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Theologische Abhandlung der Weisheit.¶ |
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In der
Heiligen Schrifft wird das
Wort
Weisheit in
verschiedenem
Verstande
gebrauchet. |
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Pred. Sal. I, 18. wird
gesagt: Wo viel Weisheit
ist, da ist viel Grämens. Eigentlich: In der Vielheit
der Weisheit, in der
Wissenschafft vieler
Dinge,
und in aller genauen
Erkänntniß, oder
Kunst. |
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Pred. II, 21 wird eines
Menschen gedacht, der
seine
Arbeit mit Weisheit, (mit der besten
Überlegung)
Vernunfft, (Vorsichtigkeit) und
Geschicklichkeit, (oder Glück in Ausführung seines
Werckes) gethan hat. |
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Es kommt von der
Klugheit eines Thieres vor,
nach welcher es das Gute befördert, oder das
Böse
vermeidet, |
Job. XXXIX, 17. |
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Es wird weise für scharffsinnig
gebrauchet, |
2 Sam. XIV, 20. |
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Ein Weiser, in Ansehung seines
Werckes, ist
ein erfahrner Künstler, |
1 Chron. XXII, 15. |
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Endlich wird ein jeder in demjenigen weise
genennet, in welchem er erfahren und geübt ist. So
werden Psalm LVIII, 6. Jes. III, 3. die
verschlagenen und ingeniösen Werckleute Weise
genennet. |
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Jes. XIX, 11. Ich bin der Weisen Kind, und
komme von alten
Königen her. |
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Jer. IX, 16. Bestellet Klag-Weiber, die des
Schreyens und der Klag Lieder, ein Mitleiden
dadurch zu erregen, wohl
erfahren sind. In dem
Hebräischen [hebräischer Text] die darzu weise
sind. |
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Vornemlich aber ist eine
Art der Weisheit,
welche uns die
Heil. Schrifft anpreiset. |
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Pred. VII, 30. Wer ist so weise? Und wer kan
das auslegen? Eigentlich: wer ist wie der Weise?
Und wer ist, oder wie hoch ist nicht zu schätzen,
der das
Wort auszulegen weiß? |
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Hiob findet in aller
Dinge
Wissenschafft, ohne
GOtt, keine Weisheit: Denn des
Menschen
Weisheit ist, GOtt fürchten, |
Hiob XXVIII, 28. |
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Mit [hebräischer Text] wird öffters [hebräischer
Text] oder [hebräischer Text]
Erkänntniß, oder
[hebräischer Text] Wissenschafft, verbunden, wie
auch Paulus sophian kai phronēsin, Weisheit und
Verstand, oder
gnōsin, Erkänntniß, öffters
verknüpffet. |
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Eine Gefärthin der Weisheit ist die
Klugheit
und Vorsichtigkeit, da, nach den
Regeln der
Weisheit, durch Liebe und
Furcht GOttes, in gutem
Gewissen, das
Böse verworffen, und das, was das
Beste ist, erwählet wird. David saget, Psal. LI, 8,
daß ihm in dem Verborgenen die Weisheit kund
gemacht worden sey. Es wird dadurch die Weisheit
GOttes angezeiget, nach welcher er den Sünder
selig und gerecht macht. Die
Erkänntniß dieser
Weisheit ist des
Menschen Weisheit, |
Jes. XXXIII, 6. |
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Derjenige, in welchem
GOtt diesen
Rathschluß gefasset, und welcher solchen zu
Wercke gerichtet, wird auch die Weisheit, und die
Weisheit GOttes, genennet; |
Sprüchw. VIII, 11
u.ff. |
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Es wird eben derselben in der vielfachen Zahl
der
Nahme [hebräischer Text] |
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{Sp. 1139|S. 583} |
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die Weisheiten, beygeleget, |
Cap. I, 20. |
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Desgleichen wird ein jeder
Verstand und
Erkänntniß des Guten und Nützlichen also
genennet; |
Sprüchw. XXIV, 7. XIV, 1.
Siehe
Cocceji
Lexic. ... |
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Die Weisheit gehörte in den ersten Menschen
zu dem Ebenbilde
GOttes, welches man unter
andern aus Hiob IV, 21. ersehen kan, da die
Worte,
welche Luther also übersetzet hat: Ihre übrigen
vergehen, und sterben auch unversehens, nach
dem Hebräischen also lauten: [eine Zeile
hebräischer Text] Ist nicht ihre Herrlichkeit, welche
in ihnen war, weggenommen worden? (welche
Herrlichkeit doxa, das göttliche Ebenbild, ist) sie
sterben, aber nicht in der Weisheit. Da also die
Weisheit mit der Herrlichkeit des
Menschen
zugleich verlohren gegangen ist, so muß sie
ehemahls ein Theil derselben gewesen seyn. Wie
also GOtt ein weiser GOtt, und wie insonderheit der
Sohn, als das wesentliche Ebenbild Gottes, die
selbstständige Weisheit ist, |
Sprüchw. VIII |
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Also trug der Mensch auch hierinnen das Bild
seines Schöpffers, und
bewieß seine Weisheit und
Klugheit darinnen, daß er bey allen seinen
Handlungen sich den rechten
Endzweck, der mit
dem Endzwecke des Schöpffers harmonirte,
vorstellete, und die allerbequemsten Mittel
erwählete, die zu dessen Erreichung dieneten,
auch allezeit das Beste dem Bessern vorzog. Ohne
diese Weisheit, würde er weder
geschickt gewesen
seyn,
GOtt aus den Creaturen zu
erkennen, noch
die
Herrschafft
über die Creaturen zu führen. |
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Es ist aber von dieser Weisheit zu mercken,
daß sie nicht unendlich gewesen sey, sondern ihre
Grentzen gehabt, und Wachsthum zugelassen
habe; Daher es möglich war, daß der
Mensch
durch die List und Schalckheit des Satans,
hintergangen werden konnte. |
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Einteilungen |
Damit wir uns von den mancherley
Bedeutungen des
Wortes: Weisheit, in der
Heiligen Schrifft einen richtigen
Begriff machen mögen,
wollen wir folgender, als der vornehmsten,
Eintheilungen der Weisheit gedencken. Die
Weisheit ist |
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1) |
in die selbstständige und
in die habituelle (in HYPOSTATICAM et
HABITUALEM) einzutheilen. |
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Unter der selbstständigen
Weisheit wird selber der
wahrhafftige Sohn GOttes,
welcher mit dem
Vater gleiches
göttlichen
Wesens
ist, verstanden; Indem er selbst in dem höchsten
Grade der Brunnen und Quell aller habituellen
Weisheit ist; |
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- Sprüchw. VIII, u.ff.
- Weisheit VII, 25 u.ff.
Vergl. mit
- Ebr. I. 3;
- Matth. XI, 19;
- Lucä XI, 49;
- 1 Corinth. I, 24, 30.
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So wird
GOtt der Herr
Allein-Weise genennet; |
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- Röm. XVI, 27.
- 1 Tim. I, 17.
Vergl. auch
- Röm. XI, 33.
- Ephes. III, 10.
- Jacob. I, 5.
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Insonderheit Christus, welcher uns zur Weisheit gemacht
ist. |
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Die Habituelle Weisheit gehöret zwar eigentlich zu dem
Verstande, aber
so, daß sie aus der Richtigkeit des
Willens
entspringet, oder wenigstens mit einem
verbesserten und zu allen Tugenden geneigten
Willen, auf das genaueste verbunden ist. Es ist,
nach der
Redens-Art der heiligen Schrifften, keine
wahre Weisheit, ohne Heiligkeit und gottseliger
Neigung des Willens. |
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Dieses bezeuget Hiob,
klärlich, Cap. III, 13 und 17. |
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3) |
die Weisheit der
menschlichen
Natur Christi, welche |
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{Sp. 1140} |
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dieselbe durch die
Gnade
der Vereinigung mit der Gottheit empfangen, ist
von derjenigen zu unterscheiden, welche sie durch
die habituelle Gnade erlanget hat. |
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Königs Vind. … |
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3) |
Unsre habituelle Weisheit
ist entweder mit Betrachtung, (contemplativa) oder
mit Ausübung beschäfftiget, (practica). Zu der
letztern gehöret die Theologie, masen der
Endzweck der Theologie nicht eine blosse
Erkänntniß, (gnōsis) sondern die Ausübung
(praxis) ist, und dahero alles, was in der Theologie
vorgetragen wird, auf die Ausübung (praxin) gehet,
wo nicht unmittelbar und indirecte, doch mittelbar
und directe. |
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4) |
Die habituelle Weisheit ist
ferner entweder von dieser
Welt,
und
menschlich,
welche aus natürlichen Grund-Sätzen ihren
Ursprung hat, dem Lichte der Natur folget, und
darinnen bestehet, daß ein Mensch von
Natur mit
gutem
Verstande begabet ist, sich in allerhand
weltliche Händel wohl finden und schicken auch
gute Anschläge geben kann, wie |
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Psalm CV, 22.. |
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Apost. Gesch. VII, 22. |
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1 Kön. IV, 30. |
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2 Sam. XIII, 3. |
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Oder himmlisch
göttlich
und geistlich, welche von der Erleuchtung des
Heil.
Geistes entstehet, und dem Lichte des Wortes
folget. |
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Gerhard L. de lust.
.... |
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Dieses ist die rechte
Weisheit, von welcher Jeremias, Cap. IX, 11. 12.
redet, da nemlich ein
Mensch durch den
Geist der
Weisheit und des
Verstandes
regieret, |
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Jesai. XI, 2, |
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Joh. XXXVIII, 36. |
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das er nicht allein die
heimliche Weisheit, |
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Psalm LI, 8. |
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die Weisheit, die von oben
herab ist, |
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Jacob. III, 17. |
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verstehet, sondern auch
die Weisheit, die stets um den göttlichen Thron
ist, |
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Weisheit IX, 4. |
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erlanget, vermittelst
welcher er auf das Gute weise, und auf das
Böse
einfältig wird, |
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Röm. XVI, 19. |
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In diesem
Verstande
bedeutet von Weisheit
reden, nichts anders, als die
Lehre, so da
GOtt
erkennen lehret, und zeiget, was
sein
Wille Rath und
Meynung ist. Sie begreiffet alle
Artickel, was man glauben soll, wie man für GOtt
gerecht wird, u.s.w. Sie ist die fürnehmste und
höchste Gabe des
Geistes, davon die
Welt gar
nichts weiß. Von dieser Weisheit, von dieser
hohen, heimlichen und verborgenen Lehre des
Evangelii von Christo, das da GOttes Willen
erkennen lehret, redet Paulus, |
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Coloss. I, 9. 28. |
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In diesem
Verstande
heisset ein weiser
Mensch einen Christen, der da
beyde von
GOttes Willen gegen uns, und wie wir
denselben in dem Glauben
erkennen, nennen, und
darnach in seinem
Gehorsam leben sollen, zu
reden weiß und sich untersteht. Das ist solche
Weisheit, die nicht die
Vernunfft erdacht, noch in
keines Menschen Hertz kommen ist, und keiner der
Obersten dieser
Welt
erkannt hat, wie
Paulus, 1
Corinth. II, 6.
saget; Sondern von dem Himmel,
durch den
H.
Geist, denen, die da dem Evangelium
glauben, offenbahret wird. |
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Diese himmlische
Weisheit ist, als ein
Vermögen, das Wahre und
Falsche, daß Gute und
Böse zu unterscheiden, bey
dem Studio, nachdem der Satan soviel
scheinbahre Irrthümer auf die Bahne gebracht hat,
unentbehrlich. Denn muß man mit einer wichtigen
Sache, daran viel gelegen ist, vorsichtig und |
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{Sp. 1141|S. 584} |
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weislich umgehen, so hat
man gewiß bey theologischen Streitigkeiten was
wichtiges vor sich. Es ist Gottes Wort. Die Kriege
des Herrn sollen geführet, die
Macht der Finsterniß
unterdrücket, und wieder die Pforten der Höllen
gestritten werden; Und das erfordert Weisheit von
oben herab, die aber nur bey denen wohnet, die
den Herrn fürchten, und durch das Gebet erlanget
werden muß, |
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Jacob I, 5. |
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Eben bey solcher Weisheit
lässet man sich zugleich von dem
Geiste der
Wahrheit, der Liebe, des wahren Eyffers, und der
Sanfftmuth
regieren, daß man nicht zancket, die
Gegner nicht schändet, lästert, schmähet, und sich
durch einen fleischlichen
Zorn, auf allerhand
Abwege bringen lässet. Paulus
sagt: Ein Knecht
des Herrn soll nicht
zänckisch seyn; Sondern
freundlich gegen Jedermann, lehrhafftig, der die
Bösen tragen kan mit Sanfftmuth, |
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2 Timoth. II, 24. 25. |
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Wie manche unnütze
Controversien würden unterblieben seyn, wie
mancher Anstoß hätte vermieden, und mehr
fruchtbarliches ausgerichtet werden können, wenn
man allezeit himmlische Weisheit, den
Geist der
Wahrheit und der Liebe, bey sich gehabt
hätte. |
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Zwischen dieser
göttlichen
und der
menschlichen Weisheit, ist ein gedoppelter
Unterschied. Der erste wird von der
Art der
Erkänntniß hergeleitet. Die Weisheit der
Welt ist
aus dem Lichte der Natur, und aus der nach dem
Falle übrigen Erkänntniß; Die göttliche Weisheit
aber, das ist, die Lehre des Evangelii, ist aus der
besondern Offenbahrung des Geistes Gottes. |
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Der andere Unterschied
wird von der Art und Weise zu lehren
hergenommen: In der menschlichen Weisheit hat
die menschliche Beredsamkeit statt; in der Lehre
Christi aber nicht also: Denn es muß die
Lehr-Art
der Lehre gemäß seyn; der
Lehrer aber ist der
H.
Geist, dahero hat er auch eine geistliche Weise zu
reden. |
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Balduin in 1 Corinth II,
... |
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Ein anders ist, unter der
Gewalt des Satans seyn, ein anders, von dem
Satan besessen werden: Gleichwie es ein anders
ist, unter der Gewalt des Anti-Christes seyn, ein
anders, von ihm besessen werden. |
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Königs Cas. ... |
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Gleichwie die
göttliche und
menschliche Weisheit, also wird auch die Weisheit
und
Wissenschafft, von einander unterschieden.
Diesen Unterschied pflegen die meisten darinnen
zu suchen, daß sie die Weisheit, eine
Erkänntniß
der göttlichen, die Wissenschafft aber, der
menschlichen
Dinge, nennen. Daher sagt
Augustinus über 1 Corinth. XII. |
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„Die Weisheit bestehet in
Betrachtung der ewigen: Die Wissenschafft aber in
Beschäfftigung mit zeitlichen Sachen.„ |
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Abermahl Augustinus L.
de Trin. |
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„Dieses ist der wahre
Unterschied der Weisheit und Wissenschafft, daß
zu der Weisheit eine verständige Erkänntniß der
ewigen Dinge, zu der Wissenschafft aber eine
vernünfftige Erkänntniß der zeitlichen Dinge,
gehöret.„ |
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Desgleichen gehöret,
nach des Bernhardus Ausspruche, die
Wissenschafft zu dem
Verstande, und kommet ihm
allein zu, die Weisheit aber zu dem
Affecte. Es ist
derowegen, dem
Nahmen nach, wie
Gerson de
monte contemplat. …
saget, die Weisheit
(Sapientia) so viel, als eine schmackhaffte
Wissenschafft, welcher Geschmack sich auf den
Affect, das |
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{Sp. 1142} |
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Verlangen, die
Begierde,
und den
Willen desjenigen, in welchem er ist,
beziehet. Und daher kan in jemand eine grosse
Wissenschafft, oder
Erkänntniß seyn, in welchem
eine mäßige, oder gar keine Weisheit seyn wird;
Ursach: Weil er nicht den Geschmack an, und den
Effect zu demjenigen hat, was er selber weiß,
u.s.w. Dahero saget eben derselbe Gerson c.
7: |
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„Daß einfältige Christen,
die einen festen Glauben an die Güte GOttes
haben, und nach diesem brünstig lieben, in
Wahrheit mehr Weisheit haben, und noch mehr
Weise genennet werden sollen, als alle andere
Gelehrte, die ohne Liebe und ohne Zuneigung zu
GOtt und seinen Heiligen sind, und auch solche
GOtt mehr gefallen, als andere. Und welches noch
mehr ist, dergleichen Gelehrte ohne Liebe sind
GOtt unangenehm, ein verdorbenes Saltz, und
bethörte Weisen.„ |
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Lexic. Theol. Altenst.
… |
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