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Zedler: Weisheit [3] HIS-Data
5028-54-1114-8-03
Titel: Weisheit [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 54 Sp. 1131
Jahr: 1747
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 54 S. 579
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Übersicht
Philosophische Abhandlung der Weisheit im engerm oder eigentlichem Verstande (Forts.)
  Grade der Weisheit.
  Wie die Weisheit von den andern Geschicklichkeiten der menschlichen Seele unterschieden sey?

  Text   Quellenangaben
  Grade der Weisheit.  
  Es hat die Weisheit ihre Grade, nachdem so wohl die Erkänntniß in dem Verstande, als auch die Verbesserung des Willens, und Bezähmung der Affecten, bey einem vollkommener, als bey dem andern seyn kan; Wiewohl, wenn wir erwegen, daß zu Beförderung der wahren Glückseligkeit eben so viel Wahrheiten nicht nöthig sind, so kan man dennoch das Lob eines weisen Menschen erlangen, wenn man auch keine so weitläufftige Erkänntniß besitzet. Ist dieses voraus gesetzet, so können wir leicht erkennen:  
  Wie die Weisheit von den andern Geschicklichkeiten der menschlichen Seele unterschieden sey?  
  Eine solche Geschicklichkeit ist die Gelehrsamkeit, da zwar nichts gewöhnlichers, als daß man gelehrte Leute auch weise nennet, wie wir gleich im Anfange erinnert; wenn man aber von der eigentlichen Weisheit redet, so ist zwischen ihr und der Gelehrsamkeit allerdings  
  {Sp. 1132}  
  ein grosser Unterschied, massen einer weise seyn kan, der eben keine Gelehrsamkeit hat, da hingegen ein anderer bey aller seiner Gelehrsamkeit wenig Weisheit vorzeigen kan. Denn nimmt man das Wort Gelehrsamkeit nach der gewöhnlichen Bedeutung, so begreifft sie eine Erkänntniß vielerley Sachen, wodurch man die menschliche Glückseligkeit befördert, dergleichen Wissen bey einem Menschen seyn kan, ohne daß solches mit der wahren Weisheit verknüpffet ist, wie uns dessen nicht nur die Geschichte der Gelehrten; sondern auch die tägliche Erfahrung versichern.  
  Man findet Leute, die wegen ihrer Gelehrsamkeit, und weitläufftiger Wissenschafft in grossen Ruf stehen, wenn man aber ihr Leben und Wandel, ihre Unternehmungen und Handlungen ansiehet, so trifft man dabey nichts von der Weisheit an. Sie lassen ihren Neigungen und Affecten den Zügel, erwehlen auf Antrieb derselbigen das Böse vor das Gute, und indem sie sich dadurch unglücklich machen, so legen sie eine Thorheit an den Tag, und bestätigen dasjenige, was wir vorher gesaget, wie nemlich Gelehrsamkeit von der Weisheit könne entfernet seyn.  
  Befindet sich bey einem weisen Manne Gelehrsamkeit, so wird diese durch die Weisheit erst recht kräfftig und nützlich, dergestalt, daß ein unweiser Mann nicht den halben Vortheil von seiner Gelehrsamkeit hat, als ein weiser von derselben zu gewarten. Diesen Unterscheid unter der Gelehrsamkeit und Weisheit muß man wohl mercken, weil nach demselbigen in vielen andern Dingen vernünfftig kan geurtheilet werden. Denn damit wir nur ein Exempel anführen, so wird unter andern viel von der Philosophie der Patriarchen disputiret, da einige selbige zu grossen Philosophen machen; andere hingegen ihnen alle Erkänntniß der Philosophie absprechen wollen, welcher Streit am gründlichsten dadurch kan entschieden werden, wenn man sagt, sie wären zwar keine Philosophen: aber doch weise Leute gewesen. Denn die Philosophie ist ein Theil der Gelehrsamkeit.  
  Ausser diesem ist auch die Klugheit eine Geschicklichkeit der menschlichen Seele, welche man ebenfalls von der Weisheit, ob sie gleich der Herr von Rohr mit derselbigen für einerley hält, wohl zu unterscheiden hat, indem man nicht einem jeden weisen Manne eine Klugheit beylegen kan, weswegen folgender Unterscheid zwischen ihnen zu setzen, daß die Weisheit mit den Absichten; die Klugheit hingegen mit den Mitteln die Absichten zu erlangen, zu thun hat. Jene setzet sich, was Gutes vor, es sey nun eine Erlangung des Guten, oder Abwendung des Bösen; diese aber giebt nicht nur die Mittel, die dabey zu gebrauchen, an die Hand, sondern weisset auch, wie die Hindernisse aus dem Wege zu räumen sind.  
  So können wir auch noch hinzusetzen, daß die Weisheit überhaupt auf das Gute gerichtet sey, und die Klugheit auf besondere Dinge und Unternehmungen abziele. Wol-  
  {Sp. 1133|S. 580}  
  te man, wieder dasjenige, was wir bisher von der eigentlich so genannten philosophischen Weisheit gesaget haben, den Einwurff machen: Daß die alten Philosophen vor dem Socrates, wie auch nachgehends Aristoteles von dem wir den Gebrauch des Wortes Weisheit bekommen, dasselbe vor die theoretische Gelehrsamkeit genommen haben; So antworten wir: Es ist hierbey nicht zu vergessen, daß Socrates diese allzuenge Bedeutung mit Grunde verworffen, und die andern Philosophen alle, die Platonicker, die Stoicker, die Epicureer, und nur der eintzige Aristoteles nicht, ihm hierinnen billig beygepflichtet, ja, das Salomo und Syrach, in dieser Verbesserung des Begriffes, den man von der Weisheit haben soll, es noch weit höher gebracht, und gewiesen haben, daß GOtt zu der wahren Weisheit alle Menschen, auch die Ungelehrten, erschaffen; Indem die Furcht des Herrn der Weisheit Anfang sey, und also nicht derjenige, der nur von den Grund-Regeln der Weisheit scharffsinnig zu dencken weiß, sondern vielmehr derjenige, der sich die Furcht des Herrn als den rechten Grund der Ausübung derselben, darnach würcklich zu leben lencken lässet, ein wahrhafftig weiser Mann sey.  
  Dahero sehen wir nicht, warum unter unsern Vorfahren, deren Gebrauche wir, in Bestimmung der Bedeutung dieser Wörter, folgen sollen, wir allein auf den Aristoteles sehen, und den ihm einhellig widersprechenden Gebrauch aller übrigen Philosophen, des Socrates, der Platonicker, der Stoicker, der Epicureer, des Cicero, des weisen Salomo, des Syrachs, gegen den eintzigen Aristoteles, für nichts achten solten, und noch darzu ohne Absicht, welcher von beyderley Gebrauche wohl vernünfftiger sey?  
  Daß wir aber der wahren Weisheit, in obgedachtem Verstande, auch die Ungelehrten fähig erkennen müssen, verstehet sich von sich selbst: Indem sie den Geschmack ihrer Sinne zu der Belustigung an dem Guten, und ihren Willen zu der Tugend, angewöhnen können, aus dem Grunde einer auch nur einfältigen, und nicht gelehrten, Erkänntniß der Wahrheit, die sie von den Gelehrten überkommen können und sollen: Gleichwie z.E. auch ein Ungelehrter ein guter Christ seyn kan, ob er gleich der Wahrheiten der Religion nicht als ein gelehrter Theologe, sondern nur durch einfältigen Unterricht, mächtig ist.  
  Wir erfordern also zwar zu wahrer Weisheit eine überzeugende Erkänntniß der Wahrheit: Es kan aber dieselbe zweyerley seyn, nehmlich entweder eine überzeugende Erkänntniß, die man durch eigenes Nachdencken, vermittelst der durch das Studiren in solchem Nachdencken erworbenen Geschicklichkeit, erlangen kan: Dieses ist die gelehrte überzeugende Erkänntniß der Wahrheit: Oder eine in ihrer Art ebenfalls überzeugende Erkänntniß, die man, aus Mangel eigener Gelehrsamkeit und Einsicht in die tiefsten Gründe der Wahrheit, sich selber nicht würde machen können, aber als eine vernünfftige Creatur, wo man sich auch selbst nicht überzeugen kan, dennoch von andern zu unterrichten und überzeugen zu lassen fähig ist, durch Gründe die auch ein Ungelehrter fassen kan, und die zu dem Ende von klugen Lehrern erlesen werden, Dieses ist die gemeine überzeugende Erkännt-  
  {Sp. 1134}  
  niß der Wahrheit, die alle vernünfftige Menschen haben. Denn aus dem Wesen der Vernunfft folget, daß, wenn sie auch nicht gelehrt ist, und sich also selbst in die Wahrheit leiten kan, sie dennoch zum wenigsten gelehrig, und also sich in die Wahrheit von andern Klügern und Erfahrnern leiten zu lassen fähig sey. Wie wolten sonst, wenn dieses nicht wäre, aus ungelehrten sogar gelehrte Leute werden können?  
  Die überzeugende Erkänntniß der Wahrheit demnach, die wir auch den Ungelehrten zu theilen, ist diese letztere; Welche, da sie sie auch würcklich haben, das Exempel so vieler Nichtgelehrten, die wohl vernünfftiger und tugendhaffter leben, als viele Gelehrte, augenscheinlich bezeuget: Und es ist wohl ein wenig zu hart, so gar ohne Unterschied alle Empfindung und Überzeugung der Wahrheit denen Nichtgelehrten abzusprechen, gleich als ob ein Ungelehrter gar nicht einmahl eine vernünfftige Creatur wäre, oder doch keine würckliche Überzeugung der Wahrheit einer etwa guten Tugendlehre, durch innerliche Empfindung solcher Wahrheit, jemahls haben könne, oder würcklich habe.  
  Endlich sagen wir auch keinesweges, daß alles Theoretische zu der Gelehrsamkeit gehöre: Denn die gemeine einfältige Erkänntniß, zu welcher auch die Ungelehrten zu Beförderung eines vernünfftigen Lebens, angeleitet werden, hat eben auch ihre Theorien; Ob sie gleich nicht zu tief aus den ersten Gründen der Natur der Dinge heraus geholt werden dürffen, als es in der Gelehrsamkeit nöthig ist. Da wahre Weisheit nichts anders ist, als ein Begriff derjenigen Geschicklichkeiten des Gemüths, des Verstandes und des Willens, und der Sinne, die zu Erlangung und zu dem Genusse einer wahren Glückseligkeit erfordert werden, die Geschicklichkeiten des Willens und der Sinne aber von den Geschicklichkeiten des Verstandes dependiren; Alle Geschicklichkeit und Erkänntniß des Verstandes aber zuletzt auf die Erkänntniß GOttes, als der allerobersten Grund Ursache aller Dinge, hinaus lauffen muß; Die Erkänntniß GOttes aber uns zu der Erkänntniß seines Willens, und Gesetzes, und diese endlich uns zu einem weisen Gehorsam, leitet, welcher, wenn er GOtt angenehm, und unsre wahre Glückseligkeit, als den Zweck der göttlichen Gesetze, zu befördern tüchtig seyn soll, mit kindlicher Furcht GOttes geleistet werden muß: So ist also die Furcht GOttes, und der daher entspringende Gehorsam, erstlich der Zweck, auf welchen alle weisse Wissenschafft abzielen muß, als welche durch die Reyhen der Geschöpffe bis auf GOtt empor steigen muß, und nicht höher kan; So dann aber zum andern die eintzige höchste Grund oder Bewegungs Ursache, die den Willen der Menschen zu wahrer Tugend, und ihren Geschmacke zu dem daher zu gewartenden gründlichen Vergnügen, bringen kan. Dannenhero, und in diesem Verstande, ist die Furcht des Herrn der Weisheit Anfang: Denn sie ist, wie gesagt, der höchste Zweck alles unsers Wissens, und die gewünschte Bewegungs-Ursache alles unsers Thuns.  
  Was wir bisher umständlich dargethan und erwiesen haben, stellet Syrbius gleichsam in ei-  
  {Sp. 1135|S. 581}  
  nem kurtzen Abriß vor, wenn er schreibet: Die Weisheit sey nichts anders, als der Besitz des Wahren und des Guten. Es werde aber das Wahre durch Erkänntniß, und das Gute durch Liebe, besessen. Hieraus erscheine, wie die Weisheit so wohl von der Philosophie, als auch von der Gelehrsamkeit und von der Tugend, wie nicht weniger von der Lehre und Anweisung zu der Weisheit, und andern Dingen mehr, unterschieden sey.  
  Was die Philosophie anlange, so werde zwar mit diesem Worte theils die Gelehrsamkeit, theils, und absonderlich, die Lehre der Weisheit, so ferne diese nur aus der gesunden sich selbst gelassenen Vernunfft zu erkennen sey, benennet. Wenn man aber alles genau unterscheiden wolle, so sehe sie die Weisheit als ihrem Zweck an, und sey nichts anders, als die Bestrebung, oder Bemühung, nach dem Wahren und Guten; Welches endlich ebenso viel bedeute, als dieses dem Ursprunge nach Griechische Wort auf Deutsch heisse; Nehmlich die Liebe, oder Bemühung nach der Weisheit, die sich der Lehre, als eines Mittels bedienet.  
  Gelehrsamkeit und Tugend aber verhalten sich gegen die Weisheit, als Stücke, oder Theile, gegen das Gantze. Denn da die Weisheit auf Seiten des Verstandes den Besitz des Wahren erfordere, solcher aber in der Erkänntniß bestehe; So könne diese mit keinem füglichern Nahmen, als der Gelehrsamkeit, benennet, und dahero, als eine genug klar und deutliche Erkänntniß des Wahren und Guten, beschrieben werden. Denn, wenn man gleich auch das Gute mit erkennet, so sey doch solche Erkänntniß weiter nichts, als ein Besitz des Wahren.  
  Es begreiffe aber die Gelehrsamkeit eines theils ein blosses Verstehen, andern theils aber eine Geschicklichkeit, unter sich. Was man verstehe, daß verstehe man entweder unmittelbar, ohne, daß man zu der Überführung einiges Beweises benöthiget sey, und dieses nenne man die Verständlichkeit (Intelligentiam): Oder vermittelst eines hinlänglichen Beweises, und dieses nenne man besonders die Wissenschafft (Scientiam).  
  Die Geschicklichkeit sey überhaupt das Vermögen, die von der gesunden Vernunfft vorgeschriebenen Regeln auszuüben. Dadurch könne man aber wiederum entweder blos etwas ausrichten, oder bewerckstelligen, und dieses nenne man die Kunst; Oder man sey geschickt, mit seinem Thun und Lassen etwas Gutes zu befördern, als Nutzen zu schaffen, Schaden zu vermeiden, welches der Klugheit (Prudentiae) zugeschrieben werde. Solchem nach würcke die Kunst nach dem Zwecke des Verstandes; Die Klugheit aber nach dem Zwecke des Willens.  
  Ferner werde, auf Seiten des Willens, der Besitz des Guten zu der Weisheit erfordert, welcher in der Liebe bestehe. Gleichwie aber das höchste Gut der Grund von allen übrigen ist; Also werde hier zuförderst die aufrichtige Liebe zu dem höchsten Gute erfordert, welche eigentlich Tugend heisse. Jedoch würden deswegen die übrigen Güter von der Weisheit nicht ausgeschlossen: Wenn nur die Liebe zu denselben der Liebe des höchsten Gutes gebührend unterworffen werde.  
  Aus dem Angeführten lasse sich leicht abnehmen, was so wohl der Weisheit selbst, als derselben Stücken, zuwi-  
  {Sp. 1136}  
  der lauffe. Überhaupt stehe ihr die Thorheit entgegen, welche in Abwendung des Gemüthes von dem Wahren und Guten bestehe. Insonderheit aber sey der Gelehrsamkeit die Pedanterey, die falsche Gelehrsamkeit, und die Windmacherey, (Eruditio ventosa) die auch die Charlatanerie heisset, entgegen.  
  Wolle man auch die Stücke der Gelehrsamkeit besonders mit erwegen, so stehe der Verständlichkeit die Dumheit, der Wissenschafft die Einbildung, (Opinio) der Kunst die Ungeschicklichkeit, und der Klugheit der Unverstand, oder die Unvorsichtigkeit, entgegen. Was den Willen anbetreffe, so sey der Tugend das Laster zuwider, welches in Abwendung des Gemüthes von dem höchsten Gute bestehe. Solche Abwendung geschehe theils durch blosse Unachtsamkeit und Versäumung, theils gar durch Verachtung. Jene behalte den gemeinen Nahmen der Untugend und Lasterhafftigkeit; Diese aber werde insonderheit Gottlosigkeit genennet. Woferne man aber die übrige Glückseligkeit versäume, oder gar verachte, so heisse dieses ein Unverstand, auch eine Thorheit; Wenn der Grund solcher Versäumniß, oder Verachtung, eine Bosheit sey. Denn diese sey denenjenigen hauptsächlich beyzumessen, welche sich von dem höchsten Gute abwenden, welches die Bosheit des Willens allemahl, wenigstens auf einige Masse, thue.  
  Eben dieses lehret Kemmerich, nur mit etwas andern Worten, wenn er schreibet, die Weisheit bestehe theils in der rechten Erkänntniß, theils in dem rechten Gebrauche der Dinge: Das erste gehe auf die Ausbesserung des Verstandes, das andere auf die Ausbesserung des Willens. Wir wollen nichts weiter, als nur noch die Exempel anführen, mit welchen er seine mit der unsrigen auf das genaueste übereinkommende Meynung, durch alle Disciplinen, erläutert. Als  
 
1) aus der Theologie: Wer eine rechte Erkänntniß von GOtt hat, von seiner Liebe und Güte, von seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit, von seiner Weisheit, Allwissenheit und Allmacht, wie auch seiner Providentz und Regierung der Welt; Und weiß sich dieses alles so zu gebrauchen, daß dadurch in ihm eine kindliche Furcht, eine aufrichtige und hertzliche Liebe, ein freudiges und mit Gelassenheit verknüpfftes Vertrauen, und endlich ein demüthiger und williger Gehorsam, sich dem göttlichen Willen gemäß zu bezeigen, erwecket, und solchergestalt bey allen Fällen eine wahre Gemüths-Ruhe in seiner Seelen erhalten wird; derselbe stehet schon auf einem hohen Grad der Weisheit.
 
 
Doch dieser ist noch höher, wenn einer auch zugleich eine rechte Erkänntniß von Christo hat, und weiß sich diese also zu Nutze zu machen, daß er auf ihm, als den wahrhafften Sohn GOttes und seinem Erlöser seyn gantzes Vertrauen und die Hoffnung seiner Seligkeit begründet; Von ihm, als dem vollkommensten Lehrer der himmlischen Weisheit, lernet; Und endlich ihm, als dem König aller Könige, in tieffster Devotion und Gehorsam sich unterwirfft.
 
 
2) Aus der Jurisprudentz: Wer eine rechte Erkänntniß des allgemeinen Natur- und Völcker-Rechts, des bürgerlichen und Kirchen-Rechts, des öffentl. Reichs- und Staats-Rechts, wie auch des Lehn-Rechts, hat, und ge-
 
  {Sp. 1137|S. 582}  
 
braucht sich dessen also, daß er nicht nur für sich und in seinem Stande denen vorgeschriebenen Gesetzen sich gemäß bezeiget, und jedermann dasjenige Recht, und die Pflicht leistet, so er ihm von Rechtswegen schuldig ist; sondern auch, wenn er dazu bestellet, als Advocat, Richter, oder Schiedsmann, einem jeden in seiner gerechten Sache weiß zu dienen, oder durch einen gerechten Ausspruch ihm zu seinem Rechte zu verhelffen, und bey ruhiger Besitzung seiner Güter zu beschützen, daneben allem ungerechten Wesen zu steuren; derselbe ist ebenfalls weise zu nennen.
 
 
3) Aus der Physick und Medicin: Wer in der Natur-Wissenschafft dergestalt erfahren, daß er vornemlich die Beschaffenheit des menschlichen Cörpers, wie auch die Eigenschafften, die Krafft und Würckung der äusserlichen Dinge, welche in unsern Leib einigen Einfluß haben, und zu dessen Erhaltung, oder Verderben gereichen können, wohl innen hat, und weiß sich dieses alles zur Erhaltung des menschlichen Lebens und Leibes-Gesundheit gebührend zu Nutze zu machen; demselbigen wird niemand den Titel eines weisen Medici disputiren können.
 
 
4) Aus der Morale: Wer sich selbst recht erkennet, so wohl aus der allgemeinen menschlichen Natur, als aus seinem eigenen Humeur und Haupt-Paßion, und weiß, worinn sein Fort und Foible bestehet: Item, wer auch anderer Menschen, mit denen er umgehet, Gemüther und Temperamenten kennet, dergestalt, daß er seine Schwachheiten nach Möglichkeit zu verhüten, und seine böse Affecten zu unterdrücken sucht, seine Gaben aber und gute Qualitäten zur Beförderung seiner eignen und anderer Menschen Glückseligkeit anwendet, und darneben andere nach ihrem Humeur solchergestalt tractiret, daß sie ihm an diesem Zweck nicht hinderlich, sondern beförderlich dazu seyn: Derselbe verdienet abermahl den Titel eines Weisen.
 
 
5) Aus der Politique: Wenn ein Minister den Staat so wohl von andern Königlichen und Fürstlichen Höfen, oder Republiquen, als insonderheit desjenigen Hofes, daran er lebet, wohl innen hat, und weiß sich dessen zum Interesse seines Principalen, und des gantzen Landes Wohlfahrt zu gebrauchen, der ist weise.„¶
 
  Es hat Thomasius in Cautel circa praecognita Jurisprud. … einen weitläufftigen Discours von der Weisheit angestellet; wie man denn auch in Buddei Analect. histor. philosoph. … gewisse Kennzeichen derselbigen bemerckt findet, und Syrbius hat 1707 ein Schediasma, de definitione sapientiae, herausgegeben. Peter Charron schrieb zu Anfang des vorigen Jahrhunderts ein Buch von der Weisheit, von welchem unter Charron, (Petrus) im V Bande, p. 2028 u.f. Nachricht zu finden ist.
  • Walchs Philos. Lex. …
  • Müllers Philosoph. Wissenschafft …
  • Wolffens Gedancken von der Menschen Thun und Lassen …
  • Ebend. Gedancken von Gesellschaftlichen Leben der Menschen …
  • Bruckers Kurtze Fragen aus der Philosophischem Historie …
  {Sp. 1138}  
   
  ...
 
  • Stollens Historie der heydn. Moral …
  • Syrbii kurtze Anweisung zur Weisheit …
  • Rohrs Klugheit zu leben …
  • Kemmerichs Academie der Wissensch. Eröffn. I
  Siehe auch Philosophie, im XXVII Bande, p. 2012 u.ff.  
     

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Stand: 4. April 2013 © Hans-Walter Pries