HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Reisen, das Reisen [3] HIS-Data
5028-31-366-5-03
Titel: Reisen, das Reisen [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 31 Sp. 380
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 31 S. 203
Vorheriger Artikel: Reisen, das Reisen [2]
Folgender Artikel: Reisen, nennen die Hallorum
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

vorhergehender Text  Teil 2 Artikelübersicht  

Übersicht
Reisen von Fürsten
Gebräuche der Alten
Recht
Literatur

Stichworte Text  Quellenangaben 
Reisen von Fürsten Was ins besondere das Ceremoniel betrifft, welches bey den Reisen Fürstlicher Herrschafften zu beobachten ist; so ertheilet gleichfalls der geschickte Herr von Rohr in der Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der grossen Her-  
  {Sp. 381|S. 204}  
  ren … davon eine ausführliche Nachricht.  
  Nemlich es geschiehet bißweilen, daß die Landes-Regenten, theils ihres Vergnügens, offtmahls aber auch ihres Beruffs und der unvermeidlichen Angelegenheiten des Landes halber, in auswärtige Provintzen eine Reise antreten. Bevor solches geschicht, pflegen diejenigen Fürsten, so nicht vollkommen en Souverain regieren, ihren Reichs-Ständen, oder denjenigen Collegiis und Versammlungen, so dieselben vorstellen, als in Engelland den Parlaments Häusern, einige Nachricht davon zu ertheilen, und auf gewisse Masse, wenn dergleichen etwan den Pactis Conventis, Capitulationen, oder Fundamental-Gesetzen des Reichs gemäß, nach Anführung der Motiven, so sie zu dieser Reise bewegen, ihre Einwilligung auf gewisse Masse zu verlangen.  
  Also ist in der neuen Königlich-Schwedischen Regierungs-Forme, so von den Reichs-Ständen 1719 publicirt worden, §. 10. ausgemacht, daß die Könige ohne Einwilligung und Genehmhaltung der Stände, nicht aus dem Reich, noch ausser desselben Gräntzen reisen sollen.  
  Bevor sie die Reise antreten, tragen sie die Regierung des Landes, entweder einem von ihren Printzen, oder sonst iemand von den Fürstlichen Anverwandten auf, der im Namen ihrer alles besorget, und verweisen mündlich und schrifftlich alle Bediente und Unterthanen, die bey Hofe etwas zu suchen haben, an diejenigen, die sie in ihrer Abwesenheit zu Landes-Regenten bestellet.  
  Als Fürst Wolfgang von Anhalt 1517 ihm eine Reise ausserhalb Landes vornahm, so ersuchte er Frau Margarethen, Fürst Ernsts von Anhalt Gemahlin, daß sie geruhen möchte, bey seiner Abwesenheit die Administration seiner Lande zu führen, sie weigerte sich auch dessen im geringsten nicht, und schrieb mit eigener Hand die schertzhaffte Antwort zurück: Weil mir Eure Liebden die Haushaltung anbefehlen, so will ich gern als ein alter Ketten-Hund bellen, soviel ich kan, es mag lauten, wie es will.  
  Wo es sich aber nicht thun läßt, daß sie die Regierung einem von ihren Fürstlichen Anverwandten anvertrauen, so benennen sie gewisse Räthe und Minister, die in ihrem Namen, und nebst Communication mit den Reichs- oder andern Ständen, bey wichtigen Angelegenheiten alles expediren; sie reserviren sich aber hierbey gewisse Puncte, und befehlen ihnen an, daß sie bey diesen alles mit ihnen überlegen, und nichts ohne ihre Genehmhaltung, es müste denn summum periculum in mora seyn, entschlüssen solten.  
  Vor der Reise erwählen sie diejenigen Cavaliere und anderer Bediente, die sie auf die Reise mitnehmen wollen, und reguliren, nachdem sie entweder öffentlich ihrem Stande gemäß, oder, wie es mehrentheils zu geschehen pflegt, incognito reisen wollen, oder nach den unterschiedenen Endzwecken, die sie sich bey ihrer Reise vorgesetzt, eine grössere oder kleinere Hoffstatt.  Uber diejenigen Bedienten, so über die Pferde und Wägen gesetzt, nehmen sie,  
 
  • zur Besorgung ihrer Seele, einen oder mehrere Reise-Prediger zu sich;
  • zur Besorgung ihrer Gesundheit einen Leib-Medicum,
 
  {Sp. 382}  
  Reise-Apothecker, und Reise-Balbier;  
 
  • zu Erhaltung ihres Leibes die Bedienten, die bey der Küche und Kellerey nöthig;
  • zum Staat einen Reise-Marschall, oder Reise-Stallmeister, nebst einen oder zwey Cammer-Junckern,
  • und zur Aufwartung einige Pagen, Cammer-Diener und Laquais, vor allem aber einen Reise-Fourier.
 
  Nachdem sie nun von ihren Fürstlichen Anverwandten, und von ihren Ministres Abschied genommen, so treten sie im Namen Gottes ihre Reise an, nach dem Plan, den sie sich vorher gemacht, damit sie zum Mittag und Abends diejenigen Örter erreichen, die sie sich zur Mittags-Mahlzeit, und zum Nacht-Lager ausersehen. Der Reise-Fourier muß allezeit voraus gehen, damit sie aller Orten, so wohl die benöthigten Post-Pferde, als auch sonst gute Anstalten finden mögen.  
  Wo in ihren eigenen Landen die Wege, entweder zur Winters-Zeit wegen des Schnees impracticable worden, oder auch sonst übel und gefährlich zu paßiren sind, so befehlen sie ihren Beamten an, daß die Bauern die Wege ausbessern, die Brücken repariren und alles auf den Strassen, soweit die Gräntzen ihres Reichs und ihres Gebietes gehen, in guten Stand setzen.  
  Sie lassen sich so wohl in ihrem eigenen Lande, als in fremden Ländern gnädig gefallen, auf geschehene Invitation, bey denenjenigen einzusprechen, die weit geringer sind, als sie, und sind mit der höflichen Bewirthung, die ihnen ein jedweder nach seinem Vermögen leistet, gar wohl zufrieden.  
  Die höchsten Häupter der Welt statten nicht allein bey ihrer Durchreise, zur Bezeugung ihrer Gnade, bey manchen Printzen und Grafen einen freundschafftlichen Besuch ab, sondern kehren auch wohl nur bey manchem von Adel ein, um ihr Mittags-Mahl bey ihm einzunehmen, oder ihr Nacht-Lager in seinem Hause zu halten. Bey ihrer Abreise, pflegen sie gemeiniglich diejenigen, so sie bewirthet, auf das reichlichste zu beschencken.  
  Die Römisch-Catholischen Fürsten pflegen auf ihren Reisen gern in den Klöstern einzukehren, und so wohl die Marien-Bilder, als auch andere Heiligen, vor die sie etwan eine besondere Veneration haben, oder denen sie ein Gelübde gethan, mit Gold, Silber und Kleinodien zu regaliren. Gleichwie sie gemeiniglich auf Reisen in vielen Stücken ihrem Fürstlichen Splendeur ein wenig renunciren, so lassen sie viel leichter, als bisweilen in ihrem eigenen Lande, manche Fremde, insonderheit aber die Cavaliere und Dames, zum Hand-Kuß.  
  Bisweilen reisen sie andern Fürstlichen Residentzen so weit aus dem Wege, als sie können, wo entweder ihre Reise sehr pressant ist, und sie daselbst einigen Aufenthalt vermuthen, oder wo sie wegen des Rang-Ceremoniels streitig, oder sonst mit derselben Herrschafft in keinem guten Vernehmen stehen, und also keinen recht angenehmen Blick vermuthen. Wo sie es aber nicht ändern können, so reisen sie zwar durch, aber nur incognito, lassen sich bey Hofe nicht melden, und schicken auch keinen Cavalier nach Hofe, um ein Compliment daselbst bey der Herrschafft abzulegen.  
  Ausser  
  {Sp. 383|S. 205}  
  dem aber, wo sie bey einer Fürstlichen Residentz anlangen, schicken sie einen Cavalier zu der fremden Herrschafft, lassen sich durch ein Compliment ihres Zustandes erkundigen, ihre Ankunfft zu wissen thun, und sich entweder durch den Cavalier bey der Herrschafft anmelden, oder entschuldigen, daß ihre eilfertige Reise nicht verstatten wolte, daß sie ihnen ihre Schuldigkeit bezeugen, oder ihren Besuch bey ihnen abstatten könnten. Die Herrschafft derselben Residentz läst hierauf durch einen von ihren Cavalieren ein Gegen-Compliment machen, und sie entweder auf das höflichste zu sich laden, oder lassen sie doch in dem Wirths-Hause oder Post-Hause, wo sie abtreten, mit ihrer gantzen Hofstatt frey halten; und wo dieses nicht geschicht, schicken sie ihnen doch aus ihrer Fürstlichen Küche und Kellerey, mancherley Delicatessen, an Speisen und Geträncken zu. Bisweilen fahren sie auch selbst zu ihnen vom Schloß herunter, und geben ihnen eine kurtze Visite.  
  In Italien ist es mehrentheils gebräuchlich, daß fremde durchreisende Printzen von andern Fürsten, oder auch von Republiquen und Städten mit raren Weinen, Confituren, und mancherley Arten frisches Obstes regalirt werden. Und wenn die Fürsten in Deutschland durch die Reichs-Städte oder andere ansehnliche Städte paßiren, so werden sie nach einer alten hergebrachten Gewohnheit gemeiniglich von dem Magistrat mit dem Ehren-Wein, mit Hafer, und mit gewissen raren Fischen, als Forellen, u.s.w. beschencket.  
  Wenn andere Fürsten den Durchreisenden besondere Höflichkeit erzeigen wollen, so befehlen sie den Gouverneuren und Commendanten der Städte und Vestungen an, daß sie dieselben nicht allein becomplimentiren, sondern auch bey ihrer Ankunfft und Abreise, mit Stücken salutiren müssen. Es werden ihnen zu Ehren vor ihre Quartiere, in denen sie logieren, Wachen gesetzt, und die Militz aller Orten beordert, daß sie ihnen Parade machen, und nach Soldaten-Manier diejenige Ehre erzeigen müssen, die sie ihrer eigenen Herrschafft zu erweisen pflegen.  
  Haben die Durchreisenden etwa unsichere Wälder, oder andere schlimme Gegenden zu paßiren, so werden einige von der Militz oder Jägerey befehliget, daß sie dieselben begleiten müssen, es wird ihnen auch wohl zu ihrer Ehre und Sicherheit eine eigene Escorte durch das gantze Land mit gegeben, die Bauern werden allenthalben aufgeboten, um die bösen Wege, so die fremde Herrschafft treffen würde, auszubessern.  
  Wenn sie die Gräntzen eines Landes, dessen Regent ihnen so viel Höflichkeit auf ihrer Reise angethan, verlassen, so lassen sie sich entweder durch ein abgelassenes Schreiben, oder durch einen von ihren Bedienten, den sie zurück schicken, bey dem Besitzer des Landes auf das freundlichste vor dieses civile Tractament bedancken.  
  Begeben sich gekrönte Häupter oder andere grosse Printzen auf die Flotten, die sie anderwärts hin begleiten müssen, zu Wasser, so werden aus den Städten und Castellen alle Canonen gelöset, und eben dieses thut man auf der gantzen Flotte, wenn der Fürst in  
  {Sp. 384}  
  sein Leib-Schiff steigt. Es werden Schiffe voraus geschickt, den benöthigten Piloten zuzurufen, damit sie sich vor die Sand-Bäncke in Acht nehmen, auch sich zugleich ihrer zu nähern Anländung bedienen zu können. Derjenige Matrose, so auf den grösten Mastbaum steigt, und das Land zuerst entdeckt, wird von dem grossen Herrn beschenckt. Wenn sie anländen, werden sie von den Castellen und allen Schiffen des Ufers salutiret, worauf nachgehends, von des Fürsten-Haupt-Leib-Schiff, und folgends von der gantzen Flotte gedancket wird.  
  Ist nun die Ankunfft eines grossen Printzen dem Herrn des Landes und des Volcks höchst erwünscht und angenehm, so kommt er ihm mit dem meisten Theil seiner Hoffstatt auf Schiffen entgegen, die Matrosen sind alsdenn auf das prächtigste gekleidet, auf dem Haupt-Schiff steckt eine vortreffliche Standarte, und an dessen Vordertheil lassen sich Trompeter hören. Andere von den Grossen des Landes kommen ebenfalls entgegen, lagern sich um das Leib-Schiff, und ruffen vielmahls mit dem am Ufer stehenden Volck ein höchst erfreuliches Vivat, Vivat aus.  
Gebräuche der Alten Was die Gebräuche der Alten bey ihren unternommenen Reisen anlanget; so haben sich die Reisenden die Haare wachsen lassen, biß sie wiederum nach Hause kamen. Drum wird erzählet, daß der Osiris, als er den gantzen Erdboden durchreiset, sich entschlossen, kein Haar abzuscheren, biß er wiederum in sein Vaterland kommen würde. Natalis Comes Mythol. …
  Sie thaten auch ein Gelübde, daß, wenn sie wiederum nach Hause kommen würden, solche Haare Gott wiedmen wolten.
  • Turnebus Advers. …
  • Dempsterus ad Rosin. …
  Man opfferte auch nach vollbrachter Reise denen Göttern vor geleisteten Schutz und Errettung aus allerhand Gefahr. Plautus Milit. Glorios.
  An dem Orte, wo sie einkehrten, oder wohin sie reiseten, erzeigeten sie sich sehr davor gegen den Schutz-Engel oder Genium selbiges Ortes. Sonderlich aber opfferten sie nach zurück gelegter Reise der Göttin Fortuna, wie auch dem Hercules, Mercur, Sylvan, Neptun, Castor und Pollux, denen Diis magnis und Diis omnibus. Siehe
  • Saubertum de Sacrificiis
  • Pitiscum
Recht In denen Rechten wird von denen Reisenden gelehret, daß wenn jemand an Ort und Enden, da wenig Leute sind, als z.E. auf einem Schiffe oder auf der Reise, mit einer unversehenen und geschwinden Kranckheit befallen würde, und ein Testament machen wolte; ihnen nicht allein die sonst darzu erforderten Solennitäten, sondern auch die Anzahl derer Zeugen, nach vieler Rechts-Lehrer Meynung, bis auf zwey, nachgelassen werden.
  • Struv in Synt. Jur. …
  • Stryck de Testamento in itinere confecto, Franckfurt 1677.
  Siehe auch Testament (privilegirtes).  
Literatur Was endlich noch die vom Reisen handelnden Schrifftsteller anlanget, so erzehlen solche  
 
  • Struve in Bibl. Philosoph.
  • Acker in Supplement.
  • Arnd in Biblioth. politico-heraldic.
  • Berger in Disput. de prudentia
 
  Unter andern hat  
  {Sp. 385|S. 206}  
  Herr Treuer heraus gegeben Exercitationem politicam de licentia peregrinandi … 1720, davon die Acta Eruditorum besagten Jahres … zu lesen sind.  
     

vorhergehender Text  Teil 2 Artikelübersicht  

HIS-Data 5028-31-366-5-03: Zedler: Reisen, das Reisen [3] HIS-Data Home
Stand: 12. Juli 2013 © Hans-Walter Pries