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2. naturbezogene Grundsätze |
In die andere
Classe setzen wir diejenigen
Principia, die sich auf die
Natur, als den
Grund des natürlichen Rechts, beziehen, aber gar unterschiedlich
sind. Denn einige nehmen dafür dasjenige an, welches sonst der Grund ist, daraus
die
Vernunfft den
Göttlichen Willen als ein
Gesetz schliesset, und halten den
natürlichen Grund und das
Principium des natürlichen Rechts vor eins, wenn sie
sagen, man
müsse alles
thun, was der
Ordnung, dem
Endzweck der Natur überhaupt,
oder des
Menschen insonderheit gemäß, und
unterlassen, was ihnen zuwider. |
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Bey welchen
Principiis man nicht unterscheidet den
Willen
GOTTes selbst, den
er als ein
Gesetz geoffenbaret, und die
Sache, dadurch die Offenbarung oder
Promulgation geschehen, wie sie denn auch gar zu metaphysisch und abstract
aussehen, daher weder deutlich noch hinlänglich, wenn man sie ja als eigentliche
Principia wolte gelten lassen. |
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Dahin gehöret |
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1) |
der von GOTT bey der
Schöpffung intendirte
Endzweck
(finis Dei,) |
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dieser ist das
Principium des |
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- Herrn Pritii
in einer Dissertation de principio jur. nat.
- Müldeners
in posit. inaugural. de jure nat. definit. et fund. und
- Wahls in acroamatico jurispr. univers. typo, tab. 5.
§. 11. pag. 76.
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welcher Grund-Satz mehr in sich begreifft, als
nach dem Recht der Natur nöthig, ehe man ihm was daraus demonstriren
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beweisen will, erklären muß, was dieser Endzweck sey, und worinnen
er bestehe: |
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2) |
der
Endzweck der erschaffenen
Welt (finis mundi) |
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welches Velthuysen de principiis justi et decori
pag. 964. angenommen, und mit dem kurtz vorhergegangenen auf eins
hinaus kömmt, daher auch
Pufendorff de jure nat. et
gent. lib. 2. cap. 3. §. 12. angemercket, es sey sehr
dunckel, und könte den besten
Schlüssen, die hinaus solten gezogen
werden, kein Licht gegeben: |
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3) |
die Ubereinstimmung und nicht Ubereinstimmung mit seiner
Natur, |
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des Herrn Johann Georg Wachters in
seinen Originibus juris naturae, welcher das Recht der Natur
mathematisch
beweisen will, und in der Vorrede diejenigen auslachet, so
die
Wahrheit durch eine Hypothesin zu erlangen vermeynen, die sie an und
vor sich nicht ergreiffen könten; meldet aber, daß er von dieser
Wissenschafft keine neue
Meynung auf die Bahn bringe, sondern nur die
alte, die der Marcus beym Cice- |
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{Sp. 1214} |
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rone de legibus mit Beyfall des
Quinti und Artici vorgetragen, wieder hervor
suchen wollen. Er führet seine Origines von
GOTT an, und setzet
z.E. daß die
Krafft, dadurch die
natürlichen Dinge ihr
Seyn und ihre
Würckung hätten, eine Krafft
GOTTES sey, daß die Krafft GOTTes gantz
frey, und daß daher das
Recht GOTTes von seiner Krafft nicht
unterschieden; sondern die Krafft selbsten sey, sofern dieselbe als
gantz und absolut frey betrachtet werde. |
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Daß aus der unendlichen Krafft GOTTes unendliche
Dinge auf
unendliche Art folgten, und daß also durch die Krafft GOTTes nichts
entstehen könte, aus dessen
Natur nicht auch zugleich eine
Würckung
flösse; daß die Gerechtigkeit GOTTes eben auch seine Krafft sey, sofern
sie einem ieglichen das seinige mittheile, das ist, sofern sie einem
ieglichen
Dinge sein
Wesen und
Seyn mitzutheilen begriffen werde. Woraus
er endlich schliesset, wenn man der
menschlichen Natur gemäß lebe, lebe
man nach dem natürlichen Recht. |
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Wenn man die
Sache genau einsiehet, so läufft sie auf die Stoische
Lehre hinaus, wiewol er sehr dunckel
schreibet, und mancher nicht
abmercken kan, wo er hin will. Doch eben die Dunckelheit in einer an
sich deutlichen
Materie ist kein gutes Kennzeichen. |
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4) |
Die Göttliche Vorsehung (providentia divina) |
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des Samuels Rachelii in jure nat. et gent. diss.
1. §. 30. pag. 27. welche er hier so erkläret, daß er darunter
die Einrichtung einer ieglichen
Sache, nach dem einer ieden
Natur
gemässen
Endzweck begreiffet. |
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5) |
Die nach dem
Göttlichen Willen
eingerichtete
Ordnung der Natur (ordo naturae) |
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welches das
Principium des Herrn
Bodini ist, der eine Dissertation unter dem
Titel:
Jus mundi, seu vindiciae juris naturae, Rintel 1690, und zu Halle
1698, und eine andere de obligatione forensi juris divini 1696
herausgegeben. |
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Er behauptet, daß die
Erkänntniß des natürlichen Rechts nichts
anders, als eine Erkänntniß der
Schöpffung, und der daraus fliessenden
Ordnung und Gebrauch der Geschöpffe, so daß wir wüsten, in was vor einer
Ordnung eine
Sache geschaffen sey, und dieselbe auch in der Ordnung und
zu dem
Zweck brauchten, darinnen und dazu sie geschaffen sey. Er hält
vor gewiß, daß die
Liebe das einzige
Band der
Natur, auch der einige
Affect des
Menschen sey, in dessen
rechtmäßiger
Regierung alle Tugend
und alle Erbarkeit bestehe, und will daher, wir solten lieben
GOtt,
unsere
Seele, die Seele des Nächsten, das gesamte
Welt-Gebäude, unser
Leben, unsers Nächsten Leben, unsere
Güther, unsers Nächsten Güther,
eine iegliche Creatur ins besondere, auf welche Weise wir die von
GOTT
gemachte Ordnung unter den Geschöpffen nicht leicht zerrütten, noch uns
an den Gesetzen der Natur versündigen würden. |
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Es ist dieses
Principium von wenigen gebilliget worden, und hat
unter andern
Thomasius in der
Dissertation de
fundamentorum detimendi caussas matrimoniales hactenus receprorum
insufficientia 1698 |
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{Sp. 1215|S. 625} |
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dem Herrn Bodino viele Einwürffe gemacht, und daß dergleichen mit
Grund geschehen, und geschehen können, wird wol niemand in Abrede seyn. |
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Denn einmal ist solches
Principium nicht adäquat. Die
Ordnung der Natur geht auch die unvernünfftigen Thiere an, die aber gleichwol kein
Recht der Natur haben, und man kan manches wider die Ordnung der Natur
thun, als unter andern vomiren, so nicht mit dem Gesetz der Natur
streitet. Es ist das selbige auch dunckel, daß ein ieder, dem ich einen
besonderen
Schluß daraus ziehen wolte, fragen wird: was ist aber die
Ordnung der Natur? |
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6) |
Die von GOtt zu einen gewissen
Endzweck eingerichtete, und
nach dem
freyen Willen disponirte menschliche Natur, |
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welchen
Grund-Satz Titius in Observ. ad Pufendorf. de
offic. hom. et civ. lib. 1. cap. 3. obs. 78.
n. 1. hat, der daraus drey andere Sätze, man müsse
GOtt
lieben, die
Eigenliebe ausüben, und gesellig leben, folgert. |
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Grundsatz der Glückseligkeit |
Andere haben bey ihren
Principiis nicht sowol auf die Beschaffenheit und den
Endzweck der Natur selbst, als vielmehr auf den dabey von
GOtt intendirten
Endzweck auf Seiten der
Menschen gesehen, und gemeynet, der erste Grund-Satz
sey, der Mensch müsse alles dasjenige thun, was ihn glückselig mache,
und hingegen unterlassen, was ihn unglücklich machen könte, als |
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-
Thomasius in fund. jur. nat. et gent. lib. 1.
c. 6.
§. 21.
- Gerhard in delin. jur. nat. lib. 1. c.
7. §. 32.
- Kemmerich in Pufendorf. enucleat. lib. 1.
c. 3. §. 30. p. 60.
- Treuer in not. ad
Pufend. p. 85.
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Man muß aber wissen, daß sie bey dem Grund-Satz das natürliche Recht in
weiterm Verstande nehmen, so fern darunter nebst den
Principiis des Gerechten,
auch die Principia des ehrlichen und wohlanständigen, dahin noch einige die
Principia des gottseligen rechnen, gehören, weil aber die Principia des ehrichen
in die Ethick, des wohlanständigen in die
Politick, und des gottseligen in die
Theologie gehörten, so blieben nur die Principia des Gerechten für das
natürliche Recht im eigentlichen und engern Verstande, da sie denn einen
besondern Satz zum
Grund, der aus dem allgemeinen fliesset, legen, der auf die
Socialität hinauskommt, wovon wir bald mit mehrerm handeln wollen. |
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Unterhaltung sein selbst |
An statt daß diese
gesagt, man solte sich glückselig machen, so setzet
Proeleus in den Anmerckungen über den Pufendorf
p. 145 die
vernünfftige
Unterhaltung sein selbst, (conservationem
sui) welches dem Pufendorfischen
Principio oder der
Geselligkeit nicht
entgegen wäre, und vielmehr der
Grund davon sey. Auf diese Unterhaltung sein
selbst lieffen alle menschliche Verrichtungen hinaus, auch wären desfalls alle
Rechte eingeführet worden, und beklagte man sich
billig über das Unrecht, wenn
einem was zugemuthet werde, welches ihm an der Erhaltung seines
Gemüths, des
Leibes oder der nöthigen
Lebens-Mittel
Schaden zufüge. |
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Weil alle Menschen gleiche
Verbindlichkeit sich zu erhalten hätten, wegen
ihrer gleichen menschlichen Natur, so flösse daraus, daß |
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{Sp. 1216} |
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man einem ieden das leisten müsse, was man selbst zu seiner Erhaltung nöthig
hätte, zum Exempel: keiner soll den andern verletzen, man soll alle als Menschen
halten, man soll einem, was zu seinem
Nutzen versprochen worden, nicht versagen,
woraus man weiter folgerte, daß, wer da sucht sich und andere vernünfftig zu
erhalten, der erhalte die Glückseligkeit. |
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Erhaltung |
Beydes sucht der Herr Carl Otto Rechenberg in institut.
jurisprud. nat. lib. 1. tit. 6. §. 5. p. 20. zu
vereinigen, daß die Erhaltung der
Endzweck des
Menschen, und
der
Grund dieser Erhaltung der Eigen-Nutz wäre, welcher
Meynung dieses entgegen
stehet, daß, indem
GOtt aller Menschen Glückseligkeit intendiret, und er einen
liebet, wie den andern, nothwendig ihm an der Glückseligkeit vieler mehr
gelegen, als an der Glückseligkeit einer einzigen
Person, mithin geht der
gemeine Nutzen dem Privat-Interesse für. |
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Hobbes |
Hobbesius satzte auch den
eigenen Nutzen zum
Grunde, machte
aber die gesunde
Vernunfft nicht zur Richtschnur desselben, und wolte eigentlich
gar nichts von den natürlichen Gesetzen wissen. Es haben sich zwar verschiedene
gefunden, die ihn zu vertheidigen oder zu entschuldigen gesucht. |
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- Heinrich Bredelou versprach eine Schutz-Schrifft vor ihn, wovon
Beyers notitia auctor. jurid. spec. 1. p. 25. zu
lesen.
- Becmann setzet in seinen medit. poet. dissert. 1. §. 2.
Hobbesium Grotio und
Pufendorfen an die Seite, und in
seinen Parall. Polit. diss. 1. §. 5. lobet er seine
Gründe in der
Moral.
- Lambertus Velthuysen hat in seiner diss. epist. de
principiis justi et decori tom. 2. p. 955. opp. eine
Schutz-Schrifft für Hobbesio aufgesetzet
- und der Herr Gundling schrieb 1706 eine Dissertation
de statu naturali Hobbesii
in corpore juris civil. defenso et defendendo.
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Zu
Leipzig aber ist 1724 herauskommen: Sturmii
Dissertatio
de Hobbesio sociali, hoc est, de genuino principio juris naturalis Hobbesii.
Man führt zu seiner Entschuldigung an, sein Absehen wäre dahin gegangen, die
damaligen Unruhen unter dem
Kayser
Carl zu besänfftigen, wie aus der innerlichen
Begierde des
Menschen ohne Absicht der
Vernunfft iedermanns Krieg wider iederman
entstünde, so wiese er weiter, wie die Vernunfft haben wolle, daß man dieser
Begierde widerstehen solte, damit der
Friede
erhalten würde, |
wovon
- Jacob
Thomasius in Praef. n. 52. p. 301. n. 57.
p. 335.
- Christian
Thomasius in jurisprud. divin.
lib. 1. cap. 2. §. 49. 52.
-
Pufendorf in jure
nat. et gent. lib. 2. cap. 2. §. 15.
-
Buddeus in
theol. moral. p. 575.und in hist. jur. nat. §. 26.
- Ludovici in delineat. hist. jur. nat. §. 35.
- Hochstetter in Colleg. Pufend. exerc. 4. pag. 166.
- Griebner in jurisprud. nat. prol. cap. 4. §. 6.
- und Proeleus in Dissertatione de origine divers.jur nat.
princip. §. 18.
handeln. Man kan dabey auch Friedrich Hombergk zu
Vach Dissertation de pace et societate humani generis natura
constituta ex ipsis principiis Hobbesii probata, Marpurg 1722 lesen. |
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