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Quellenangaben |
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Türckey, oder das Türckische oder Ottomannische Reich,
Frantz
Turquie.
Lat.
Imperium Turcicum, ist ein grosses und
mächtiges
Reich,
welches viele
Provintzen in
Europa, Asien, und
Africa in sich begreifft, so daß der Beherrscher dieses weitläufftigen Reiches der Türckische
Kayser, mit
Recht der Groß-Sultan
der Groß-Türck oder Groß-Herr
genennet wird. Denn er
besitzet wie einige bemercken, von
Osten gegen
Westen zu, alles, so
zwischen Belis, oder dem Westlichen Ende des Königreichs Algier, so ihm zinsbar ist, bis an
Balsora, liegt, so bey dem äussersten Ende des Persianischen Meerbusens zu finden. Von
Norden gegen
Süden zu, das ist, von Caffa
oder Taurica Chersoneso an, oder vielmehr von Tana über den Palus Moeotis bis an Aden
bey dem Ausflusse des rothen Meers, oder bey der Meer-Enge von Babelmandel, trägt
dieses Reich über 200 Deutsche Meilen aus. |
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Es wird in drey Haupt-Theile abgesondert, welche sind |
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- die Europäische Türckey oder die Türckey in Europa;
- die Asiatische
Türckey oder die Türckey in Asien;
- und die Africanische Türckey oder die Türckey in Africa.
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- In Europa beherrschet es
- Romanien,
- Griechenland,
- Macedonien,
- Albanien,
- Thracien,
- die
Inseln des Ägeischen Meers,
- wie auch Sclavonien, Servien, Croatien,
- und Bulgarien;
- in
Asien hat es
- Natolien,
- Soristan,
- Turcomanien,
- Diarbeck
- und die drey Arabien, welche sehr
viele und grosse Landschafften in
sich begreiffen;
- in Africa aber die Königreiche Barca und Ägypten nebst Tunis, Algier und
Tripoli, welche Staaten
unter
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{Sp. 1704} | |
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des Türckischen Kaysers Schutz stehen. |
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Die Fürsten von
Moldau und Wallachey nebst der
Republic Ragusa, geben dem
Türcken Tribut. Die kleinen Tartarn
dependiren gleichfalls von
dem Groß Sultan, als ihrem Schutzherrn. |
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Die meisten von diesen Landschafften sind fruchtbar, werden aber nicht wohl gewartet,
weil die Türcken in diesem Stücke faul sind, die
Christen aber sehr gedrückt
werden welche also das Land lieber ungebauet liegen lassen. Das Türckische
Gebiete hat wenig
Einwohner,
welches die daselbst offt graßirende Pest, und die stetigen
Kriege verursachen,
wodurch sehr viel Türcken aufgerieben werden. |
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Ihre
vornehmste
Kaufmanns-
Waaren sind: Seide,
Baumwolle, und Öl, Wein, Rosinen, Honig, Wachs, Terpentin, Mastix, Caßie, Aloe, Senis-
Blatter, Coffee, Corduan, Zapfen-Leder, Teppiche etc davon in dem
Artickel
Türcken mit mehrern nachzulesen. |
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Obwohl die Nördliche Türckey in Europa mitten in dem temperirten Zona liegt, so ist
doch die
Lufft nicht an allen
Orten rein
und gesund, insonderheit in Ungarn, so, daß fremde Leute, wenn sie dahin kommen,
selbiger fast gar nicht
gewohnen
können. Das Land ist hügelicht, und hat gegen
Mitternacht Berge, gegen
Mittag aber ebene Plätze. Die
Berge haben unterschiedliche gute Ertzgruben, insonderheit an Quecksilber Sonsten sind
die Berge voller
Wälder, in welchen
viele wilde Thiere zu finden. |
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Das gantze Türckische Gebiete wird in 25 Gouvernements eingetheilet, deren eines in
Egypten, sieben in
Europa, und 17 in
Asien gelegen. Unter den Gouverneurs sind zwey Beglerbegs, die übrigen sind Bassen oder
geringere
Personen. |
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- Das Gouvernement von Egypten oder Cairo hat 12 Califen oder kleinere Gouverneurs;
- das andere von Aleppo in Asien hat neun Sangiacs unter sich.
- Das dritte von Diarbecker
oder Caramit hat 12 Sangiacs;
- das vierte ist das Beglerbegat von Natolien und hat 15
Sangiacs unter sich;
- das fünfte von Bosnien in Europa hat acht Sangiacs;
- das sechste war
vormahls von Ofen, ehe selbige Stadt unter des Kaysers Gewalt
kam, und bestünde aus 20 Sangiacs;
- das siebende von Caffa hat gar keinen Sangiac;
- das
achte von Caramanien oder Cogni hat sieben Sangiacs;
- das neunte von Chars hat deren
sechse;
- das zehende von Candien hat viere;
- das eilffte von Cypern hat sieben;
- das zwöffte
von Scham oder Damas, hat eben so viel;
- das dreyzehende von Van hat neune;
- das
vierzehende von Marasch oder Zulkadrie hat viere;
- das funfzehende von Mosul hat fünffe;
- das sechzehende Gouvernement des Capitain Bacha in Asien ist in 13 Ämter eingetheilet;
- das
siebenzehende von Rica in sieben;
- das achtzehende ist das Beglergebat in Romanien, und
hat 24 Sangiacs unter sich;
- das neunzehende von Suvas hat deren sechse;
- das zwantzigste
von Scheheresus oder Scahirisul in Aßyrien hat 12;
- das ein und zwantzigste von Bagdad hat
10;
- das zwey und zwantzigste von Erzerum hat neune;
- das drey und zwantzigste von
Temeswar hat sechse, es kam aber 1717 in Christliche Hände;
- das vier und zwantzigste von
Trebisonde hat keine Sangiacs;
- das fünf und zwantzigste von Tripoli hat
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{Sp. 1705|S. 866} |
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Dieses grosse und mächtige Reich hat seit dem Carlowitzischen Frieden im
Jahr 1699 mit dem
Christlichen Potentaten in
beständiger Ruhe gelebet. Als sich aber der
König in
Schweden Carl der XII nach der fatalen Schlacht bey Pultawa in das Türckische Gebiete
retirirte, so wurde endlich im November 1710 den Russen von der Ottomannischen Pforte
der
Krieg
solenniter
angekündiget, und der im Jahr 1699 auf 2 Jahr geschlossene, und im Jahr 1703 auf 30 Jahr
verlängerte Stillstand gebrochen. Hierauf kam es im Jahr 1711 den 19, 20 und 21 Jul. zu
einer dreytägigen und blutigen Schlacht am Fluß Pruth, und gleich darauf kamen Friedens-
Vorschläge aufs Tapet, welche alsobald von beyden Seiten acceptiret worden. Nach der
Zeit hat es wegen des
Abzugs des Königs in Schweden viele Schwürigkeiten gesetzt, daß es abermahls schiene,
als wolte es zu einem Friedens-Bruche kommen, es hat aber derer Engel- und
Holländischen
Gesandten Interposition, und die Abtretung der Festung Asoff so viel gefruchtet, daß dieser
Friede am 16 April
1712 auf 25 Jahr erneuert worden. |
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Im Jahr 1714 haben die Türcken den Venetianern den Krieg angekündiget, und Jahres
darauf
gantz Morea erobert, aber im
Jahr 1716 die Insel und Festung Corfu mit grossem Verluste wieder verlassen
müssen, auch am 5
Aug. 1716 bey
Peterwaradein grosse Niederlage von den
Kayserlichen erlitten,
dergleichen ihnen am 16 Aug. 1717. bey Belgrad wiederfahren, worauf diese Festung an die
Kayserlichen übergieng, und 1717 der Passarowitzische Friede erfolget. |
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Seit etlichen Jahren hat dieses
Reich ein und
andere grosse
Veränderung
erfahren, denn im Jahr 1729 erlitten die Türcken eine grosse Niederlage in Persien, (von
denen
Ursachen des Krieges siehe Persien im XXVlI Bande, p. 593 u.ff.) Nun
schiene es zwar, als ob man sich von beyden
Theilen zum Frieden
bequemen
wolte, indem
allerhand Vorschläge geschahen, nichts desto weniger fieng man aufs neue an sich mit aller
Macht zum Kriege zu rüsten, und die Türcken schickten frische Truppen nach Persien. |
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Es ist doch aber dieses Jahr darinnen vor die Türcken
glücklich, weil zu Ende
desselben die zu Beförderung der
Gelehrsamkeit
höchst
nöthige
Buchdrucker-
Kunst zu treiben
angefangen worden, da unter
der Direction des Groß-Veziers eine Druckerey in dem Serail angeleget wurde, so sehr sich
auch der Muffti wiedersetzte, und es wieder den Alcoran zu seyn vorgab. |
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Im Jahr 1730 sahe es ziemlich verwirrt in der Türckey aus, indem der Printz Thamas
den Esref tapffer klopffte, der sich hierauf wieder an die Pforte wendete, und noch um eine
Armee wieder denselben anhielt; wie man denn auch
würcklich dem
neuen Sophi Printz Thamas, welcher die Restitution derer von dem Esref der Pforte
abgetretenen Plätze zu conserviren dahin schickte. Allein dieser Krieg lieff so
unglücklich vor die
Türcken, daß ihre gantze Armee geschlagen wurde, und der Sophi die
Stadt Tauris und Bagdad
eroberte. Diese Niederlage verursachte eine grosse Unruhe zu Constanti-nopel, denn am 28
Sept. ließ sich ein
Mensch,
Nahmens Aly,
übel bekleidet , mit
zornigen Geberden auf dem
grossen
Marckte sehen, der eine |
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{Sp. 1706} |
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alte zerrissene Fahne des Mahomets unter seinem Rocke herfür zog, selbige in die
Höhe hielt, und ausrieff: Daß alle diejenigen, so den grossen
GOtt und seinen
Propheten
Mahomet anrieffen, ihm
folgen
solten. Worauf sich eine grosse
Menge Leute, und hauptsächlich die Janitscharen zu diesem Menschen schlugen, welche so
gleich die
Köpffe des
Groß-Veziers, des Reichs-Effendi und des Capitain-Bassa
begehrten, die auch so
gleich ausgelieffert, und von ihnen den Hunden vorgeworffen worden: Wobey es aber nicht
blieb, denn sie lieffen in das Serail, erbrachen die Thüren, zogen den Mahomet, einen
Sohn des
verstorbenen Sultans
Mustapha, aus dem Gefängniß, declarirten ihn zu ihrem Kayser, und stiessen den bisherigen
Sultan nebst seinem
Weibern und
Kindern ins Gefängniß;
von seinen
Bedienten aber sind
über 1500 von ihnen massacriret worden. Darauf wurde es stille, nur wolten die Rädelsführer
vor diese gute
That belohnet seyn,
kamen daher ins Serail und forderten die Belohnung, sie wurden aber alle nieder
gesebelt. |
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Nach der Zeit ist zwar ein und anderer
Aufruhr wieder
angesponnen worden, sie sind aber auch alle
glücklich gedämpffet, und die
vollkommene Ruhe durch
die gute Conduite des neuen Groß-Veziers Topal Osman Bassa von Bosnien wieder
hergestellet worden. |
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Im Jahr 1731 schien es, als wenn das Kriegs-Glück denen Türcken günstiger, indem sie
bey Erivan
glücklich waren, und eine
Victorie befochten, daher der
Krieg fortgesetzet wurde,
auch zu Ende des Jahres der Sophi gäntzlich geschlagen, und dahin gebracht wurde, daß er
selbst um
Frieden bitten
muste. Doch hat sich das
Glück gar bald wieder gewendet, und die Türcken haben bis jetzo allezeit mit
Verlust gegen die Persianer
gefochten, so daß der Persianische
Regent Rouli-Ram
jenen nunmehro auch die Provintz Georgien abgenommen, und nicht eher ruhen, und Friede
machen
will, bis alle dem
Persianischen Reiche entzogene Provintzen restituiret sind. |
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Als sich gedachter Rulicham im Jahr 1736 selbst auf den Persianischen Thron
geschwungen, erfolgte in solchem Jahre der Friede zwischen ihn und der Pforte; hingegen
sahe sich die Kayserin von Rußland genöthiget, weil sie wegen der vielfältigen und
langwierigen Streifereyen der Türcken und Tartarn in das Rußische Gebiet keine Satisfaction
erhalten könne, im Jahr 1736 den Türcken die wichtige Festung Asof wegzunehmen und die
Tartarn nachdrücklich zu züchtigen. Daher denn die Pforte auch durch Ansteckung des
Roßschweifs in bemeldtem Jahre der Kayserin von Rußland den Krieg ankündigte. |
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Nach der Zeit fiengen die Türcken auch in Ungarn an feindseelig zu agiren, und Belgrad
muste deßwegen wieder einige Veränderung erfahren. Jetzo aber hält die Ottomannische
Pforte mir allen Europäischen Potentzen zur Zeit Friede. |
- Postel. Resp. Turc.
- Baudier Inventaire de l'hist. des Turcs.
- Mich.
Fevre Theatr. de la Turquie.
- La Croix
- etc.
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Siehe auch den Artickel: Türcken. |