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Zedler: Türckey HIS-Data
5028-45-1703-4
Titel: Türckey
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 45 Sp. 1703
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 45 S. 865
Vorheriger Artikel: Türckes
Folgender Artikel: Türckey, (die African.)
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Türckey, oder das Türckische oder Ottomannische Reich, Frantz Turquie. Lat. Imperium Turcicum, ist ein grosses und mächtiges Reich, welches viele Provintzen in Europa, Asien, und Africa in sich begreifft, so daß der Beherrscher dieses weitläufftigen Reiches der Türckische Kayser, mit Recht der Groß-Sultan der Groß-Türck oder Groß-Herr genennet wird. Denn er besitzet wie einige bemercken, von Osten gegen Westen zu, alles, so zwischen Belis, oder dem Westlichen Ende des Königreichs Algier, so ihm zinsbar ist, bis an Balsora, liegt, so bey dem äussersten Ende des Persianischen Meerbusens zu finden. Von Norden gegen Süden zu, das ist, von Caffa oder Taurica Chersoneso an, oder vielmehr von Tana über den Palus Moeotis bis an Aden bey dem Ausflusse des rothen Meers, oder bey der Meer-Enge von Babelmandel, trägt dieses Reich über 200 Deutsche Meilen aus.  
  Es wird in drey Haupt-Theile abgesondert, welche sind  
 
  • die Europäische Türckey oder die Türckey in Europa;
  • die Asiatische Türckey oder die Türckey in Asien;
  • und die Africanische Türckey oder die Türckey in Africa.
 
 
  • In Europa beherrschet es
    • Romanien,
    • Griechenland,
    • Macedonien,
    • Albanien,
    • Thracien,
    • die Inseln des Ägeischen Meers,
    • wie auch Sclavonien, Servien, Croatien,
    • und Bulgarien;
  • in Asien hat es
    • Natolien,
    • Soristan,
    • Turcomanien,
    • Diarbeck
    • und die drey Arabien, welche sehr viele und grosse Landschafften in sich begreiffen;
  • in Africa aber die Königreiche Barca und Ägypten nebst Tunis, Algier und Tripoli, welche Staaten unter
 
  {Sp. 1704}  
 
  des Türckischen Kaysers Schutz stehen.
 
  Die Fürsten von Moldau und Wallachey nebst der Republic Ragusa, geben dem Türcken Tribut. Die kleinen Tartarn dependiren gleichfalls von dem Groß Sultan, als ihrem Schutzherrn.  
  Die meisten von diesen Landschafften sind fruchtbar, werden aber nicht wohl gewartet, weil die Türcken in diesem Stücke faul sind, die Christen aber sehr gedrückt werden welche also das Land lieber ungebauet liegen lassen. Das Türckische Gebiete hat wenig Einwohner, welches die daselbst offt graßirende Pest, und die stetigen Kriege verursachen, wodurch sehr viel Türcken aufgerieben werden.  
  Ihre vornehmste Kaufmanns- Waaren sind: Seide, Baumwolle, und Öl, Wein, Rosinen, Honig, Wachs, Terpentin, Mastix, Caßie, Aloe, Senis- Blatter, Coffee, Corduan, Zapfen-Leder, Teppiche etc davon in dem Artickel Türcken mit mehrern nachzulesen.  
  Obwohl die Nördliche Türckey in Europa mitten in dem temperirten Zona liegt, so ist doch die Lufft nicht an allen Orten rein und gesund, insonderheit in Ungarn, so, daß fremde Leute, wenn sie dahin kommen, selbiger fast gar nicht gewohnen können. Das Land ist hügelicht, und hat gegen Mitternacht Berge, gegen Mittag aber ebene Plätze. Die Berge haben unterschiedliche gute Ertzgruben, insonderheit an Quecksilber Sonsten sind die Berge voller Wälder, in welchen viele wilde Thiere zu finden.  
  Das gantze Türckische Gebiete wird in 25 Gouvernements eingetheilet, deren eines in Egypten, sieben in Europa, und 17 in Asien gelegen. Unter den Gouverneurs sind zwey Beglerbegs, die übrigen sind Bassen oder geringere Personen.  
 
  • Das Gouvernement von Egypten oder Cairo hat 12 Califen oder kleinere Gouverneurs;
  • das andere von Aleppo in Asien hat neun Sangiacs unter sich.
  • Das dritte von Diarbecker oder Caramit hat 12 Sangiacs;
  • das vierte ist das Beglerbegat von Natolien und hat 15 Sangiacs unter sich;
  • das fünfte von Bosnien in Europa hat acht Sangiacs;
  • das sechste war vormahls von Ofen, ehe selbige Stadt unter des Kaysers Gewalt kam, und bestünde aus 20 Sangiacs;
  • das siebende von Caffa hat gar keinen Sangiac;
  • das achte von Caramanien oder Cogni hat sieben Sangiacs;
  • das neunte von Chars hat deren sechse;
  • das zehende von Candien hat viere;
  • das eilffte von Cypern hat sieben;
  • das zwöffte von Scham oder Damas, hat eben so viel;
  • das dreyzehende von Van hat neune;
  • das vierzehende von Marasch oder Zulkadrie hat viere;
  • das funfzehende von Mosul hat fünffe;
  • das sechzehende Gouvernement des Capitain Bacha in Asien ist in 13 Ämter eingetheilet;
  • das siebenzehende von Rica in sieben;
  • das achtzehende ist das Beglergebat in Romanien, und hat 24 Sangiacs unter sich;
  • das neunzehende von Suvas hat deren sechse;
  • das zwantzigste von Scheheresus oder Scahirisul in Aßyrien hat 12;
  • das ein und zwantzigste von Bagdad hat 10;
  • das zwey und zwantzigste von Erzerum hat neune;
  • das drey und zwantzigste von Temeswar hat sechse, es kam aber 1717 in Christliche Hände;
  • das vier und zwantzigste von Trebisonde hat keine Sangiacs;
  • das fünf und zwantzigste von Tripoli hat
 
  {Sp. 1705|S. 866}  
 
  deren viere.
 
  Dieses grosse und mächtige Reich hat seit dem Carlowitzischen Frieden im Jahr 1699 mit dem Christlichen Potentaten in beständiger Ruhe gelebet. Als sich aber der König in Schweden Carl der XII nach der fatalen Schlacht bey Pultawa in das Türckische Gebiete retirirte, so wurde endlich im November 1710 den Russen von der Ottomannischen Pforte der Krieg solenniter angekündiget, und der im Jahr 1699 auf 2 Jahr geschlossene, und im Jahr 1703 auf 30 Jahr verlängerte Stillstand gebrochen. Hierauf kam es im Jahr 1711 den 19, 20 und 21 Jul. zu einer dreytägigen und blutigen Schlacht am Fluß Pruth, und gleich darauf kamen Friedens- Vorschläge aufs Tapet, welche alsobald von beyden Seiten acceptiret worden. Nach der Zeit hat es wegen des Abzugs des Königs in Schweden viele Schwürigkeiten gesetzt, daß es abermahls schiene, als wolte es zu einem Friedens-Bruche kommen, es hat aber derer Engel- und Holländischen Gesandten Interposition, und die Abtretung der Festung Asoff so viel gefruchtet, daß dieser Friede am 16 April 1712 auf 25 Jahr erneuert worden.  
  Im Jahr 1714 haben die Türcken den Venetianern den Krieg angekündiget, und Jahres darauf gantz Morea erobert, aber im Jahr 1716 die Insel und Festung Corfu mit grossem Verluste wieder verlassen müssen, auch am 5 Aug. 1716 bey Peterwaradein grosse Niederlage von den Kayserlichen erlitten, dergleichen ihnen am 16 Aug. 1717. bey Belgrad wiederfahren, worauf diese Festung an die Kayserlichen übergieng, und 1717 der Passarowitzische Friede erfolget.  
  Seit etlichen Jahren hat dieses Reich ein und andere grosse Veränderung erfahren, denn im Jahr 1729 erlitten die Türcken eine grosse Niederlage in Persien, (von denen Ursachen des Krieges siehe Persien im XXVlI Bande, p. 593 u.ff.) Nun schiene es zwar, als ob man sich von beyden Theilen zum Frieden bequemen wolte, indem allerhand Vorschläge geschahen, nichts desto weniger fieng man aufs neue an sich mit aller Macht zum Kriege zu rüsten, und die Türcken schickten frische Truppen nach Persien.  
  Es ist doch aber dieses Jahr darinnen vor die Türcken glücklich, weil zu Ende desselben die zu Beförderung der Gelehrsamkeit höchst nöthige Buchdrucker- Kunst zu treiben angefangen worden, da unter der Direction des Groß-Veziers eine Druckerey in dem Serail angeleget wurde, so sehr sich auch der Muffti wiedersetzte, und es wieder den Alcoran zu seyn vorgab.  
  Im Jahr 1730 sahe es ziemlich verwirrt in der Türckey aus, indem der Printz Thamas den Esref tapffer klopffte, der sich hierauf wieder an die Pforte wendete, und noch um eine Armee wieder denselben anhielt; wie man denn auch würcklich dem neuen Sophi Printz Thamas, welcher die Restitution derer von dem Esref der Pforte abgetretenen Plätze zu conserviren dahin schickte. Allein dieser Krieg lieff so unglücklich vor die Türcken, daß ihre gantze Armee geschlagen wurde, und der Sophi die Stadt Tauris und Bagdad eroberte. Diese Niederlage verursachte eine grosse Unruhe zu Constanti-nopel, denn am 28 Sept. ließ sich ein Mensch, Nahmens Aly, übel bekleidet , mit zornigen Geberden auf dem grossen Marckte sehen, der eine  
  {Sp. 1706}  
  alte zerrissene Fahne des Mahomets unter seinem Rocke herfür zog, selbige in die Höhe hielt, und ausrieff: Daß alle diejenigen, so den grossen GOtt und seinen Propheten Mahomet anrieffen, ihm folgen solten. Worauf sich eine grosse Menge Leute, und hauptsächlich die Janitscharen zu diesem Menschen schlugen, welche so gleich die Köpffe des Groß-Veziers, des Reichs-Effendi und des Capitain-Bassa begehrten, die auch so gleich ausgelieffert, und von ihnen den Hunden vorgeworffen worden: Wobey es aber nicht blieb, denn sie lieffen in das Serail, erbrachen die Thüren, zogen den Mahomet, einen Sohn des verstorbenen Sultans Mustapha, aus dem Gefängniß, declarirten ihn zu ihrem Kayser, und stiessen den bisherigen Sultan nebst seinem Weibern und Kindern ins Gefängniß; von seinen Bedienten aber sind über 1500 von ihnen massacriret worden. Darauf wurde es stille, nur wolten die Rädelsführer vor diese gute That belohnet seyn, kamen daher ins Serail und forderten die Belohnung, sie wurden aber alle nieder gesebelt.  
  Nach der Zeit ist zwar ein und anderer Aufruhr wieder angesponnen worden, sie sind aber auch alle glücklich gedämpffet, und die vollkommene Ruhe durch die gute Conduite des neuen Groß-Veziers Topal Osman Bassa von Bosnien wieder hergestellet worden.  
  Im Jahr 1731 schien es, als wenn das Kriegs-Glück denen Türcken günstiger, indem sie bey Erivan glücklich waren, und eine Victorie befochten, daher der Krieg fortgesetzet wurde, auch zu Ende des Jahres der Sophi gäntzlich geschlagen, und dahin gebracht wurde, daß er selbst um Frieden bitten muste. Doch hat sich das Glück gar bald wieder gewendet, und die Türcken haben bis jetzo allezeit mit Verlust gegen die Persianer gefochten, so daß der Persianische Regent Rouli-Ram jenen nunmehro auch die Provintz Georgien abgenommen, und nicht eher ruhen, und Friede machen will, bis alle dem Persianischen Reiche entzogene Provintzen restituiret sind.  
  Als sich gedachter Rulicham im Jahr 1736 selbst auf den Persianischen Thron geschwungen, erfolgte in solchem Jahre der Friede zwischen ihn und der Pforte; hingegen sahe sich die Kayserin von Rußland genöthiget, weil sie wegen der vielfältigen und langwierigen Streifereyen der Türcken und Tartarn in das Rußische Gebiet keine Satisfaction erhalten könne, im Jahr 1736 den Türcken die wichtige Festung Asof wegzunehmen und die Tartarn nachdrücklich zu züchtigen. Daher denn die Pforte auch durch Ansteckung des Roßschweifs in bemeldtem Jahre der Kayserin von Rußland den Krieg ankündigte.  
  Nach der Zeit fiengen die Türcken auch in Ungarn an feindseelig zu agiren, und Belgrad muste deßwegen wieder einige Veränderung erfahren. Jetzo aber hält die Ottomannische Pforte mir allen Europäischen Potentzen zur Zeit Friede.
  • Postel. Resp. Turc.
  • Baudier Inventaire de l'hist. des Turcs.
  • Mich. Fevre Theatr. de la Turquie.
  • La Croix
  • etc.
  Siehe auch den Artickel: Türcken.

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Stand: 16. September 2016 © Hans-Walter Pries