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Anmerkungen |
Schutz vor Kälte |
Man hat demnach die verstärckte Arbeit der
festen Theile, nebst dem daraus folgendem
lebhafften Umlauffe des Blutes, als dasjenige
Mittel anzusehen, wodurch sich der Mensch
natürlicher Weise vor den
schädlichen
Würckungen der äusserlichen Kälte gewisser
massen zu schützen vermögend ist. Immittelst hat
man hierbey folgende drey Umstände in
Erwegung zu ziehen. |
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Wenn man zuförderst sa- |
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{Sp. 902} |
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get, daß der Cörper im Stande sey, sich wider
die Kälte zu schützen; so muß solches nur auf
einen gewissen Grad derselben eingeschräncket
werden: Denn wenn die Kälte gar zu übermässig
ist, so überwindet sie die Kräffte und den
Widerstand unsers Cörpers, und ist vermögend,
denselben so gar zu tödten. Es kan dergleichen
tödtlicher Ausgang so wohl plötzlich, als allmählich
erfolgen. |
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Im ersten Falle entstehet der
Tod vermittelst
der schleunigen Gerinnung, und des daher
flüssenden Stillestandes des Blutes in der Lunge,
wie bereits oben gesaget worden. |
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Im letzten Falle träget sich der Tod auf
folgende Art zu: Die Kälte würcket an den
äusserlichen Theilen eine Zusammenschnürung,
verdicket die daselbst befindlichen Säffte, und
treibet dieselben nach den innerlichen Theilen
zurücke; die verstärckte Arbeit des Hertzens und
der Gefässe aber erhält das in den innerlichen
Theilen angehäuffte Blut in proportionirter
Flüßigkeit und lebhafften Umlauff. |
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Wenn aber die Winter-Kälte entweder an sich
zu strenge ist, oder man wird genöthiget, sich gar
zu lange in derselben aufzuhalten; so muß
nothwendig die Zuschnürung der äusserlichen
Theile nicht nur immer stärcker werden, sondern
auch immer tiefer dringen, und das Blut wird
immer häuffiger zu den innerlichen Theilen
hingetrieben, bis endlich desselben Anhäuffung in
den innerlichen Gefässen die natürlichen
Grentzen übersteiget. |
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In diesem Zustande behalten zwar das Hertz
und die Pulsadern anfänglich noch Vermögen
genung, daß empfangene, obgleich häufigere Blut
wieder fortzutreiben; die Blutadern aber, da sie
natürlicher Weise nicht so viel Kräffte und
Nachdruck besitzen, müssen endlich der Gewalt
weichen, sie werden von dem übermäsig
angehäufften Blute, welches sie nicht zu hurtig
weiter bringen können, über die Gebühr
aufgetrieben, erweitert, und mit einem Worte, es
entstehen Stagnationen und Stockungen des
Blutes in denenselben. |
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Da es nun natürlich ist, daß diese Stockungen
in denenjenigen Theilen sich am ersten zutragen
müssen, die am weichsten sind, und zur
Forttreibung des Blutes durch die Gefässe am
wenigsten beytragen können, dergleichen
Eigenschafft man hauptsächlich an dem Gehirne
bemercket; so ist leicht zu begreiffen, warum bey
angezeigten Umständen die Stockungen des
Blutes sich am ersten im Gehirne ereignen. |
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Von den Stockungen des Blutes im Gehirn
aber erfolgen bekannter massen eine
Schläfrigkeit, ein würcklicher Schlaf, ein
Verlust
der
Sinnen, und eine Unempfindlichkeit, nachdem
die Stockung geringer, oder stärcker ist: ja, wenn
sich dieselbe so weit erstrecket, daß auch das
kleine Gehirne leidet; sowerden die daraus
entspringenden Nerven des Hertzens
geschwächet, die Verrichtung des Hertzens
vermindert, mithin muß der Umlauff des Blutes
immer langsamer und schwächer werden, und
endlich das Blut in einen gäntzlichen Stillestand
gerathen, woraus ein sanffter Tod erfolget. |
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Daß der Mensch auf solche Art am Frost
sterbe, erweisen die bey dergleichen Todesfällen
vorkommenden Umstände: Denn nachdem
derselbe bey strenger Kälte anfänglich eine
unangeneh- |
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{Sp. 903|S. 465} |
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me Empfindung erlitten, gefroren, gezittert
und gebebet; so legen sich endlich bey
fortdaurendem Froste alle diese gewaltsamen
Bewegungen, die äusserlichen Gliedmassen
werden stille, zugleich aber unbeweglich und starr,
und es überfällt den Cörper eine Schläfrigkeit, bey
welcher ihm sehr wohl zu muthe ist, und die ihm
so süsse vorkommt, daß er mit Freuden vollends
einschläfet, um so vielmehr, da er sich insgemein
des Schlaffes nicht einmahl erwehren kan. Dieser
Schlaff aber, wenn nicht in Zeiten Hülffe
geschaffet wird, bringet zur ewigen Ruhe. |
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Wenn man nun diese Begebenheit nach der
bisherigen Abhandlung erklären will; so wird der
Mensch bey der Kälte so lange zittern, beben, und
eine unangenehme Empfindung erleiden: so lange
die Zuschnürung an den äusserlichen musculösen
Theilen auch so beschaffen, daß eine
abwechselnde, obgleich verstärckte und ungleiche
Verrichtung an denenselben statt findet: so bald
aber die Zuschnürung dermassen zugenommen,
daß obgedachte Theile in eine tonische
Convulsion gerathen; so höret alle äusserliche
Bewegung auf, und die Glieder werden starr und
unbeweglich. |
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Wenn hierbey das Blut in so grosser Menge
zu den innerlichen Theilen getrieben wird, daß es
auf beschriebene Art in den Gefässen des
Gehirns zu stocken anfänget; so entstehet eine
Schläfrigkeit, bey welcher dem Menschen wohl
wird: weil theils durch die Zusammendrückung des
Gehirns von dem stockenden Blute, theils durch
die gleichmäßige und gäntzliche
Zusammenschnürung des äusserlichen Cörpers
die Empfindung und das Gefühl getäubet wird.
Bey zunehmenden Stockungen des Blutes in dem
Gehirne erfolget ein würcklicher Schlaf, welcher
um so viel fester wird, je mehr die Stockungen
überhand nehmen, und sich endlich in einen
sanfften Todt verwandelt. |
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Der andere Umstand, welcher bey dieser
Gelegenheit eine Aufmercksamkeit
verdienet, ist,
daß die Würckungen der äusserlichen Kälte an
dem menschlichen Cörper verschieden sind,
nachdem sich derselbe dabey in Ruhe oder in
Bewegung befindet. |
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Es ist eine im gemeinen Leben sehr bekannte
Sache, daß ein Mensch, der bey kaltem Wetter
stille sitzet, viel eher frieret und die Würckungen
der Kälte empfindet, als einer, der sich dabey
beweget. Frieren demjenigen, der auf einer Reise
bey der Kälte im Wagen stille sitzet, nicht gar bald
die Füsse, und hierauf der gantze Leib? da
hingegen der Fußgänger, wenn er gleich nicht so
warm angezogen, auch bey strengerer Kälte nicht
so leicht etwas vom Froste empfindet. |
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Und wenn man die Exempel der würcklich
Erfrornen in
Erwägung ziehet; so wird man
bemercken, daß die meisten davon in Ruhe
gewesen, und sich dabey dem Schlaffe ergeben,
daher auch schon der gemeine
Mann die
Regel
anzugeben
weiß, daß man bey strenger Kälte in
beständiger Bewegung bleiben, sich vor dem
Schlaffe aufs sorgfältigste in Acht nehmen, und zu
desto besserer Vermeidung desselben vor vielen
Brannteweine hüten solle. Warum frieren
diejenigen, die mit dem
Kopff und der Feder
arbeiten, und also stille sitzen, auch in
eingeheitzten Zimmern weit eher, als diejenigen,
so sich darinne bewegen? anderer
täglich vorfallender Exempel zu geschweigen. |
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Die |
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{Sp. 904} |
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Ursache hiervon wird man leichte einsehen,
wenn man aus dem vorhergehenden zum Grunde
setzet, daß die verstärckte Arbeit der festen Theile
den schädlichen Würckungen der Kälte
widerstehen. Wenn wir in Ruhe sind, so wird bey
der Kälte hauptsächlich nur die Arbeit der
innerlichen Theile, insonderheit des Hertzens
und der Gefässe verstärcket, und zwar vermöge
ihrer natürlichen Elasticität; wenn wir uns aber
dabey bewegen, so wird dadurch zuförderst auch
die Würckung der äusserlichen Theile und
Musceln verstärcket, welche sonst bey der Ruhe
durch die Kälte gewisser massen gehindert wird,
und folglich wird das Blut mit grösserem
Nachdrucke und Gewalt in dieselben und aus
denenselben zurück nach dem Hertzen getrieben,
mithin die Arbeit der innerlichen Theile, nebst dem
Umlauffe überhaupt noch stärcker gemacht, als
sie seyn würde, wenn sie bloß von der Elasticität
herrührete. Da also durch die Bewegung |
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1) |
der Umlauf des Blutes
auch in den äusserlichen Theilen in gehöriger
Ordnung und Lebhafftigkeit unterhalten wird; so
müssen sie warm bleiben, und es kan sich an
denenselben von der Kälte weder eine
Zusammenziehung, noch andere schädliche
Würckungen so leicht ereignen; |
2) |
Da die Arbeit der festen
Theile nicht nur an den innerlichen verdoppelt,
sondern auch an den äusserlichen vermehret
wird; so kan sich das Blut in den innerlichen
Theilen so leicht nicht anhäuffen, in keine
Stockung gerathen, mithin
mögen die angeführten
gefährlichen Folgen so leicht nicht
entstehen. |
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Es folget von sich selbst, daß, je strenger die
Kälte ist, je stärcker die Bewegung unsers
Cörpers, nebst der Arbeit der festen Theile, seyn
müsse, wenn wir uns der Kälte erwehren und
warm bleiben wollen. Allein, obgleich in unsern
Ländern der Frost nicht leicht so hefftig ist, daß wir
uns nicht solten durch hinlängliche Bewegung
dabey vor der Hand des Todes erwehren können;
so ist doch auch dabey anzumercken, daß
solches nur eine Zeit lang angehe. Denn wenn wir
uns gar zu lange in sehr strenger Winter-Kälte
aufhalten, und zu deren Überwindung die
Bewegung des Leibes beständig fortsetzen
müssen; so kan es endlich der Cörper nicht
aushalten, sondern muß auch bey der Bewegung
einen tödtlichen Ausgang erfahren. Kan man doch
bey temperirter Witterung eine starcke Bewegung
nicht gar zu lange aushalten: wie kan man es bey
einer strengen Kälte verlangen? |
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Es gehet natürlich zu, und man kan es sich
ohngefehr auf folgender Art begreifflich machen:
Wenn die Arbeit der Gefässe und der Umlauff der
Säffte sehr starck geschicht, so wird das Blut
dadurch gewaltig an einander gerieben, in Wasser
verwandelt, und ungemein subtilisiret; daher
schwitzet man auch bey der Kälte starck, wenn
man sich starck dabey beweget. Wenn solches
sehr lange anhält, entgehen dem Cörper zugleich
diejenigen Säffte durch deren Einfluß die festen
Theile ihre Arbeit verrichten, folglich wird derselbe
schwächer, und der Cörper matt. Je mätter der
Cörper, und je schwächer also dessen Widerstand
wird; je mehr nehmen die Würckungen der Kälte
zu, und daher müssen sich endlich ebenfalls
diejenigen gefährlichen und tödtlichen Folgen
ereignen, die wir vorhero angezeiget. |
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Gleichwie aber natür- |
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{Sp. 905|S. 466} |
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licher Weise ein Mensch mehr Kräffte
besitzet, als der andere, und daher auch stärckere
und längerer Bewegung ausstehen kan; also
fliesset hieraus von selbst, daß einer der Kälte
länger widerstehen könne, als der andere. Und
dieses führet uns zu der Betrachtung des dritten
Umstandes, nach welchen ein Mensch vor dem
andern die Würckungen der Winter-Kälte mehr
oder weniger empfindet, oder, wie man zu reden
pfleget, mehr oder weniger frösterlich ist. |
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Man bemercket diesen Unterschied nicht
allein in Ansehung gantzer
Völcker und Nationen;
sondern auch in Ansehung eintzelner Menschen.
Denn solchergestalt ist es zur Gnüge bekannt,
daß die Einwohner der kalten nordischen Länder
die Kälte weit besser vertragen können, als
diejenigen, so warme Gegenden bewohnen,
dergestalt, daß diejenige Witterung, welche von
letztern für kalt ausgegeben wird, bey erstern
noch warm heisset. |
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Wenn ein Spanier sich ein
Jahr durch in
Grönland aufhalten solte, so müste er den
gantzen
Sommer durch heisse Stuben haben, und
würde sich aus denenselben nicht so leicht an die
Lufft
machen, aus Furcht, Nase und Ohren zu erfrieren, da der Grönländer nicht einmahl
fühlet, daß es kalt ist. Und wenn im Gegentheil ein
Lappländer ein Jahr lang in Franckreich zubringen
solte, so würde er darauf schwören, daß er in
einem Lande gewohnet, da man von keinem
Winter was wüste, und darinne es beständig
Sommer wäre; ja er würde die Leute auslachen,
die sich daselbst auch bey dem kältesten Winter
etwas einheitzen liessen. |
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Je kälter das Land ist, je härter und
unempfindlicher hat die Natur die Cörper der
Einwohner dargegen gemacht, und desto mehr
äusserliche Mittel hat sie ihnen
verliehen, womit
sie sich schützen können, wenn die Kälte zu
starck sie wird. Darum hat Pohlen und Siberien
Peltzwerck in Überfluß, und die Italiener besitzen
statt dessen desto mehr Seidenwürmer, weil die
daraus verfertigten Kleidungen nöthiger sind, als
die Peltze. |
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Man siehet hieraus die Ursache, warum die
Veränderung der Himmelsgegend oder des
Landes bey dem Menschen so grosse
Veränderung hervorbringet, dergestalt daß einer
davon kranck wird, der andere aber seine
verlohrne Gesundheit dadurch wieder erlanget.
Wer
z.E. aus einem warmen in ein kälteres Land
kommt, der wird sich insgemein eine geraume Zeit
mit verschiedenen kräncklichen Beschwerden
schleppen müssen, welche insgesammt eine
verminderte Ausdunstung zum Grunde haben:
Und wenn ein Mensch in einem kalten Lande mit
solchen Kranckheiten befallen wird, die von einer
gehemmten Ausdunstung herrühren, und
hartnäckig sind, so wird er nicht geschwinder
davon befreyet werden, als wenn er sich in ein
wärmeres begiebet. Und solchergestalt ist es kein
Wunder, wenn gewisse langwierige Kranckheiten,
die in Rußland nicht haben gehoben werden
können, endlich in Paris geheilet werden;
ohnerachtet die Geschicklichkeit der Ärtzte in
beyden Ländern einander öffters
vollkommen
gleich ist. |
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Hiernächst aber ist auch die
Empfindung der
Kälte
verschieden in Ansehung eintzelner
Personen; denn ein jeder wird wissen, daß |
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{Sp. 906} |
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an einem Orte, wo einerley Grad der Kälte
vorhanden, einen mehr frieret, und mehr
Beschwerde davon empfindet, als der andere.
Woher dieses komme, wird aus der bisherigen
Abhandlung zum Theil gar füglich erkläret werden
können. Denn da die Arbeit der festen Theile das
Mittel ist, welches unsern Cörper bey der Kälte
warm erhält, und die sonst daher rührenden
Beschwerden abwendet; so folget unstreitig, daß
diejenigen Menschen die Kälte am besten
vertragen, und das wenigste davon empfinden
müssen, bey welchen natürlicher Weise die
Verrichtung der festen Theile, nebst dem davon
abhangenden Umlauffe des Blutes, starck und
lebhafft geschicht, und da folglich die Säffte auch
in den äussersten Theilen frisch herumgetrieben
werden. |
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Dergleichen Beschaffenheit des Cörpers
setzet zuförderst eine gute Gesundheit zum
Grunde, und man bemercket dieselbe
hiernächst |
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a) |
überhaupt bey den
Einwohnern kalter Länder, als welche insgemein
nach Proportion einen derberen, dichtern und
stärckern Cörper, nebst einem lebhafften Umlauffe
besitzen. |
b) |
Bey den so genannten
hitzigen Naturen, bey welchen die Verrichtung der
festen Theile mit einiger Hefftigkeit
geschicht. |
c) |
bey starcken und
arbeitsamen Personen, bey welchen man zwar
keinen so gar hefftigen und geschwinden Umlauff,
sondern vielmehr einen langsamen Puls antrifft,
und sie daher unter die trägen und
phlegmatischen Naturen rechnet, da hingegen die
Langsamkeit ihrer Handlungen nicht allein mit
mehreren Nachdrucke und Kräfften begleitet,
sondern auch von längerer
Dauer
ist. |
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Aus diesem Grunde wird man ferner einsehen
können, warum kränckliche, entkräfftete und zarte
Cörper,
Kinder vor Erwachsenen,
Frauenzimmer
vor Mannspersonen, kalte Naturen, und alle, die
natürlicher Weise einen schwachen Puls haben,
insbesondere, die viel sitzen, und fast keine
Bewegung geniessen, vor andern frösterlich sind,
und bey strenger Kälte auch leichter
erfrieren. |
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Man hat hiernächst hierbey sehr viel auf den
Grad der Wärme zu sehen, in welcher man sich
aufzuhalten,
gewohnt ist. Wir wollen so viel sagen:
Einem Menschen, der sich beständig in warmen
Kleidern einhüllet, und in sehr heissen Stuben
befindet, wird eine mäßige Kälte sehr empfindlich
fallen, und viele Beschwerden verursachen; da im
Gegentheil diejenigen, so nicht zu gar warm
angezogen, und sich nur in mäßig warmen Stuben
aufzuhalten gewohnt sind, viel grössere Kälte
ohne Beschwerde ertragen können. |
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Es ist dieses eine im gemeinen
Leben
durchgehends sehr bekannte
Sache, von welcher
wir noch eine und andere
Umstände anführen
wollen, deren
Ursache man hieraus wird ersehen
können. Solchergestalt giebet dieses |
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1) |
zugleich den
vornehmsten
Grund mit dar, warum die Einwohner warmer
Länder keine sonderliche Kälte vertragen können,
und es bey den Einwohnern kalter Gegenden sehr
kalt seyn muß, wenn sie sich über Kälte
beschweren sollen. |
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Denn da erstere
beständig in einer sehr warmen Lufft sich
aufhalten, und letztere nur eine mäsig warme, ja
gewisser massen gar kühle Lufft gewohnet sind;
so muß nothwendig der Grad der Kälte, den
letztere nicht achten, erstern sehr empfind- |
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{Sp. 907|S. 467} |
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lich vorkommen.
Gleichwie man aber durch die
Gewohnheit
gewisser massen fast alles zu zwingen im Stande
ist; also kan man auch durch dieselbe ein
ungewohntes Land endlich mit Bestand der
Gesundheit ertragen lernen. Wenn ein Italiener,
zumahl von zärtlicher Leibes-Beschaffenheit in ein
kaltes Land kommt; so wird er das erste, auf wohl
etliche der erstern Jahre zittern und beben, wenn
er sich aus seiner Stube in die Lufft machen soll,
ja er wird mehrentheils allerhand kränckliche
Zufälle erleiden. Mit der Zeit aber wird sein Cörper
den in selbigem Lande gewöhnlichen Grad der
Kälte gewohnt werden, und alsdenn wird es ihm
nicht mehr so kalt vorkommen. |
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Die Kranckheiten, die
bloß vom veränderten Lande herrühren, wird man,
ohnerachtet der kostbarsten und bewährtesten
Artzney-Mittel, selten eher mit Bestand heben
können, als bis der Cörper der Lufft gewohnet
worden, da sie denn von selbst vergehen. Man hat
es unter andern an derjenigen Art der Krätze bey
sehr vielen gesehen, welche aus einem etwas
wärmern in ein kälteres Land gerathen, und ihre
Lebensart haben verändern müssen; man hat
ihnen die besten Scharbocks- und blutreinigenden
Mittel und Bäder in Überfluß geordnet; und sie
dennoch von diesen beschwerlichen Übel nicht
befreyen können, als nach Jahr und Tag,
nachdem sie die neue Lufft und Lebensart
gewohnet worden. |
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2) |
Wenn
vornehme und
zumahl zärtliche Personen im Winter durch ein
Dorf
reisen, und sehen, wie gantz junge Kinder
von 3 bis 4 Jahren in blossen Hemden, mit
blossen Füssen und Köpffen auf den Strassen im
Eisse und Schnee lustig und munter herum
springen, und über nichts weniger, als Kälte
klagen, ob ihnen gleich bisweilen das Angesicht
und die Hände kirschbraun aussehen, und die
Fußsohlen so gar mit Eiß überzogen sind; so
wollen sie sich todt wundern, da es ihnen
beschwerlich und empfindlich ist, wenn sie nur die
Wagenfenster aufmachen, und die äusserliche
Lufft an sich lassen sollen. |
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Warum? Die
gnädige
Frau sitzet in einem überall fest zugemachten
Wagen, und ist mit Kleidern, Fußsäcken und
Peltzen dermassen eingehüllet, daß sie darunter,
wo nicht schwitzet, dennoch über und über warm,
ja heiß ist; daher würcket bey ihr die Kälte eine um
so viel grössere Zusammenziehung und
peinlichere Empfindung, je schwächer zugleich,
vermöge der natürlichen Leibes-Beschaffenheit,
die Verrichtung ihrer festen Theile, und der
Umlauff ihrer Säffte ist. |
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Hänßgen aber, ob er
gleich klein und jung ist, hat einen Cörper, der
nach Proportion derber und dichter ist, als der
zarte Leib der gnädigen Frau; und er ist gewohnet,
ohne sonderliche Bedeckung des Leibes, sich in
solcher Kälte aufzuhalten. Wenn die gnädige Frau
ihr liebes Kindgen von 3 oder 4 Jahren, welches in
dem Winter bey leibe nicht aus der warmen Stube
kommen darff, in den weichsten und wärmsten
Betten liegen muß, und beständig in warme
Kleidung eingehüllet ist, einmahl so bloß wie
Hänßgen auf der Strasse solte herum kriechen
lassen: müste es nicht in kurtzer Zeit
erfrieren? |
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3) |
Der
Anfang des Frostes,
welcher des Winters einfället, ist allen Menschen
am empfindlichsten, weil |
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{Sp. 908} |
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man einer warmen Lufft
gewohnet ist; wenn aber der Frost etliche Tage
oder
Wochen angehalten, fället er uns nicht mehr
so beschwerlich, weil alsdenn unser Cörper
bereits der kalten Lufft gewohnet worden. Man
siehet daher, warum diejenigen
Jahreszeiten am
verdrüßlichsten und zugleich ungesundesten sind,
in welchen sich öfftere und schleunige
Abwechselungen von warmer und kalter Witterung
ereignen; und warum im Gegentheil der Winter am
gesundesten, darinne die Kälte nicht auf einmahl
ausbricht, sondern gelinde anfänget, allmälich und
stuffenweise zunimmt, eine Zeitlang anhält, und
auf solche Art nach und nach wieder
abnimmt. |
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4) |
Warum heisse Stuben
des Winters zu Flüssen, Ausschlägen und andern
Kranckheiten Gelegenheit geben? davon kan
unter dem Artickel:
Stube, im XL
Bande,
p. 1156
u.f. nachgelesen werden. |
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5) |
Wie ferne kan man aber
von Peltzwerck sagen, daß es Flüsse nach sich
ziehe? Das Peltzwerck an und für sich selbst thut
es freylich nicht; sondern die überflüßige Wärme
die es unserm Cörper zuwege bringet, wodurch es
denselben in eine übermäßige Empfindlichkeit
setzet, dergestalt, daß daher durch die geringste
Kälte, eine schädliche Zusammenziehung der
Haut, wie auch eine verminderte Ausdunstung
hervorgebracht, und folglich zu Flüssen
Gelegenheit gegeben wird. |
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Man wird daher in sehr
kalten Ländern, wo alle Menschen in Peltzwerck
bey strenger Kälte eingehüllet sind, keinen
Schaden empfinden: Warum? weil es daselbst zur
höchsten
Noth
gebrauchet wird, und dem Cörper
keine überflüßige Wärme, sondern nur einen
solchen Grad der Wärme zuwege bringet, welche
der dasigen Kälte proportioniret ist, und den wir in
unsern Ländern mehrentheils, wenn es nicht gar
zu kalt ist, durch andere gewöhnliche Kleidung
erlangen können. Uns thut das Peltzwerck
ebenfalls keinen Schaden, wenn wir uns dessen
zu rechter Zeit, das ist, bey sehr strenger Kälte
bedienen; wenn man sich aber beständig, auch
bey geringer Kälte daran gewöhnet hat; so bringet
es mit den gar zu heissen Stuben einerley
Würckung zuwege. |
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6) |
Diejenigen
Theile unsers
Leibes, welche nach der eingeführten Gewohnheit
nicht mit Kleidern bedecket, sondern der
unmittelbaren Berührung der äusserlichen Lufft
beständig ausgesetzet sind, werden auch in der
Kälte nach Proportion bey weitem so viel
Empfindung und Schaden nicht erleiden, als
diejenigen, so beständig bedecket sind, wenn man
sie bey der Kälte bloß machet. |
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Warum können wir
solchergestalt am Angesichte und Händen, ohne
sonderliche Beschwerde, einen ziemlichen Grad
der Kälte ertragen, die uns sehr empfindlich fallen
würde, wenn wir einen andern Theil des Leibes
derselben bloß darstellen solten? Wer sich
angewöhnet hat, des Winters und Sommers mit
entblöstem Haupte zu gehen, der wird auch bey
der Kälte keine sonderliche Ungemächlichkeit
daran empfinden; da im Gegentheil ein anderer,
der gewohnet ist, seinen Kopff beständig sehr
warm zu halten, und in Mützen, ja in Kopff-Küssen
und Feder-Betten einzuhüllen, die
schmertzhafftesten und gefährlichsten Zufälle
davon träget, wenn er sich einmahl mit blossem
Kopffe in eine, auch nur mäsige |
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{Sp. 909|S. 468} |
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Warum kan ein zartes
Frauenzimmer, das übrigens ziemlich frösterlich
ist, mit entblöster Brust die Kälte vertragen, die
einer Mannsperson, wenn sie auch noch so
starck, gesund und frisch ist, ungemein peinlich
vorkommen würde, wenn dessen Brust entblöset
werden solte? Wer Handschuh zu tragen
gewohnet ist, dem wird bey Weglassung
dererselben in der Kälte weit mehr an die Hände
frieren, als einen andern, der beständig mit blosen
Händen herum gehet; mehrere Exempel zu
geschweigen. |
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Diesemnach bestehen die Würckungen der
Kälte hauptsächlich darinnen daß dadurch die
Säffte verdicket, und nach den innerlichen Theilen
zurück getrieben, die festen Theile aber theils
zusammengezogen und zugeschnüret, theils aber
auch in eine stärckere Arbeit gesetzet werden:
und daß sich diese Würckungen in verschiedenem
Grade äussern, theils nachdem der Mensch dabey
in Ruhe oder Bewegung, theils auch nachdem der
Umlauf lebhafter, oder schwächer, und man mehr
oder weniger gewohnt ist, sich warm zu halten;
wie wir bisher ausführlich gezeiget haben. |
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Eine mäßige und gelinde Kälte wird uns nach
Proportion nicht so leichte
Schaden zufügen,
wenn wir uns bey derselben nach gehöriger Art
aufführen: immittelst kan man dennoch von
derselben nicht behaupten, daß sie zu Erhaltung
der Gesundheit nothwendig sey, als welches
eigentlich nur von einer mäßigen Wärme gesaget
werden kan. |
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Man pfleget zwar gemeiniglich von einer
kalten, zugleich aber hellen, klaren und reinen
Lufft vorzugeben, daß sie gesund sey, und
muntere frische Leute mache; allein obgleich eine
kalte Lufft allerdings frische und muntere Leute
machet, so kan sie dennoch an und für sich selbst
für platterdings gesund nicht ausgeschryen,
sondern nur gewisser masen dafür gehalten
werden, in so ferne sie nemlich rein, und mit
keinen schädlichen Dünsten angefüllet ist, da sie
denn nach Proportion gesunder ist, als eine kalte,
zugleich aber feuchte, schwere, grobe, und mit
allerhand Unreinigkeiten angefüllte Luft. |
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Hierwieder kan aber doch folgender Einwurf
gemachet werden: Wenn es im Winter etliche
Wochen hinter einander frieret; so bemercket man
eben keine sonderlichen Kranckheiten, sondern
die meisten Menschen bleiben dabey so frisch,
munter und gesund, als bey einer temperirten
Witterung. Hingegen pflegen sich die
Kranckheiten alsdenn erst häuffig einzufinden,
wenn das kalte Wetter auf einmahl abschläget,
und sich in nasses Thauwetter verwandelt; oder
auch, wenn die Kälte nicht beständig ist, sondern
mit gelinder und nasser Witterung öfters
abwechselt. |
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Da also bey einer beständigen und
anhaltenden Kälte keine sonderliche Witterungs-Kranckheiten entstehen; so scheinet es eine
natürliche Folge zu seyn, daß eine kalte Luft an
und für sich selbst, so wenig als eine temperirte,
für ungesund gehalten werden könne. Allein, wir
antworten hierauf mit wenigem: |
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1) |
[1]welcher gestalt zwar
allerdings zuzugeben, daß eine schleunige und
öftere Abwechselung eines kalten, insonderheit
zugleich nassen und warmen Wetters, mehrere
und schlimmere Kranckheiten zuwege bringe, als
eine anhaltende Kälte, und daß man, in Ansehung
des erstern, eine kalte Luft mit Grund gesund
nennen könne. Immittelst ist es |
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[1] |
HIS-Data: fehlende Nummerierung eingefügt |
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{Sp. 910} |
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von einer mäßigen Kälte
zu verstehen: denn wenn dieselbe sehr strenge
ist, und lange anhält, so lehret die Erfahrung, daß
sie ebenfalls zu verschiedenen Kranckheiten, ja
zu schnellen Todesfällen Gelegenheit giebet, um
so viel mehr, da man bey derselben sehr warme
Stuben suchet, und weil man darinne nicht
beständig bleiben kan, sich den schleunigen
Abwechslungen in der Hitze und grosser Kälte
aussetzet. |
|
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|
|
|
|
3) |
eine mäßige Kälte lange
anhält, so ist sie uns zwar erträglich, und nicht
ungesund; jedoch nicht an und für sich selbst,
sondern nur alsdenn, wenn wir uns bey derselben
gehörig aufführen. |
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Wir müssen uns auch bey einer mäßigen
Kälte entweder durch eingeheitzte Stuben oder
wärmere Kleidung, oder stärckere Bewegung
warm erhalten, und die schädlichen Würckungen
dadurch abwenden, welche sie bey
Verabsäumung oder Unterlassung eines von
diesen dreyen Hülffsmitteln ohnfehlbar äussern
würden. Setze sich einmahl auch der Gesundeste
in der Kleidung, die er bey temperirter Witterung
zu tragen pfleget, bey solcher Kälte in die strenge
Luft stille nieder, und bleibe 12 oder 24
Stunden
so sitzen; wird er wohl gesund bleiben? Wie kan
man also eine Luft an und für sich selbst gesund
nennen, die uns kranck machen, ja tödten kan,
wenn wir uns nicht der darwider dienlichen
Hülffsmittel bedienen? |
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Wenn immittelst ein hypochondrischer und
mit peinlichen Einbildungen geplagter Cörper sich
hieraus die Regeln machen will, er dürffe bey
einer mäßigen Kälte bey leibe nicht sein warmes
Zimmer verlassen, damit der beständig in einer
temperirten Lufft bleibe, so
irret er sich. Unser
Cörper ist so
gebauet, daß wir mäßige
Ausschweifungen von der Kälte so wohl als von
der Wärme ohne Schaden der Gesundheit
ertragen können, wenn wir uns nur nicht gar zu
lange darinne aufhalten. |
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Die Kälte thut demnach unserer Gesundheit
würcklichen Schaden: |
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1) |
Wenn sie gar zu strenge
ist, und insbesondere, wenn sie plötzlich einfället:
Denn solcher gestalt lehret die Erfahrung daß wir
auch eine grosse Kälte ohne sonderlichen
Schaden der Gesundheit weit eher vertragen
können, wenn sie nach und nach zunimmt, als
wenn sie auf einmahl ausbricht; und die Ursache
davon wird aus dem vorigen erhellen: weil wir
nemlich in solchen Fällen einer kältern Luft
allmälich gewohnet werden, und uns folglich die
noch kältere nicht so empfindlich vorkommt, als
wenn wir bey deren plötzlichen Ausbruche einer
wärmern genossen. |
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2) |
Wenn sie zwar mäßig ist,
wir uns aber ohne hinlängliche Bedeckung des
Leibes gar zu lange darinne aufhalten müssen;
und |
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3) |
wenn sie zu ofte und zu
schleunig mit warmer, zumahl feuchter Witterung
abwechselt. |
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