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Zedler: Reisen, das Reisen [1] HIS-Data
5028-31-366-5-01
Titel: Reisen, das Reisen [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 31 Sp. 366
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 31 S. 196
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Übersicht
Allgemeines
Rohrs Regeln
  1 - 50

Stichworte Text  
  Reisen, das Reisen an fremde Orte, Wanderung, Wanderschafft, Peregrinatio, Frantz. Voyage.  
Allgemeines Daß man fremde Länder besiehet, ist eine Sache, welche schlechterdings weder zu tadeln noch zu loben. Denn man hat aus der Erfahrung, daß solches manchem nützlich, manchem schädlich, wenigstens nicht ersprießlich gewesen, welches alles von dem Gebrauch desselben, ob es vernünfftig oder unvernünfftig angestellet wird, dependiret.  
  Wer vernünfftig und also klüglich reisen will, muß hauptsächlich sein Absehen, so er dabey hat, überlegen, und die zu demselben dienlichen Mittel nicht nur aussinnen, sondern auch geschickt appliciren; im Fall aber, daß es ihm an solcher Geschicklichkeit fehlen solte, iemand bey sich haben, der ihm an die Hand gehet.  
  Das gemeine Absehen bey Reisen soll gemeiniglich darinnen bestehen, daß man die Welt kennen lerne, das ist, die Völcker in ihren Sitten, Gewohnheiten, Aufführung betrachtet, und alles gehöriger massen zu seinen Nutzen anwendet. Doch wie die Profeßionen und Wissenschafften unterschiedlich, daraus auch verschiedene Stände der Menschen, die mit demselben umgehen, entspringen; so können auch noch besondere Absichten bey Reisen statt haben. Ein Theologus bekümmert sich um das Religions-Wesen, ein Rechts-Gelehrter um die Verfassungen des äusserlichen Staats, ein Medicus um die Geheimnisse der Natur, ein Philosophus und Philologus um sol-  
  {Sp. 367|S. 197}  
  che Dinge, die in ihren Kram dienen.  
  Auch ein Kriegs-Mann hat das Reisen zu seiner Wissenschafft nöthig. Herr Folard in seinem Polybesagt: Die Reisen verschaffen einem Kriegs-Manne die Gelegenheit, sich das Augenmerck (Fr. le Camp. d'oeuil) zu formiren, und als ein Kriegs-Mann zu sehen lernen; und p. 288 eben bemeldeten Bandes: die Reisen sind einem Kriegs-Manne sehr nöthig, um sich das Augen-Merck zu formiren, daß einem Capitain so nützlich ist.  
  Der Kauffmann suchet auf Reisen durch Handlung und Gewerbe Gewinn.  
  Die Mittel betreffend, so sind einige vor, einige bey, und einige nach der Reise zu beobachten.  
  Vor der Reise, hat derjenige, so reisen will, zu sehen, theils auf die Beschaffenheit seiner Seelen, was deren natürlichen Zustand, und die durch Fleiß bereits erlangte Geschicklichkeit betrifft, indem zur Gnüge bekannt, wie man auf Reisen viele Gelegenheit findet, etwas zu lernen, aber auch gar leicht in Irrthümer und allerhand Laster zu fallen, wobey sonderlich dienlich, wenn man der Sprache derjenigen Völcker, die man zu besuchen gedencket, einiger massen, mächtig ist; theils auf die Beschaffenheit seines Leibes, in Ansehung dessen sich nicht ein ieglicher zu reisen schicket, und denn auf die Beschaffenheit seines Vermögens, indem man bey diesen Zustand mit Geld muß versehen seyn.  
  Wird die Reise selbst angetreten, so bekümmert man sich vor allen Dingen um bequeme Gelegenheit von einem Ort zum andern zu kommen, gebraucht gehörige Behutsamkeit mit dem Logiment, mit der Kost, Umgang mit den Fremden, deren Sitten und Gewohnheiten zuförderst einzusehen.  
  Befindet man sich an einem Ort, so siehet man das Sehenswürdige, wie es eines jeden Endzweck mit sich bringt, zeichnet auch das vornehmste in sein Reise-Buch auf, worbey sehr rathsam, wenn man mit nachdrücklichen Recommendations-Schreiben versehen ist.  
  Nach der Reise muß man wissen, seine gesehene und erkannte Sachen klüglich an den Mann zu bringen, so daß man sich dabey alles Prahlens und Aufschneiderey enthält, und nicht bey aller Gelegenheit zum Verdruß anderer davon zu reden anfange.  
Rohrs Regeln Was hier gantz kürtzlich von der Klugheit, die man beym Reisen zu beobachten hat, gesaget worden, das hat der berühmte Herr Julius Bernhard von Rohr in der Einleitung zu der Klugheit zu leben, im XIII Capitel ausführlicher in folgende höchst nützliche Regeln gebracht:  
 
1) Gehe, ehe du reisest, alle Umstände von deiner Reise, und von deiner Person durch, formiere dir heraus Regeln der Klugheit entweder selbst, oder applicire diejenigen, die du von andern gehöret, oder vor sich selbst gefunden, auf deinen Zustand.
 
 
2) Vornemlich untersuche deine Absicht, weswegen du dich auf die Reise begibst, ob um dich zu qualificiren, wenn du ein galant homme seyn wilst, oder um deine Gelehrsamkeit zu vermehren, dafern du von denen Studien Profeßion machest, oder Geld durch Handlung zu erwerben, und zu negociiren, so du ein Kauffmann bist, und was mehr vor verschiedene Absichten seyn können. Hernach mache mit deinem Beutel einen Uber-
 
  {Sp. 368}  
 
schlag und siehe, wie lange du ungefehr bleiben kanst, was du besehen, und wie du dich auf deiner Reise aufführen wilst. Betrachte deine Leibes-Constitution, ob du delicat seyst, oder Fatiguen ausstehen könnest, alle Nächte schlaffen must, oder ob dirs gleich gilt, wenn du etliche Nächte wachen solst, alle Speisen essen dürffest, oder dich in der Kost in Acht nehmen must. Examinire dich, ob du in deiner Religion fest und wohl gegründet, zum Spielen, Sauffen, und andern Debauchen geneigt seyst. Uberhaupt, aus deiner Selbst-Erkänntniß mache dir Regeln der Klugheit, was du auf deiner Reise thun, oder unterlassen solst.
 
 
3) Mache dir, vornemlich, ehe du in ein Land gehest, die Müntzen derselben Provintz bekannt, und laß sie dir von Kauffleuten, die deine gute Freunde sind, erklären. Denn sonst lernest du dieselben gewiß in der Fremde mit deinem Schaden kennen.
 
 
4) Erkundige dich zuvor nicht allein nach allen merckwürdigen Sachen und Personen, die zu deinem Zweck dienen, sondern auch nach den Gebräuchen der Völcker.
 
 
5) Kauff dir die neuesten und specialesten Beschreibungen ein, desselben Landes oder derjenigen Städte, die du besehen wilst. Denn du hast vielfältigen Nutzen hievon zu erwarten. du darffst dir nicht selbst die Mühe geben, aufzuschreiben, was andere schon bereits gethan, sondern supplirest nur, was sie ausgelassen, oder verbesserst, was sie unrecht gesetzt. du bist gleichsam an demselben Orte schon ein wenig bekannt, oder kannst doch durch Discourse erweisen, daß du da selbst nicht gantz und gar fremde seyst, welches auch, wie unten wird gesaget werden, seinen Nutzen hat. Du weist, welches das sehenswürdigste ist, und wornach du zu fragen hast, da sonst mancher lange Zeit an einem Orte gelegen, auch wieder wegzühet, und doch wohl das merckwürdigste nicht gesehen hat.
 
 
6) Hab accurate Special-Charten bey dir, damit du sehen kannst, wo du in der Welt seyst, und corrigire dieselben, so etwas nicht eintreffen will. Ingleichen auch allerhand Maasse und Gewichte, damit du in der Fremde allerhand Sachen ausmessen, und dir aufnotiren könnest.
 
 
7) Sonderlich nimm von dem Orte, da du her bist, gute Recommendations-Schreiben mit, sie seyn auch von wem sie wollen. Die Recommendationen von vornehmen Kauff- Herren an berühmte Banquiers und renommirte Kaufleute sind wohl die besten; denn die helffen dir auf Reisen aus der Noth, ingleichen auch die Schreiben von Ministern an Abgesandte, oder Ministres desselben Hofes, da du hingehest.
 
 
8) Ob du dein Geld baar, oder an Wechsel-Briefen mitnehmen solst, kan man nicht determiniren, indem bisweilen bey beyden einige Incommodität ist, sondern dieses kommt in der Application auf die Untersuchung der Umstände an. Am besten ist es, wenn du etwas Geld baar bey dir hast, etwas aber an Wechsel-Briefen. Nimmst du aber welche mit, so habe gedoppelte bey dir, damit, wenn der eine verlohren gegangen, du den andern zur Reserve haben mögest.
 
 
9) Erkundige dich, daferne du Ursache zu sparen hast, bey Leuten, die nicht von grossem Vermögen sind, und auch an dem Orte gewesen. Diese
 
  {Sp. 369|S. 198}  
 
werden dir allerhand Regeln und Cautelen sagen, wie du auf eine anständige Art auf deiner Reise sparen kanst, die öffters reiche Passagirer nicht wissen. Bisweilen verthut einer in einem Lande etliche hundert Thaler, und hat von seiner Reise eben den Vortheil, als ein anderer, der wohl etliche tausend depensiret.
 
 
10) Laß dir die Örter, wo du auf deiner Reise einkehren wilst, von bekannten Kauffleuten oder andern guten Freunden deines Orts, die in der Fremde gewesen, recommendiren, denn so kannst du sicher trauen, und wissen sie am besten aus eigner Erfahrung, an welchem Orte gut oder schlimm zu logiren sey.
 
 
11) Jedoch must du dir doch allezeit ihre Raisons sagen lassen, wenn sie urtheilen: In dieser Herberge ist gut zu logiren, in jener nicht. Denn die Leute schlüssen nicht allezeit accurat, und die Beurtheilung des Guten und Bösen ist nach dem Unterscheid der Gemüther zu unterscheiden. Mancher hält eine Herberge, aus einer wegen seiner Absicht und seines Humeurs im besondern Raison vor gut, die ein anderer vor schlimm hält.
 
 
12) Besiehe, ehe du in fremde Länder reisest, erst die vornehmsten Örter deines Vaterlandes, und zühe von derselben Zustand genaue Kundschafft ein, denn wenn du denen Fremden, so darnach fragen, von der Beschaffenheit deines Vaterlandes Nachricht geben kanst, so darffst du sie mit grösserer Assurance fragen, und wirst desto mehr von dem Staat ihres Landes erfahren können. Zu dem ist es ja lächerlich, daß man in fremde Länder reiset, und in seinem Vaterlande sich nicht einmahl recht umgesehen, welches doch von den meisten Deutschen geschicht.
 
 
13) Viel Bücher bey dir zu führen, ist eine unnöthige Sache, denn sie beschweren nur, und hast du an allen Orten, wo du hinkommst, Gelegenheit, dir Bücher zu borgen. du musst auch auf Reisen mehr observiren, sehen, hören, und aufschreiben, als lesen und meditieren.
 
 
14) Auf der Reise habe überhaupt nicht mehr Bagage bey dir, als nöthig: Denn es ist kostbar und beschwehrlich, viel mit sich zu schleppen. Führe lieber einen grossen Cofre bey dir, darinnen du deine Sachen beysammen hast, als viele kleine Packetgen und Küstgen, die du leicht verliehren kanst, oder dir gestohlen werden können.
 
 
15) Distingvire deinen Cofre oder Schachtel durch ein gewisses Zeichen, so vor andern kenntlich ist: Denn weil viele Cofres und Schachteln einander dem äusserlichen nach, in allen Stücken ähnlich sind, so kan bey Changirung der Posten leichtlich eine Verwechselung damit geschehen, die vielleicht nicht zu seinem Vortheil ist.
 
 
16) Verwahre dein Geld, so du auf der Reise bey dir führest, nicht alle an einem Orte, sondern einiges habe im Cofre, und auch nicht alle beysammen, einiges in verborgenen Schubsäcken u.s.w. Denn bist du gleich an einem Orte unglücklich, so conservirest du doch das übrige.
 
 
17) Gehe an fremden Orten in einem schwartzen Kleide, wenn du Ursache zu menagiren hast, und wende eine Trauer vor. Denn so brauchst du nicht viel Kleider, da du sonst das Wechsel haben müssest, und kanst doch in alle
 
  {Sp. 370}  
 
Compagnien gehen, dich auch in einem schwartzen Kleide ausgeben vor wem du wilst.
 
 
18) Doch must du neben dem schwartzen auch ein verchamerirt Kleid bey dir haben, damit du, wenn Galla ist, Gelegenheit habest, nach Hofe zu gehen, da dich denn deine vorgewendete Trauer nicht entschuldigen wird.
 
 
19) Gehe in kein Land, wenn du nicht zuvor die Sprache des Landes ein wenig verstehest, und reden kanst. Denn du hast nicht den halben Nutzen und das halbe Plaisir von deinem Reisen, und wirst auch überall eher berückt, als wenn dir die Sprache bekannt ist. Bringst du sie nicht mit in ein Land hinein, so bringst du sie gewiß auch nicht mit heraus. Hast du aber einen Cameraden oder Diener bey dir, der derselben kundig ist, so kanst du eher zu rechte kommen.
 
 
20) Mache dir, ehe du dich auf die Reise begiebst, mit einem berühmten Kauffmann in einer Handels-Stadt, die deiner Heimath am nächsten ist, die Correspondence aus. Denn die Herren Kauffleute haben ziemlich richtige Correspondencen, und weist du hernach in der Fremde, an wen du dich zu adressiren hast, und der dir deine Sachen an deine guten Freunde bestellen kan.
 
 
21) Curire dich vor der Reise recht aus, brauche Blutreinigungen u.s.w. und führe diejenigen Medicamente, so deiner Constitution am meisten zuträglich sind, bey dir.
 
 
22) Tritt deine Reise lieber an gegen der Frühlings-Zeit, als gegen dem Winter zu, weil die Wege nicht allein zu der Zeit schlimmer, sondern auch sonst ungesünder und unangenehmer zu reisen ist.
 
 
23) Siehe zu, daß du auf den Posten oder sonst der erste seyst. Denn diese Incommodität, daß du ein wenig warten must, ist bey weitem nicht so groß, als wenn alles schon besetzt ist, und du hernach diejenige Stelle einnehmen must, die andere nicht wollen, und da du alsdenn nicht weist, wo du mit deiner Bagage zu solt.
 
 
24) Hast du nicht einen geschickten und getreuen Diener bey dir, auf den du dich verlassen kanst, so gieb selbst Acht auf deine Sachen, wenn die Posten gewechselt werden, und traue nicht allezeit der Sorgfalt des Postillions. Setze dich auch nicht eher auf den Postwagen, biß du gesehen, wo und wie deine Sachen placiret sind.
 
 
25) Laß dir, wenn du vom Wagen steigest, und deine Sachen ins Quartier schaffen willst, den Postmeister einen Träger recommendiren, der dir deine Sachen wegtrage, accordire zuvor mit ihm, was er haben will, und gehe ihm auf dem Fusse nach, daß du ihn nicht aus dem Gesichte verliehrest, sonst kannst du leichtlich um deine Sachen kommen. Diese Maxime ist sonderlich nöthig in Holland.
 
 
26) Urtheile auf Posten niemahls von den vornehmen grossen Herrn etwas böses, denn du weist nicht, in was vor Gesellschafft du seyst, da dir solches Gefahr bringen könnte.
 
 
27) Auf der Reise laß dir bey der Compagnie nicht mercken, daß du in der Stadt, da du hinwilst, gantz fremde seyst. Denn es finden sich Leute, die dir eine Herberge vorschlagen, dich auch wohl in ihr Quartier mitnehmen wollen, da du von dieser Höflichkeit schlechten Vortheil bisweilen möch-
 
  {Sp. 371|S. 199}  
 
test zu erwarten haben. Schlügest du aber ihre Offerte aus, so machst du sie dir zu Feinden. Sprich also lieber, du wärest an dem Orte schon bekannt, und wüsstest allbereits eine Herberge, wo du bleiben würdest.
 
 
28) Doch sage deinen Reise-Cameraden, ehe du sie kennen lernest, nicht eben, wo du logiren wilst, denn es giebt manchmal Spitzbuben und andere böse Leute, die dich besuchen, und in der Stadt bekannt machen, aber ihrer wahren Intention nach betrügen wollen.
 
 
29) Wo gefährliche Örter sind, als Berge, Fähren, böse Brücken, u.s.w. laß den Postillion aufhalten, steig lieber herunter, und geh zu Fuß, als daß du dich in Leib- und Lebens-Gefahr begeben soltest, sonderlich auf Fähren, da die Pferde bisweilen scheu geworden, und die Personen in das gröste Unglück kommen sind.
 
 
30) Bey denen Postillionen oder Schipper-Knechten spare das Trinkgeld nicht, denn die können dir in einem und andern gute Nachricht geben, so du von andern nicht erfährest, hingegen können sie dir auch in einigen Dingen schaden, wenn du allzu karg gegen sie bist.
 
 
31) Willst du, daß die Postillionen starck fahren sollen, so glaube sicherlich, daß die Versprechung eines guten Trinckgeldes hierbey mehr ausrichte, als die Drohung der Schläge, wie einige Passagiers zu thun pflegen.
 
 
32) Trage auf der Reise zwar reinliche und propre, aber nicht verchamerirte Kleider, denn in einem bordirten Kleide wirst du nicht allein bisweilen vor einen Spitzbuben angesehen werden, sondern must auch überall mehr bezahlen, andere halten dich vor reich, und stellen dir daher desto eher nach.
 
 
33) Schweig eine Zeitlang, ehe du deine Compagnie auf der Reise kennen lernest, unterdessen gieb auf ihre Discurse Achtung, und beurtheile dieselben bey dir nach den Regeln, die der Herr von Rohr in seinem Tractat von Erforschung der menschlichen Gemüther gegeben, bis du hernach ungefehr weist, wer nach deinem Sinne ist, und an wen du dich addreßiren kanst.
 
 
34) Laß dir weder auf den Posten noch auf den Holländischen Treckschyten oder Schiffen etwas von deinem Gelde oder Kostbarkeiten mercken, die du bey dir hast, denn du sonst leichtlich, und vornemlich zur Nachtzeit darum gebracht werden kanst.
 
 
35) Wenn du durch Wälder paßirest, so schlaff nicht, und sonderlich bey Nacht, weil du nicht allein von den Ästen der Bäume leichtlich ein Unglück bekommen kanst, wenn du schläffst, sondern es finden sich auch wohl in den Wäldern böse Buben, die den Passagierern auflauern. Daher wache und halte dein Gewehr in guter Bereitschafft, schüß auch wohl loß, wo es erlaubet, und du unterschieden geladen Gewehr bey dir hast, damit sie sehen, daß du munter, und in dem Stande seyst dich zu wehren.
 
 
36) Auf den Holländischen Treckschyten nimm dich in Acht, daß du nicht mit jemand in Spielen einlassest, oder denen, die aus der Gauckel-Tasche spielen, und allerhand Waaren verkauffen wollen, genau zusehest, weil solches öffters Spitzbuben sind, die die Leute betrügen, und um das Ihrige bringen wollen.
 
 
37) Im Absteigen laß den Mantel nicht leichtlich vom Halse, weil man
 
  {Sp. 372}  
 
öffters drum kommt, wenn die Posten umgewechselt werden, und man sie auf den Postwagen hat liegen lassen. Distinguire deinen Mantel durch ein notables Zeichen, weil viel Mäntel, die der Güte des Tuchs nach gar sehr unterschieden, dem äusserlichen Ansehen nach einander gleich sind.
 
 
38) Du thust besser, wenn du zu Wasser gehest, daß du bey dem Schiffer oder Schiffs-Capitain dich in die Kost verdingest, als selbst Victualien einkauffst; denn wenn du an Ort und Stelle angelangt, sind dir dieselben nichts nütze, und must sie hernach wegschencken.
 
 
39) Das Geld, so du auf einer jeden Station vor die Posten zahlest, schreibe genau auf, wie auch die Distantz der Örter, Beschaffenheit der Wege, der Herbergen, u.s.w. weil es dir so wohl selbst, als auch andern Freunden einst zur guten Nachricht dienen kan.
 
 
40) Familiarisire dich nicht mit dem Frauenzimmer, auf den Posten, sonderlich wenn es hübsch und jung ist, denn solche hernach öffters prätendiren, daß man sie frey halten sollen.
 
 
41) In den Gast-Höfen accordire allezeit erstlich mit dem Wirth, was er vor Zimmer, Essen, Trincken, u.s.w. haben will. Denn wo du dis unterlässest, dependirest du von der Discretion der Gastwirthe.
 
 
42) Gieb dem Wirthe oder Wirthin den Schlüssel von deinem Zimmer, wenn du ausgehest, hingegen müssen sie dir auch hernach vor alle deine Sachen stehen, die du in dem Zimmer hast.
 
 
43) Kehre allezeit in den vornehmsten Wirths-Häusern ein, denn da bist du insgemein nicht allein sicherer, sondern hast auch mehr Ehre und Commodität, und wirst doch nicht viel mehr geben, als wenn du in einer schlechten Herberge geblieben wärest. Ist es deine Gelegenheit nicht, dich lange an dergleichen Ort aufzuhalten, so kanst du doch unterdessen in der Stadt bekannt werden, und dir hernach ein anders aussuchen.
 
 
44) Bezahle gleich alle Tage, was du verzehret, denn so können dich die Wirthe nicht so sehr betrügen, und du kanst auch besser mit deinem Beutel den Uberschlag machen, daß du weist, was du verthan, und wie lange du bleiben wilst, als wenn dir die Rechnung des Wirths unbekannt ist, und du auf das Conto loß speisest.
 
 
45) Wo du nicht gewiß versichert, daß du wohl ankommst, so nimm nicht dein Quartier an fremden Orten, und sonderlich in sehr grossen Städten, in Gast-Höfen, die in engen kleinen Gäßgen gelegen sind, weil man öffters in dergleichen Häusern in Leib- und Lebens-Gefahr kommen kan, sondern logire lieber in solchen, die auf öffentlichen Plätzen, und in den vornehmsten Strassen sind.
 
 
46) Ingleichen fordere an unbekannten Örtern, wo du nicht recht vollkommen sicher zu seyn vermeynest, lieber das Zimmer vorne raus auf die Gasse zu, als hinten raus.
 
 
47) Laß dir, daferne du nicht weist, wo du einkehren solst, von dem Postmeister desselben Orts ein Wirths-Haus vorschlagen, und erkundige dich disfalls bey einem renommirten Kauffmann, Gelehrten, Priester, oder sonst einem vornehmen Manne.
 
 
48) Verläugne niemals, weder in den Gasthöfen, noch sonst auf der Reise, deinen Namen, ob du gleich bisweilen
 
  {Sp. 373|S. 200}  
 
Raison hast, deinen Stand, Profeßion und andere Umstände zu verstellen. Denn du wirst sonst, wenn es heraus kommt, daß du deinen Namen verändert, vor einen Spion gehalten, und kanst in groß Unglück kommen.
 
 
49) Wilst du einen Lehn-Laquay haben, so laß dir einen von dem Wirth recommendiren, und ihn davor gut sagen. So du diese Regel unterlässest, kanst du von dem Diener sehr berückt werden.
 
 
50) Dem Lehn-Laquay traue nicht leichtlich kostbare Dinge an, und schicke ihn nicht über deinen Cofre oder Gold-Börse, obgleich der Wirth vor ihm Bürge worden. Denn solche Pursche entwenden einem öffters, wenn sie Gelegenheit dazu haben, obgleich nicht pretiöse Dinge, doch andere Sachen, die man auch nicht gerne verliehret, und um welcher Willen man nicht leichtlich Weitläufftigkeiten anzufangen pflegt.
 
     

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Stand: 12. Juli 2013 © Hans-Walter Pries