhundert hat auch schon verschiedene harte Winter gehabt. Denn  
  1709 ist ein noch in vieler Andencken überaus grosser Winter gewesen.  
  1716 war eine grimmige Kälte;  
  1726 war auch ein harter Winter;  
  1729 desgleichen; und  
  1740 war auch eine grimmige Kälte.  
  Wir wollen von diesen allen etwas umständlichern Bericht ertheilen.  
     
  Der grosse Winter des 1709 Jahres.  
  Diesen Winter theilet der Herr Baron von Wolf in der oben angezogenen Consideratione  
  {Sp. 932}  
  physico mathematica hiemis 1709, in fünf Zeit-Begriffe (Periodos) ein, deren jedesmahliger Anfang dahin ist gesetzet worden, wenn es zu frieren angefangen; das Ende aber, wenn Schnee und Eiß wieder aufgegangen ist.  
  Der Anfang des ersten Zeit-Begriffes ist auf den 19 October 1708, und gehet biß den 3 Decemb. Der Anfang des andern Zeit-Begriffs fänget sich an vom 3 December, und gehet bis den 4 Jenner 1709. Der dritte Zeit-Begriff ist vom 5 Jenner und gehet bis den 25 Jenner. Der vierte nimmt seinen Anfang den 31 Jenner und gehet bis den 17 Febr. Und endlich der fünffte Zeit-Begriff fänget sich den 17. Jenner an, und endiget sich den 17 Mertz.  
  Von allen diesen Zeit-Begriffen nun führet der Herr Baron von Wolf folgende Gründe an. Und zwar was den ersten Zeit-Lauff anbetrifft, so schreibet er davon also:  
  Jedermann weiß, daß fast den gantzen Sommer des 1708 Jahres hindurch der Himmel trübe gewesen sey und die Winde gemeiniglich aus Westen und öffters aus Norden geblasen haben: Daher auch der meiste Theil desselben einem Herbst ähnlicher gewesen als einem Sommer, und auch unserer Erwegung gemäß, also seyn müssen. Diesemnach war die Erde wenig erwärmet, und konnte also ihre Wärme geschwinde weggehen, und die Würckungen der Kälte desto leichter kommen, als sie sonsten nach den Versuchen des Mariots in seinem dritten Versuch aus der Natur-Lehre zu geschehen pfleget.  
  Da nun vermöge der Beschreibung des ersten Zeit-Begriffs, welche Herr Wolf in dem vorhergehenden gegeben, erst ein Platzregen fiel, und es hernach etliche Tage lang regnete; so muste nicht nur die Erde [1] ihrer wenigen Wärme gar mercklich beraubet, sondern auch die Dunstkugel sehr erkältet werden, vornemlich da die hefftigen Winde dazu kamen. Weil aber damahls der untere Wind aus der nordlichen Gegend bald eine kalte Luft mitbrachte: so wohl, weil die Strahlen der nun gegen die Pole allzuschief scheinenden, und nicht lang über den Horizont bleibenden Sonne es daselbst nicht sonderlich warm machten, als auch, weil vielleicht auch dort der trübe Himmel die Erwärmung verhindert, und die hefftigen Winde der Luft der noch übrigen Wärme meistentheils beraubet hatten: so ist es kein Wunder, daß sich schon in Weinmonat eine solche Kälte verspühren lassen, als sonst viel später einzufallen pfleget.
[1] HIS-Data: korrigiert aus: Ende
  Die hefftige Kälte am 19den des Weinmonats muste am 20sten Nachmittage nothwendig nachlassen, weil ein West-Wind und Regen darauf folgeten. Indessen hinderte doch das veränderliche Wetter am 21. 22 und 23sten die Würckung der Sonne nicht wenig, und da man den 27sten alles mit tiefen Schnee bedecket sahe: so muste der mitternächtliche Wind welcher an die nun weit mehr als zuvor von Wärme entblöste Luft und Erde stieß, eine ungewöhnliche Kälte verursachen.  
  Was die übrigen Zeitläuffte dieses Winters anbelanget, so beziehet er sich auf das vorhergehende, was er von den Ursachen des Winters überhaupt gesaget hat. Doch hat er von den besondern Begebenheiten (phaenomenis) welche hier und da in der Erzehlung angemercket worden sind, ein und ande-  
  {Sp. 933|S. 480}  
  res angemercket, als  
 
1) Von dem Grund der ausserordentlichen Kälte:
 
 
Die ausserordentliche Kälte, sind seine Worte, hat ohngefehr mit dem Jenner angefangen. Es war aber damahls die Entfernung der Sonne von unserm Scheitel am grösten, und die Zeit, die sie über dem Horizont blieb, noch kurtz, welches niemand in Zweifel ziehet. Die wenige Wärme, welche auf den Erdboden und in der Dunst-Kugel von West-Süd, und Süd-Ost-Wind und der geringen Würckung der Sonne durch die dicken Wolcken, und die mit Ausdünstungen erfüllete Lufft übrig seyn konnte, hatte der Wind mit seiner Hefftigkeit am 4ten Jenner meistens schon vertrieben.
 
 
Da nun am 5 Jenner der Nord-Ost-Wind eine kalte Lufft herwehete, und sie durch die hefftige Bewegung noch kälter machte; so gehet die schnelle Veränderung des Wetters, welche sich Abends begeben, von denen ermeldeten Umständen nicht ab. Den Himmel sahe man den Tag über fast immer trübe, und die untere Lufft war von groben Ausdünstungen so dick geworden, daß man die Bewegung der Wolcken nicht durchsehen konnte. Der untere Wind war Ost- und Nord-Ost, der obere aber ohne Zweifel, obgleich nicht immer, doch meistentheils aus West oder einer der sich von dieser Gegend ein wenig Südwärts wendete. Welches sich aus der sonderbar leichten Lufft abnehmen lässet, die mit dem Nord-Wind nicht pfleget verknüpffet zu seyn.
 
 
Gleichwie man aber hier alle Umstände beysammen antrifft, welche zu einer hefftigen Kälte, nach dem vorhergesagten, zusammen kommen sollen; also ist gleichfalls anzumercken, es habe auch so gar zu Vermehrung der Kälte dieses mit beygetragen, daß die Lufft so leicht gewesen, welches um die Zeit der grösten Kälte geschehen seyn soll: Denn da die dünne Lufft weniger Theilgen in einem gleich grossen Raum enthält, als die dicke; so können auch die dadurch gehenden Strahlen nicht so viele in die Bewegung setzen, welche, eine Wärme zu Wege zu bringen, erfordert wird. Also kan sie nicht so warm werden, als die Dicke. Deßwegen trifft man auch an, daß die obere Lufft nicht allein darum kälter ist, als die untere, weil die von der Erde zurück prallende Strahlen daselbst nicht so dichte sind: sondern auch, weil die Würckung der Sonne dadurch gehindert wird, sie dünne ist.
 
 
2) Warum die Kälte am 22ten Jenner erleidlicher gewesen ist, als am 12ten, davon schreibet er also:
 
 
Ob nun aber gleich es mit zu ihrer Kälte hilfft, wenn die Lufft leicht ist: So macht es doch auch, daß man sie nicht so sehr empfindet. Denn je dichter die Cörper sind, desto mehr fühlet man ihre Kälte, indem mehrere Theilgen, (molecula) den Cörper berühren. Herr Wolff beweiset das mit einem Versuche, welchen er aus den zu Halle angestellten Bemerckungen genommen.
 
 
Als das kleinere Wetter-Glaß die äussere Lufft, welche keine widrige Empfindung erregte, genugsam verspühret hatte: So setzte er alles in Brunnen-Wasser, welches eben gleich von dem Brunnen geholet, und in ein Glas gegossen wurde, das viele Tage an dem Fenster gestanden hatte, wo die Scheiben ausgelöset waren. Allein als die Kugel kaum darinnen war: stieg die Feuchtigkeit 5 Grade ihrer Eintheilung in die Höhe, da doch der Finger, der schon über 2 Stunden lang in der freyen Lufft gewesen
 
  {Sp. 934}  
 
war, und nichts widriges davon empfunden hatte, so bald er in das Wasser gestecket wurde, es schmertzlich fühlte. Und daraus ist klar, warum den 22 Jenner die Kälte unleidlicher gewesen ist, als am 12ten, ob sie gleich, den Bemerckungen des Wetter-Glases nach weit hefftiger als damahls gewesen ist, denn am 12ten war die Lufft ausserordentlich leicht, folglich auch dünn: aber am 22ten war sie so schweer, als es bey solcher Kälte gewöhnlich ist, und dahero auch dicht.
 
 
3) Warum die Kälte am 24ten Jenner ins Gesicht geschnitten hat:
 
 
Es ist auch der Grund nicht verborgen, warum am 24sten Jenner die Lufft dem Gesicht so unerträglich gewesen ist, daß man einige Zeitlang den Schmertzen gefühlet hat. Denn so war damahls die Lufft voll spitzer Eisblätgen, (lamellae glaciales cuspidatae) welche mit Gewalt gegen das Gesicht gewehet wurden, und dessen zarte Fäsergen hefftig stachen, und vielleicht zerschnitten.
 
 
4) Grund einer besondern Lufft Begebenheit in dem 3ten Zeit-Begrieff:
 
 
Die Ursache spricht er, warum gegen Ende des 3ten Zeit-Begriffs die Wände und Haus-Thüren, desgleichen die Fenster in den nicht geheitzten Zimmern, wie mit einem Reif überzogen gewesen sind, ist diese. Von der ausserordentlichen Kälte dieses Zeitlauffs sind auch alle Wände, ingleichen die Lufft in den nicht geheitzten Zimmern, nebst ihren Fenstern und Thüren, ungemein kalt geworden. Gegen das Ende desselben brachte ein West-Wind viel Dünste und eine warme Lufft mit: Daher auch das Schneiden der Lufft nachließ, sie selbst sehr feuchte wurde, besonders da sich auch die gefrornen Dünste, davon die untere Lufft voll war, auflöseten.
 
 
Wenn die warme Lufft an die kalten Cörper stieß, so wurde sie dichter; deßwegen sich die schwebenden Dünste an die rauhen Flächen derselben anhiengen, und von ihrer Kälte zusammen setzten. Da aber die Lufft an den Wänden dicker wurde; so fielen auch die Eißblätgen, welche noch nicht in Dünste verwandelt worden waren, heraus, und hängten sich zugleich mit an die Flächen der Cörper, vornemlich innerhalb der Häuser, wo die äussere Lufft nicht gar frey durchstreichen konnte, an.
 
 
5) Grund einer besondern Lufft-Begebenheit in den letzten Zeit-Begriffe:
 
 
In dem letzten Zeit-Begriffe verdienet die Begebenheit, von dem, an den zugemachten Fenstern geschmoltzenem, und an den aufgemachten gefrornem Eiß, einige Aufmercksamkeit. Es werden nemlich die Sonnen-Strahlen, wenn sie durch Glas gebrochen werden, dichter, indem die Glas-Scheiben nicht völlig flach, sondern meistentheils erhaben sind. Daher es bekannt genung ist, wie die Sonnen-Strahlen, welche durch die Fenster-Scheiben durchscheinen, weit mehr erwärmen, als wenn sie durch das offene Fenster in ein Gemach einfallen, und daß offt die also gebrochnen Strahlen in einem Punct zusammen kommen, und Cörper, welche leicht brennen, anzünden.
 
 
Ausser diesem umgiebt die Lufft des Gemaches das Eiß nicht, wenn die Strahlen darauf fallen, und das Glas selbst bekommt von der Würckung der Sonnen-Strahlen einen gewissen Grad der Wärme. Allein, wird das Fenster aufgemachet, so kommen
 
  {Sp. 935|S. 481}  
 
die Sonnen-Strahlen an die Feuchtigkeit, welche an den Scheiben hänget, durch die blosse Lufft unmittelbar hinaus, und besonders in unserm Fall, wehete der Nord-Wind eine kalte Lufft her. Weil nun die Krafft der Sonnen-Strahlen vermehret wurde, wenn das Fenster zugemacht war, hingegen verringert wurde, wenn es offen war; so ist kein Wunder, daß die grössere und kleinere Krafft solche Würckungen hervor gebracht haben, welche, wenn man die Sache genau betrachtet, nur dem Grad nach von einander verschieden waren. Denn die gröste Kälte ist der geringste Grad der Wärme.
 
 
6) Warum die Feuchtigkeit in dem Wetter-Glase fället, wenn die Sonne aufgehet?
 
 
Es ist allerdings Wolffens Meynung, die Feuchtigkeit sey bey Aufgang der Sonne deswegen in dem Wetter-Glase gefallen, weil diese die obere Lufft verdünnete, daß die kalten Dünste herab fielen, und die untere Kälte vermehreten, biß die Strahlen der weiter heraufgekommenen Sonne sie wärmer gemacht, und jene wieder in die Höhe trieben. Denn es erhellet aus den zu Halle von Herrn Wolffen angestellten Bemerckungen, daß dieses Fallen der Dünste offt augenscheinlich gewesen sey. Also fiel die Feuchtigkeit den 31ten Jenner von 46 bis auf 49 ½ Grad herab, daß der Nebel tropffenweis herab träuffelte: Hingegen stieg sie wieder, sobald er vergienge. Gleichergestalt, als den 1ten Hornung ein Nebel entstunde; so fiel die Feuchtigkeit vom 54ten bis 55ten Grad: So bald ihn aber die Sonne aus einander getrieben hatte, kam sie gleich wieder in die Höhe. Und als am 7den Hornung es gegen 9 Uhr schneyete: So senckte sich die Feuchtigkeit um einen Grad, stieg aber gegen 10 Uhr schon wieder hinauf
 
 
7) Warum die Wetter-Gläser die Grade der Kälte nicht genau genung anzeigen?
 
 
Man hat durch verschiedene Versuche gelernet, daß wenn die flüßigen Cörper dicke werden, die darinnen enthaltene Lufft starck herausgetrieben werde, je nachdem die flüßigen Cörper kalt und dichte sind. Es ist also kein Zweiffel, es habe sich auch dieses bey dem im Wetter-Glase dicht gewordenen Brandtwein geäussert. Daher es gewiß ist, daß vieles davon bey der erstaunlichen Kälte in den leeren Theil der Röhre gekommen sey. Da sie nun wieder ausgedehnet wurde, widerstund die Lufft dem Aufsteigen. Daher ist kein Wunder, daß sie tieffer gestanden, als die Wärme der äussern Lufft mit sich brachte.
 
 
Weil aber durch den Versuch, welchen Mariotte in der 2ten Probe aus der Natur-Lehre von der Beschaffenheit der Lufft auf der 97ten und folgenden Seiten anführet, eine gewisse Menge Lufft sich mit jedem flüßigen Cörper vermischet, und wenn etwas davon ausgejaget worden, aufs neue davon wieder eingesogen wird: So muste auch die Lufft, die in der Röhre enthalten war, sich wiederum mit dem Brandewein vermischen, und also der Widerstand gehoben werden.
 
 
8) Grund der Würckungen des Winters, welche man an den flüßigen Cörpern wahrgenommen hat?
 
 
Endlich, fähret er fort, müssen auch Gründe der Würckungen dieses Winters angegeben werden. Weil aber die Würckungen eine Ver-
 
  {Sp. 936}  
 
hältniß zu ihren völligen Ursachen (causis adaequatis) haben: So musten auch die Würckungen unsers Winters grösser seyn, als sonst gewöhnlich ist, da die Kälte hefftiger gewesen als sie sonst zu seyn pfleget. Daher es keiner Erklärung bedarff, warum in diesem Winter, solche Feuchtigkeiten gefroren sind, welche sonst bey geringerer Kälte nichts zu befahren haben: und warum man das Eiß in den Flüssen in diesem Winter dicker, als gewöhnlich ist, gefunden habe.
 
 
Daß man aber sagt, ob sey das Carls-Bad heißer in diesem Winter als sonst gewesen; muß man einem Vorurtheil der Sinnen zuschreiben. Denn man weiß, die Kälte sey nichts als eine Beraubung der Wärme. Also kan die Beraubung der Wärme in dem nahen Cörper dem andern keinen Grad der Wärme mehr geben. Und über das ist aus der Erfahrung bekannt genung, daß man der Empfindung nach, das vor warm hält, was heißer ist als unsere Hand. Also ist es z.E. ein gemeiner Wahn, der auch selbst Verulam im sylva sylvarum in 9ten Hundert, dem 885ten §. a auf der 943 Seite, betrogen, als man vor Erfindung der Wetter-Gläser die verschiedene Grade der Wärme noch nicht genau unterscheiden konnte, daß die Lufft des Winters in den Kellern wärmer sey, als im Sommer.
 
 
Mariotte hingegen hat das Widerspiel aus einer langwierigen Erfahrung gelernet. Man sehe seinen obangezogenen Versuch aus der Natur-Lehre von der Wärme und Kälte nach, auf der 38 u.ff. Seiten. Und da in diesem Winter jener Brunn in Schlesien mit Eiß überzogen worden ist, von dem man sonst sagt, daß er im Winter wärmer sey, als im Sommer: So wird dieses Vorurtheil der Sinnen offenbar widerleget.
 
 
9) Grund der Würckungen des Winters, welche man an den Thieren, Menschen und Pflantzen angemercket hat?
 
 
Seit dem die Zergliederung (Anatomia) von den neuern, also getrieben worden ist, daß man durch Vergrösserungs- Gläser sehen kan, was vor die blossen Augen zu klein ist: So leugnet kein Weltweiser (es wäre denn, daß er die Erfindungen der Anatomicorum oder die Mechanick der Mathematicorum nicht verstehe, oder sich durch leere Tone verhindern lasse, daß die Worte von Sachen, wegen Mangel einer rechten Vernunfft-Lehre und allgemeinen oder Philosophischen Sprach-Kunst, nicht zu unterscheiden wüste.) daß eines jeden Thieres, auch selbst des Menschen Leib, aus unzehlich viel Röhrgen bestehe, dadurch verschiedene flüßige Cörper immerzu sich herum bewegen, und daß der Cörper so lange gesund sey, als lange diese Röhrgen gantz sind, und die Bewegung der flüßigen Cörper auf keine Weise gehindert wird; hingegen daß er völlig sterbe, wenn dieser Umlauff gäntzlich aufhöret.
 
 
Durch so viele Versuche der Naturkündiger und so viel gemeine Erfahrungen, ist es schon so offenbar, welchergestalt die Flüßigkeit der Cörper von der Wärme herkomme, daß wir vor überflüßig halten, eine so klare Sache zu erläutern. Da aber die Cörper, welche in die kalte Lufft geleget worden, kalt werden, das ist, ihre Wärme verlieren; so ist es ja nichts besonderes, daß die hefftige Kälte auch dem Blut und andern flüßigen Cörpern, die in den Leibern der Thiere ihren Umlauff
 
  {Sp. 937|S. 482}  
 
haben, so viele Wärme benimmt, daß, was noch übrig ist, die Flüßigkeit dererjenigen zu erhalten, welchen oben bemeldete Röhrgen erfüllen, entweder nur in einigen kleinen Gefässen, oder auch in grössern, ja gar in den allergrössesten nicht hinreichet. Daher es denn auch kein Wunder ist, wenn entweder an einem Ort die flüßigen Cörper stehen bleiben, oder bey bevorstehenden Tode der gantze Umlauff aufhöret.
 
 
Es ist aber ausser dem bekannt, daß die flüßigen Cörper, wegen der in ihnen zerstreueten sich ausdehnenden (elastischen) Lufft, indem sie zugefrieren, sich ausbreiten, und zwar mit solcher Krafft, welche nicht allein gläserne und küpferne Gefässe, sondern auch dicke Flinten-Läuffe zersprengen kan, wie nicht allein Hugen vor der Königl. Academie der Wissenschafften zu Paris gezeiget, laut der Erzehlung Johann Baptista von Hamel, in dem 4ten Theil der alten und neuen Weltweißheit, im 1ten Theil der Natur-Lehre, und deren 3ten Abhandlung, der 2ten Ausführung (Dissertat) im 4ten Hauptstück, auf der 287ten Seite, sondern der berühmte Medicus zu Dantzig Israel Conrad auch erfahren hat.
Man lese seine Medicinisch- Philosophische Ausführung von der Natur und Würckungen der Kälte, welche eine grosse Menge Versuche enthält, und mit den Littern und auf Kosten des Klosters Oliva im Jahr 1677 in 12 herausgekommen ist, im 6ten Hauptstück auf der 101ten Seite.
 
Werden nun die Röhrgen an einem Theil des Cörpers von einem Thiere durch die Kälte zerrissen; und das Hertz treibet doch das Geblüt durch die Arterien immer dahin; so kan es nicht anders seyn, als daß daselbst eine Geschwulst entstehet, und wenn man nicht bey Zeiten Mittel brauchet, das ausgetretene Blut verfaulet, und denn der Krebs auch den unbeschädigten Theil angreiffet.
 
 
Nachdem Marcellus Malphigh und Nehemias Grew, in ihren vortrefflichen Wercken, von der Zergliederung der Pflantzen, nebst andern, welche ihrem Pfade gefolget sind, deutlich gewiesen haben, daß auch die Bäume und Pflantzen aus lauter Röhrgen bestehen, durch welche der Nahrungs-Safft herum laufft, wie Mariotte in der Probe aus der Natur- Lehre von dem Wachsthum der Pflantzen auf der 63ten u.f. Seite, ingleichen Perrault in einem besondern Versuch von dem Umlauffe des Nahrungs-Saffts der Pflantzen, welcher dem ersten Theil der von ihm herausgegebenen Versuche aus der Natur-Lehre einverleibet ist, mit verschiedenen Versuchen aufs deutlichste dargethan haben: so ist leicht zu begreiffen, daß auch auf die Bäume und Pflantzen gedeutet werden könne, was von der Krafft der Kälte gegen die Leiber der Thiere angebracht worden ist. Daran man destoweniger zweiffeln kan, da die Erfahrungen mit den Vergrösserungs-Gläsern, die Erwegung (theoriam) bestätigen.
 
 
Übrigens, da diese ausserordentliche Kälte des Winters niemand als denen schaden können, welche die Strenge davon empfunden haben: so ist auch kein Grund vorhanden, warum die Krancken mit besondern Zu-
 
  {Sp. 938}  
 
fällen hätten überfallen werden, oder auch besondere Kranckheiten hätten umgehen sollen.
 
 
10) Grund der ungewöhnlichen Witterung im Monath May;
 
 
Endlich, spricht Herr Wolff, obgleich die Sonne im Monat May schon höher herauf kam, und länger über dem Horizont bliebe; so wurde doch ihre Würckung sehr gehindert, und daher konnte die Dunst-Kugel wenig warm werden. Da nun gegen die Mitte des Monats in den nordlichen Gegenden, laut der öffentlichen Zeitungen, Schnee und Eiß aufgiengen, und der Nord-West-Wind die kalten Dünste von daher häuffig triebe, welche in der kalten Lufft gefroren, und zu Schnee wurden; so muste nothwendig diejenige Witterung, welche oben beschrieben ist, herauskommen.
 
 
Weil man aber eine solche unbeständige Lufft ordentlich im Monat April verspühret, nachdem schon im Mertz die Lufft offt viele gelinder angetroffen wird; so können wir nicht ungegründet muthmassen, daß dieselbe immer mit dem Aufthauen in den mitternächtlichen Gegenden verbunden, und die Ursache davon den Nord-Winden zuzuschreiben sey. Ob sich nun dieses also verhalte: werden die viele Jahre lang künfftighin anzustellende Bemerckungen, ausweisen.
Wolffs kleine Philosoph. Schrifften ...
  Von diesem Winter kan auch nachgelesen werden  
 
  • Heinrichs von Landen, Diss. de Frigore an. 1709 memorabili, Königsberg 1712;
  • Johann Wilhelm Bayers Diss. de frigore proximi mensis Januarii insolito, Altorf 1709;
  • und die Breßlauer Sammlungen, Versuch XXXVI … an welchen letztern Orte der Winter des 1709 Jahres also beschrieben wird:
 
  „Vom 1. Jenner bis 25 Ej. grosse, und zwar von 1 bis 11 ungemeine und ungewöhnliche Kälte: Vom 26 ward es gelinde und fieng anthauen, ja den 31 Jenner fiel mit Schnee zugleich Regen, da zugleich den 10 und 11 und besonders den 14 zu Nacht und folgenden Morgen den 15 bis 1 Uhr starcker Schnee, auch einige andremahl was weniges fiel. Vom 3 Febr. bis 8 ward es wieder kalt, und fiel von 4 bis 7 also vier Tage lang, ein ziemlicher Schnee.  
  Vom 9 Febr. aber an bis zum 16 kam völliges Thauwetter, daß dadurch unser Oder-Strom und andre Flüsse auf eine gantz unerhörte Weise anschwal, beym Olauischen Thore von der rothen Brücke her, die Felder herab, auf die Taschen-Pastey zu, einen Gang machte, und in den Stadt- Graben einriß, den gantzen Anger überschwemmete, und denn hinter dem Nicolaus-Thor wieder aus dem Stadt-Graben in die Oder durchriß, nachdem zuvor bey gedachtem Nicolaus Thore der Stadt-Graben überlieff, und die Tuchscherer-Rähmen völlig unter Wasser setzte, so den 22 Febr. geschahe.  
  Inzwischen fieng es wieder vom 17 Febr. bis Ende starck an zu frieren, und nahm Frost und Kälte dermassen zu, daß das ausgetretene Gewässer überall dicke gefror, so, daß noch ein paar Tagen, man fast überall zu Fusse über das Eis, ja über die Oder kommen konnte; Und weil zugleich wieder den 18. 19. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27 Febr. und den 10 Mertz ein grosser Schnee fiel, so geschahe es, daß, als forthin nach und  
  {Sp. 939|S. 483}  
  nach, und sonderlich vom 17 Mertz an das Wetter wieder völlig aufgieng, die Wasser von neuen auf eine unsägliche Weise, besonders in Ostern, aufschwollen, so daß die Höhe derselben jenem ersteren ziemlich beykam, ja viele wolten nicht unwahrscheinlich behaupten, daß dißmahl des Wassers mehr gewesen, als zuerst, nur daß es sich jenesmahl wegen Stemmung des Eises mehr exaltiret, als anietzo, da es eine freyere Passage hatte.  
  Solchergestalt signalisirte sich dieser Winter mit einer ungewöhnlichen Kälte, mit ausserordentlichen vielen Schnee und mit zweymahligen fast unerhörten grossen Gewässer, auch so entsetzlichem Eiß-Gange, daß viele Brücken beschädiget und abgerissen wurden; und zwar kam diese Kälte mit Nord- und Nord-Ostlichen Winden.  
  Alle die oben allegirten Phänomena waren auch zu der Zeit und noch hefftiger zu bemercken, und man erfuhr, daß auch bey uns in Schlesien hin und wieder Vieh und Menschen erfroren: Viel Bäume, sonderlich eine unsägliche Menge Nuß-Bäume giengen zu Grunde, die Saat fror hin und wieder gantz aus, sonderlich, wo der Schnee abgewehet war; Daher mancher Landmann von niedrigen Äckern die allda von ausgefallenem jährigen Saamen aufgewachsenen Stauden aushob, und auf sein erfroren Feld im Frühling versetzte, oder solches ausbesserte.  
  Das Eis soll dazumahl über 5 Viertel dicke gewesen seyn. Die eigentlichen Grade des Therm. hat man damahls noch nicht notiret, weil diß das erste Jahr gewesen, an welchen man, wie wohl noch ohne Mensuren, die Witterung zu observiren angefangen, und von da an bis anhero beständig continuiret.  
  Doch ein jeder gestand, dergleichen extraordinaire Kälte nie erlebt zu haben, so gar, daß man selbige manchmahl in die Classe der Spitzbergischen und Zemblanischen setzen wolte. Sie betraf fast gantz Europam, und lieffen dahero aus allen Ländern Nachricht von der exceßiven Härte ein. Die aus vielen Ländern damahls von solcher allgemeinen Kälte häuffig eingelauffenen und von uns annotirten Testimonia kan der gegenwärtige Platz unmöglich vertragen, u.s.w.  
  Dieses setzen wir [1] nur noch bey, daß, wie dieser Winter bey uns zwiefach gewesen, oder zweymahl herein gedrungen, und zweymahl grosse Wasser-Fluten gebracht, als solches auch in allen Reichen Europa, (nur Türckey ausgenommen, woselbst man sich über die grosse Kälte Europens höchlich verwundert, indem man allda einen sehr gelinden Winter gehabt,) auf gleiche Weise und meist zu gleicher Zeit geschehen„
[1] HIS-Data: korrigiert aus: mir
  Grosser Winter des 1716 Jahres:  
  Von demselben gaben oben angezogene Breßlauer Sammlungen folgenden Bericht:  
  „Der Winter dieses Jahres kam dem vom Jahr 1709 fast gleich, doch erwiese derselbe seine Haupt-Wut im Jenner von Anfang bis zu Ende, obschon dann und wann gelindes Wetter intercurrirte. Die Kälte war den 1. 8. 9. 10. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 25. 26.  
  {Sp. 940}  
  27. Jenner, und am 15. 16 war sie am hefftigsten. Eine ziemliche Menge Schnee fiel den 2. 3. 6. 7. 12. 18 Jenner, und die Kälte kam mit O.U. S.O. und N.O. Winden, so wie der Schnee mit S. O. und N. W. Winden.  
  Die Kälte war, wie gedacht, der erstern ziemlich gleich, jedoch um wenige Grade geringer: Die Erde war über 2 bis 3 Ellen tief eingefroren, das Oder-Eis auf 6 Viertel dicke: Hin und wieder erfroren die Geleite in der Stadt ja der Frost drang bis in die eingeheitzten Stuben ein. Wenn man bey hellem Wetter gegen die Sonne sahe, so war die Lufft voller Cuspidum micantium, wie Nadelspitzen: Man hat Irides solares, s. halones, auch manchmahl Donner und Wetterleuchten observiret: Hin und wieder sind Leute erfroren; Wenn man ein wenig auf die Gasse gieng, so sind alsbald die Bart- und Haupthaare voller Reiff und Eis worden.  
  Es war die Kälte auch sehr langwierig, nemlich von 9 Decemb. bis 30 Jenner, also bey nahe 8 Wochen lang, ohne jähe und merckliche Abwechselungen, und ob es gleich bisweilen etwas gelinder darzwischen wurde, so kam es doch zu keinem Thauwetter, bis auf den 31 Jenner. Doch war diese Kälte mehr trocken, und so gar Schneereich nicht, als im Jahr 1709.  
  Was anderwärts von diese Kälte observiret und überschrieben worden, solches können wir wegen Enge des Platzes nicht beybringen. Nur so viel melden wir, daß selbe ebenfalls gantz Europam, selbst Spanien, Sicilien, Neapolis und andre sonst warme Länder auf eine ungewöhnliche Weise betroffen.  
  Nun wolten viele diesen Winter für härter halten, als den 1709, welches aber die Thermometrische Observation nicht vollkömmlich bezeugte, als die vom Jahr 1709 die Kälte um ein paar Grad höher als im Jahr 1716. Weil man, wie gedacht, wiese, diese Mensuration im Jahr 1709 noch nicht exerciret, und 1716 nur ein gemeines Thermometrum in Gebrauch gezogen, folglich keine Vergleichung aus eigener Observation machen können; so allegiren wir bloß die, so aus Hamburg von Herr Mentzern, einem gelehrten Mathematico allda, nach einem 5 Fuß langen, in 90 Grad korrekt eingetheilten und sehr sensiblen Therm. in folgendem communiciret wurde:  
  [Tabelle]  
  {Sp. 941|S. 484}  
  [Tabelle, Forts.]  
  Solchergestalt verhalten sich diese 2 Winter dermassen gegen einander, daß der im Jahr 1709 an Graden der Kälte am höchsten kommen, die grösten Schnee-Lasten, und eine doppelte Wiederkehr gehabt. Der im Jahr 1716 aber ein paar Grad niedriger, doch an hohen Graden länger continuirend und trockener gewesen.  
  In dem Coburgischen Zeitungs-Extracte des Jahres 1716 … wird von solchem Winter nachstehendes berichtet:  
  Über die grimmige und gar zeitig angegangene Kälte des Winters des 1716 Jahres sind verschiedene Anmerckungen gemacht, und daß wohl bey Menschen-Gedencken auf einmahl so viel Schnee auf dem Erdboden nicht gesehen worden, wovon die warme Länder in Europa auch nicht befreyet gewesen; Wannenhero denn die nechst der Wildnis gele-  
  {Sp. 942}  
  gene Flecken und Dörfer von denen Wölffen und andern grimmigen Thieren, (insonderheit in Roußilion, Languedoc, Auvergne, Dauphine, Bourgogne und Champagne) sehr beängstiget worden sind, und eine grosse Menge erfrorner Leute von diesem ausgehungerten Wilde gefressen worden.  
  Die ansehnlichsten Flüsse von Europa sind wider alle Gewohnheit zugefrohren, wobey einiger Orten das Eiß 4 bis 5 Fuß dick gewesen, so, daß viele in den Gedancken gestanden, die Kälte sey diesen Winter noch grimmiger, als im Jahr 1709 gewesen, wobey sie den 24 Jenner am höchsten gestiegen; Wenn aber denen zu trauen, welche nach den accuratesten Wetter-Gläsern die Observationes gemacht, so soll sich befunden haben, daß in gedachtem Jahr die Kälte den 13 Jenner bis 86 und 1 halben Grad erhöhet, in dem 1716ten Jahre aber nur bis 83 und 1 halben gekommen, folglich nach solchem Calculo 3Grad gelinder gewesen. Insbesondere hat in unterschiedenen Gegenden von Dauphine und Savoyen auf dem platten Lande der Schnee 20 Fuß hoch gelegen. Über das Eiß hat man von Brille bis Maaslandsluyß die Maaß paßirt, so bey Menschen Gedencken nicht geschehen.  
  In Ludwigs Universal-Historie … wird weiter berichtet, daß durch den hernach geschmoltzenen Schnee, und erfolgte Ergiessung der Flüsse, hie und da, auch namentlich im Mayländischen, zu Cölln, und zu Düsseldorf, und abermahls insonderheit in Franckreich entsetzlicher Schade geschehen sey.  
  Grosser Winter des 1726 Jahres.  
  Die mehrgedachten Breßlauer Sammlungen melden von dem Winter des 1726 Jahres dieses:  
  „Und was den gegenwärtigen Winter von 1726 betrifft; so haben wir befunden, daß, wenn wir das im Jahr 1716 gebrauchte Thermom. commune et Florentinum gegen einander vergleichen, selbiger dem Winter im Jahr 1716 ziemlich gleich, wie wohl doch noch etwas gelinder gewesen; daß also der im Jahr 1709 noch vor allen den Preis behält.  
  Womit auch anderer ihre Observationes übereinstimmen, als zum Exempel des Herrn D. Alischers in Jauer: Wir haben heuer nicht nur genugsamen Schnee, sondern auch eine harte und continuirende Kälte gehabt, dergleichen wir vom Jahr 1709 bis hieher kaum gehabt; Ja es haben sich einige eingebildet, daß diese Kälte jene im Jahr 1709 noch wohl übertroffen: Worinnen sie aber gar sehr gefehlet, sintemahl damahls mein Florentinisches Thermom. superius hermetice sigillatum bis auf 55 Grad gesuncken, ein anders gemeines aber sehr langes und unversiegeltes bis auf 63 Grad gestiegen; Da doch das erstere heuer bey der strengesten Kälte nur bisß auf 48 Grad, das andere aber bis auf 52 Grade kommen, da sie doch NB. seit 1709 immer unverändert auf einer Stelle gehangen.  
  Ingleichen des Herrn Hermanns in Massel, der damahls schrieb: Von dem extraordinair langwierigen und harten Winter haben viele gemeynet, daß er dem im Jahr 1709 gleich gewesen, ja die Kälte wäre in den Wetter-Gläsern noch etliche Gradus höher kommen: Welchen  
  {Sp. 943|S. 485}  
  ich aber nicht assentiren kan. Denn nach meiner wenigen Observation ist wohl dieser Winter rechtschaffen kalt und anhaltende gewesen, dem es weder an Härte der Kälte, noch an Vielheit des Schnees gemangelt; doch ist er nicht so extrem kalt gewesen, als der im Jahr 1709. Denn damahls gefroren meist alle Brunnen aus, viele Dörfer musten in die grossen Teiche fahren, und sich zu ihrer Nothdurfft Wasser holen, die kleineren Teiche gefroren zusammt den Fischen gar ein: Das Geflügel im Walde und in der Lufft fiel todt herab, und die Kälte war so grimmig, daß Menschen kaum Athem holen, und nicht lange in der Lufft bleiben konnten.  
  Dergleichen Umstände sind doch dismahl nicht paßiret, ungeachtet die strengeste Kälte 2 bis 3 Wochen angehalten. Es gebe mir auch die meisten Observatores Beyfall, indem sie sagen, daß noch ein paar Grad in den Wetter-Gläsern gefehlet.  
  Rath Rost in Nürnberg schrieb: Die Kälte dieses Winters ward von einem schneidenden starck streichenden Nordostl. Winde so verschärffet, daß sie den 24 früh nach meinem wohl conditionirten Thermometro bis zu 69 und 70. lin. unter dem Temperamento gekommen, und also noch 10 und 11 Lin. in Vergleichung mit der grossen Kälte im Jahr 1709 weniger geblieben; von dar an sie täglich abnahm, und gelindem Thau-Wetter Platz ließ.  
  Und von Mayn-Strom hieß es den 19 Jenner. Bey dem sehr häuffig gefallenen Schnee, dergleichen über 30 Jahren niemand gedencket, continuiret strenge Kälte; und wollen einige behaupten, daß dieselbige nur 3 Grad geringer sey, als die im Jahr 1709.  
  Mehrere Testimonia von der Beschaffenheit der damahligen Winter-Härte, hat man in obbesagten Breßlauischen Sammlungen, im XXXV Versuch, … allegiret, und zugleich die Verursachung derselben hauptsächlich denen Nordostl. und südostl. Winden beygemessen. Wie denn überhaupt von allen diesen 3 harten Wintern zu behalten, daß selbige ihre hauptsächlichste Entstehung von dergleichen Wind-Strichen, und dem hierbey gefallenen vielen Schnee schuldig gewesen, wodurch die Hereinbrechung einer wärmeren Lufft intercipiret, und von den dicken Schnee-Wolcken der Einfluß der Sonne gehemmet, von dem vielen Schnee aber die Lufft noch mehr erkältet worden, womit denn also sowohl privative von zurück gebliebener Wärme, als positive von kaltem Winde, von Schnee und Eiß eine so grosse Kälte entstehen müssen. Breßlauische Samml. cit. loc.
  Grosser Winter des 1729 Jahres.  
  Von dem im Jahr 1729 gewesenen ausserordentlichen Winter, findet man in den Fränckischen Actis Erudit. et Curios. Samml. 17 … von Herrn Johann Sebastian Stedtlern, Professorn der Mathematick bey der Ritter-Academie zu Christian-Erlang, folgende zufällige Gedancken:  
  „Der grimmigkalte Winter, setzet er, am Ende des 1728 und im Anfang des 1729sten Jahres, hat mich auf unterschiedliche besondere Gedancken gebracht:  
  {Sp. 944}  
  Und zwar gedencke ich kürtzlich vor allen Dingen, daß dieser gar harte Winter in den nördlichen Ländern Europa recht allgemein gewesen sey: Wie er denn im gantzen Röm. Reiche und in der Kayserl. Residentz Wien, ferner in den nördlichen Provintzien Franckreichs, in Engelland sonderlich, in Schweden, Dännemarck, in Moscau, Pohlen, Ungarn, Flandern, Holland und der Schweitz ohngemein hart angehalten hat; so gar, daß hie und da viele Personen elendiglich erfroren sind.  
  Hier nächst habe ich zum melden, daß ich allhier zu Christian-Erlang habe aufgraben lassen, um zu erfahren, wie weit der Erdboden hinein gefroren sey? da ich denn über 15 Zolle des Gefröstes an zweyen von einander unterschiedenen Orten gefunden. Diß ist nun geschehen nicht nur zwischen den Häusern, da die kalte Lufft nicht recht hinstreichen können, sondern auch in dem Sand: Wie weit wird nun das Gefröste an andern Orten die der kalten Lufft mehr ausgesetzet sind, und wo ein anders Erdreich ist, hineingegangen seyn?  
  Ein guter Freund alhier hat die Gradus der Kälte auf einem gemeinen Thermometro observiret; allein der rectificirte Spiritus vini ist ihm gar in sein receptaculum, in seine Sphaerulam oder pilam, wie sie der alte Herr Professor Sturm in dem ersten Theile seiner Physicae Hypotheticae nennet, hinunter gefallen, daß er nicht mehr hat observiren können. Und in Wahrheit, der 16de dann der 17de, eben so 18de und 19de Jenner sind gewaltig kalte Tage gewesen; doch hat mich beduncket, der 20ste Jenner habe sie an Kälte alle übertroffen.  
  Als ich am 21 nach der Wetter-Fahne sahe, hatte sie sich gewendet, daß der Wind die mehreste Zeit von West kam; da ich denn gleich sagte, es würde anderes Wetter einfallen; Wie denn auch erfolget: Angesehen es am Mittwoch den 26sten dieses darauf und die folgenden Tage ungemein thauete, so, daß zu Ende des Jenner lediglich kein Eyß und Schnee zu sehen war. Daher auch des gemeldeten guten Freundes Spiritus Vini rectificatus aus seiner pila schon wieder 37 gradus hinauf gestiegen war.  
  Ich meines wenigen Ortes halte die Kälte dieses Winters fast vor grösser, als die Kälte des Winters zu Anfange des 1709ten Jahres: Anbey halte ich sie vor etwas seltenes. Wenigstens hatte ich mich ihrer nicht vermuthet. Denn ich hatte mir aus gewisser Erfahrung fast zur Regel gemachet, daß wie der Sommer ist, also auch der Winter zu erfolgen pflege. Z.E.  
  Im Jahr 1719 ist der Sommer gar heiß gewesen, daß es auch in drey Monathen nicht recht geregnet hat: Da nun einige sich eines gar kalten Winters versahen; ist doch nichts weniger, als rechte Kälte erfolget, sondern ist gantz gelinde gewesen.  
  Im Jahr 1724 äusserte sich wieder ein gar heisser Sommer, und dem folgte ein sehr gelinder Winter, darinnen es nicht wohl 2 oder 3 Finger tief Schnee hatte.  
  Im Jahr 1725 hatten wir einen nassen, gar regnerischen Sommer und den Winter darauf entsetzlich viel Schnee-Gestöber: so, daß der Schnee an vielen Orten des Fränckischen Gebürges eines Tisches tieff gelegen.  
  Im Jahr 1726 war aber-  
  {Sp. 945|S. 486}  
  mahls gar ein heißer Sommer, in welchem auch gar wenig Regen gefallen ist; da war nun der darauf folgende Winter sehr gelinde und nur etliche Tage des Jenners, ein wenig kalt. Also vermuthete ich diesen strengen Winter nicht; sondern ich sehe die grosse Kälte als etwas sich nicht gar zu offt zutragendes an.  
  Ich halte auch das vor etwas gantz gewisses und zuverlässiges, was mir ohnlängst erzehlet worden, daß nemlich Herr Müller, Professor der Mathesie und Physic zu Altdorf observiret, daß es diesen heurigen Winter um 3 Grad sey kälter gewesen, als im Winter 1709. Wie ist denn nun? Man wird nach der causa physica dieser Kälte fragen, woher sie gekommen? Die Antwort ist: Ich glaube nicht, daß der Nordwind allein, (denn die Fahne stund fast immer von Norden) diese Kälte verursachet habe; sondern ich halte davor, daß verschiedene kalte Winde in verschiedenen Regionen der Lufft zusammen gekommen seyn; als z.E. daß in einer höhern Region der Lufft auch ein Ost-Wind, (der um diese Zeit auch nur vor sich allein sehr kalt zu seyn pfleget) dazu gekommen sey, wie im Jahr 1709 geschehen: wovon ich unter meinen Scripturen diese Remarque finde:  
  Ich hatte zu Anfange obiger Kälte einst observiret, daß die Fahne von N. N. W. stund, doch gleichwohl im blauen Himmel weisse Wolcken geschwind von Ost hergezogen. Und wer weiß, ob nicht die exceßive Hitze in dem Sommer des 1719den, denn 1724sten und 1726sten Jahre daher gekommen, daß neben denen Winden in der untern Region vielleicht recht heisse Süd-Winde in der höhern Region geblasen haben, und im Jahr 1725 ein continuirlicher West-Wind?„
Ein mehrers von diesem im Jahr 1729 gewesenen Winter findet man in Johann Heinrich Müllers, Professors der Mathematick zu Altorf gehaltenen Disputation: de hyemis nuperae praeter ordinem saevientis et asperae causis, Altorf [1] 1739, deren Recension man in den Fränckischen Actis Erudit. et Curios. XIX Sammlung … findet.
[1] HIS-Data: korrigiert aus: Altrof
     
  Grosser Winter des 1740 Jahres.  
  Was nun endlich den Winter im Jahr 1740 anbelanget, so findet man davon nicht nur in den Regenspurger-Zeitungen im Nachtrage des Mertzes 1740 die Nachrichten davon beysammen; sondern es hat auch Herr D. Joh. Christian Kundmann, in seinen Wercke so unter dem Titel: „Die Heimsuchungen Gottes im Zorn und Gnade über das Hertzogthum Schlesien in Müntzen, zu Liegnitz 1742 in 4. herausgekommen„ und zwar im letzten Artickel des ersten Abschnittes …, von diesem ausserordentlichen kalten Winter insbesondere gehandelt, dahin man den Leser verweisen will.  
  Indessen hat zur immerwährenden Erinnerung dieses ausserordentlichen harten und langen Winters der berühmte Medailleur Kittel in Breßlau eine Gedächtniß-Müntze von Silber verfertiget, die um 18 Silbergroschen zu haben ist. Auf der einen Seite wird in einer Landschafft der Winter durch dürre und erfrorne Bäume ohne Blätter, durch  
  {Sp. 946}  
  einen Schlitten, und durch den aus den Wolcken stürmenden Nordwind, auf der andern aber ein Ackersmann vorgestellt, der wegen der strengen und lange anhaltenden Kälte betrübt, und noch müßig bey seinem Pfluge sitzet, und sein Grabscheid neben sich geworffen hat, mit einem erfornem Baum neben ihm. Auf der ersten Seite stehet:  
  Weil Lieb und Andacht sich in Kält und Eiß verkehret,  
  Und auf der andern:  
  Hat hart und langer Frost das arme Land beschweret.  
  Im Abschnitte auf beyden Seiten findet sich noch die Zeit, wie lange dieser Winter angehalten hat, nemlich vom October 1739 bis im May-Monath 1740. Gelehrte Neuigk. Schlesiens 1740. …
     

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Stand: 7. April 2013 © Hans-Walter Pries