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STUDIUM HISTORICUM,
Historien lesen und
studiren ist eine nöthige, nützliche und ange- |
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{Sp. 1227|S. 627} |
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nehme
Sache, wie man aber hierinnen
verfahren soll, dieses beruhet in Ansehung der
gesammten Historien auf wenig
Regeln: |
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Es ist eine Vorbereitung hierzu nöthig, welche
in der
Erkänntniß der
Geographie, Chronologie,
Genealogie, und der Sitten der
Völcker bestehet,
und wenn man das
Werck selbsten angreifft, so
muß man unterscheiden das Lesen selbst, und die
Untersuchung und Anordnung desjenigen, was
man in den Historien-Büchern gelesen. |
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Diejenigen so von der Art und Weise
Historien zulesen,
geschrieben, haben den ersten
Punct vornehmlich mit genommen, indem sie die
Bücher, die man lesen soll, und die
Ordnung so in
der Lesung derselben zu beobachten, erzehlet,
auch Anleitung gegeben,
Philosophische und
Philologische Realien daraus zu excerpiren,
wiewohl noch keinem
Lust angekommen, von der
Historie in ihrer rechten Weitläufftigkeit zu
handeln, sondern alle haben sich in ihren
methodis historiarum vergnüget, von der Kirchen-Historie und der so genannten Person das ist
Civil-Historie eine Nachricht zu geben. |
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Die Untersuchung der Historie ist von
mehrerer Wichtigkeit, und zielet dahin ab, daß
man erkenne, ob ein Geschichtschreiber wahr
oder falsch schreibe. In Historischen Sachen,
welche auf
menschliche Autorität beruhen, haben
wir keine andere, als eine wahrscheinliche
Erkänntniß, weil wir keine Gewißheit in den
Grund-Sätzen, worauf sich unsere Erkänntniß
stützet, haben; wir mögen nun die Zeugnisse und
die Glaubwürdigkeit der Autorität, oder die
Umstände der Geschichte selbst ansehen. |
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Wollen wir aber hinter die
Wahrscheinlichkeit
kommen, so müssen wir erstlich mit guten
Bedacht sehen, theils auf die Zeugnisse, theils auf
die Geschichte selbst, und auf die
Natur der
Sache, von welcher sie erzehlet wird. |
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Bey den Zeugnissen müssen wir so wohl die
Vielheit und Übereinstimmung als den Werth
derselben betrachten. Daß ein Zeugniß eines
Autoris gültig sey, kommt auf dessen
Glaubwürdigkeit an, das ist, daß er könne und
wolle die
Wahrheit sagen, oder daß er erstlich ein
vernünfftiger und verständiger Mensch sey, der
bey Aufzeichnung seiner historischen
Dinge die
besten Mittel gehabt habe, und sich zum andern
von keinen unordentlichen
Affecten
regieren
lasse. |
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In Ansehung der Mittel, deren sich jemand
bedienet, muß man sehen, ob er bey der Sache
selbst gewesen, ob er aus Argwohn schreibe, ob
er Diplomata wohl zu gebrauchen gewust, oder
wem er sonst gefolget. |
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Bey der Erkänntniß des
Gemüths eines
Scribenten ist nöthig, daß man sich um dessen
Lebens-Lauff und
Bedienungen bekümmere.
Denen, die geheime Historien geschrieben, oder
zu ihrer eigenen Nachricht und zum Privat-Nutzen
etwas aufgezeichnet, desgleichen denjenigen,
welche auch grosser und berühmter Leute
Thun
und Lassen, als lasterhafft abmahlen, kan man
gemeiniglich mehr trauen, als denen, welche die
Historie zu jedermans Nachricht, auch wohl gar
auf
Befehl des
Landes-Herrn, vor gewisse
Besoldung oder Präsente schreiben, oder welche
die Verrichtungen, absonderlich grosser
Herren
und berühmter Leute, als gar zu klug und heroisch
abbilden. |
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In der Betrachtung der Geschichte selbst,
und |
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{Sp. 1228} |
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des Objects, davon sie erzehlet wird, muß ein
Verständiger zu urtheilen wissen, in wieweit die
erzehlte Geschichte theils an sich selbst wohl oder
übel zusammen hange, theils auch ob, und wie
weit sie in Betrachtung des
Wesens, und die
Umstände des Objects entweder wahrscheinlich,
oder möglich sey. |
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Hernach müssen wir auch bey der Erkänntnis
der historischen
Wahrscheinlichkeit die hier im
Schwang gehende Vorurtheile ablegen, z.E. von
dem
Glück und
Unglück der menschlichen
Verrichtungen, von dem Wohl und Wehe der
Bürgerlichen
Gesellschafften, von den
Wunderwercken, Offenbarungen und dergleichen,
worinnen man vor andern in der Kirchen-Historie
behutsam zu gehen hat, daß man nicht nach
seinen vorgefasten
Meynungen alles prüffe und
richte. |
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So hat Polybius, da er von der
Klugheit des
Römischen Volckes handelt, die Lehre von der
Glückseligkeit einer vermischten
Regiments-
Form zum
Grund gesetzet.
Clerc hat in dem
Parrhasian angemercket, daß die heutigen
Scribenten eine absolute und umschränckte
Gewalt der
Fürsten gar zu sehr zuerheben und zu
loben pflegen, gleich als ob darinnen die gröste
Glückseligkeit der
Republicken bestünde. |
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Niemand wird läugnen, daß dergleichen
Untersuchung der Historischen
Wahrheit höchst
nöthig, wenn man nur diesen eintzigen Punct
überleget, wie die Scribenten in einer
Materien der
Geschichten von einander abgehen. Lesen wir die
Englischen Geschichtschreiber, so behaupten
Richard, Eduard Philippi, Robert Bradi, daß die
Könige von Engelland von Anfang und fast bis auf
diese
Zeit durch Erb-Recht, ohne daß sie einigen
Gesetzen unterwürffig gewesen, über Engelland
regieret; da hingegen Johann Milton, Jacob Tyrrel,
und andere sagen, daß sie allezeit unter dem
Parlament gestanden. Nicolaus Sander ist auf
Heinrich den Achten gar übel, Gilbert Buvret aber
gar wohl zu sprechen, und wer weiß nicht, was für
andere ungleiche Erzehlungen aus den
unordentlichen
Neigungen
entstanden sind. Man
halte den Livium, Dionysium Halicarnassum, den
Eusebium und Zosimum, von den neuern den
Gojeciardianum und Bembum, den Surium und
Sleidanum, den Harnarum und Grotium, den
Buchanan und Cambdeum, Chistetium und
Blondell, Maimbourg und
Seckendorf, nebst vielen
andern gegeneinander. |
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Es ist dergleichen Beurtheilung keine leichte
Sache, und erfordert erstlich eine gute Urtheils-Krafft, daß man erkenne, was wahrscheinlich, und
unwahrscheinlich und möglich ist, denn eine
Erkänntnis der Sache selbst, von welcher die
Geschichte handelt, und hierbey muß die gelehrte
Historie immer an die Hand gehen. |
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Die Anwendung des Historien-Lesens
bestehet darinnen, daß wir den oben angezeigten
Nutzen der Historie uns selbst zu Nutze machen,
und unter andern, was die Verachtung der
Menschen betrifft, allerhand Regeln der
Weisheit,
Klugheit und Thorheit daraus ziehen. |
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Es könnten auch noch besondere Regeln in
Ansehung der besondern
Arten der Historie,
von |
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{Sp. 1229|S. 628} |
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dem nützlichen Gebrauch derselben gegeben werden, doch dieses wäre eine
Arbeit, dazu sich so wenig
Raum
nicht schickt. Es ist auch allbereit unter dem
Artickel
Historie
im XIII
Bande,
p. 281 u.ff. vieles von dem Studio historico gedacht worden,
dahin man den Leser hier mit verweiset. |
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