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Text | 
  
Quellenangaben | 
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Weisheit,
				Lat. 
Sapientia,
				
				Griech. Sophia. | 
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Es wird das 				
				Wort Weisheit, theils in weiterm, 
theils in engerm 				
				
				Verstande genommen. In jenem 
ist es so viel als eine 				
				
				Wissenschafft, oder 
				Erkenntniß einer 
				Sache, wie unter andern 
Clemens 
von Alexandrien L. I. Stromat. … schreibet: „Die 
Weisheit ist eine Wissenschafft von göttlichen und 
menschlichen Dingen.„ | 
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Auf gleiche Weise hat dieses Wort auch 
Lactantius genommen, wenn er Institut. Divinar. L. 
VIII von der falschen, und von der wahren Weisheit 
handelt, da er denn durch die falsche die 
Welt-Weisheit der Heyden; durch die wahre 
hingegen die | 
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{Sp. 1115|S. 571} | 
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Christliche Lehre 
			verstehet. Nach dem 
Lactantius haben viele andere das  				
				Wort 
eben in solcher weitläufftigen Bedeutung genommen,  | 
wovon
Buddeus in Theol. Morali 
… nachzulesen.  | 
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In solchem weitern 
				Sinne ist auch das 
				
				Griechische 
Wort Sophia üblich gewesen,  | 
wie Heumann in den 
Actis Philosoph. … gewiesen. | 
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In engerm und eigentlichem 				
				
				Verstande ist die 
Weisheit derjenige 				
				Zustand der  
				menschlichen
				Seele, 
da ein Mensch nicht nur das Gute und 
				Böse 
von einander unterscheiden kan, sondern auch 
eine 
					Begierde zum Guten, und einen Abscheu vor 
das Böse hat. | 
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Es wird alles dieses, was bisher gesaget 
worden, aus der¶ | 
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Historie der Lehre von der Weisheit¶ | 
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deutlicher werden, als die wir der 
dogmatischen Abhandlung nothwendig voran 
setzen müssen. | 
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Das  				
				Wort: 
Sophia, oder philosophia, hieß bey 
den Griechen so viel, als 
				Gelehrsamkeit; Und 
Weisheit, Gelehrsamkeit, 
				
				Philosophie, war also 
bey ihnen einerley. Doch, weil vor des Socrates				
				Zeiten die 
			Gelehrten sich meistens nur auf die 
theoretischen 				
				
				Wissenschafften, sonderlich auf die 
Physick und Mathematick, legeten: So nennete 
man damahls Weisheit, oder Philosophie, nur fürnehmlich theoretische Gelehrsamkeit; Bis 
Socrates 
gewahr wurde, daß mit dieser der Glückseligkeit 
des  
				menschlichen
				Lebens wenig geholffen wäre, 
wenn sie nicht zu vernünfftige Einrichtung der 
Sitten angewendet würde. | 
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Dieser Socrates ruffete also die 
				Philosophen, 
oder 
			Gelehrten, von den theoretischen 
Betrachtungen, in welche allein sie sich bisher 
vertieffet hatten, ein wenig ab, und erinnerte, daß 
es nun 				
				Zeit sey, mit mehrerm Ernste auch auf die 
Sittenlehre zu gedencken. Des Cicero				
				Worte 
hievon sind (Quaest. Tuscul. Lib. V) diese: | 
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|   | 
„Von der alten Philosophie, bis auf den 
Socrates, wurden die Zahlen und Bewegungen (die 
Mathesis und Physick) getrieben, woher so wohl 
alle Dinge ihren Ursprung hätten, als wohin sie 
wieder zurück giengen, (die 				
				Ursachen der 
				Dinge).
„Es ward auch fleißig von ihnen die Grösse, der 
Zwischen-Raum, der Lauff der Gestirne, und alles, 
was die Himmels-Kugel betrifft, untersuchet. 
Socrates aber hat zuerst die Philosophie aus dem 
Himmel herunter geruffen, und in die Städte 
einlogiret, (er hat die Politic gelehret) „und auch in 
die Häuser eingeführet, (er hat die Öconomie 
gelehret) „und hat sie gezwungen, nach dem Leben 
und Sitten, und nach den guten und bösen Dingen 
zu fragen.„ | 
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|   | 
Von derselben Zeit an bekam das 				
				Wort: 
Weisheit einen viel weitern 				
				
				Verstand, da es in den 
			
	Schulen des Plato, der Stoicker, und der Epicurer, 
nebst den theoretischen 				
				
				Wissenschafften, 
fürnehmlich auf die 
Sitten-Lehre, als den Zweck 
aller theoretischen Wissenschafften, gezogen 
ward. Der eintzige Aristoteles blieb, vielleicht aus 
Eyffersucht gegen den Plato und Socrates, bey der 
alten Bedeutung des Wortes: Weisheit, und 
verstund die theoretische 
				Gelehrsamkeit, ja nur 
fürnehmlich den höchsten Gipfel derselben, 
nehmlich die Metaphysick, die er gar sonderlich 
trieb, darunter. | 
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|   | 
In der angeführten Bedeutung ist nun das 
				Wort: Weisheit, unter den Heydnischen, 
Griechischen und Lateinischen 
				Philosophen 
geblieben, als welche unter | 
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{Sp. 1116} | 
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|   | 
einem Weisen, oder Philosophen, nie etwas 
anders, als einen gründlichen 
			Gelehrten, 
verstanden haben, und zwar entweder nur einen 
Theoretischen Gelehrten, oder hauptsächlich 
einen Sitten-Lehrer, nachdem sie es entweder mit 
dem Socrates, und die meisten von ihm 
abstammenden Secten, oder, wie Aristoteles, mit 
den Philosophen vor dem Socrates, gehalten 
haben. Wir wollen die vornehmsten 
				Meynungen 
derselben etwas genauer erwegen. | 
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|   | 
Wenn Socrates lehrete, daß einige Gute sey 
die 				
				
				Wissenschafft, oder Weisheit, das einige 
				Böse 
die Unwissenheit, oder Thorheit; So verwirfft 
Stolle, 
in der Historie der Heydnischen Moral … diesen 
Haupt-Satz der Socratischen Moral. Wenn man 
aber erweget, das Socrates durch die 
Wissenschafft eine practische Weisheit verstanden 
habe, die nicht nur das Gute von dem Bösen zu 
unterscheiden weiß, sondern auch das Gute 
erwählt und das Böse verwirfft, folglich die Tugend 
und Weisheit ihm einerley bedeutet, so wird man 
milder von dem Socrates urtheilen, zumahl, da 
richtig ist, daß die gründliche 
				Erkänntniß des Guten 
der 
				Grund der Erwählung desselbigen und der 
daraus fliessenden Glückseligkeit sey. | 
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|   | 
Die Stoicker gaben diese Beschreibung von 
der Weisheit, daß sie eine 				
				
				Wissenschafft
				Göttlicher 
und  
				menschlicher
				Dingen sey. | 
Plutarch. de plac. Phil. 
… | 
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Es hat aber Zeno diese Beschreibung der 
Weisheit von dem Plato entlehnet;  | 
Siehe Histor. de ideis …; 
 | 
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Wiewohl sie Plato in einem etwas andern 
				
				Verstande genommen hat. Die höchste Weisheit 
bestund, nach dem Bedüncken der Stoicker, in der 
Unterscheidung des Guten von dem 
				Bösen. | 
Seneca, Ep. 71. | 
|   | 
Es ist aber wohl zu mercken, daß die Stoicker 
davor hielten, den eigentlichen Gipffel der Weisheit 
könne kein Mensch erlangen. Es war auch gantz 
natürlich, daß sie so lehren musten; Massen sie 
sich von einem weisen 
Manne eine solche 
Vorstellung machten, daß derselbige nirgends, als 
in ihren Gehirne, anzutreffen war. Sie machten 
einen Unterschied, unter einem vollkommenen und 
zunehmenden Weisen, (inter sapientem perfectum 
et proficentem)  | 
wovon Lipsius in Manuduct. ad phil. 
Stoic. … nachzusehen ist. | 
|   | 
Es kommt aber auch dieses aus der 
			
	Schule 
des Plato, der es von dem Pythagoras entlehnet 
hat. | 
Siehe Hist. de ideis … | 
|   | 
Unter andern verlangten die Stoicker von 
einem Weisen, es müsse sein 
				
				Gemüth von allen 
			Affecten gäntzlich befreyet seyn, und meynten, er 
könnte bey den grössesten Schmertzen ruhig in 
dem Gemüthe und glücklich seyn, wäre auch bey 
seiner Weisheit allein 
				reich, und stünde in der 
Freyheit, und was andere Aussprüche mehr waren, 
die Lipsius in manuduct. ad philos. stoic. … 
erkläret. | 
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|   | 
Sie räumeten zwar ein, daß ein Weiser, wenn 
er die Wahl habe, neben der Tugend die zeitlichen 
Güter lieber haben, als daran Mangel leiden wolle: 
Sie läugneten aber, daß solches deswegen 
geschehe, weil sie 
				Güter wären: Sie 
			sagten, ein 
Weiser verlange sie, nicht, weil sie Güter, sondern, 
weil sie der 
Natur gemäß wären: Welches eine 
elende Wort-Sophisterey war. Sie wusten sich 
freylich nicht anders heraus zu wickeln. Denn | 
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|   | 
{Sp. 1117|S. 572} | 
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da sie wohl sahen, daß ein Weiser in diesem 
Leben vor widrigem Glück nicht sicher seyn könne, 
welches auch Cicero 
				erkennet, wenn er, Tuscul. 
Quaest. Libr. V.
				schreibet: | 
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|   | 
„Denn es wird eine Menge der Übel (wenn wir 
es übel nennen wollen) vorhanden seyn, Armuth, 
Verachtung, Niedrigkeit, Einsamkeit, Verlust des 
Seinigen, grosse Leibes-Schmertzen, verlohrne 
Gesundheit, Schwachheit, Blindheit, Untergang 
des Vaterlandes, Verjagung aus demselben, 
Knechtschafft:„ | 
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|   | 
So musten sie entweder sagen, daß 
solchenfalls auch der Weiseste dennoch 
unglückselig seyn, und alle seine Weisheit nichts 
darwider helfen werde, wenn nehmlich, wie Cicero 
zu dem 
				Grunde setzet, die Glückseligkeit dieses 
				Lebens ein 
			Stand von lauter Lust, ohne Unlust, ist; 
Oder sie musten behaupten, daß alle obgedachte 
Unglücksfälle keine Übel wären, welches letztere 
sie auch würcklich thaten, worinnen ihnen auch 
Cicero, der jedoch in diesem Puncte nicht allezeit 
mit sich selbst recht einig ist, beypflichtet, da er, 
nach den nur angeführten 				
				Worten, also 
fortfähret: | 
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|   | 
„Wenn aber dieses Übel sind, wer kan 
verschaffen, daß ein Weiser allezeit glückselig sey, 
da er sogar in allen diesen Umständen sich zu 
einer Zeit befinden kan? Ich räume daher nicht 
leicht, weder meinem Brutus, noch den 
gewöhnlichen Lehrern, noch jenen alten, dem 
Aristoteles, Speusippus, Xenocrates, Polemon, 
ein, daß, da sie dasjenige, was ich zuvor erzählet 
habe, unter die Übel rechnen, eben dieselbigen 
sagen, daß ein Weiser allezeit glückselig sey: 
Wenn sie dieser vortrefliche und schöne Titel, 
welcher dem Pythagoras, Socrates und Plato, höchst gemäß ist, vergnüget, so mögen sie das 
Gemüthe dahin lencken, daß es dasjenige, durch 
dessen Glantz sie eingenommen werden, Kräffte, 
Gesundheit, Schönheit, Reichthümer, Ehre, Güter, 
verachte, und dasjenige, was diesen entgegen 
stehet, für nichts halte.„ | 
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|   | 
Er 
			verstehet aber unter einem weisen 
Manne 
nicht einen Theoretisch-Gelehrten, sondern einen 
Practischen. Denn so 
			
			spricht er selbst: | 
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|   | 
„Denn wir sagen, daß so wohl die redlichen 
Männer, als die Weisen, mit allen Tugenden 
versehen und gezieret seyn müssen.„ | 
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|   | 
Wenn einige 				
	Weltweise damahliger 				
				Zeiten, 
wie man hin und wieder bey den Plato findet, 
			gesagt haben, die Weisheit sey das höchste Gut, 
so haben sie die Weisheit sonder Zweifel in eben 
demselbigen 				
				
				Verstande genommen; Als welches 
aus dem Inhalte fast aller Gespräche des Plato von 
dieser 
				Meynung, z.E. des Philebus, Euthydemus, 
deutlich erhellet, da unter dem 				
				Worte: Weisheit, 
nebst der 
				Erkenntniß des 				
				Verstandes, die Tugend, 
und der Geschmack, oder die Belustigung an dem 
Guten, ausdrücklich mit begriffen wird. Denn nicht 
allein die Stoicker, sondern fast alle berühmte 
				Philosophen, ausser dem 
Aristoteles, als Plato 
selbst und Epicurus, sind hierinnen dem Socrates 
nachgefolget, daß sie die Weisheit nicht mehr in 
blossem Speculiren, sondern hauptsächlich in 
einem 				
				vernünftigen
				Leben, welches jedoch 
ebenfalls sein Nachsinnen erfordert, gesuchet 
haben; So, daß man guten | 
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{Sp. 1118} | 
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|   | 
				Grund hat, zu
			sagen, daß die 
				moralische 
Bedeutung des Wortes: Weisheit, von dem 
Socrates an, beynahe unter allen 
			Gelehrten die 
ordentliche Haupt-Bedeutung gewesen, und noch 
sey; Welches jedoch nicht hindert, daß besagtes 
Wort in der Metaphysick nicht in besonderem 
				
				Verstande genommen werden könne. | 
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|   | 
Von dem Epicurus bezeugen dieses alle seine 
bey dem Gassendus ad Laert. befindlichen 
Sprüche von einem weisen 
Manne. Und 
Plato in 
dem Euthydemus, da er erweisen will, daß die 
Glückseligkeit des 
Menschen in der Weisheit 
bestehe, führet solchen 
				Beweiß daher, daß uns 
alle 
				Güter dieses 
				Lebens nichts helffen, wenn sie 
uns nicht zu 
				Nutze kommen: Daß also, wer 
glückselig leben wolle, solche Güter nicht allein 
besitzen, sondern auch brauchen müsse: Daß aber 
nicht aller Gebrauch der Güter uns glückselig 
mache, sondern nur der rechte und 				
				vernünftige: 
Daß dahero eine 
Kunst seyn müsse, die Güter des 
Lebens vernünftig zu gebrauchen, welche die 
Weisheit heisse, folglich nicht die Menge der Güter, 
sondern vielmehr solche Kunst, auch wenige recht 
zu gebrauchen, das ist, die Weisheit, glückselig 
mache: Daher er endlich den 
				Schluß machet; [zwei 
Zeilen griechischer Text] Das ist: Daß nichts von 
dem übrigen allen entweder gut, oder 
				Böse, 
sondern daß aus diesen beyden, die Weisheit nur 
gut, die Thorheit böse sey. | 
  | 
|   | 
Hier siehet man gar deutlich, daß auch Plato, 
so gut, als alle Stoicker und Epicureer, das 				
				Wort 
Weisheit in 
moralischem 				
				
				Verstande genommen, 
und hierinnen also, unter den vier Haupt-Secten, 
die Academische, Stoische und Epicureische, 
wider die eintzige Aristotelische, übereingestimmet 
haben. Vielleicht meynet auch eben dieser Plato 
die Weisheit in eben diesem Verstande, wenn er, 
de Republ. L. V. und VII. die 
				Idee des Guten vor 
das höchste Gut ausgiebt: Wider welche Idee des 
Guten Aristoteles, Nicom. … 
				disputiret. | 
  | 
|   | 
Die Italienische, oder Pythagoräische Secte 
beschrieb die Weisheit also: Die Weisheit ist eine 
gründliche 				
				
				Wissenschafft derjenigen 
				Dinge, welche 
wesentlich sind, (Entium.) | 
|   | 
Cicero
				schreibent, 
de petit. Consc. c. 10. Nicht 
in den Tag hinein glauben, ist die 
				Seele der 
Weisheit. | 
  | 
|   | 
Seneca lässet sich von der Weisheit, in seiner 
XIV Epistel, also vernehmen: | 
  | 
|   | 
„Ein Weiser wird die Gewaltigen nie zum Zorne 
reitzen, sondern dem Zorne derselben vielmehr, 
wie ein Schiffer dem Ungewitter, ausweichen.„ 
Eben daselbst: „Ein Weiser richtet sich nach denen 
öffentlichen Sitten, und macht durch keine neue 
Lebens-Art bey dem Volcke ein Aufsehen.„ 
Desgleichen in der XX Epistel: „Niemand setzet sich 
recht vor, was er will: Ja, wenn er es sich auch 
vorgesetzt hat, so bleibet er doch nicht dabey, 
sondern überschreitet (das von ihm selbst gesetzte 
Ziel): Ja, er ändert nicht nur dasselbe, sondern 
kehrt wieder um, und läst sich das belieben, was er 
doch zuvor verlassen und verworffen hat.„ | 
  | 
|   | 
Bald darauf aber giebet er folgende 
Beschreibung der Weisheit: | 
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„Was ist Weisheit? Allezeit einer- | 
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|   | 
{Sp. 1119|S. 573} | 
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|   | 
ley wollen und nicht wollen.„ | 
  | 
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Die Jüden, welche ebenfalls in den 
				
				Philosophischen 
				
Studien etwas leisten wolten, 
hatten vornehmlich folgende Sätze von der 
Weisheit: | 
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|   | 
| 1). | 
Wo keine Furcht GOttes 
ist, da ist auch keine Weisheit; Weisheit, 
Wissenschafft und Klugheit aber, sind 
beysammen. | 
 
  | 
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|   | 
| 2) | 
Wo die Wissenschafft 
grösser ist, als das Werck und die Ausübung, da ist 
keine gründliche Weisheit. | 
 
  | 
  | 
|   | 
| 3) | 
Ein weiser Mann lernet 
von einem jeden Menschen. | 
 
  | 
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|   | 
| 4) | 
Ein weiser Mann hat sieben Eigenschaften:  | 
 
  | 
  | 
|   | 
	
		|   | 
		
		
			- Er redet vor niemand, der ihm an Weisheit und Ansehen vorgehet;
			
 
			- Er fället seinem Nächsten nicht in die Rede; 
 
			- Er antwortet nicht unbesonnen und übereylt; 
 
			- Er fragt geschickt und wohl; 
 
			- Und giebt auch geschickte Antwort; 
 
			- Was er nicht gehöret hat, bekennet er nicht gehöret zu haben;
			
 
			- Und endlich bekennet er auch die Wahrheit.
 
		 
		 | 
	 
 
			 | 
  | 
|   | 
| 5) | 
Wer die Weisheit lernen will, von dem werden folgende 
Stücke erfordert:  | 
 
  | 
  | 
|   | 
	
		|   | 
		
		
			- Das Lernen, 
 
			- das Aufmercken des Ohres, 
 
			- die geschickte Bewegung und Rede der Lippen, 
 
			- die Aufmercksamkeit des Gemüths, 
 
			- der Verstand des Hertzens, 
 
			- Furcht, 
 
			- Scheu, 
 
			- Sanftmuth, 
 
			- Freudigkeit, 
 
			- Umgang mit weisen und geschickten Leuten, 
 
			- genaue und fleißige Widerholung mit seinen Cameraden, 
 
			- Fleiß, 
 
			- Lesung der Heiligen Schrifft und der Schrifften der Weisen, 
 
			- Abbruch von andern Geschäfften und vom Schlaf, von den 
			Wollüsten, Spielen und Gewohnheit des Pöbels; 
 
			- Langmuth, 
 
			- Munterkeit des Gemüthes, 
 
			- Credit für die Weise, 
 
			- Gedult in der Trübsal, 
 
			- mäßiger Schlaf, 
 
			- mäßige Übung in Geschäfften, 
 
			- mäßiges Reden, 
 
			- mäßige Wollust, 
 
			- mäßiges Lachen, 
 
			- mäßiger Umgang mit den Leuten, 
 
			- sich selbst und seinen Stand erkennen, 
 
			- mit seinem Theil zufrieden seyn, 
 
			- seine Worte nur mit einem Ja bewahren, 
 
			- nichts Gutes sich selbst zuschreiben, 
 
			- GOtt und den Nächsten und die Gerechtigkeit lieben, 
 
			- Bestraffungen und Erinnerungen leiden können, 
 
			- die Billigkeit lieben, 
 
			- vor der Ehre fliehen, 
 
			- sich wegen seiner Gelehrsamkeit nicht erheben, 
 
			- über seinen Unterricht sich nicht unmäßig freuen, 
 
			- mit seinen Neben-Schülern gleiches Joch der Zucht ertragen, 
 
			- seinen Cameraden nach der Waage der Unschuld beurtheilen, 
 
			- ihn zur Wahrheit führen, und zum Frieden ermahnen; 
 
			- Seine Wissenschafft wohl gründen, fragen und antworten, hören 
			und zunehmen; 
 
			- Lernen deswegen, daß man so wohl andere lehren könne, als auch 
			es selbst thun möge; 
 
			- Seines Lehrmeisters Weisheit loben und vertheidigen, 
 
			- einem jeden Dinge seinen Urheber beylegen, 
 
			- u.s.w.
 
		 
		 | 
	 
 
			 | 
  | 
|   | 
| 6) | 
Ein Schamhafttiger lernet 
nicht wohl, und ein Zorniger lehrt nicht wohl und 
wer viel handelt kommt nicht leicht zur 
Weisheit. | 
 
  | 
  | 
|   | 
| 7) | 
Ein weiser Mann suchet 
nicht mehr Ruhm, als seine Gelehrsamkeit oder 
Weisheit, verdienet. | 
 
  | 
  | 
|   | 
| 8) | 
Nichts ist einem weisen 
Manne vortheilhaffter als Stillschweigen; Dann wer 
viele Worte macht, sündiget oft, | 
 
  | 
  | 
|   | 
{Sp. 1120} | 
  | 
|   | 
|   | 
hingegen das 
Stillschweigen ist eine Vormauer der 
Weisheit. | 
 
  | 
  | 
|   | 
| 9) | 
Ein weiser Mann ist 
vorsichtig in seinen Worten, daß er nicht sich und 
andern schade. | 
 
  | 
  | 
|   | 
| 10) | 
Mit einem Weibe, wann es 
auch unser eigen ist, soll man nicht viel reden, weil 
daraus viele Hindernisse in der Weisheit 
entstehen. | 
 
  | 
  | 
|   | 
| 11) | 
Ein weiser Mann ist gegen 
jedermann demüthig, und trachtet nicht nach der 
Regenten Stelle und nach Tittuln noch nach der 
Freundschafft der Grossen. | 
 
  | 
  | 
|   | 
| 12) | 
Er vermeidet auch alle 
Processe und Streit-Händel, und läst sich nicht 
zum Advocaten, oder Richter, gebrauchen.„ | 
 
  | 
  | 
|   | 
Wenn die alten Christen behaupteten, daß alle 
Weisheit von den Ungriechen (Barbaris) auf die 
Griechen gekommen sey, so glaubten, sie, daß die 
Heydnischen Philosophen vieles von den 
Hebräischen 
				Lehrern erschnappet hätten. Denn 
gleichwie Aristobulus, Philo, und andere nach 
Griechischer Art in Egypten philosophirende 
Juden, die Anführer gewesen sind, die Jüdischen 
und Heydnischen Lehren in eines zu mischen, also 
haben sie den Vätern sonderlich Gelegenheit 
gegeben, auf dergleichen 
				Gedancken zu 
fallen. | 
  | 
|   | 
Clemens Alexandrinus gehet, Stromat. L. I. … 
gantz deutlich mit der 
				
	Sprache heraus, daß er 
durch den Aristobulus, Philo, und andere 
dergleichen Leute, auf diese 
				Meynung gerathen sey. Das geschah aber durch ein doppeltes 
Vorurtheil, zu welchem diese syncretistischen Juden die leichtgläubigen und 
nicht genug vorsichtigen Väter verleiteten.  | 
  | 
|   | 
Denn einmahl machten sie ihnen weiß, alle Weisheit komme von den Jüden her, 
in welchem aus dem Jüdischen Hochmuthe entstandenen Vorurtheile sodann die Väter 
gestärcket worden, wann sie von den Griechischen und andern Heydnischen 
Geschicht-Schreibern selbst hörten, daß die
				
				Philosophie von den Barbarischen				
				Völckern 
auf die Griechen gekommen sey. Denn weil man die Jüden ebenfalls unter die 
Barbarischen Völcker rechnete, und die Väter voraus setzten, sie wären, der 
Göttlichen Offenbarung wegen, die erleuchteste Nation gewesen, und folglich 
müsten sie auch die besten
				Philosophen 
gehabt haben, so schlossen sie daraus, die Heydnischen
Scribenten 
schrieben selbst, indem sie die Philosophischen Anfangs-Gründe 
den Barbaren beylegen, den Jüden den				
				Ursprung 
der Philosophie zu; Wie übel aber solches aus einander folge und schliesse, kan 
ein jeder leicht begreiffen. | 
  | 
|   | 
Hernach so verführten diese Jüden auch die 
Kirchen-Lehrer auf das Vorurtheil, daß die 
Platonische Philosophie mit den Mosaischen 
Büchern und der darinnen enthaltenen Lehre 
übereinkomme. Denn weil sie, 
Krafft ihrer 
syncretistischen Absichten, durch Hülffe der 
allegorischen 
Lehr-Art, denen Platonischen 
Lehrern so- | 
  | 
|   | 
{Sp. 1121|S. 574} | 
  | 
|   | 
wohl, als den Mosaischen, einen solchen 
				
				Verstand anzudichten wusten, der sich endlich 
reimen muste, er mochte wollen, oder nicht, wann 
er nur nicht allzu Heydnisch heraus kam; so 
wurden die Väter, welche das Gold unter der 
Heydnischen Philosophie aufsuchten, und zu 
Befestigung der Christlichen Religion, derselbigen 
vornehmste Lehren unter den Heyden finden und 
erweisen wolten, dadurch in ihrem Vorsatz und 
				Meynung desto mehr bestärcket, da sie in den 
					Schrifften dieser Platonisirenden Juden, oder, wie 
wir sie auch mit 
	Recht nennen können, dieser 
Platonicorum Mosaizantium, eine mehrere 
Gleichheit der Platonischen Lehrsätze mit den 
Mosaischen Schrifften vorgestellet fanden, wie 
hiervon die Apologien der Väter offenbar 
zeugen. | 
  | 
|   | 
Indem nun aber zu diesen 				
				Zeiten die Christen 
der 
				Gelehrsamkeit mit immer mehr Eyfer 
obzuliegen anfiengen, funden sie in den 
				Büchern 
der 
				H. Schrifft, sonderlich 
Salomons und Syrachs, 
das 				
				Wort Weisheit in einem 				
				
				Verstande gebrauchet, 
in welchem es nicht den 
			Gelehrten allein, sondern 
auch den Ungelehrten, zukommt; da nemlich die 
Weisheit allen 
Menschen angepriesen wird. | 
  | 
|   | 
Man hat sich dahero nach der 				
				Zeit, bey dieser 
so sehr eingerissenen Zweydeutigkeit des 				
				Wortes: 
Weisheit, genöthiget gesehen, zwischen der 
Weisheit und 
				Gelehrsamkeit einen Unterschied zu 
machen, und durch die erste, eine angewöhnte 
Fertigkeit eines 				
				vernünfftigen, tugendhafften und 
klugen Lebens, man mag der darzu nöthigen 
				Erkänntniß durch eigenes Nachdencken mächtig 
seyn, oder nicht; durch die letzte aber, eine 
Fertigkeit, solcher Erkänntniß durch eigenes 
Nachdencken mächtig zu seyn, und sie aus ihren 
tieffsten 
				Gründen heraus zu holen, zu 
			verstehen. | 
  | 
|   | 
Ob also wohl sophia, oder 
philosphia, und 
Weisheit, dem 				
				Worte nach einerley ist, so sind die 
			Gelehrten doch immer geneiget gewesen, auf 
Veranlassung der 
				
				Griechischen und
				Lateinischen 
Gelehrten, das Wort sophia nicht wie Salomo und 
Syrach, sondern lieber wie Aristoteles und andere 
Heyden, vor 
				Gelehrsamkeit zu nehmen. Und da 
hernach die 
			
			Universitäten gestifftet, und in 
denselben die Theologie, die 
Rechts-Gelehrsamkeit, und die Medicin, als drey 
so genannte Haupt-Facultäten, öffentlich zu lehren 
angeordnet worden sind, hat man denen übrigen 
gelehrten				
				
				Wissenschafften, durch einen 
allgemeinen bis auf den heutigen Tag dauernden 
Gebrauch, den sonst allen Gelehrten 
Wissenschafften gemeinen 
				Nahmen der 
				
				Philosophie gelassen. | 
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Der zu unsern 				
				Zeiten berühmte 
 Wolff 
beschreibet die Weisheit durch eine 				
				
				Wissenschafft, 
die Absichten dergestalt einzurichten, daß eine ein 
Mittel der andern wird, und hinwiederum 
dergleichen Mittel zu erwehlen, die uns zu unsern 
Absichten führen. Er suchet dieses also zu 
				
				beweisen: daß diese Erklärung der 
			Gewohnheit zu 
			reden gemäß sey, gäben die Exempel. Denn wenn 
wir sähen, daß einer seine 
				Sachen so angegriffen, 
daß er seine Absichten erreichet, so pflegten wir zu 
sagen: Er habe weislich gehandelt. Hingegen wenn 
einer seine Absichten dergestalt einrichte, daß eine 
der andern zuwider sey, und zu Mitteln erwehle, 
was ihm in seiner Absicht hinderlich sey, so sage 
man: Er handele thöricht. Und heraus verstehe 
man, was ein Thor und was Thorheit sey. | 
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Insgemein erkläre man die Weisheit durch 
eine 				
				
				Wissenschafft hoher 
				Dinge: (per scientiam 
rerum sublimium). Allein, es sey darnach | 
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{Sp. 1122} | 
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erst die Frage, was hohe Dinge sind? Und 
daher komme es, daß Leute, die subtile 
				Sachen 
			verstehen, sich weise zu seyn düncken, und doch 
bey ihrer grossen Weisheit thöricht handeln: Allein 
er lasse sich bedüncken, daß der 
			Begriff, den er 
von der Weisheit gegeben, dem Gebrauche zu 
			reden gemässer sey. Und zu seinem Begriffe 
schicke sich auch das Exempel, wodurch in der 
				Schrifft die Weisheit des 
Königes
Salomo erwiesen 
werde. Denn in dem 				
			Urtheile wegen des 
			
Kindes, 
darüber sich die beyden Huren zancketen, habe er 
ein Mittel erwählet, wodurch er die rechte 
				Mutter 
herausgebracht. Es sey aber freylich nicht zu 
läugnen, daß 
				Erkänntniß solcher 
				
				Wahrheiten, die 
dem Menschen in seinem Wandel und 
Amte nöthig 
sind, erfordert werde: allein deswegen bestehe 
doch nicht die Weisheit selbst darinnen. | 
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Wenn der Mensch zu der letzten Absicht 
seines 
				Lebens die Vollkommenheit seines 
innerlichen und äusserlichen 				
				Zustandes mache, 
und nichts vornehme, als was ihn darzu führet, 
auch deswegen alle besondere Absichten 
dergestalt mit einander verbinde, daß eine ein 
Mittel zu der andern, und endlich alle insgesamt ein 
Mittel zu der Haupt-Absicht seyn, so schreite er 
ungehindert von einer Vollkommenheit zu der 
andern fort; und also habe er ein fortdaurendes 
Vergnügen, und genieße eine beständige Freude, 
folgends erlange er die Glückseligkeit, deren man 
in diesem Leben fähig sey. Weil nun die 
				
				Wissenschafft von dieser Einrichtung unseres 
Wandels, dadurch wir unsere Glückseligkeit 
erlangen, die Weisheit sey, so sey die Weisheit 
eine Wissenschafft der Glückseligkeit, (Scientia 
felicitatis) Und dieses sey die Erklärung, welche 
der 
				
				Herr von Leibnitz von der Weisheit 
gegeben. | 
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Man sehe demnach, daß sein 
			Begriff 
von der Weisheit dem seinigen nicht zuwider sey: jedoch sey er lieber bey dem 
seinigen verblieben, als daß er jenen angenommen hätte, weil der seinige mehr 
Deutlichkeit habe, und daher ein
			geschickterer
				Grund sey, dasjenige zu erweisen, was er von der 
Weisheit lehre: so habe er ihn in solchen Fällen 
bequemer gefunden, wo man etwas von der 
Weisheit zu erweisen habe, als wenn wir GOttes 
Weisheit aus den 				
				Wercken der 
Natur erweisen 
sollen. | 
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Die Grade der Weisheit werden von ihm also 
beschrieben: Je mehrere Absichten dergestalt mit 
einander verknüpfft werden, daß immer eine ein 
Mittel der andern werde: je mehr stimmeten von 
den Absichten mit einander überein, und je grösser 
und vollkommener sey die Weisheit. Wiederum, je 
mehr, oder in je mehreren Fällen, man Mittel zu 
erwählen wisse, die einem zu dem 				
				Zwecke führen, 
und je weniger man in Erwählung der Mittel 
verfehle, je mehr stimme alles mit einander 
überein. Und sey demnach auch um deswillen die 
Weisheit grösser und vollkommener. | 
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Ferner, je mehr man durch die erwählten Mittel 
seine Absicht erreiche, je mehr stimmeten sie mit 
ihr überein: denn in so weit man seine Absicht nicht 
erreiche, in so weit stimme das Mittel nicht mit ihr 
überein, sondern sey entweder gar hinderlich, oder 
thue nichts zur 
				Sache. Derowegen sey auch die 
Weisheit vollkommener, je mehr man durch die 
erwählten Mittel seine Absichten erreiche. 
Wiederum gehöre zu der Vollkommenheit der 
Weisheit, daß man nicht durch Umwege zu 
erhalten suche, wozu man auf einem kürtzeren 
Wege kommen könne. Denn indem man einen 
kürtzeren | 
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{Sp. 1123|S. 575} | 
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Weg habe, so erwähle man die Umwege ohne 
Noth, und handele demnach in so weit, als man 
dieses thue, ohne Absicht. Ein Weiser aber 
handele niemahls ohne Absicht. Derowegen, in so 
weit man ohne Noth Umwege erwähle, in so weit 
sey man nicht weise. Die Weisheit sey demnach 
vollkommener, wenn man kürtzere Mittel erwähle, 
und den weitläufftigern vorziehe. | 
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Man könne es auch noch auf diese Art 
erweisen: Wenn wir Mittel 
				erkenneten, die uns 
kürtzer zu unserem 				
				Zwecke verhelffen, als andere, 
so finden wir keinen 
				Grund, warum wir die andern 
den ersten vorziehen solten: und daher könne es 
auch nicht geschehen. Wenn wir demnach 
Umwege erwähleten, so geschähe es, weil wir den 
kürtzern Weg nicht erkenneten. Und also komme 
es aus Mangel der 
				Erkänntniß, folgends aus 
Unvollkommenheit des 				
				Verstandes her. Was aber 
aus Unvollkommenheit des Verstandes herkomme, 
könne nicht zu der Vollkommenheit der Weisheit 
gerechnet werden. | 
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Hieraus sehe man zugleich, daß es der 
Weisheit nicht zuwider sey einen weitern Weg 
einem näheren vorzuziehen, wenn man 
genugsamen 
				Grund dazu habe. Denn in solchem 
Falle habe man nebst der Haupt Absicht noch 
andere Neben-Absichten, die man wohl durch den 
weiteren, aber nicht durch den nähern zugleich mit, 
erhalten könne. Und in diesem Falle handele man 
demnach nicht ohne Absicht, in so weit man den 
weiteren Weg dem nähern vorziehet: ja eigentlich 
von der 
				Sache zu reden, so sey es in der 
	That 
nicht ein weiterer Weg, indem kein kürtzerer vorhanden, wenn man alle Absichten 
zugleich ein Genügen thun wolle. 
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Z.E. Es wolle einer aus einem
				Orte in 
den andern 
						reisen und unterwegens einen guten 
Freund 
			
			sprechen, der ausser der ordentlichen 
Strasse wohne. Wenn er nun seine Reise so 
einrichte, daß er mit auf den Ort zukomme, wo der 
gute Freund wohnet, den er zu
			sprechen verlanget; 
so könne er wohl durch Umwege an den Ort 
kommen, wo er hinreiset; allein es könne dessen 
ohngeachtet der Weg, den er genommen, doch der 
kürtzeste seyn, welchen er habe erwählen können, 
woferne er nicht allein die Absicht gehabt, an 
gedachten Ort zu kommen, sondern auch 
unterwegens seinen guten Freund zu sprechen. 
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Aus dem, was bisher von den Graden der 
Vollkommenheit der Weisheit 
			gesaget worden, 
erhelle, worinnen die vollkommenste Weisheit 
bestehe. Siehe Weisheit (vollkommenste). | 
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Die Kennzeichen der Weisheit beschreibet er 
also: Er setzet voraus, zu der Weisheit werde 
Richtigkeit der Absichten erfordert: nemlich, ein 
Weiser thue nichts ohne Absichten, u. seine 
Absichten haben jederzeit die Vollkommenheit 
seines äusserlichen und innerlichen 				
				Zustandes zu 
dem 
				Grunde. Wenn man demnach finde, daß der 
Mensch nichts vornehme, oder unterlasse, wo er 
nicht vorhero überlege, warum er es thun, oder 
unterlassen solle; so sey dieses ein Kennzeichen 
der Weisheit, oder wenigstens eines nach Weisheit 
strebenden 
				
				Gemüthes. Denn man sehe hieraus, 
daß er nichts für die lange Weile vornehmen wolle, 
sondern allezeit durch sein 
				Thun und Lassen etwas 
zu erreichen gedencke, und also beständig eine 
Absicht seines Thuns u. Lassens haben 
wolle. | 
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Jedoch müsse man auch die Beschaffenheit 
seiner Absicht untersuchen, ehe man daraus ein 
sicheres 				
			
			Urtheil fällen könne: welches geschehe, 
wenn man untersuche, ob die Absicht die einer 
habe, zu der Vollkommenheit seines äusseren u. 
inneren 				
				Zustandes etwas beytrage, und ob | 
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{Sp. 1124} | 
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er auch dieses sich würcklich vorstelle, auch in 
Ansehung dessen die Absicht erwehle. Und da die 
Weisheit eine 				
				
				Wissenschafft der Glückseligkeit 
sey; so 
				erkenne man daraus ein Weisheit 
liebendes  
				
				Gemüthe, wenn man höre, das einer 
nichts thun, oder lassen wolle, ehe ihm bekannt 
sey, ob es seiner Glückseligkeit zuwider, oder 
dieselbe befördere. | 
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Weil ferner auch zu der Weisheit eine 
geschickte Wahl der Mittel erfordert werde: die 
Mittel aber dasjenige seyn, welches den 
				Grund in 
sich enthalte, warum die Absicht ihre 				
				Würcklichkeit 
erreiche; so könne man aus der Aufführung der 
Menschen sehen, ob sie weise seyn, oder nicht. 
Denn wenn sie so beschaffen sey daß sie dadurch 
ihre Absicht nicht erreichen können, sondern 
vielmehr gar sich selbst hindern; so 
				erkenne man 
auch daraus den Mangel der Weisheit u. ihre 
Thorheit. Z. E. Wer sich einen Patron zum Feinde 
mache, handele thöricht. Denn da er Beförderung 
suche, so sey sie als seine Absicht anzusehen. Da 
nun aber zu der Beförderung Gunst des Patrons 
erfodert werde; so sey sie ein Mittel zu der 
Beförderung. Wer demnach sich einen Patron zum 
Feinde mache, der hindere seine Beförderung. 
Und also handele er thöricht. | 
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Es ward dieser 
				Philosoph unserer 				
				Zeiten von 
dem sel. D. Joachim Langen beschuldiget, daß er 
auch gar die Weisheit zu dem fato ziehe u. daher 
leite. Die 				
				Ursach, die er angab, war diese, daß die 
Weisheit erfodere, daß
			geschickte Mittel zu den 
				Endzwecken erwehlet werden; das Wolfische 
Systema aber das Fatum allein zu dem 
				Gesetze, 
das die Absichten regulire, habe. Auf diesen 
Einwurff hat Hr. Carpzov, in seiner Erläuterung der 
Wolfischen Sitten-Lehre, … geantwortet.¶ | 
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