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Zedler: Natur-Rechts (Grund-Satz des) [3] HIS-Data
5028-23-1205-1-03
Titel: Natur-Rechts (Grund-Satz des) [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 23 Sp. 1213
Jahr: 1740
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 23 S. 624
Vorheriger Artikel: Natur-Rechts (Grund-Satz des) [2]
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Hinweise:
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  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

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Übersicht
Klassen (Forts.)
  2. naturbezogene Grundsätze
 
  2.1 der von Gott bei der Schöpfung intendierte Endzweck (finis Dei)
  2.2 der Endzweck der erschaffenen Welt (finis mundi)
  2.3 die Übereinstimmung und nicht Übereinstimmung mit seiner Natur
  2.4 die göttliche Vorsehung (providentia divina)
  2.5 die nach dem göttlichen Willen eingerichtete Ordnung der Natur (ordo naturae)
  2.6 die von Gott zu einen gewissen Endzweck eingerichtete, und nach dem freien Willen disponierte menschliche Natur
  Grundsatz der Glückseligkeit
  vernünftige Unterhaltung sein selbst (conservationem sui)
  Erhaltung
  Hobbes

Stichworte Text  
2. naturbezogene Grundsätze In die andere Classe setzen wir diejenigen Principia, die sich auf die Natur, als den Grund des natürlichen Rechts, beziehen, aber gar unterschiedlich sind. Denn einige nehmen dafür dasjenige an, welches sonst der Grund ist, daraus die Vernunfft den Göttlichen Willen als ein Gesetz schliesset, und halten den natürlichen Grund und das Principium des natürlichen Rechts vor eins, wenn sie sagen, man müsse alles thun, was der Ordnung, dem Endzweck der Natur überhaupt, oder des Menschen insonderheit gemäß, und unterlassen, was ihnen zuwider.  
  Bey welchen Principiis man nicht unterscheidet den Willen GOTTes selbst, den er als ein Gesetz geoffenbaret, und die Sache, dadurch die Offenbarung oder Promulgation geschehen, wie sie denn auch gar zu metaphysisch und abstract aussehen, daher weder deutlich noch hinlänglich, wenn man sie ja als eigentliche Principia wolte gelten lassen.  
  Dahin gehöret  
 
1) der von GOTT bey der Schöpffung intendirte Endzweck (finis Dei,)
  dieser ist das Principium des
 
  • Herrn Pritii in einer Dissertation de principio jur. nat.
  • Müldeners in posit. inaugural. de jure nat. definit. et fund. und
  • Wahls in acroamatico jurispr. univers. typo, tab. 5. §. 11. pag. 76.
  welcher Grund-Satz mehr in sich begreifft, als nach dem Recht der Natur nöthig, ehe man ihm was daraus demonstriren oder beweisen will, erklären muß, was dieser Endzweck sey, und worinnen er bestehe:
 
 
2) der Endzweck der erschaffenen Welt (finis mundi)
  welches Velthuysen de principiis justi et decori pag. 964. angenommen, und mit dem kurtz vorhergegangenen auf eins hinaus kömmt, daher auch Pufendorff de jure nat. et gent. lib. 2. cap. 3. §. 12. angemercket, es sey sehr dunckel, und könte den besten Schlüssen, die hinaus solten gezogen werden, kein Licht gegeben:
 
 
3) die Ubereinstimmung und nicht Ubereinstimmung mit seiner Natur,
  des Herrn Johann Georg Wachters in seinen Originibus juris naturae, welcher das Recht der Natur mathematisch beweisen will, und in der Vorrede diejenigen auslachet, so die Wahrheit durch eine Hypothesin zu erlangen vermeynen, die sie an und vor sich nicht ergreiffen könten; meldet aber, daß er von dieser Wissenschafft keine neue Meynung auf die Bahn bringe, sondern nur die alte, die der Marcus beym Cice-
 
  {Sp. 1214}  
 
  rone de legibus mit Beyfall des Quinti und Artici vorgetragen, wieder hervor suchen wollen. Er führet seine Origines von GOTT an, und setzet z.E. daß die Krafft, dadurch die natürlichen Dinge ihr Seyn und ihre Würckung hätten, eine Krafft GOTTES sey, daß die Krafft GOTTes gantz frey, und daß daher das Recht GOTTes von seiner Krafft nicht unterschieden; sondern die Krafft selbsten sey, sofern dieselbe als gantz und absolut frey betrachtet werde.
 
 
  Daß aus der unendlichen Krafft GOTTes unendliche Dinge auf unendliche Art folgten, und daß also durch die Krafft GOTTes nichts entstehen könte, aus dessen Natur nicht auch zugleich eine Würckung flösse; daß die Gerechtigkeit GOTTes eben auch seine Krafft sey, sofern sie einem ieglichen das seinige mittheile, das ist, sofern sie einem ieglichen Dinge sein Wesen und Seyn mitzutheilen begriffen werde. Woraus er endlich schliesset, wenn man der menschlichen Natur gemäß lebe, lebe man nach dem natürlichen Recht.
 
 
  Wenn man die Sache genau einsiehet, so läufft sie auf die Stoische Lehre hinaus, wiewol er sehr dunckel schreibet, und mancher nicht abmercken kan, wo er hin will. Doch eben die Dunckelheit in einer an sich deutlichen Materie ist kein gutes Kennzeichen.
 
 
4) Die Göttliche Vorsehung (providentia divina)
  des Samuels Rachelii in jure nat. et gent. diss. 1. §. 30. pag. 27. welche er hier so erkläret, daß er darunter die Einrichtung einer ieglichen Sache, nach dem einer ieden Natur gemässen Endzweck begreiffet.
 
 
5) Die nach dem Göttlichen Willen eingerichtete Ordnung der Natur (ordo naturae)
  welches das Principium des Herrn Bodini ist, der eine Dissertation unter dem Titel: Jus mundi, seu vindiciae juris naturae, Rintel 1690, und zu Halle 1698, und eine andere de obligatione forensi juris divini 1696 herausgegeben.
 
 
  Er behauptet, daß die Erkänntniß des natürlichen Rechts nichts anders, als eine Erkänntniß der Schöpffung, und der daraus fliessenden Ordnung und Gebrauch der Geschöpffe, so daß wir wüsten, in was vor einer Ordnung eine Sache geschaffen sey, und dieselbe auch in der Ordnung und zu dem Zweck brauchten, darinnen und dazu sie geschaffen sey. Er hält vor gewiß, daß die Liebe das einzige Band der Natur, auch der einige Affect des Menschen sey, in dessen rechtmäßiger Regierung alle Tugend und alle Erbarkeit bestehe, und will daher, wir solten lieben GOtt, unsere Seele, die Seele des Nächsten, das gesamte Welt-Gebäude, unser Leben, unsers Nächsten Leben, unsere Güther, unsers Nächsten Güther, eine iegliche Creatur ins besondere, auf welche Weise wir die von GOTT gemachte Ordnung unter den Geschöpffen nicht leicht zerrütten, noch uns an den Gesetzen der Natur versündigen würden.
 
 
  Es ist dieses Principium von wenigen gebilliget worden, und hat unter andern Thomasius in der Dissertation de fundamentorum detimendi caussas matrimoniales hactenus receprorum insufficientia 1698
 
  {Sp. 1215|S. 625}  
 
  dem Herrn Bodino viele Einwürffe gemacht, und daß dergleichen mit Grund geschehen, und geschehen können, wird wol niemand in Abrede seyn.
 
 
  Denn einmal ist solches Principium nicht adäquat. Die Ordnung der Natur geht auch die unvernünfftigen Thiere an, die aber gleichwol kein Recht der Natur haben, und man kan manches wider die Ordnung der Natur thun, als unter andern vomiren, so nicht mit dem Gesetz der Natur streitet. Es ist das selbige auch dunckel, daß ein ieder, dem ich einen besonderen Schluß daraus ziehen wolte, fragen wird: was ist aber die Ordnung der Natur?
 
 
6) Die von GOtt zu einen gewissen Endzweck eingerichtete, und nach dem freyen Willen disponirte menschliche Natur,
  welchen Grund-Satz Titius in Observ. ad Pufendorf. de offic. hom. et civ. lib. 1. cap. 3. obs. 78. n. 1. hat, der daraus drey andere Sätze, man müsse GOtt lieben, die Eigenliebe ausüben, und gesellig leben, folgert.
 
Grundsatz der Glückseligkeit Andere haben bey ihren Principiis nicht sowol auf die Beschaffenheit und den Endzweck der Natur selbst, als vielmehr auf den dabey von GOtt intendirten Endzweck auf Seiten der Menschen gesehen, und gemeynet, der erste Grund-Satz sey, der Mensch müsse alles dasjenige thun, was ihn glückselig mache, und hingegen unterlassen, was ihn unglücklich machen könte, als  
 
  • Thomasius in fund. jur. nat. et gent. lib. 1. c. 6. §. 21.
  • Gerhard in delin. jur. nat. lib. 1. c. 7. §. 32.
  • Kemmerich in Pufendorf. enucleat. lib. 1. c. 3. §. 30. p. 60.
  • Treuer in not. ad Pufend. p. 85.
 
  Man muß aber wissen, daß sie bey dem Grund-Satz das natürliche Recht in weiterm Verstande nehmen, so fern darunter nebst den Principiis des Gerechten, auch die Principia des ehrlichen und wohlanständigen, dahin noch einige die Principia des gottseligen rechnen, gehören, weil aber die Principia des ehrichen in die Ethick, des wohlanständigen in die Politick, und des gottseligen in die Theologie gehörten, so blieben nur die Principia des Gerechten für das natürliche Recht im eigentlichen und engern Verstande, da sie denn einen besondern Satz zum Grund, der aus dem allgemeinen fliesset, legen, der auf die Socialität hinauskommt, wovon wir bald mit mehrerm handeln wollen.  
Unterhaltung sein selbst An statt daß diese gesagt, man solte sich glückselig machen, so setzet Proeleus in den Anmerckungen über den Pufendorf p. 145 die vernünfftige Unterhaltung sein selbst, (conservationem sui) welches dem Pufendorfischen Principio oder der Geselligkeit nicht entgegen wäre, und vielmehr der Grund davon sey. Auf diese Unterhaltung sein selbst lieffen alle menschliche Verrichtungen hinaus, auch wären desfalls alle Rechte eingeführet worden, und beklagte man sich billig über das Unrecht, wenn einem was zugemuthet werde, welches ihm an der Erhaltung seines Gemüths, des Leibes oder der nöthigen Lebens-Mittel Schaden zufüge.  
  Weil alle Menschen gleiche Verbindlichkeit sich zu erhalten hätten, wegen ihrer gleichen menschlichen Natur, so flösse daraus, daß  
  {Sp. 1216}  
  man einem ieden das leisten müsse, was man selbst zu seiner Erhaltung nöthig hätte, zum Exempel: keiner soll den andern verletzen, man soll alle als Menschen halten, man soll einem, was zu seinem Nutzen versprochen worden, nicht versagen, woraus man weiter folgerte, daß, wer da sucht sich und andere vernünfftig zu erhalten, der erhalte die Glückseligkeit.  
Erhaltung Beydes sucht der Herr Carl Otto Rechenberg in institut. jurisprud. nat. lib. 1. tit. 6. §. 5. p. 20. zu vereinigen, daß die Erhaltung der Endzweck des Menschen, und der Grund dieser Erhaltung der Eigen-Nutz wäre, welcher Meynung dieses entgegen stehet, daß, indem GOtt aller Menschen Glückseligkeit intendiret, und er einen liebet, wie den andern, nothwendig ihm an der Glückseligkeit vieler mehr gelegen, als an der Glückseligkeit einer einzigen Person, mithin geht der gemeine Nutzen dem Privat-Interesse für.  
Hobbes Hobbesius satzte auch den eigenen Nutzen zum Grunde, machte aber die gesunde Vernunfft nicht zur Richtschnur desselben, und wolte eigentlich gar nichts von den natürlichen Gesetzen wissen. Es haben sich zwar verschiedene gefunden, die ihn zu vertheidigen oder zu entschuldigen gesucht.  
 
  • Heinrich Bredelou versprach eine Schutz-Schrifft vor ihn, wovon Beyers notitia auctor. jurid. spec. 1. p. 25. zu lesen. 
  • Becmann setzet in seinen medit. poet. dissert. 1. §. 2. Hobbesium Grotio und Pufendorfen an die Seite, und in seinen Parall. Polit. diss. 1. §. 5. lobet er seine Gründe in der Moral.
  • Lambertus Velthuysen hat in seiner diss. epist. de principiis justi et decori tom. 2. p. 955. opp. eine Schutz-Schrifft für Hobbesio aufgesetzet
  • und der Herr Gundling schrieb 1706 eine Dissertation de statu naturali Hobbesii in corpore juris civil. defenso et defendendo.
 
  Zu Leipzig aber ist 1724 herauskommen: Sturmii Dissertatio de Hobbesio sociali, hoc est, de genuino principio juris naturalis Hobbesii. Man führt zu seiner Entschuldigung an, sein Absehen wäre dahin gegangen, die damaligen Unruhen unter dem Kayser Carl zu besänfftigen, wie aus der innerlichen Begierde des Menschen ohne Absicht der Vernunfft iedermanns Krieg wider iederman entstünde, so wiese er weiter, wie die Vernunfft haben wolle, daß man dieser Begierde widerstehen solte, damit der Friede erhalten würde, wovon
  • Jacob Thomasius in Praef. n. 52. p. 301. n. 57. p. 335.
  • Christian Thomasius in jurisprud. divin. lib. 1. cap. 2. §. 49. 52.
  • Pufendorf in jure nat. et gent. lib. 2. cap. 2. §. 15.
  • Buddeus in theol. moral. p. 575.und in hist. jur. nat. §. 26.
  • Ludovici in delineat. hist. jur. nat. §. 35.
  • Hochstetter in Colleg. Pufend. exerc. 4. pag. 166.
  • Griebner in jurisprud. nat. prol. cap. 4. §. 6.
  • und Proeleus in Dissertatione de origine divers.jur nat. princip. §. 18.
handeln. Man kan dabey auch Friedrich Hombergk zu Vach Dissertation de pace et societate humani generis natura constituta ex ipsis principiis Hobbesii probata, Marpurg 1722 lesen.
     

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Stand: 17. Februar 2013 © Hans-Walter Pries