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Zedler: Wort [8] HIS-Data
5028-59-265-11-08
Titel: Wort [8]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 59 Sp. 321
Jahr: 1749
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 59 S. 174
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Übersicht
III. Theologische Abhandlung (Forts.)
  6. Erklärungen einiger Schrifftstellen, in welchen des Wortes gedacht wird. (Forts.)

  Text   Quellenangaben
 
(n) Worte entfuhren Mosi,
  • Psalm CVI, 33,
  • 4 B. Mos. XX, 10.
 
  Dieses waren folgende Worte: höret ihr Ungehorsamen, werden wir euch auch Wasser bringen aus diesem Felß? d.i. GOtt wird euch kein Wasser geben. Dieser Zweifel und Unglaube, welcher zur Verachtung der göttlichen Barmhertzigkeit bey dem Volcke gereichte, mißfiel dem grossen GOtt dermassen, daß Moses und Aaron um deßwillen nicht konnten ins Land Canaan hinein kommen.
 
 
(o) Worte der Weisen sind Spiesse und Nägel,
Predig. Salom. XII, 11,
 
  das ist, diese weise und vortreffliche Sprüche, die bis ins
 
  {Sp. 322}  
 
  Hertz durchdringen (wie Spiesse und Nägel tief hinein gehen) sind zwar von vornehmen Personen, die der Israelitischen Kirche vorstehen, zusammen gebracht worden, aber doch kommen sie ursprünglich alle von einem allein her, nemlich vom Könige Salomo, der als ein treuer Hirte seines Volcks, sie in dieses Buch verfassen und beschreiben lassen. Aus diesen Worten ist abzunehmen, daß auch andere Weise und verständige Leute etliche feine Sprüche, die sie aus Salomons Munde gehört, aufgezeichnet haben, welche doch Salomo hernach wieder übersehen, und verbessert hat, daß also dennoch von Salomo mit Recht gesagt wird; er habe dies Buch gemacht.
 
 
(p) Ein Wort geredet zu seiner Zeit, ist wie güldene Äpfel in silbernen Schaalen,
Sprüchw. XXV, 11.
 
  Die gelehrten Ausleger haben sich sehr bemühet, zu erforschen, was das heisse: ein Wort geredt (al ophnav) über seinen Rädern, oder nach Luthers Übersetzung, zu seiner Zeit.
 
 
  Cajetan und Jansenius erklären es von denen nach der Rede-Kunst angebrachten Gründen, und allerhand Zierlichkeiten, deren man sich bedient. Hae enim sunt rotae sermonis, in quibus vehitur sermo ad persuadendum et instruendum. Denn diese, schreibt Cajetan, sind gleichsam die Räder, auf welchen die Rede in die Ohren der Zuhörer geführet wird, sie zu überreden, und zu unterrichten.
 
 
  Mart. del Rio, Novarin, Cornel a Lapide suchen allerhand Gleichnisse zusammen, eine geschickte Rede mit Rädern zu vergleichen, als welche rund sind und in ihren Gleissen hurtig dahin lauffen. Dergleichen Beschaffenheit hat es, ihrer Meynung nach, mit der Beredsamkeit, wenn einem die Worte fein hurtig vom Munde gehen, daß er nicht anstösset. Zu dem Ende bringen sie einige Stellen von Lateinischen Scribenten bey, als daß Cicero de claris oratoribus eine schöne Rede verborum aptam et rotundam connexionem nennet: ingleichen da Horaz von den Griechen sagt:
 
 
  -    -    -     Grajis dedit ore rotundo
Musa loqui.
 
 
  Nun wird zwar die Sache selbst nicht uneben hierdurch erkläret: es ist aber schwerlich zu behaupten, daß Salomo mit seiner Hebräischen Redens-Art dahin gesehen. Denn erstlich vergleicht er nicht die Worte, die geredet werden, mit Rädern, die hurtig daher lauffen; sondern wenn ja die Bedeutung der Räder statt haben soll: so sagt er nur, daß sie auf Rädern herfahren. Danach bestehet die rechte Beredsamkeit nicht in der Hurtigkeit der Zunge, daß ein Wort über das andere aus dem Munde gleichsam herausfährt, sondern in der Gerechtigkeit der Worte, daß sie füglich und der Sache gemäß, fein auf einander folgen, und sich schicken.
 
 
  Weil nun das Wort ophen bey den Talmudisten noch heutiges Tags so viel bedeutet, als modum, rationem et circumstantiam, eine Art, Weise oder Umstand, (instar rotae axem ambientis, rem cingens undique) welcher die Sache überall umgiebt, wie das Rad die Axe; also sehen wir nicht, warum
 
  {Sp. 323|S. 175}  
 
  wir diese Bedeutung verwerffen solten.
 
 
  Diese hat auch der gelehrte R. Aben Esra erwählt und gemeynt, Salomo verstünde hier ein Wort, welches auf geziemende Art und Weise geredet werde, da man nicht alles ohne Bedacht heraus sagt; sondern alle Umstände wohl erwägt, und redet, wie sichs gebühret. Dieses geschiehet, wenn man alle seine Worte vorher auf die Goldwage legt, und erweget, mit wem? wenn? wie ? wo man reden solle? und sie alsdenn erst vorbringe. Es ist gar zu bald geschehen, daß einem ein Wort entfahre, ob man es gleich nicht so meynet,
Syrach XIX, 16:
 
  wie von Mose stehet, daß ihm etliche Worte entfahren,
Psalm CVI, 33.
 
  Daher heisset al ophnav, nach seiner Art, und also zu rechter Zeit reden. Denn, wenn ein Narr schon was gutes redet, so taugt es doch nicht, denn er redet es nicht zu rechter Zeit.
Geiers Commentarius in Proverb. XXV, 11. p. 1337. u.ff.
 
(q) Worte des Glaubens,
1 Timoth. IV, 6.
 
  Hier redet der Apostel von logois, Worten oder gewissen Reden, die in und aus Worten bestehen. Er siehet aber nicht auf gemeine menschliche Worte, wie man etwa im gemeinen Leben braucht, seines Hertzens Gedancken auszudrücken; sondern auch solche Worte davon er anderswo sagt,
  • 1 Corinth. II, 13.
  • 1 Timoth. VI, 3.
 
  Diese preiset er ihm auch hier an. Damit man aber wisse, was er damit meyne: so nennet er sie Worte des Glaubens, womit er zu erkennen giebt, daß er von Worten rede, die allein glaubwürdig sind, und welchen jedermann Glauben beymessen müsse, wegen der höchsten Wahrhaftigkeit dessen, der diese Worte rede und sage. Dieses ist eine Sache, die von keinem Menschen Worte gesaget werden kan. Denn unter denselbigen ist keins unbetrüglich; vielmehr heißt es: alle Menschen sind Lügner,
Psalm CXVI, 11.
 
  Nur allein von den Worten des wahrhafften GOttes kan dieses gesagt werden, der ist nicht ein Mensch, daß er lüge,
4 Buch Mos. XXIII, 19,
 
  sondern er ist der wahrhafte,
1 Johann. V, 20,
 
  dessen Wort die Wahrheit selbst,
Johann. XVII, 17.
 
  Und darum kan auch solches Wort allein mit ungezweiffelten Glauben angenommen werden. Hieraus ist nun abzunehmen, daß der Apostel mit den Worten des Glaubens auf das wahrhafte göttliche Wort, insbesondere aber auf die Worte, die den Glauben an GOtt und Christum hervorbringen sehe. Denn dieses heißt sonderlich das Wort des Glaubens,
Röm. X, 8;
 
  die Predigt vom Glauben, dadurch man den Heiligen Geist erhält,
Galat. III, 2.
 
  Dieß ist nun nicht das Gesetz, denn das ist nicht des Glaubens,
v. 12;
 
  sondern das Evangelium, das da lehret, daß Christus der Welt Heyland sey, und dessen willen GOtt uns zu Gnaden annehmen und uns die Sünde vergeben will.
 
 
(r) Lasset uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zungen,
1 Johann. III, 18.
 
  Der Apostel setzet in diesen Worten sich und uns Christen in eine Classe, und sagt gleichsam: Meine Kindlein! wollen wir beyderseits GOtt
 
  {Sp. 324}  
 
  in unserer Liebe gefallen, und zu GOTT kommen, soll ich euer geistlicher Vater euch ein rechtes reines Vorbild der Liebe geben, und wollt ihr mir in der Liebe nachahmen und folgen, ja wollen wir mit einander GOttes Kinder seyn, und an unserer Liebe eine Versicherung der göttlichen Kindschafft haben, so lasset uns nicht lieben mit Worten, und mit der Zungen. Lasset uns mit keiner leeren Schein- und Heuchel-Liebe befleckt seyn.
 
 
  Aus dem Gegensatze, worinne Johannes der Liebe mit Worten und der Zunge, die Liebe mit der That und Wahrheit entgegen setzet, können wir genugsam abnehmen, daß mit Worten und der Zunge lieben, überhaupt eben so viel sey, als seine Liebe nicht im Wercke und in der That, sondern nur mit leeren, oder wohl gar mit falschen Worten bezeugen. Dieses heist ein blosses tönendes Ertzt in seiner Liebe seyn.
 
 
  Doch kan dieses auf mancherley Art geschehen, welche wir summarisch anzeigen wollen, damit wir alle Gattungen der Heuchel-Liebe vermeiden lernen:
 
 
 
1) Liebet man mit Worten und mit der Zunge, wenn man zwar einige Liebe und Erbarmung im Hertzen hat, dieselbe aber anders nicht als mit liebreichen guten Worten und Bezeugungen erweisen will,
1 Corinth. III, 20.
 
 
  Wahre Christen sind gewohnt, nicht grosse Dinge zu reden; sondern sie zu thun. So wenig der Nächste von der Lufft leben kan: so wenig kan ihm auch mit leeren Worten gedienet werden. Bey einer solchen Wort- und Zungen-Liebe ist man kein liebreicher Christ, sondern ein Comödiant, der die Liebe zwar vorstellen will, aber keine hat. Wenn man auch gleich mit grosser Bewegung und aus rechter Hertzens-Meynung gegen den Hülfbedürfftigen Nächsten sich bezeugt, daß man ihn lieb habe, daß man sich seine Noth zu Hertzen gehen lasse, und daß man ihn gern geholffen sehe: so ist man doch nur ein leidiger Tröster, wo die That bey den Worten fehlt.
 
 
 
  Ein anders ist es, wenn ein Mensch gantz unvermögend ist, seine Liebe dem Nächsten im Wercke selbst zu bezeugen, in welchem Falle die liebreichen nicht zu tadeln sind. Denn dadurch wird doch gleichwohl dem Nothleidenden oder Hülfbedürftigen ein guter Wille erzeiget, und der Trost gegeben, daß seine Noth auch andern seiner Mit-Christen zu Hertzen gehen werde, wie er sehe, daß man selbst davon gerührt sey.
 
 
 
  Aber wo im geringsten etwas ist, womit man dem Nächsten seine Liebe auch im Wercke, oder in der That selbst bezeugen kan: da ist es höchst unrecht und unchristlich, wenn man es bey den blossen Worten bewenden lässet. Ja dieses ist schon eine Heuchel-Liebe, wenn man mehrere Worte macht, als man Wercke der Liebe thut. Einige sind gewohnt, ihrem Hülfbedürftigen Nächsten, so zu reden, wohl einen gantzen Centner gute Worte, aber kaum ein Quentgen würcklicher Hülffe zu ertheilen.
 
 
 
  Diesem sind auch diejenigen falschen Heuchler an die Seite zu setzen, welche in Gewohnheit haben, wo sie für einem ein gutes Wort einlegen, oder sonst eine Recommendation geben können, dasselbe noch ziemlich willig thun, weil es ihnen nichts
 
  {Sp. 325|S. 176}  
 
 
  kostet; wo man aber bittet, daß sie sich auch selbst ein wenig angreiffen und zu Hülffe kommen sollen: so kehren sie schnell um, und werden wohl noch unwillig. Gleich als ob sie durch den blossen Vorspruch mit Worten und mit der Zunge ihrer Liebe eine völlige Genüge gethan.
Jac. II, 15.
 
  Man liebet aber auch
 
 
 
2) bloß mit den Worten und mit der Zunge, wenn man gar keine Liebe in seiner Seele hat, und doch viel Redens davon macht, wie sehr man liebe, und werth halte. Diese Gattung der Wort- und Heuchel-Liebe ist noch viel ärger, als die vorige, denn sie bestehet in lauter stinckenden Lügen, und will sich den Nächsten gantz anders vorstellen, als sie in der That beschaffen ist.
 
 
 
  Und so leben heutiges Tages die allermeisten Menschen. Denn was ist bey der jetzigen Welt gewöhnlicher, als daß man allerhand verlogene Complimente macht, wie man bereit sey zu dienen, wie man sich über sein Glück und Wohlergehen erfreue, wie man sein so guter Freund sey, und ihn so hoch schätze, wie man es so getreulich mit ihm meyne, und bey aller Gelegenheit seinem Befehle und Verlangen nachkommen wolle; da doch das Hertz von dem allen nichts weiß, und nichts zu halten gedenckt, ja sich wohl vornimmt, von allen das Gegentheil zu thun. Allein der GOtt der Wahrheit und Aufrichtigkeit setzet die Blutgierigen und Falschen in eine Classe zusammen,
Ps. V, 7.
 
 
  Welch ein Elend ist es unter uns, daß man keinem Menschen trauen darf,
Jerem. IX, 4.
 
 
  Unsere Staats-Leute wenden zwar ein: wenn sie die Complimenten unterlassen solten: so müsten sie sich gegen jedermann entdecken, und zu erkennen geben, wie sie gegen ihn gesinnet wären. Dieses würde aber offt etwas grob herauskommen, und ihnen manchen Verdruß machen.
 
 
 
  Allein diese Einwendung gilt nicht. Man verwandele vielmehr die Complimente in Wahrheit und Aufrichtigkeit; man trage gegen jedermann ein wohlgemeyntes, gütiges und dienstfertiges Hertz: so darf man sich jedermann entdecken, und doch keine Lügen vorbringen. Daß man gezwungen ist, sich viel zu verbergen, und zu verstellen, kömmt nur bloß daher, weil man im Gewissen überzeugt ist, daß man gegen die meisten Menschen übel gesinnet sey, und die gegen sie tragende Lieblosigkeit, wenn sie offenbar an den Tag gelegt würde, unmöglich verantworten könne. Wird man also seinen bösen, gottlosen, falschen, tückischen, lieblosen Sinn ändern, und einem jeden sein Recht wiederfahren lassen: so wird keine Verstellung nöthig seyn; sondern man wird vielmehr wünschen, daß einem jedermann ins Hertz sehen könne.
 
 
 
  Gesetzt aber, man hätte sonst zuweilen um seiner Aufrichtigkeit willen, die doch ohne Bosheit und Lieblosigkeit seyn müste, etwas auszustehen: so ist es weit besser ein Märtyrer der Wahrheit, als ein Märtyrer der Lügen zu seyn. Getrauet man sich aber einem nichts zu sagen, was zugleich wahr und ihm angenehm wäre: so schweige man lieber gar stille, als, daß man ihn mit der Unwahrheit hintergehe.
 
 
  Zu der verbothenen Wort- und Zungen-Liebe gehöret
 
 
 
3) wenn man dem Nächsten viel Liebes und Gutes, viel Hülffe und Beystand verspricht, und ihm doch wenig oder gar nichts davon hält oder erfüllet; es sey nun, daß man es anfangs zu
 
  {Sp. 326}  
 
 
  halten willens gewesen, oder nicht. So liebte jener Sohn seinen Vater mit dem Worte und mit der Zunge, da er zu demselben sagte: Ja er wolte auf seinen Befehl hingehen in den Weinberg, und that es doch nicht,
Matth. XXI, 30.
 
 
  So war auch Petri Liebe beschaffen, da er sich versprach mit seinem Heylande in den Tod zu gehen; und ihn dennoch gleich bey der ersten geringsten Gefahr verläugnete. So siehet der meisten Christen ihre Liebe gegen GOtt aus, daß sie nemlich viel geloben und versprechen, aber wenig oder gar nichts halten
 
 
 
  Die Geschichte gedencken eines Antigonus, welcher, weil er niemahls gab; sondern nur immer sagte: dōsō, ich will geben, von seinen leeren Versprechungen ho dōsōn, der Willgeber, genennet ward. Solcher Leute giebt es heutiges Tages eine unzählige Menge, sogar auch unter denjenigen, welche die Wahrhaftigkeit in der Liebe am meisten erhalten helffen solten. Selten wird es bedacht, daß man, wenn man etwas verspricht, und es doch nicht hält, eine doppelte, ja gar dreyfache Sünde thut.
 
 
 
  Erstlich, wenn man keine Liebe gegen den Nächsten bezeugt; zum andern, wenn man ein schändlicher Lügner und Betrüger ist: drittens, wenn der Nächste durch solche Treulosigkeit nothwendig sehr gerührt und getrübt wird. Man bedencke also, daß Zusagen Schuld mache.
 
 
  Es kan
 
 
 
4) dieses mit zu der blossen Wort- und Zungen-Liebe gerechnet werden, wenn man nur zu dem Ende einige Liebes-Wercke bezeugt, daß man damit prahlen, rühmen, und groß thun könne; im Verborgenen aber ausserordentlich unbarmhertzig ist. Ja viele unter ihnen prahlen wohl gar ohne Grund von Liebes-Wercken, davon sie doch keins gethan, und andere spahren solche vollends bis nach ihren Tod, um sich im Leben von allen Wohltaten zu enthalten. Hernach aber, wenn sie ihre irrdischen Schätze ohne dem dahinten lassen müssen, wollen sie einen ewigen und unsterblichen Ruhm davon haben.
 
 
  Die schlimmste Sorte von der Wort- und Zungen-Liebe ist endlich
 
 
 
5) diese, wenn man gar einen tödtlichen Haß, und eine gifftige Feindschafft in seinem Hertzen hat, und doch dabey mit dem Munde von lauter Liebe redet, und dem Nächsten viele Versicherungen seiner Liebe giebt. Hierinne verstellet sich der höllische Mord-Geist bey seinen Kindern zu einem Engel des Lichts,
  • 2 Samuel XX, 10.
  • Ps. LV, 22.
  • Sprüchw. XXIII, 6.
 
 
  Diese Wort- und Heuchel-Liebe recht aus dem Grunde zu vermeiden, und abzuthun, ist kein besseres Mittel, als daß man die wahre Liebe dem Hertzen recht einzupflantzen sucht, worauf Johannes dringt, wenn er nach unserer vorhabenden Stelle fortfähret: Lasset uns lieben mit der That und Wahrheit. Dieses heißt nicht nur einen Trieb zur Liebe bey sich haben, sondern demselben auch in der That nachkommen, nicht nur Mine machen, daß man dem Nächsten lieben wolle; sondern sich auch würcklich zu seinem Dienste in Liebe darstellen, nicht nur mit dem Munde und mit Worten viel Rühmens, Wesens und Verheissens machen; sondern diese Liebe auch im Wercke selbst mit der That, wenn man nur kan, ohn eintziges Absehen und Aufhören beweisen. Hierzu ist nun ein jeder wahrer Christ höchlich
 
  {Sp. 327|S. 177}  
 
 
  verbunden; seine Liebe muß einem Baume gleich seyn, welcher nicht nur Blüthen und Blätter zeigt, sondern auch reiche Früchte bringet.
 
 
(s) Wort ihrer Zeugniß.
Offenbahr. XII, 11.
 
  Etliche verstehen hier nach dem Griechischen das ewige Wort, welches GOtt selbst ist, Joh. I, 1, und zwar sofern dieses von uns bezeuget oder bekennet wird. Nun ist die Sache an sich selbst, und schlechterdings nicht unrecht. Freylich müssen wir durch niemand anders überwinden, als durch das ewige selbstständige Wort, unsern Immanuel; so du mit deinem Munde bekennest, Röm. X, 10: Allein was für Noth dringet uns zu dieser Neuerung.
 
 
  Eben in dieser Offenbahrung redet Johannes mehrmahls von dem Worte des Zeugniß, als I, 2 , 9, VI, 9, XI, 7, XII, 17, XX, 4, woraus hoffentlich zur Gnüge erhellet, daß auch hier sonder Zweiffel die Meynung sey, Satan werde überwunden hauptsächlich durch des Lammes Blut, und denn auch durch das Glaubens-volle deutliche Bekenntniß der Evangelischen Wahrheit, da man ungescheuet aller Verachtung, Unlust, ja Leibes- und Lebens-Gefahr von sich saget, was man durch des Geistes Krafft aus dem göttlichen Worte für wahr befindet. Denn eben hierdurch wird der Satan mit seinen höllischen Lügen und Betrügereyen zu Schanden gemacht, andere Verblendete und Verirrte gehen in sich, und werden bekehret: GOtt aber hierdurch gebührend verehret.
 
 
  Jedoch ist dieses Wort ihrer Zeugniß nicht eben so genau auf die Zeiten der Verfolgung zu ziehen, als ob nur durch die Aussage solcher Märtyrer der alte Drache überwunden werde; sondern das göttliche Wort insgesammt, so fern es bey gefährlichen oder geruhigen Zeiten, bey Freunden oder Feinden, heimlich oder öffentlich, im Glauben und in der Wahrheit getrieben wird; so fern man von demselben wider Teufel und Menschen zeugt; ist und bleibt das Schwerdt des Geistes, womit wir, wenn das böse Stündlein kömmt, Widerstand thun.
Ephes. VI, 17.
 
(t) Ein theuer werthes Wort,
1 Timoth. I, 15.
 
  Dieses Wort wird hier genennet ein gläubiges, gewisses und wahrhafftiges Wort. Sonst heisset pistos so viel als treu, wie es gebrauchet wird,
  • Math. XXIV, 45, XXV, 21,
  • Lucä XII, 42,
  • 1 Corinth. I, 9, X, 13,
  • 2 Corinth. I, 18;
 
  bisweilen heißt es gläubig,
  • Joh. XX, 27,
  • Gal. III, 9,
  • Ephes. I, 1,
  • Coloss. I, 2;
 
  hier aber heißt ist so viel, als unbetrüglich, wahrhafftig und gewiß. Das es bey jedermann unwidersprechlich Glauben finden soll.
 
 
  Denn da ist freylich des HErrn Wort wahrhafftig, und was er zusagt, das hält er gewiß,
Ps. XXXII, 4;
 
  sein Wort ist die Wahrheit,
Ps. CXIX, 160.
 
  Diese Worte sind gewiß und wahrhafftig,
Offenbahr. XXII, 6.
 
  Sie sind so gewiß, als der Zeuge in den Wolcken,
Psalm LXXXIX, 38.
 
  Der Apostel nennet dieses Wort ferner ein Wort, das aller Annehmung werth ist. Sonst heisset apodechethai einen Menschen, der einem sehr angenehm ist, mit Freuden auf- und annehmen. So finden wir es von den Gemeinen, welche Paulum und Barnabam willig an-
 
  {Sp. 328}  
 
  nahmen,
Apost. Gesch. XV, 4,
 
  ingleichen von den Brüdern in Achaja, die den Apollo aufnahmen,
Apost. Gesch. XVIII, 27;
 
  von Paulo, der in seinem eigenen Gedinge alle aufnahm, die zu ihm einkamen
XXVIII, 30.
 
  Sonderlich wird es von der ehrerbietigen Annehmung der reinen Lehre, der man nicht allein glauben zustellet, sondern sie auch mit grosser Begierde annimmt, und sein Vertrauen darauf setzet, wie etliche von Petri Zuhörern sein Wort gern annahmen, Apost. Gesch. II, 41: eben also ist auch das Wort von der Zukunft Christi in die Welt zu unserer Seeligmachung aller Annehmung werth. Es ist werth, daß es mit beyden Händen ergriffen, mit beyden Ohren gehöret, und mit gläubigem Hertzen gefasset und behalten werde, gleich einem Schatze, den man in einen Kasten einschliesset und bewahret.
 
 
  Es ist aber dieses Wort aller Annehmung werth, einmahl, weil es gewiß, wahr und unzweifelhafft. Denn so fliesset eins aus dem andern, weil erstlich ist gesagt worden, daß das Wort sey ein wahrhafftes gewisses Wort, so folget nun auch daraus, daß es sey ein Wort, welches Annehmungswerth ist; hernach aber auch wegen seines herrlichen Trostes, Krafft und Nutzens, welcher daraus geschöpft werden kan.
 
     

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HIS-Data 5028-59-265-11-08: Zedler: Wort [8] HIS-Data Home
Stand: 26. Februar 2013 © Hans-Walter Pries