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Quellenangaben | 
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Grade der Weisheit.¶ | 
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Es hat die Weisheit ihre Grade, nachdem so 
wohl die 
				Erkänntniß in dem 				
				Verstande, als auch die 
				
				Verbesserung des 				
				
				Willens, und Bezähmung der 
			Affecten, bey einem 				
				vollkommener, als bey dem 
andern seyn kan; Wiewohl, wenn wir 
				erwegen, daß 
zu Beförderung der 
				
				wahren
				Glückseligkeit eben so 
viel Wahrheiten nicht 
				nöthig sind, so kan man 
dennoch das 
				Lob eines weisen 
Menschen 
erlangen, wenn man auch keine so weitläufftige 
Erkänntniß besitzet. Ist dieses voraus gesetzet, so 
können wir leicht 
				erkennen:¶ | 
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Wie die Weisheit von den andern 
Geschicklichkeiten der menschlichen Seele 
unterschieden sey?¶ | 
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Eine solche 
				Geschicklichkeit ist die 
				Gelehrsamkeit, da zwar nichts gewöhnlichers, als 
daß man gelehrte Leute auch weise nennet, wie wir 
gleich im Anfange erinnert; wenn man aber von der 
eigentlichen Weisheit redet, so ist zwischen ihr und 
der Gelehrsamkeit allerdings | 
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{Sp. 1132} | 
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ein grosser Unterschied, massen einer weise 
seyn kan, der eben keine Gelehrsamkeit hat, da 
hingegen ein anderer bey aller seiner 
Gelehrsamkeit wenig Weisheit vorzeigen kan. 
Denn nimmt man das 				
				Wort Gelehrsamkeit nach der 
gewöhnlichen Bedeutung, so begreifft sie eine 
				Erkänntniß vielerley 
				Sachen, wodurch man die 
				menschliche Glückseligkeit befördert, dergleichen 
Wissen bey einem Menschen seyn kan, ohne daß 
solches mit der wahren Weisheit 
verknüpffet ist, 
wie uns dessen nicht nur die Geschichte der 
			Gelehrten; sondern auch die tägliche 
				Erfahrung 
versichern. | 
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Man findet Leute, die wegen ihrer 
				Gelehrsamkeit, und weitläufftiger 				
				
				Wissenschafft in 
grossen Ruf stehen, wenn man aber ihr 
				Leben und 
Wandel, ihre Unternehmungen und Handlungen 
ansiehet, so trifft man dabey nichts von der 
Weisheit an. Sie lassen ihren Neigungen und 
			Affecten den Zügel, erwehlen auf Antrieb 
derselbigen das 
				Böse vor das Gute, und indem sie 
sich dadurch unglücklich machen, so legen sie eine 
Thorheit an den Tag, und bestätigen dasjenige, 
was wir vorher 
			gesaget, wie nemlich 
Gelehrsamkeit von der Weisheit könne entfernet 
seyn. | 
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Befindet sich bey einem weisen 
Manne 
				Gelehrsamkeit, so wird diese durch die Weisheit 
erst recht kräfftig und nützlich, dergestalt, daß ein 
unweiser Mann nicht den halben 				
				Vortheil von 
seiner Gelehrsamkeit hat, als ein weiser von 
derselben zu gewarten. Diesen Unterscheid unter 
der Gelehrsamkeit und Weisheit muß man wohl 
mercken, weil nach demselbigen in vielen andern 
				Dingen				
				vernünfftig kan geurtheilet werden. Denn 
damit wir nur ein Exempel anführen, so wird unter 
andern viel von der 
				
				Philosophie der Patriarchen 
				disputiret, da einige selbige zu grossen 
				Philosophen machen; andere hingegen ihnen alle 
				Erkänntniß der Philosophie absprechen wollen, 
welcher Streit am gründlichsten dadurch kan 
entschieden werden, wenn man sagt, sie wären 
zwar keine Philosophen: aber doch weise Leute 
gewesen. Denn die Philosophie ist ein Theil der 
Gelehrsamkeit. | 
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Ausser diesem ist auch die 
				Klugheit eine 
				Geschicklichkeit der  
				menschlichen
				Seele, welche 
man ebenfalls von der Weisheit, ob sie gleich der 
Herr von Rohr mit derselbigen für einerley hält, 
wohl zu unterscheiden hat, indem man nicht einem 
jeden weisen Manne eine Klugheit beylegen kan, 
weswegen folgender Unterscheid zwischen ihnen 
zu setzen, daß die Weisheit mit den Absichten; die 
Klugheit hingegen mit den Mitteln die Absichten zu 
erlangen, zu thun hat. Jene setzet sich, was Gutes 
vor, es sey nun eine Erlangung des Guten, oder 
Abwendung des 
				Bösen; diese aber giebt nicht nur 
die Mittel, die dabey zu gebrauchen, an die Hand, 
sondern weisset auch, wie die Hindernisse aus 
dem Wege zu räumen sind. | 
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So können wir auch noch hinzusetzen, daß die 
Weisheit überhaupt auf das Gute gerichtet sey, und 
die Klugheit auf besondere 
				Dinge und 
Unternehmungen abziele. Wol- | 
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{Sp. 1133|S. 580} | 
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te man, wieder dasjenige, was wir bisher von 
der eigentlich so genannten 
				philosophischen 
Weisheit 
			gesaget haben, den Einwurff machen: 
Daß die alten
				Philosophen vor dem 
Socrates, wie 
auch nachgehends Aristoteles von dem wir den 
Gebrauch des 				
				Wortes Weisheit bekommen, 
dasselbe vor die theoretische 
				Gelehrsamkeit 
genommen haben; So antworten wir: Es ist 
hierbey nicht zu vergessen, daß Socrates diese 
allzuenge Bedeutung mit 
				Grunde verworffen, und 
die andern Philosophen alle, die Platonicker, die 
Stoicker, die Epicureer, und nur der eintzige 
Aristoteles nicht, ihm hierinnen 
billig beygepflichtet, 
ja, das Salomo und Syrach, in dieser Verbesserung 
des 
			Begriffes, den man von der Weisheit haben 
soll, es noch weit höher gebracht, und gewiesen 
haben, daß 
				
				GOtt zu der wahren Weisheit alle 
Menschen, auch die Ungelehrten, erschaffen; 
Indem die Furcht des Herrn der Weisheit Anfang 
sey, und also nicht derjenige, der nur von den 
Grund-Regeln der Weisheit scharffsinnig zu 
dencken weiß, sondern vielmehr derjenige, der 
sich die Furcht des Herrn als den rechten Grund 
der Ausübung derselben, darnach würcklich zu 
leben lencken lässet, ein 
wahrhafftig weiser 
Mann 
sey. | 
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Dahero sehen wir nicht, warum unter unsern 
Vorfahren, deren Gebrauche wir, in Bestimmung 
der Bedeutung dieser 				
				Wörter, folgen sollen, wir 
allein auf den Aristoteles sehen, und den ihm 
einhellig widersprechenden Gebrauch aller übrigen 
				Philosophen, des 
Socrates, der Platonicker, der 
Stoicker, der Epicureer, des Cicero, des weisen 
Salomo, des Syrachs, gegen den eintzigen 
Aristoteles, für nichts 
achten solten, und noch darzu ohne Absicht, 
welcher von beyderley Gebrauche wohl 
				vernünfftiger sey? | 
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Daß wir aber der wahren Weisheit, in 
obgedachtem 				
				
				Verstande, auch die Ungelehrten 
fähig 
				erkennen müssen, 
			verstehet sich von sich 
selbst: Indem sie den Geschmack ihrer 
				Sinne zu 
der Belustigung an dem Guten, und ihren 				
				
				Willen zu 
der Tugend, angewöhnen können, aus dem 
				Grunde einer auch nur einfältigen, und nicht 
gelehrten, 
				Erkänntniß der 
Wahrheit, die sie von 
den 
			Gelehrten überkommen können und sollen: 
Gleichwie z.E. auch ein Ungelehrter ein guter 
Christ seyn kan, ob er gleich der Wahrheiten der 
Religion nicht als ein gelehrter Theologe, sondern 
nur durch einfältigen 
			
			Unterricht, mächtig ist. | 
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Wir erfordern also zwar zu wahrer Weisheit 
eine überzeugende 
				Erkänntniß der 
Wahrheit: Es 
kan aber dieselbe zweyerley seyn, nehmlich 
entweder eine überzeugende Erkänntniß, die man 
durch eigenes Nachdencken, vermittelst der durch 
das Studiren in solchem Nachdencken erworbenen 
				Geschicklichkeit, erlangen kan: Dieses ist die 
gelehrte überzeugende Erkänntniß der Wahrheit: 
Oder eine in ihrer Art ebenfalls überzeugende 
Erkänntniß, die man, aus Mangel eigener 
				Gelehrsamkeit und Einsicht in die tiefsten 
				Gründe 
der Wahrheit, sich selber nicht würde machen 
können, aber als eine 				
				vernünfftige 
Creatur, wo man sich auch selbst nicht überzeugen kan, dennoch von andern zu 
			unterrichten und überzeugen zu lassen fähig ist, durch Gründe die auch ein 
Ungelehrter fassen kan, und die zu dem Ende von 
klugen 
				Lehrern erlesen werden, Dieses ist die 
gemeine überzeugende Erkännt- | 
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{Sp. 1134} | 
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niß der Wahrheit, die alle vernünfftige 
Menschen haben. Denn aus dem 				
	Wesen der 
				
				Vernunfft folget, daß, wenn sie auch nicht gelehrt 
ist, und sich also selbst in die Wahrheit leiten kan, 
sie dennoch zum wenigsten gelehrig, und also sich 
in die Wahrheit von andern Klügern und Erfahrnern 
leiten zu lassen fähig sey. Wie wolten sonst, wenn 
dieses nicht wäre, aus ungelehrten sogar gelehrte 
Leute werden können?  | 
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Die überzeugende  
				Erkänntniß der 
Wahrheit 
demnach, die wir auch den Ungelehrten zu theilen, 
ist diese letztere; Welche, da sie sie auch würcklich 
haben, das Exempel so vieler Nichtgelehrten, die 
wohl 				
				vernünfftiger und tugendhaffter leben, als 
viele 
			Gelehrte, augenscheinlich bezeuget: Und es 
ist wohl ein wenig zu hart, so gar ohne Unterschied 
alle 
				Empfindung 
und Überzeugung der Wahrheit denen Nichtgelehrten abzusprechen, gleich als ob 
ein Ungelehrter gar nicht einmahl eine 
vernünfftige Creatur wäre, oder doch keine 
würckliche Überzeugung der Wahrheit einer etwa 
guten Tugendlehre, durch innerliche Empfindung 
solcher Wahrheit, jemahls haben könne, oder 
würcklich habe. | 
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Endlich 
			sagen wir auch keinesweges, daß 
alles Theoretische zu der 
				Gelehrsamkeit gehöre: 
Denn die gemeine einfältige 
				Erkänntniß, zu 
welcher auch die Ungelehrten zu Beförderung 
eines 				
				vernünfftigen
				Lebens, angeleitet werden, hat 
eben auch ihre Theorien; Ob sie gleich nicht zu tief 
aus den ersten 
				Gründen der Natur der Dinge 
heraus geholt werden dürffen, als es in der 
Gelehrsamkeit nöthig ist. Da wahre Weisheit nichts 
anders ist, als ein 
			Begriff derjenigen 
				Geschicklichkeiten des 
				
				Gemüths, des 				
				Verstandes 
und des 				
				
				Willens, und der 
				Sinne, die zu Erlangung 
und zu dem Genusse einer wahren Glückseligkeit 
erfordert werden, die Geschicklichkeiten des 
Willens und der Sinne aber von den 
Geschicklichkeiten des Verstandes dependiren; 
Alle Geschicklichkeit und Erkänntniß des 
Verstandes aber zuletzt auf die 
Erkänntniß GOttes, 
als der allerobersten 
				
				Grund Ursache aller 
				Dinge, 
hinaus lauffen muß; Die Erkänntniß GOttes aber 
uns zu der Erkänntniß seines 				
				
				Willens, und 
				Gesetzes, und diese endlich uns zu einem weisen 
				Gehorsam, leitet, welcher, wenn er 
				
				GOtt 
angenehm, und unsre wahre Glückseligkeit, als 
den 				
				Zweck der göttlichen Gesetze, zu befördern 
tüchtig seyn soll, mit kindlicher 
Furcht GOttes 
geleistet werden muß: So ist also die Furcht 
GOttes, und der daher entspringende Gehorsam, 
erstlich der Zweck, auf welchen alle weisse 
				
				Wissenschafft abzielen muß, als welche durch die 
Reyhen der Geschöpffe bis auf GOtt empor steigen 
muß, und nicht höher kan; So dann aber zum 
andern die eintzige höchste Grund oder 
Bewegungs Ursache, die den 				
				
				Willen der Menschen 
zu wahrer Tugend, und ihren Geschmacke zu dem 
daher zu gewartenden gründlichen Vergnügen, 
bringen kan. Dannenhero, und in diesem 
				
				Verstande, ist die Furcht des Herrn der Weisheit 
Anfang: Denn sie ist, wie gesagt, der höchste 
Zweck alles unsers Wissens, und die gewünschte 
Bewegungs-Ursache alles unsers 
				Thuns. | 
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Was wir bisher umständlich dargethan und 
erwiesen haben, stellet Syrbius gleichsam in 
ei- | 
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{Sp. 1135|S. 581} | 
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nem kurtzen Abriß vor, wenn er schreibet: Die 
Weisheit sey nichts anders, als der Besitz des 
Wahren und des Guten. Es werde aber das Wahre 
durch 
				Erkänntniß, und das Gute durch 
Liebe, 
besessen. Hieraus erscheine, wie die Weisheit so 
wohl von der 
				
				Philosophie, als auch von der 
				Gelehrsamkeit und von der Tugend, wie nicht 
weniger von der Lehre und Anweisung zu der 
Weisheit, und andern 
				Dingen mehr, unterschieden 
sey. | 
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Was die Philosophie anlange, so werde zwar 
mit diesem 				
				Worte theils die Gelehrsamkeit, theils, 
und absonderlich, die Lehre der Weisheit, so ferne 
diese nur aus der gesunden sich selbst gelassenen 
				
				Vernunfft zu 
				erkennen sey, benennet. Wenn man 
aber alles genau unterscheiden wolle, so sehe sie 
die Weisheit als ihrem 				
				Zweck an, und sey nichts 
anders, als die Bestrebung, oder Bemühung, nach 
dem Wahren und Guten; Welches endlich ebenso 
viel bedeute, als dieses dem 				
				Ursprunge nach 
				
				Griechische Wort auf Deutsch heisse; Nehmlich die 
Liebe, oder Bemühung nach der Weisheit, die sich 
der Lehre, als eines Mittels bedienet. | 
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				Gelehrsamkeit und Tugend aber verhalten 
sich gegen die Weisheit, als Stücke, oder Theile, 
gegen das Gantze. Denn da die Weisheit auf 
Seiten des 				
				Verstandes den Besitz des Wahren 
erfordere, solcher aber in der 
				Erkänntniß bestehe; 
So könne diese mit keinem füglichern 
				Nahmen, 
als der Gelehrsamkeit, benennet, und dahero, als eine genug klar und deutliche 
Erkänntniß des Wahren und Guten, beschrieben werden. Denn, wenn man gleich auch 
das Gute mit erkennet, so sey doch solche Erkänntniß weiter nichts, als ein 
Besitz des Wahren.  | 
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Es begreiffe aber die
				Gelehrsamkeit 
eines theils ein blosses Verstehen, andern theils aber eine
				Geschicklichkeit, 
unter sich. Was man verstehe, daß verstehe man entweder
unmittelbar, ohne, daß man zu der Überführung einiges
				Beweises 
benöthiget sey, und dieses nenne man die Verständlichkeit (Intelligentiam): 
Oder vermittelst eines hinlänglichen Beweises, und dieses nenne man besonders 
die				
				
				Wissenschafft (Scientiam). | 
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Die 
				Geschicklichkeit sey überhaupt das 
				Vermögen, die von der gesunden 				
				
				Vernunfft 
vorgeschriebenen 
				Regeln auszuüben. Dadurch 
könne man aber wiederum entweder blos etwas 
ausrichten, oder bewerckstelligen, und dieses 
nenne man die Kunst; Oder man sey geschickt, mit 
seinem 
				Thun und Lassen etwas Gutes zu 
befördern, als 
				Nutzen zu schaffen, 
Schaden zu 
vermeiden, welches der 
				Klugheit (Prudentiae) 
zugeschrieben werde. Solchem nach würcke die 
Kunst nach dem 				
				Zwecke des 				
				Verstandes; Die 
Klugheit aber nach dem Zwecke des 				
				
				Willens. | 
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|   | 
Ferner werde, auf Seiten des Willens, der 
Besitz des Guten zu der Weisheit erfordert, 
welcher in der Liebe bestehe. Gleichwie aber das 
höchste Gut der 
				Grund von allen übrigen ist; Also 
werde hier zuförderst die aufrichtige Liebe zu dem 
höchsten Gute erfordert, welche eigentlich Tugend 
heisse. Jedoch würden deswegen die übrigen 
				Güter von der Weisheit nicht ausgeschlossen: 
Wenn nur die Liebe zu denselben der Liebe des 
höchsten Gutes gebührend unterworffen 
werde. | 
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Aus dem Angeführten lasse sich leicht 
abnehmen, was so wohl der Weisheit selbst, als 
derselben Stücken, zuwi- | 
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{Sp. 1136} | 
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der lauffe. Überhaupt stehe ihr die Thorheit 
entgegen, welche in Abwendung des 
				
				Gemüthes 
von dem Wahren und Guten bestehe. Insonderheit 
aber sey der 
				Gelehrsamkeit die Pedanterey, die 
falsche Gelehrsamkeit, und die Windmacherey, 
(Eruditio ventosa) die auch die Charlatanerie 
heisset, entgegen. | 
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|   | 
Wolle man auch die Stücke der 
				Gelehrsamkeit 
besonders mit erwegen, so stehe der 
Verständlichkeit die Dumheit, der 				
				
				Wissenschafft 
die Einbildung, (Opinio) der 
Kunst die 
Ungeschicklichkeit, und der 
				Klugheit der 
Unverstand, oder die Unvorsichtigkeit, entgegen. 
Was den 				
				
				Willen anbetreffe, so sey der Tugend das 
Laster zuwider, welches in Abwendung des 
				
				Gemüthes von dem höchsten Gute bestehe. 
Solche Abwendung geschehe theils durch blosse 
Unachtsamkeit und Versäumung, theils gar durch 
Verachtung. Jene behalte den gemeinen 
				Nahmen 
der Untugend und Lasterhafftigkeit; Diese aber 
werde insonderheit Gottlosigkeit genennet. 
Woferne man aber die übrige Glückseligkeit 
versäume, oder gar verachte, so heisse dieses ein 
Unverstand, auch eine Thorheit; Wenn der 
				Grund 
solcher Versäumniß, oder Verachtung, eine 
Bosheit sey. Denn diese sey denenjenigen 
hauptsächlich beyzumessen, welche sich von dem 
höchsten Gute abwenden, welches die Bosheit des 
Willens allemahl, wenigstens auf einige Masse, 
thue. | 
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Eben dieses lehret Kemmerich, nur mit etwas 
andern 				
				Worten, wenn er 
				schreibet, die Weisheit 
bestehe theils in der rechten 
				Erkänntniß, theils in 
dem rechten Gebrauche der 
				Dinge: Das erste gehe 
auf die Ausbesserung des 				
				Verstandes, das andere 
auf die Ausbesserung des 				
				
				Willens. Wir wollen 
nichts weiter, als nur noch die Exempel anführen, 
mit welchen er seine mit der unsrigen auf das 
genaueste übereinkommende 
				Meynung, durch alle 
Disciplinen, erläutert. Als | 
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| „1) | 
aus der Theologie: Wer 
eine rechte Erkänntniß von GOtt hat, von seiner 
Liebe und Güte, von seiner Gerechtigkeit und 
Heiligkeit, von seiner Weisheit, Allwissenheit und 
Allmacht, wie auch seiner Providentz und 
Regierung der Welt; Und weiß sich dieses alles so 
zu gebrauchen, daß dadurch in ihm eine kindliche 
Furcht, eine aufrichtige und hertzliche Liebe, ein 
freudiges und mit Gelassenheit verknüpfftes 
Vertrauen, und endlich ein demüthiger und williger 
Gehorsam, sich dem göttlichen Willen gemäß zu 
bezeigen, erwecket, und solchergestalt bey allen 
Fällen eine wahre Gemüths-Ruhe in seiner Seelen 
erhalten wird; derselbe stehet schon auf einem 
hohen Grad der Weisheit. | 
 
  | 
  | 
|   | 
|   | 
Doch dieser ist noch 
höher, wenn einer auch zugleich eine rechte 
Erkänntniß von Christo hat, und weiß sich diese 
also zu Nutze zu machen, daß er auf ihm, als den 
wahrhafften Sohn GOttes und seinem Erlöser seyn 
gantzes Vertrauen und die Hoffnung seiner 
Seligkeit begründet; Von ihm, als dem 
vollkommensten Lehrer der himmlischen Weisheit, 
lernet; Und endlich ihm, als dem König aller 
Könige, in tieffster Devotion und Gehorsam sich 
unterwirfft. | 
 
  | 
  | 
|   | 
| 2) | 
Aus der Jurisprudentz: 
Wer eine rechte Erkänntniß des allgemeinen 
Natur- und Völcker-Rechts, des bürgerlichen und 
Kirchen-Rechts, des öffentl. Reichs- und 
Staats-Rechts, wie auch des Lehn-Rechts, hat, 
und ge- | 
 
  | 
  | 
|   | 
{Sp. 1137|S. 582} | 
  | 
|   | 
|   | 
braucht sich dessen also, 
daß er nicht nur für sich und in seinem Stande 
denen vorgeschriebenen Gesetzen sich gemäß 
bezeiget, und jedermann dasjenige Recht, und die 
Pflicht leistet, so er ihm von Rechtswegen schuldig 
ist; sondern auch, wenn er dazu bestellet, als 
Advocat, Richter, oder Schiedsmann, einem jeden 
in seiner gerechten Sache weiß zu dienen, oder 
durch einen gerechten Ausspruch ihm zu seinem 
Rechte zu verhelffen, und bey ruhiger Besitzung 
seiner Güter zu beschützen, daneben allem 
ungerechten Wesen zu steuren; derselbe ist 
ebenfalls weise zu nennen. | 
 
  | 
  | 
|   | 
| 3) | 
Aus der Physick und 
Medicin: Wer in der Natur-Wissenschafft dergestalt 
erfahren, daß er vornemlich die Beschaffenheit des 
menschlichen Cörpers, wie auch die 
Eigenschafften, die Krafft und Würckung der 
äusserlichen Dinge, welche in unsern Leib einigen 
Einfluß haben, und zu dessen Erhaltung, oder 
Verderben gereichen können, wohl innen hat, und 
weiß sich dieses alles zur Erhaltung des 
menschlichen Lebens und Leibes-Gesundheit 
gebührend zu Nutze zu machen; demselbigen wird 
niemand den Titel eines weisen Medici disputiren 
können. | 
 
  | 
  | 
|   | 
| 4) | 
Aus der Morale: Wer sich 
selbst recht erkennet, so wohl aus der allgemeinen 
menschlichen Natur, als aus seinem eigenen 
Humeur und Haupt-Paßion, und weiß, worinn sein 
Fort und Foible bestehet: Item, wer auch anderer 
Menschen, mit denen er umgehet, Gemüther und 
Temperamenten kennet, dergestalt, daß er seine 
Schwachheiten nach Möglichkeit zu verhüten, und 
seine böse Affecten zu unterdrücken sucht, seine 
Gaben aber und gute Qualitäten zur Beförderung 
seiner eignen und anderer Menschen 
Glückseligkeit anwendet, und darneben andere 
nach ihrem Humeur solchergestalt tractiret, daß sie 
ihm an diesem Zweck nicht hinderlich, sondern 
beförderlich dazu seyn: Derselbe verdienet 
abermahl den Titel eines Weisen. | 
 
  | 
  | 
|   | 
| 5) | 
Aus der Politique: Wenn 
ein Minister den Staat so wohl von andern 
Königlichen und Fürstlichen Höfen, oder 
Republiquen, als insonderheit desjenigen Hofes, 
daran er lebet, wohl innen hat, und weiß sich 
dessen zum Interesse seines Principalen, und des 
gantzen Landes Wohlfahrt zu gebrauchen, der ist 
weise.„¶ | 
 
  | 
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|   | 
Es hat Thomasius in Cautel circa praecognita 
Jurisprud. … einen weitläufftigen Discours von der 
Weisheit angestellet; wie man denn auch in Buddei Analect. histor. philosoph. … gewisse Kennzeichen 
derselbigen bemerckt findet, und Syrbius hat 1707 
ein Schediasma, de definitione sapientiae, 
herausgegeben. Peter Charron schrieb zu Anfang 
des vorigen Jahrhunderts ein 
				Buch von der 
Weisheit, von welchem unter Charron, (Petrus) im 
V
				Bande, 
p. 2028 u.f. Nachricht zu finden ist. | 
- 
	Walchs Philos. Lex. … 
 
	- Müllers Philosoph. Wissenschafft … 
 
	-  
	 Wolffens 
Gedancken von der Menschen Thun und Lassen 
… 
 
	- Ebend. Gedancken von Gesellschaftlichen 
Leben der Menschen … 
 
	- Bruckers Kurtze Fragen 
aus der Philosophischem Historie 
…
 
  | 
|   | 
{Sp. 1138} | 
  | 
|   | 
  | 
	 | 
|   | 
 | 
- Stollens Historie 
der heydn. Moral … 
 
	- Syrbii kurtze Anweisung zur 
Weisheit … 
 
	- Rohrs Klugheit zu leben … 
 
	- Kemmerichs Academie der Wissensch. Eröffn. I 
…
 
  | 
|   | 
Siehe auch 
				
				Philosophie, im XXVII Bande, p. 
2012 u.ff.¶ | 
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|   | 
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