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Philosophische Abhandlung der Weisheit im
engerm oder eigentlichem
Verstande,¶ |
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da sie nemlich, wie oben schon
erinnert
worden, derjenige
Zustand der
menschl.
Seele ist,
da ein Mensch nicht nur das
Gute u.
Böse von
einander
unterscheiden kan, sondern auch eine
Begierde zum Guten, und einen Abscheu vor das
Böse hat. Hier haben wir zwey Stücke zu
untersuchen, erstlich was eigentlich zu der
Weisheit gehöret? und wie selbige von andern
Geschicklichkeiten der Seelen unterschieden sey?
Was nun die erstere
Frage:¶ |
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Was eigentlich zu der Weisheit gehöret?¶ |
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anlanget, so ist sie weder eine
Geschicklichkeit des
Verstandes, noch des
Willens
allein; sondern es wird dazu ein gantzes
Gemüth,
das durch sie gebessert sey, erfordert. |
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Wir wollen die
Wahrheit dieses Satzes aus
ihren
Gründen herleiten. Wir finden, durch die
Erfahrung, an dem
Menschen, als einem
vernünftigen Geschöpffe, diese merckwürdige
Eigenschafft, daß ein grosser Theil der
Fähigkeiten, die
GOtt u.
Natur ihm
verliehen,
seinem vernünfftigen Gutbefinden und
willkührlichen Gebrauche anheim gegeben ist:
dergleichen wir hingegen an andern
Vernunfft- u.
leblosen Geschöpffen, wenn wir sie mit rechter
Aufmercksamkeit betrachten, keinesweges gewahr
werden. An den leblosen Geschöpffen ist gewiß,
daß wir gar keine
Freyheit, sondern lauter
natürliche
Nothwendigkeit in allen ihren
Bewegungen,
gewahr werden. |
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Die belebten Vernunftlosen Geschöpffe hingegen, nemlich die Bestien, haben
zwar eine
Freyheit,
aber eine blos natürliche, welche darinnen bestehet, daß sie das, was sie thun,
zwar auch lassen, um was sie lassen, auch thun können, nachdem die mit Em- |
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{Sp. 1125|S. 576} |
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pfindung der Objecte verbundene Lust, oder
Unlust, oder die davon in dem Gedächtniß
überbliebene
Idee, das eine, oder das andere,
nach sich ziehet; aber doch beydes durch eine
natürliche Nothwendigkeit, also nemlich, daß aus
der
Empfindung des einen Objects das
Thun, aus
der Empfindung des andern das Lassen,
nothwendig erfolget: Indem die Bestien der
Vernunfft beraubet sind, in deren Ermangelung
keine
Grund-Ursache vorhanden ist, warum sie
denen durch die
Annehmlichkeit, eines Objects in
ihnen erweckten Regungen nicht nachgehen
sollten. Sie gehen also solchen Regungen allezeit
durch eine natürliche Nothwendigkeit nach,
dergestalt, daß, ob sie gleich, nach dem
Unterschiede der Empfindungen der ihnen
vorkommenden
Dinge, das, was sie thun, auch
lassen können, dennoch aus der einen
Empfindung das Thun, aus der andern das Lassen,
durch eine natürliche Nothwendigkeit unausbleiblich erfolget. |
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Der Mensch hat diese natürliche Freyheit
auch; er kann das, was er thut, auch lassen, und
was er lässet, auch thun: Aber keines von beyden,
nemlich wieder das
Thun, noch das Lassen muß in
ihm, bey
Empfindung je eines Objects, durch eine
natürliche Nothwendigkeit, wie in den Bestien,
geschehen. Denn der Mensch ist mit
Vernunfft
begabet: Und diese empfindet, und stellet sich vor,
nicht allein das Gegenwärtige, sondern auch, was,
durch eine offt lange Reyhe der Folgerungen, aus
dem Gegenwärtigen erfolgen werde. Also kan,
auch bey einerley Gegenstande, ein Mensch, nach
dem Unterschiede seiner Vernunfft-Schlüsse, die
seinem freyen
Urtheile anheim gegeben sind,
etwas eben so leicht zu thun, als zu lassen,
Ursach
zu haben glauben, ohne, daß er zu einem von
beyden, durch die Empfindung und Vorstellung des
Gegenwärtigen, nothwendig getrieben werden
solte. Und dieses also ist eine gantz andere
Art der
Freyheit, als jene blos natürlichen, die auch den
Bestien gegeben ist, und ungeachtet welcher
dennoch alles, was die Bestien thun, oder lassen,
durch eine natürliche Nothwendigkeit in ihnen
geschiehet. |
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Die Freyheit der
Menschen ist eine nicht blos
natürliche, sondern eine
moralische, welche
allererst eine wahrhaffte Freyheit ist, die
demjenigen, was durch natürliche Nothwendigkeit
geschiehet, entgegen gesetzet ist, vermöge deren
der Mensch seines eigenen
Thuns und Lassens
wahrhafftig
Meister zu seyn fähig ist, welches man
weder von den leblosen, noch von den lebendigen
Vernunfftlosen Geschöpffen, sagen kann. Weil nun
solchergestalt
vernünfftig ermessene und
wahrhafftig freye und willkührlich erlesene
Thaten
dem Menschen eigen sind: Alle dergleichen Thaten
aber nothwendig auf einen zuvor, offt nach einer
langen Reyhe der Folgerungen, bedachten
Zweck
gerichtet sind, als wodurch sie eben zu
menschlichen Thaten werden: So ist folglich die
wesentlichste
Eigenschafft des Menschen, als
eines vernünfftig freyen Geschöpffes, die
Fähigkeit, seine willkührlichen Thaten auf einen
zuvor bedachten Zweck zu richten. |
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Aller
Zweck der
Menschen läuffet, wo nicht
unmittelbar, dennoch endlich in seinen
Folgerungen, auf einen Genuß des Guten hinaus.
Das Gute geniessen; heisset nichts anders, als
daß Gute mit Anmuth empfinden, |
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{Sp. 1126} |
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dergestalt, daß man dabey des Guten so wohl,
als der Annehmlichkeit der
Empfindung desselben,
sich bewust, und das
Gemüth in sich selbst
darüber fröhlich und zufrieden sey. Es ist also eine
nicht weniger wesentliche
Eigenschafft des
Menschen, daß er einen
Zweck seiner
Thaten nicht
allein willkührlich bestimmen und suchen, sondern
auch, wenn er ihn nun erhalten hat, geniessen
kan. |
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Die würckliche Erlangung und der Genuß alles
desjenigen Guten, dessen der
Mensch in diesem
Leben fähig ist, heisset seine Glückseligkeit. Ja, wir
wissen nicht allein aus der Göttlichen
Offenbahrung, sondern wir können auch aus nicht
zu verachtenden
Gründen der
Vernunfft
schliessen, daß die menschlichen
Seelen
unsterblich sind, und daß in solchem
Zustande
ihrer Unsterblichkeit ihnen eine ewige Seeligkeit
bevorstehe. Derowegen ist der allgemeine und
letzte
Zweck, den alle Menschen begierig suchen,
die Glückseligkeit dieses, und die Seligkeit des
Zukünfftigen Lebens. Dieser Zweck ist denen
Menschen so wesentlich, als ihnen die
Sinne sind.
Es wäre in Ansehung der sinnlichen
Empfindung
widernatürlich, daß der Mensch das
Angenehme,
in sofern es angenehm, nicht mit Lust, und das
Unangenehme, in so fern es unangenehm ist, nicht
mit Unlust empfinden solte, ferner, daß er Lust
nicht suchen, Unlust nicht fliehen solte. |
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Zwar kan der
Mensch auch bey
Empfindung
des Angenehmen unvergnügt, und bey
Empfindung deß Unangenehmen vergnügt seyn:
Allein jenes Unvergnügen entstehet nicht über das
Annehmliche, in sofern es annehmlich, und dieses
Vergnügen nicht über das Unannehmliche, in
sofern es unannehmlich ist; sondern man ist bey
dem Annehmlichen traurig und unvergnügt, in
Ansehung des damit verbundenen, oder daraus
besorgten Unannehmlichen; und bey dem
Unannehmlichen ist man gutes Muthes und
vergnügt, wegen der daraus zu
hoffenden grössern
Annehmlichkeit, wie etwa Jacob, bey seiner
14jährigen schwehren
Dienstbarkeit, um seiner
Rahel willen, vergnügt war. |
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Da nun alle willkührliche
Thaten des
Menschen natürlicher Weise auf einem
Zweck
gerichtet sind, aller Zweck aber zuletzt auf den
Genuß eines Guten, und folglich auf eine sinnliche
Empfindung hinaus läufft; und in den
Empfindungen der
Sinne ein jeder natürlicher
Weise Lust suchet, und Unlust fliehet; so ist folglich
der wesentlichste und letzte Zweck der Menschen,
daß sie, soviel möglich, lauter Lust, das ist, in
diesem
Leben ihre Glückseligkeit in jenem ihre
Seligkeit suchen. |
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Ein
Zweck kan natürlicher Weise ohne Mittel
nicht erlanget werden; nemlich eben so wenig, als
natürlicher Weise ein
Effect ohne vorhergehende
würckende Ursache entstehen kan; inmaßen ein
Zweck nichts anders, als eine in dem
Gemüthe
vorherbestimmte
Würckung des Mittels ist: Folglich
ist auch dieses der
Natur des
Menschen gemäß,
daß er den Zweck seiner Glückseligkeit nicht
unmittelbar erhalten kan, sondern durch Mittel
selbigen suchen und erhalten muß. Denn ein Mittel
ist nichts anders, als eine würckende Ursache, in
sofern der Mensch sich deren willkührlich bedienet:
Und der |
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{Sp. 1127|S. 577} |
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Zweck ist der Effect, oder die Würckung, die
solche willkührlich gebrauchte und gerichtete
würckende Ursache, nach des Menschen Absicht,
hervorbringen soll. |
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Nun kan, weil natürlicher Weise aus nichts
nichts werden kan, kein
Effect ohne seine
Grund-Ursache werden, oder entstehen: Also kan
natürlicher Weise auch kein
Zweck ohne seine
Mittel erlanget werden. Diese wesentliche
Beschaffenheit der
Menschen, vermöge deren sie,
als wahrhafftig freye Geschöpffe, einen
bestimmten Zweck, durch willkührlichen Gebrauch
dienlicher Mittel, zu verlangen, und wenn sie ihn
nun erhalten haben, von
Natur tüchtig und geneigt
sind, wird das moralische Wesen, oder die
moralische Natur des Menschen, genennet.
Derowegen ist das moralische Wesen des
Menschen nicht anders, als das
Wesen, oder die
Kräffte des Menschen, soweit deren Gebrauch
dem freyen Ermessen und den willkührlichen
Entschliessungen des Menschen anheim gegeben
ist, damit er sich in Ansehung derselben gewisse
Zwecke vorsetzen, durch freye Erlesung der Mittel
solche Zwecke zu erlangen sich bemühen, und
endlich die erlangten mit Vergnügen genüssen
möge. |
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Dieses moralische Wesen ist dem
physicalischen Wesen des Menschen entgegen
gesetzet, welches in denen sich selbst gelassenen
Kräfften desselben bestehet, insofern sie seinem
freyen Gebrauche nicht unterworffen sind, sondern
ihre
Würckungen durch sich selbst , ohne
willkührliches Zuthun des Menschen,
hervorbringen: Da hingegen das moralische
Wesen desselben in einer Fähigkeit beruhet,
diejenigen natürlichen Kräffte, die seinem freyen
Gebrauche unterworffen sind, willkührlich
anzuwenden, und sie solchergestalt zu Mitteln, die
Würckungen aber derselben, insofern er sie
ebenfalls willkührlich vorher bestimmet und hervor
zu bringen suchet, zu seinem Zwecke zu
machen. |
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Demnach, gleichwie das natürliche Wesen
des Menschen auf sich selbst gelassenen
natürlichen Würckungen und ihren
Grund-Ursachen beruhet: Also beruhet hingegen
das moralische Wesen desselben auf einer
Fähigkeit, die würckenden Kräffte der Natur als
Mittel willkührlich anzuwenden, und deren
Würckungen als einen abgezielten
Zweck zu
erlangen. Es ist dahero der Mensch von andern
Vernunfft- und Leblosen Geschöpffen fürnehmlich
hierinnen wesentlich unterschieden, daß er mit
einer zweyfachen
Natur, nemlich einer
physicalischen und moralischen, begabet ist: Da
hingegen die Natur anderer Geschöpffe blos
physicalisch ist. |
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Dieses ist der
Grund, aus welchem der
Mensch allein, und nicht auch das Vieh, oder ein
lebloses Geschöpffe, einer Richtschnur seiner
Thaten, nemlich eines
Gesetzes und der
Regeln
der
Klugheit, fähig ist. Denn so wohl Gesetze, als
Regeln der Klugheit, setzen ein Subject von
wahrhafftig freyem moralischen Wesen voraus,
das, bey einerley empfundenem Gegenstande,
das, was es thut, auch lassen, und was es lässet,
auch thun könne. Es ist |
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{Sp. 1128} |
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vergeblich, einem
Dinge Regeln, wie es
handeln, oder würcken, und nicht würcken solle,
vorschreiben, das so, wie es würcket, durch eine
Nothwendigkeit seiner Natur würcket, und
ohnmöglich anders kan. |
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Das gantze
menschliche
Wesen, das
moralische so wohl, als das natürliche, hat von
GOtt seinen
Ursprung. Folglich ist es der
Ordnung
GOttes gemäß, daß der Mensch, seiner
moralischen Natur nach, daß Gute mit Lust, das
Böse mit Unlust empfinde; jenes also, als seinen
Zweck, nebst denen darzu dienlichen Mitteln,
begehre, dieses, als das Gegentheil seines
Zweckes, fliehe; und endlich, daß er das Gute und
Böse, nebst denen Mitteln, das Gute zu erlangen,
das Böse zu vermeiden, wisse und
erkenne: Indem
der Mensch natürlicher Weise weder einen Zweck
willkührlich begehren noch ein Mittel willkührlich
anwenden kan, wenn er es nicht vorher
erkennet. |
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Auf diese drey Stücke, nemlich |
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- erstlich, auf die
Erkänntniß
der
Dinge,
- zweytens, aus dem
Grunde
solcher Erkänntniß auf die Einrichtung unserer
Zwecke,
und derer darzu dienlichen Mittel, und also auf die
vernünfftige
Begierde
des wahren Guten,
- drittens, auf den Genuß des nun erlangten Guten,
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kommt alle Beschäfftigung eines jeden
Menschen
in seinem gantzen
Leben
an: Und dieses vermöge der moralischen Natur des Menschen, folglich nach
GOttes
Ordnung. |
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Und zwar ist, in einer richtig an einander
hangenden
Ordnung, immer eines dieser dreyen
Stücke um des andern willen. Die Erkänntniß der
Dinge ist um der Zwecke willen, die wir uns in
Ansehung derselben vorzusetzen haben, und also
um des zu begehrenden Guten willen. Die
Begierde aber des Guten, und die deshalber mit
den Mitteln unternommene Bemühung, ist um der
Erlangung und des Genusses willen, mit dessen
Annehmlichkeit der Mensch vollkommen vergnügt,
oder doch zu frieden seyn soll. |
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GOtt hat derowegen den Menschen zu der
Freude und Zufriedenheit, und nicht zu der
Traurigkeit und Unzufriedenheit, erschaffen: Und
das verdummende melancholische Wesen und
traurige Kopffhängen, welches die Heuchler
affectiren, ist wider die
Natur, und wider die
Göttliche
Ordnung in derselben. Zwar ist auch aus
dem
Grunde der
Empfindung des
Bösen, eine
vernünfftige Traurigkeit: Allein, gleichwie GOtt kein
Böses in der
Welt um des Bösen, sondern allezeit
um eines grössern Guten willen, zulässet: Also ist
alle wahrhafftig vernünfftige Traurigkeit um der
Abwendung des Bösen, und also um der Freude
willen. Derjenige dahero ist ein Narr, der in dem
Bösen verzaget, das ist, dergestalt traurig ist, daß
er bey der Traurigkeit, gleich als ob sie das Ende
aller Dinge wäre, bewenden lässet. |
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Ein Weiser ist zuweilen traurig: Aber um des
nur jetzo angeführten
Zweckes willen, und also nur
auf eine
Zeit lang. Leichtsinnigen Leuten, als
Kindern und bösen Buben, die dieser weisen
Traurigkeit von sich selbst nicht fähig sind, pfleget
man sie zu ihrer Besserung, durch
Zucht und
Straffe beyzubringen,
deren es bey einem
Weisen nicht bedarff.
GOtt hat also das
menschliche
Gemüth, damit es die
Natur |
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{Sp. 1129|S. 578} |
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der
Dinge, und daraus den ihm vorgesetzten
Zweck,
erkennen, und die zu dessen Erlangung
dienlichen Mittel erfinden könne, mit einem
vernünfftigen
Verstande; Ferner, damit es solchen
Zweck und dessen Mittel begehren, das
Gegentheil aber fliehen und verhüten könne, mit
einem der
Vernunfft unterworffenen
Willen; Und
endlich, daß es das nun erlangte Gute mit Anmuth
und Lust empfinden und geniessen könne, mit
Sinnen, (welche also allhier in moralischem
Verstande genommen werden) begabet. |
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Verstand und
Wille nun sind, wie
GOtt und
Natur sie dem
Menschen mittheilet, Fähigkeiten,
welche dem freyen und willkührlichen Gebrauche
desselben überlassen sind. Alle natürliche
Fähigkeiten, die unserm freyen, oder willkührlichen
Gebrauche, anheim gegeben sind, können wir,
(eben deswegen, weil sie unserm freyen
Gebrauche unterworffen sind) nicht allein wohl,
sondern auch übel gebrauchen. Ja der übele, oder
unrechte Gebrauch derselben, ist uns nach dem
Sünden-Falle
von der Natur weit leichter und geläuffiger, als der gute. |
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Dahero müssen wir die
Kräffte unsers Verstandes, unsers Willens, und
unserer
Sinne, keinesweges in ihrem blos
natürlichen Zustande lassen. Denn von Natur sind
alle obgedachte Kräffte, wie gedacht, blosse
Fähigkeiten, die wir, vermöge unserer moralischen
Natur, so wohl gut, als übel, ja weit leichter übel, als
gut und recht, gebrauchen können. In diesem
Zustande aber können sie kein zulängliches Mittel
zu dem uns vorgesetzten
Zwecke seyn, als
welcher unsre Glückseligkeit ist, welche ihre
eigene und besondere Mittel erfordert, und also
keinesweges auf alle Art und Weise, wie wir etwa
die Fähigkeiten unserer Natur brauchen möchten,
oder mißbrauchen wollen, zu erlangen ist. |
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Die
Sinne gebrauchen wir recht und wohl,
wenn wir sie angewöhnen, sich nur an den wahren
Guten zu belustigen: Denn daß wir unsere Sinne,
in Ansehung ihrer Belustigungen, unterschiedlich
gewöhnen können, lehret die
Erfahrung. Den
Willen brauchen wir recht, wenn wir ihn zu der
Begierde des wahren Guten, und Verabscheuung
des
Bösen, gewöhnen. Den
Verstand gebrauchen
wir recht, wenn wir eine Fertigkeit, die
Wahrheit zu
erkennen, erlangen. Wir
sagen, auf Seiten des
Verstandes müsse man sich in dem
Stande
befinden, das Gute von dem Bösen zu
unterscheiden, und also, krafft des Judicii, wie weit
eine
Sache entweder zu unserer Glückseligkeit
oder Unglückseligkeit etwas beytrage. |
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Doch diese
Erkenntniß allein macht die
Weisheit nicht aus, indem man dergleichen auch
bey Leuten findet, welche gleichwohl in ihren
Handlungen thöricht und unweislich sich aufführen.
Um deswegen muß auch eine gewisse
Beschaffenheit des
menschlichen Willens hinzu
kommen, daß man an der wahren Erkänntniß des
Guten und
Bösen einen moralischen Geschmack
habe, welcher darauf ankommt, wenn man nach
dem Guten eine
Begierde und vor dem Bösen
einen |
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{Sp. 1130} |
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Abscheu hat. Ist beydes beysammen, so
entsteht daraus die Weisheit, welche an sich
selbst als eine innerliche Beschaffenheit der
Seelen anzusehen, die sich aber äusserlich durch
die würckliche Handlungen zu
erkennen giebt, daß
man zum Exempel sagt: man habe weislich daran
gethan, man habe sich sehr weislich dabey
aufgeführet: Zum Exempel, wenn ein
Mensch
erkennet, daß die Trunckenheit ein überaus
schädliches Laster, wodurch man seine
Gesundheit so wohl, als
Ehre in grosse Gefahr
setzet; die Nüchternheit hingegen etwas Gutes,
dadurch man seine Gesundheit und Ehre erhalten
kan; auch dabey in seinem
Willen einen solchen
Abscheu vor der Trunckenheit, und eine Neigung
vor die Nüchternheit hat, daß wenn man ihm gleich,
sich truncken zu trincken Gelegenheit giebt, er sich
dennoch davor hütet, so
beweiset er dadurch eine
Weisheit, und man siehet seine Aufführung für
weislich an. |
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Aus dieser gegebenen Erklärung können wir
sehen, daß nicht eine jede wahre
Erkänntniß zur
Weisheit gehöre; sondern nur diejenige, welche mit
Moralischen Dingen, die entweder gut, oder
böse
seyn müssen, beschäfftiget ist: weil sie aber
gleichwohl wahr seyn muß, so erhellet weiter
hieraus, daß derjenige, der den Ruhm eines
weisen Mannes erlangen will, den Unterscheid
unter den wahren und Schein-Gütern wohl
verstehen müsse. Weisheit suchet das Gute; aber
nur dasjenige, welches einen wahrhafftig glücklich
machet. Die Thorheit strebt auch allezeit nach
einem Gut; weil man aber das wahrhafftige nicht
erwählet, und aus Irrthum und aus
Affecten etwas
vor gut hält, so in der
That nicht gut ist, so macht
man sich dadurch unglücklich, und legt eine Probe
der Narrheit ab. |
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Nicht weniger sehen wir daraus, wie sich bey
der Weisheit der
Wille von einem gesunden
Verstande muß
regieren lassen, und weil sich
sonsten derselbige durch die Heftigkeit der
Neigungen, oder
Affecten dessen Vorstellungen
widersetzet, so können bey einem weisen Manne
solche hefftige
Bewegungen die
Herrschafft nicht
haben. Es ist also nöthig, daß wir die
Kräffte des
Verstandes, des Willens, und der
Sinne, durch
Regeln und Übung dergestalt auszuarbeiten uns
bemühen, daß daher eine fertige
Geschicklichkeit,
jede der gedachten Fähigkeiten des
Gemüths,
soviel möglich, allezeit recht zu gebrauchen,
erwachsen möge. |
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Der Mensch ist also, weil er, vermöge seiner
moralischen Natur, seine natürlichen Kräffte nicht
in ihrem natürlichen Zustande lassen soll, darzu
gebohren, daß er sie
vernünfftig ausarbeiten, sich
also theils selber ziehen, theils von andern
verständigern und schon wohlgezogenen Leuten
wohl gezogen werden soll. Denn da, wie gedacht,
alle obbemeldete Fähigkeiten von uns wohl, oder
übel, gebrauchet werden können; Das
menschliche
Gemüth aber mit einem vernünfftigen
Verstande, krafft dessen es das, was gut und recht
ist, zu
erkennen vermag, von
GOtt begabet ist; So
muß nothwendig, durch gewisse Vernunfftmäßige
Regeln bestimmet wer- |
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{Sp. 1131|S. 579} |
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den können, welcher Gebrauch unserer Fähigkeiten recht, oder unrecht sey. Es
muß auch nothwendig dem
Willen GOttes gemäß seyn, daß der Mensch in
würcklicher
Erforschung solcher Regeln sorgfältig sey. Die fleißige Übung aber solcher
Regeln muß deswegen darzu kommen, damit man den rechten Gebrauch einer jeden
Fähigkeit, welcher eben durch die Regeln angezeiget wird, sich sattsam
angewöhnen, und also eine fertige
Geschicklichkeit
erlangen möge. Solchergestalt werden drey Haupt-Geschicklichkeiten, mit welchen
das menschliche Gemüth auszurüsten ist, erwachsen: |
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- Erstlich, in Ansehung der Sinne, ein guter Geschmack in moralischem
Verstande, (Sensus boni) das ist, eine fertige
Geschicklichkeit, sich nur an dem wahren Guten zu belustigen, und nur vor
dem wahren
Bösen
sich eckeln zu lassen.
- Zweytens, in Ansehung des
Willens, die Tugend, oder Geschicklichkeit, daß Gute zu
begehren.
- Drittens, in Ansehung des
Verstandes,
die Geschicklichkeit,
Wahrheit zu
erkennen, (Sensus veri.)
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Wer den guten Geschmack in moralischem
Verstande mit zu der Tugend rechnen, und also nur
zwey Haupt-Geschicklichkeiten des menschlichen
Gemüthes zulassen will, dem wollen wir eben nicht
viel widersprechen. Die
Ursache aber, warum wir
sie von einander unterschieden haben, ist, weil der
gute Geschmack eine den
Sinnen, die Tugend
aber eine dem
Willen, angewöhnete
Geschicklichkeit ist: Gleichwie, aus gleichmäßigen
Ursachen, auch die Geschicklichkeiten des
Verstandes und Willens einander entgegen
gesetzet werden. Die Verbindung dieser drey
Haupt-Geschicklichkeiten des
Gemüths, als
welche alle übrigen unter dem
Bezirck ihrer
Allgemeinheit begreiffen, wird, mit einem
Worte,
Weisheit, und ein Gemüth; das mit selbigen
ausgerüstet ist, ein weises Gemüth,
genennet.¶ |
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