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Zedler: Reisen, das Reisen [2] HIS-Data
5028-31-366-5-02
Titel: Reisen, das Reisen [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 31 Sp. 373
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 31 S. 200
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Stichworte Text  
Rohrs Regeln (Forts.)
51) Biß gegen den Wirth und seine Leute allezeit höflich und complaisant. Denn wo du grob bist, und schimpffest, steckt es wohl mancher ein, du kanst aber sicher glauben, daß du die Schimpff-Worte in der Rechnung mit bezahlen must. Ist dir etwas nicht nach deinem Sinne, erinnere solches lieber mit Glimpff, und drohe, daß du von ihm zühen wilst, welches ihm weher thun wird, als wenn du noch so sehr schmähest.
 
 
52) Du thust besser, daferne du eine Zeitlang in einer Stadt zu bleiben gedenckest, wenn du dir in einem Privat-Hause ein Zimmer miethest, und bald hier bald da speisest, als wenn du in dem Gasthofe dein Quartier nimmst.
 
 
53) Oder logirest du dich ja in ein Wirths-Haus ein, so speise an andern Orten, wo es wohlfeiler ist, daferne du Ursache hast zu menagiren.
 
 
54) Nimm dich in den Gast-Höfen in Acht, daß du nicht deinen Cofre, vielweniger das Zimmer offen stehen lässest, und wenn du nur gleich auf etliche Minuten aus einem Gemach in das andere giengest: denn es finden sich leicht böse Leute, welche sich dieser Gelegenheit zu bedienen wissen.
 
 
55) Hab allezeit ein gut Feuerzeug bey dir, und laß auch Baum-Öl brennen die Nacht durch, es kan dir solches offters an fremden Orten bey vielen Umständen sehr dienlich seyn.
 
 
56) Des Nachts verriegele deine Thüren inwendig, oder so du sie nicht verriegeln kanst, kauf dir eine Invention, damit du sie von innen verwahren und zumachen mögest.
 
 
57) Gib nicht denen Gastwirthen Commißion, dir Sachen einzukauffen, dafern du ihrer Treue und Redlichkeit nicht zuvor versichert bist. Denn du must vor ihre Willfährigkeit gemeiniglich mehr bezahlen, als die Sachen sonst kosten.
 
 
58) Ingleichen laß dir auch von ihnen nicht andere Sachen reichen, als Medicamente, u.s.w. so nicht zur Kost gehören, wie manche Leute zu thun pflegen. Denn sie rechnen alle diese Dinge viel höher an, als sie werth sind.
 
 
59) Prale nicht, dafern du nicht wichtige Raisons dazu hast, mit deinem Gelde, oder, so du von hohem Stand bist, mit deinem Character, denn das öfftere Herauszühen der mit Golde starck an gefüllten Bourse, und der Titel Excellenz und Gnaden, kostet dir die Mahlzeit gewiß mehr, als wenn du dieses unterlassen, sonderlich wo du nicht zuvor mit dem Wirth accordiret hast.
 
 
60)
 
  {Sp. 374}  
 
Stelle dich in den Wirths-Häusern so viel als möglich, wenn du zum ersten mahl wohin kommst, daß du an den Ort allbereits bekannt seyst. Denn da sie sehen, daß du gantz fremde bist, must du gemeiniglich in allen und jeden mehr bezahlen, als wenn sie hören, daß du der Art des Landes schon kundig.
 
 
61) Gegen das Haus-Gesinde, Knechte, Auffwärter u.s.w. biß nicht allzu karg, sondern verehre denselben bisweilen einige Discretiones. Sie können dir allerhand gute Nachrichten geben.
 
 
62) Dafern du in einem Lande die Sprache lernen wilst, so kehre nicht ein bey einem Wirth, der von deiner Nation ist, denn du wirst nicht allein selbst mit ihm deine Mutter Sprache reden, sondern auch stets Landes-Leute antreffen, und also die fremde Sprache nicht leichtlich lernen.
 
 
63) Lege dich in den Wirths-Häusern in kein Bette, wenn es nicht zuvor weiß überzogen, und führe allezeit ein paar leinene Unter-Kleider bey dir, die du anziehen must, daferne du nicht öffters grosse Incommodität haben wilst.
 
 
64) Hast du Gelegenheit in den Post-Häusern zu logieren, so bleib lieber in denselben: Denn du darffst deine Sachen nicht weit schaffen, wenn du kommst, und wieder fort wilst, und bist auch gemeiniglich in denselben sicherer, als in einigen Herbergen.
 
 
65) Denen Wirthen darffst du nicht allezeit trauen, wenn du dich bey ihnen nach dem Abgang der Posten erkundigest. Denn sie sagen nicht allezeit die ersten und nächsten Posten, damit sie die Reisenden desto länger bey sich behalten, sonderlich, wenn es an solchen Orten ist, da nicht gar viele Passagiere hinkommen, sondern frage lieber bey denen Postmeistern nach, und informire dich diesfalls aus denen Post-Charten.
 
 
66) Laß, wenn du in eine grosse Stadt kommst, dein erstes seyn, daß du dir derselben Beschreibung, Grundrisse, Prospecte, auch die Risse der principalesten Gebäude zulegest. Studire den Grundriß der Stadt, darinnen die Gassen, auch vornehmsten Gebäude nebst Kirchen und Klöstern richtig abgezeichnet, fleißig durch, und imprimire dir derselben Situation, so wirst du in drey Tagen bekannter darinnen seyn, und dich besser können zu rechte finden, als ein anderer, der so viel Wochen, oder gar so viel Monate sich darinnen aufgehalten, und keinen solchen Riß gehabt.
 
 
67) Die Fortificationen besiehe niemahls ohne dir darüber ausgebetene Erlaubniß, denn du sonst bisweilen vor einen Spion wirst gehalten werden, und leichtlich in Unglücke gerathen kannst.
 
 
68) In grossen Städten gehe in kein Haus, und sonderlich in engen Gäßgen, oder zu Abend, wenn du nicht gewiß weist, wer darinnen logiret, es sind viele in Hamburg, Amsterdam und andern Orten aus Unterlassung dieser Regel um Leib und Leben kommen.
 
 
69) Zu Abend, oder noch weniger zu Nacht, gehe nicht leichtlich aus deinem Quartiere, weil die bösen Buben gemeiniglich in grossen Städten denen Leuten nachstellen, und sie um das Ihrige bringen wollen.
 
 
70) Wilst du die notablen Sachen in einer Stadt besehen, so warte lieber, bis eine Compagnie zusammen ist: denn du bist sicherer, hast wegen des vielen Raisonnirens mehr Plaisir und Nutzen davon, und
 
  {Sp. 375|S. 201}  
 
kanst auch in Ansehung der Discretion wohlfeiler dazu kommen.
 
 
71) Daferne du ein Gebäude mit Nutzen zu sehen verlangst, so kauff dir desselben Grund- und Abriß und informire dich aus solchem von des Gebäudes Beschaffenheit, ehe du es selbst in Augenschein nimmst. Alsdenn wirst du nicht allein in einem solchen Hause bekannt seyn, und wissen, wie die Theile mit einander verknüpfft, sondern auch von dessen Vortrefflichkeit oder Fehlern besser urtheilen können. Und wer dieses mit vielen Gebäuden practiciret, macht sich geschickt, Risse von denselben zu verfertigen, und auch andere Gebäude, ohne in der Bau-Kunst unterrichtet zu seyn, anzugeben.
 
 
72) Diß, was hier von Gebäuden gesagt worden, kanst du auch auf andere Dinge appliciren, als auf Gärten, Wasser-Künste, Maschinen, u.s.w. von welchen Risse zu bekommen sind. Du hast bey dieser Materie nöthig, das VII Capitel des Hrn. von Rohrs Tractätgens von der Mathematischen Wissenschafften Beschaffenheit durchzulesen, und die darinnen vorkommende Erinnerungen in Acht zu nehmen.
 
 
73) Was du auf Reisen eigentlich besehen, oder vor Leute suchen und sprechen solst, kan man bey diesen allgemeinen Regeln nicht bestimmen, sondern dieses kommt auf die Beschaffenheit deines Beutels, deines Standes, und deiner Absicht an. Hast du Geld und Zeit genung, so besiehe alles, was an einem Ort vor denckwürdig gehalten wird; sonst aber nur dasjenige, welches dir zu deinem Zweck am dienlichsten ist.
 
 
74) Im Ausgehen trage allerhand kleine Müntz-Sorten bey dir, sonderlich wo du dich in Armen- Waysen- Gefangen-Häusern u.s.w. wilst herum führen lassen. Denn da wirst du gemeiniglich mit grosser Hefftigkeit von solchen Leuten um eine Gabe angeschrien. Hast du nun kein kleines Geld bey dir, so must du, um der Incommodität des vielen Anschreyens überhoben zu seyn, hergeben, was du hast.
 
 
75) Auf der Reise habe die Schreib-Taffel stets in Händen, darein du alle Tage aufnotirest, was du denckwürdiges siehest und hörest, mit wem du bekannt wirst u.s.w. auch alle Abende, ehe du zu Bette gehest, must du solches abschreiben. Du hast vielfältigen Nutzen von dieser Arbeit zu erwarten. Du kanst bey deiner Zurückkunfft andern guten Freunden mit den Nachrichten dienen, dich dessen nach langer verflossener Zeit mit Plaisir erinnern, wo du gewesen, wie es dir ergangen u.s.w. und erweisest auch, daß du mit Nutzen gereiset bist.
 
 
76) Melde dich, wenn du Höfe besehen wilst, erst bey dem Hof-Marschall, und laß dich, so du ein Cavalier bist, entweder durch ihn, oder durch einen andern Hof-Cavalier der Herrschafft präsentiren. Siehe zu, daß du von dem Fourier die Hof-Ordnung bekommst, und notire dir der vornehmsten Bedienten Gemahlinnen, Kinder, Güter, Vermögen, auch Besoldungen, u.s.w. darzu, mercke dir eines jeden Geschicklichkeit, Gelehrsamkeit, Characteres, nach der Anweisung des Herrn von Rohrs Tractats von Erforschung der menschlichen Gemüther. Untersuche die Neigungen der Herrschafft, wer der Mignon sey, ob es Factiones bey Hofe gebe, welche die stärckste
 
  {Sp. 376}  
 
sey, wie sie einander contrecariren. Erkundige dich nach denen Geburts- Vermählungs- und Sterbe-Tägen der Fürstlichen Herrschafften, und corrigire nach solchen deine Genealogische Tabellen, daß du sie accurat habest. Erforsche, ob der Fürst in der Religion, so er bekennet, eifrig sey, und etwas im Lande ändere, wenn die Unterthanen anderer Religion zugethan; ob er bey seinen Bedienten auf Meriten und Geschicklichkeit siehet, oder auf Reichthum, und nur diejenigen befördert, so galant Hommes sind, und einen ansehnlichen Staat machen können.
 
 
Frage nach, wie er gegen seine Nachbarn gesinnet, ob er dieselben suche zu drücken, und die kleinern Staaten über den Hauffen zu werffen, oder sie gegen andere beschütze; wie er sich aufführe gegen seine Vettern und apanagirte Printzen, wie starck eines jeden Apanage, ob ihnen dieselbe richtig gegeben werde, wie er sich bezeige gegen die Fürsten, von denen er einiger massen, wegen politischer Raisons, dependiret.
 
 
Informire dich, ob der Fürst Maitressen und natürliche Kinder habe, und wie er sich gegen dieselben erweise; ob er bey seiner Regierung mehr auf seine Caprice und eigenen Gefallen, als auf die Regeln des Rechten und Erbahren siehet; wie es mit der Succeßion beschaffen, und wie dieselbe reguliret, u.s.w.
 
 
77) Bey den Ministern erforsche, was ein jeder vor Principia hege, welcher von ihnen Studia oder guten natürlichen Verstand, beydes zusammen, oder aber keines von beyden habe. Auf was vor Art ein jeder zu der Charge gekommen, ob durch Meriten, welches gar zu selten zu geschehen pflegt, durch Heyrathen, daß er eines grossen Ministers Tochter geheyrathet, welche sonst vielleicht sitzen geblieben wäre, und da die Charge des Schwieger-Sohnes der Tochter zur Ausstattung dienen müssen? Ob sie einem Minister, der damals viel gegolten, Geschencke geben müssen, des Fürstens gewesene Maitresse geheyrathet, dem Fürsten Geld vorgeschossen, und an statt der Interesse oder wohl gar des Capitals eine ansehnliche Charge erhalten, mit einem Vornehmen des Hofs oder des Fürstens Maitresse befreundet, durch Expectantz darzu gelanget, u.s.w.
 
 
Ob sie in ihren Consiliis gute und unumstößliche Rationes geben können, oder nur was sagen, und wissen selbst nicht warum; ob sie auf das Interesse des Fürstens, des Landes, oder nur auf ihr eigenes sehen; ob sie geschickt sind, die Vota, die sie geben, selbst auszusinnen, oder ob gewisse Doctores, ihre Secretarii und andere ehrliche Leute die Boltzen darzu drehen müssen, die sie hernach verschüssen; in ihren Ämtern durch Länge der Zeit und Menge der Affairen erst lernen müssen, oder bey ihren Chargen die nöthige Capacität schon besitzen; Geschencke nehmen, oder ihrer Herrschafft treu und redlich dienen.
 
 
78) Du hast, wenn du dieses thust, und dir die Characteres des gantzen Hofes bekannt machst, vielfältigen Nutzen zu erwarten. Denn du kanst fundamentalement von dem gantzen Staat eines Hofes urtheilen, auch einem jeden, der darnach fraget, Nachricht geben, und wenn du solche Kundschafft eingezogen, bist du von der Beschaffenheit eines Hofes
 
  {Sp. 377|S. 202}  
 
bisweilen besser informiret, als ein anderer, der lange Zeit sich daselbst aufgehalten, und wohl selbst in Diensten stehet, sich aber nicht so genau hierum bekümmert.
 
 
Wilst du einst an so einem Hofe dein Glück machen, so weist du alle die Ressorts und Cänäle, an wen du dich zu adressiren habest oder nicht, auch wie du dich bey einem und dem andern aufführen solst, und recommendiren könnest. Es dienet dir auch zur Vorschrifft, daß du das Gute, so du bey etlichen gefunden, nachahmen, vor dem unanständigen aber dich hüten mögest. Ingleichen kanst du, wenn du einst von deinem Principal an diesen Hof geschickt wirst, und eines jeden Bedienten Stärcke und Schwäche weißt, in kurtzer Zeit deine Intriguen viel besser machen, als so du hierinnen unwissend wärest.
 
 
79) Notire die Gesetze, welche im Lande gelten, erkundige dich, ob einige ausländische im Werth sind, und in wie weit sie recipiret, ob sie von allen nöthigen Fällen Decisiones haben, oder nicht. Frage nach den Gewohnheiten und Observantzen eines jeden Orts, wie der modus procedendi beschaffen, ob sie die Sachen summarisch tractiren, oder lange Zeit naus spielen; Was ein jedes von den Justitz-Collegien zu thun habe, ob, und in welchen Fällen, sie einander contrair sprechen; was ein jedes sonderlich vor Principia und Hypotheses hat. Kauff alle Jagd- Kirchen- Schulen- Proceß- Gerichts- u.s.w. Ordnungen, Patente, Statuten u.d.g. ein, und untersuche dieselben nach den Regeln der Gerechtigkeit und der Klugheit. Erforsche die Pacta und Verträge, Leges Fundamentales, Capitulationes, Reversalien des Landes-Herrn gegen seine Unterthanen und Stände, wie auch die Rechten und Freyheiten derer Unterthanen, ob die Verordnungen wohl gehalten und exequirt werden, u.s.w.
 
 
80) Bey dem Öconomischen und Cammer-Wesen informire dich, wie hoch sich die Einkünffte des Fürstens, das Jahr über belauffen; ob die Einnahmen die Ausgaben übersteigen, dieselben zusammen gleich aufgehen, oder aber die Depensen noch stärcker als die Einnahmen, so, daß Schulden gemacht, und Ämter versetzt werden; ob Hoffnung sey, solche wieder einzulösen, oder nicht; ob der Fürst auf Manufacturen und Cultivirung des Landes siehet, Geld in das Land geschafft, und darauf gedacht wird, wie die Einkünffte der Unterthanen vermehret werden; wie die Steuern und Gaben angeleget; ob sie nach Proportion der Einkünffte eingetheilet, denen Unterthanen erträglich oder nicht; ob die Bedienten, so zur Eintreibung der Collecten gehalten werden, viel davon wieder wegnehmen; wozu das Geld angewendet wird, ob auf den Krieg, zur Bezahlung der Schulden, oder zu unnöthigen Dingen, u.s.w.
 
 
81) Dencke nicht, daß du von Ministern oder vornehmen Leuten die Sachen erfahren wilst, denn solche verheelen insgemein solche Nachrichten: einige aus Klugheit, und weil sie Raison haben, viele Dinge, sonderlich so nicht zu des Fürsten Ehre gereichen einem andern Fürsten helffen, ihrem Landes-Herrn aber schaden könnten, zu verbergen, auch wider ihre Pflicht ist, solche zu propaliren: einige aber
 
  {Sp. 378}  
 
aus Ehrgeitz, daß sie sich viel darauf einbilden, daß sie mehr wissen als andere Leute, und verschweigen manchmahl Sachen, die sie doch wohl mit gutem Gewissen entdecken könnten.
 
 
Du kanst bisweilen durch geringer und gemeiner Leute Discurse hinter allerhand Nachrichten kommen. Denn solche Leute sind insgemein nicht so verständig, daß sie wüsten zu beurtheilen, was verborgen müste gehalten werden, oder nicht; einige aber aus ihnen machen sich eine Gloire daraus, Leuten, die höher sind als sie, etwas sagen zu können, so sie nicht wissen. Was vornehme Leute aus Ehrgeitz cachiren, entdecken die gemeinen öffters aus Ambition. Doch hast du dich auch vorzusehen, daß du nicht alles gleich glaubest, was sie dir sagen, sondern du must nach den Regeln, die in des Herrn von Rohrs Buch von Erforschung der menschlichen Gemüther gegeben worden, die Glaubwürdigkeit ihrer Erzählung beurtheilen.
 
 
82) Bey den Städten erkundige man sich nach der Lage der Stadt, was nach den Plagis mundi vor Gegenden um sie herum, man notire die Anzahl der Gassen, Thore, Kirchen, Klöster und Feuer-Städte, die Beschaffenheit des Schlosses, die propresten und besten Public- und Privat-Gebäude, die vornehmsten Gärten, das Gewerbe und die vornehmste Nahrung der Einwohner, Bestellung des Stadt-Regiments, des Gottesdienstes und der Schulen, die Gelegenheit der Hospitäle, Lazarete, Waysenhäuser, Zucht-Häuser u.s.w. die vornehmsten Gebräuche und Observantien bey den Begräbnissen, Hochzeiten, Kindtauffen, und sonst die geschicktesten und renommirtesten Künstler und Handwercks-Leute, die Antiquitäten, Monumenten, Bibliothequen, Raritäten, Müntz-Cabinette, die Privilegien und Statuten der Stadt, ihr Wappen, die vornehmsten Passagen, das Erdreich da herum, die Fortification, das Arsenal, den Hafen, besondere Kleider-Trachten, Wochen- Märckte, Jahr-Märckte, den Preiß des Holtzes, der Victualien und der Miethen; man untersuche, ob sie etwan in der Historie berühmet wegen eines gewissen Frieden-Schlusses oder da herum gehaltenen Schlacht, ob gewisse renommirte Leute daselbst begraben liegen, ob sonst etwas notables da herum zu sehen, ob wegen eines besondern Dialecti der Sprache etwas zu mercken, ob die Dörffer um sie herum etwan wegen einer gewissen Manufactur oder sonst merckwürdig u.s.w.
 
 
83) Bey den Wäldern, wie der Wald heisse, was vor Holtz sonderlich darinnen wachse, wie der Boden des Waldes beschaffen sey, ob man eine gedruckte oder geschriebene Wald-Ordnung davon habe, wie groß derselbige wohl im Umfang, ob und was vor Wildpret ohngefehr sich darinnen aufhalte, wem er zuständig sey, wie das Holtz genutzt werde, ob durch Verkauffen oder Pechmachen, Kohlenbrennen, Äschern u.s.f. was vor Pech- Öfen, Glaß-Hütten u.s.w. darinnen anzutreffen, ob er in guten Stande, ob das Holtz geheeget, geschonet und gespahret werde, was und wie viel Forst-Bedienten die Aufsicht darüber haben, ob das Holtz gepflantzet und gesäet werde, oder nach einigen Jahren ein Ausgang des Hol-
 
  {Sp. 379|S. 203}  
 
tzes zu befürchten, ob Wasser, Teiche, Seen, Dörffer, eintzele Häuser, Mühlen, Schencken, oder andere Gebäude darinnen befindlich; Wie viel Deputat-Klafftern des Jahres weggegeben werden; was der Preiß der Klafftern, der Bret-Bäume ist; ob Eichel-Mast darinnen vorhanden, ob sehr irrsam zu paßiren, ob manchmahl Unglück darinnen geschehen, ob die Anwohner da herum von einigen Gespenstern oder andern Portentis, die sie darinnen wollen gesehen haben, Fabeln oder glaubwürdige Historien erzählen; ob er in der Historie notabel, wie die Jagden darinnen beschaffen, und wem sie zu gehören, was vor Gevögel sich darinnen aufhalte, und wenn, wie und von wem es weggefangen werde, ob man bisweilen rare Thiere darinnen gesehen, ob fleißig dahin gejagt werde, und von wem; ob die Gräntzen darinnen streitig, ob richtige Gräntz-Bezühungen geschehen, was wegen des Waldes den Anwohnern da herum vor Bequemlichkeit oder Zugang an ihrer Nahrung zuwachse, ob viel wildes oder ander gut Obst darinnen anzutreffen, ob gewisse Arten des Holtzes vor andern bey dem Kochen, Brauen, u.s.w. gewisse Eigenschafften haben.
 
 
84) Bey den Flüssen, derselben Ursprung, was sie vor Ströhme und Bäche zu sich nehmen, ihr Ausfluß in einen andern, Breite der ordinairen Zeit, ohngefehre Tieffe, Brücken, Schleussen, Fähren, Mühlen, Weer, Zölle, die Arten Fische, die er bey sich führt, und an welchen Orten ein jeder zu fischen berechtiget, ob er navigabel oder nicht, geräumt oder nicht, ob er Überschwemmungen verursache, und an welchem Ort er am gefährlichsten; was sie vor Schiffe tragen, was vor Inseln darauf seyn, wo etwan ein Strohm in den andern bequem zu leiten wäre, was die Anwohner vor Fabeln oder Historien von allerhand Wasser-Gespenstern oder Nixen davon zu erzählen wissen; man explorire die Eigenschafften des Wassers, so sie bey sich führen, in Ansehung der Farben, des Geschmacks, des Geruchs, des Kochens, Waschens und Brauens, der Medicin, der Auflösung der Saltze, Befeucht- und Begüssung der Früchte und Gewächse, Einmachung des Kalches und Gipses.
 
 
85) Bey dem Gesundbrunnen, wenn und bey was vor Gelegenheit sie entstanden, ob sie starcken Quell und Zufluß haben, ob keine wilde Wasser zuflüssen, ob die Passagiers an dem Orte mit allem nöthigen wohl versehen sind, ob angenehme Gegenden und lustige Spatzier-Gänge da herum, ob sie von vielen Fremden besucht werden, von welchen Orten die Fremden sonderlich kommen, ob das Wasser verführet werde, und zwar ohne Abgang der Krafft, ob eigne Leute über den Brunnen bestellt, welche Mineralien sonderlich prävaliren, was sie vor Effecte thun, in Ansehung der Kranckheiten und Beschwehrungen, wie der Brunnen angeleget, ob er überbauet oder nicht, wo sich die Quelle des Sauerbrunnens eigentlich anfange. Und fast eben dieses ist auch bey den warmen Bädern in Obacht zu nehmen.
 
 
86) Bey den Bergen, wie sie heissen, ob sie fruchtbar, und was darauf wachse, ob Bäume, Getreyde, medicinalische Kräuter,
 
  {Sp. 380}  
 
und was vor welche, woher sie ihren Namen bekommen, ob, und auf was vor Art sie die Witterungen andeuten, ob sie etwan in der Historie wegen eines gewissen Umstandes berühmt, ob der Prospect darauf lustig, und wie weit man sich darauf wohl umsehen könne, was man etwan vor Historien und Fabeln davon zu erzählen pflege, ob sie nicht zu nutzen wären, wie die Lufft, das Wasser u.d.g. darauf beschaffen.
 
 
87) Bey den Bergwercken, wie es heisse, wer es baue, was ein Kux wohl gelte, ob es ergiebig sey, was die Gewercken dem Landes-Herrn wohl davon zu entrichten pflegen, wenn das Bergwerck angefangen worden zu bauen, bey was vor Gelegenheit es entdecket worden, ob durch die Wünschel-Ruthe oder auf andere Art, ob es der Vermuthung nach noch lange continuiren werde, was eine gewisse Mensur von dem Minerali wohl koste, wo sie es hin verführen, und es zu nutzen pflegen; ob die Berg-Leute wegen der gifftigen Schwaden und Ausdünstungen, oder etwan der Berg-Kobolde in ihrer Arbeit nicht gehindert werden; ob die Unkosten dem Vortheil gleich seyn, wie starck die Gewerckschaft wohl sey, die dabey intereßiret, u.s.w.
 
 
88) Bey den Manufacturen, wenn sich dieselben angefangen, bey was vor Gelegenheit, wie starck sie an Meistern und Gesellen sind, ob sie genung Verlag haben, wohin sie ihre Waaren distrahiren, ob der Profit groß, ob und durch was sie in bessern Stand zu bringen wären, und was ihnen wohl hinderlich sey, an welchen Orten dergleichen mehr anzutreffen, und worinnen der Vorzug dieser vor jener, oder jener vor dieser bestehe.
 
 
89) Uberhaupt mercke, daß du nicht allzu grosse Begierde bezeigest, etwas zu erfahren, sondern erkundige dich dessen bey Gelegenheit, denn sonst möchtest du Verdruß davon haben, vor einen Spion gehalten werden, auch desto weniger dahinter kommen. In des Hrn. von Rohrs gründlichen und vollständigen Anweisung, wie man zu einer wahren, genauen und speciellen Erkänntniß eines Landes kommen kan, werden gar viel dergleichen Regeln gegeben werden.
 
 
90) Nach deiner Zurückkunfft ins Vaterland erzähle nicht bey aller Gelegenheit, wie einige Reisende zu thun pflegen, wie es in diesem oder jenem Lande, daraus du kommst, beschaffen sey.
 
 
91) Ingleichen nimm auch nicht ausländische Gebräuche an, welche in deinem Vaterlande unbekannt sind, und affectire in keiner Sache etwas fremdes, sondern richte dich nach dem einheimischen, sonst wirst du gehaßt und ausgelacht werden.
 
  Dieses sind also die Regeln, welche mehr gelobter Herr von Rohr denen Reisenden vorgeschrieben, und welche gewiß dem, der sich auf seinen Reisen darnach achtet, versprechen können, daß er seine Reisen mit wenigerer Gefahr und mit grösserem Nutzen zurück legen werde, als sonst geschehen würde.  
     

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Stand: 12. Juli 2013 © Hans-Walter Pries