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Monarchomachisten, Monarchomachi,
Majestäts-Feinde, Regenten- oder Regiments-Stürmer, kommen in
dem
natürlichen Recht und in der
Politick für, denen etliche die Machiavellisten
entgegen setzen, andere aber machen drey schlimme Secten der
Politicorum, die
Machiavelistische, die Hobbesianische und die Monarchomachische. |
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Eigentlich
verstehet man durch die Monarchomachisten diejenigen, welche dem
Volck
über
gecrönte Häupter eine
Gewalt
und
Gerichtsbarkeit einräumen
wollen. Sie
meynen, wenn die Regenten
von dem Volck
bestellet würden, und ihre Gewalt von demselbigen bekämen, so
müsten sie auch von demselbigen
dependiren, daher sie auch eine zweyfache
Majestät
statuiren. Eine sey majestas personalis, welche dem Regenten zukäme, die andere aber majestas realis, die
dem Volck gehörte,
Krafft deren solches einen
König
zur
Rede setzen,
straffen, absetzen, ja gar tödten könte. |
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Wolte man dieses
Wort in weitern
Verstande nehmen, so könte man darunter
auch diejenigen
verstehen, welche gar keine
weltliche Obrigkeit unter den
Christen leiden wollen, dahin überhaupt die Anabaptisten nebst andern Schwärmern
gehören. Jetzo bleiben wir bey der eigentlichen Bedeutung, und theilen unsere
Abhandlung von denen Monarchomachisten in zwey Theile ab, daß wir erstlich eine
kurtze historische Nachricht von denselbigen geben, und hierauf die
Sache selbst
untersuchen wollen. |
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Es haben sich die Monarchomachisten sonderlich in Franckreich und Engeland
in dem sechzehenden und siebzehenden Jahrhunderten herfürgethan, daß, wenn
gleich die Sache älter seyn mag, daß man dergleichen Lehr-Sätze geheget, selbige
auch wol hin und wieder eingestreuet, so ist es doch zu keinem offenbaren Streit
ausgeschlagen, noch eine besondere Secte daraus worden. |
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So gedencket Jacob Thomasius observ. Hallens. ...
Daß zu den Zeiten Ludwigs von Bayern, Menandrinus
Patavinus genannt, in defensore pacis, und nachgehends
Marius Salamarus in seinen
Büchern de principatu, schon auf
dergleichen
Meynungen kommen, dazu auch, zur Zeit des Schmalkaldischen Kriegs,
und der Belagerung Magdeburg, einige |
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{Sp. 1017.|S. 530} |
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strenge Theologen geneigt gewesen. Denn es ist unter andern eine
Schrifft
herauskommen de jure magistratuum in subditos et officio subditorum erga
magistratus, von welcher Bayle in der Dissertation Sur
le livre de Junius Brutus, die sich bey seinem Dictionaire
befindet, meldet, daß sie 1550 zum ersten mal, unter dem
Namen der
Einwohner der
Stadt Magdeburg, gedruckt worden. Wie aber dieser Umstand gar ungewiß, also kan
man sie auch eigentlich nicht unter die Schrifften der Monarchomachisten
rechnen. Denn man will darinnen nur weisen, daß man sich der Tyranney eines
Regenten widersetzen könne, wovon hier die
Rede nicht ist. |
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Doch der Ausbruch solcher Leute geschahe in Franckreich, nach der
Parisischen Hochzeit, da man 1572 mit den Hugenotten jämmerlich umgienge, daß an
einem Tage derselben 30000 umgebracht, auch fast zu gleicher Zeit in den
Niederlanden, durch den
Hertzog von Alba nicht allein alle
Privilegien und wohlgegründete
Freyheiten
der Stände durchlöchert und aufgehoben, sondern auch die grausamsten
Verfolgungen vorgenommen worden. Dieses gaben einige unter andern den
Machiavellistischen Lehr-Sätzen schuld, und indem sie sich denselbigen entgegen
setzen wolten, verfielen sie auf das andere äusserste, davon wir die vornehmsten
erzehlen wollen. |
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Einer der bekanntesten ist Stephanus Junius Brutus, unter
dessen
Namen vindiciae contra tyrannos ... herauskommen, die zu
Edenburg 1579 gedruckt, nachgehends zu verschiedenen malen wieder aufgeleget
worden. Der Auctor ist ein Frantzos; wer er aber eigentlich sey, darüber giebts
verschiedene
Meynungen, indem einige den Theodor Beza; andere
den Philipp Mornäus; die meisten aber den Hubert
Langnet als Verfasser angeben. |
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Ihm folget Joh. Boucherius, ein Doctor der Sorbonne, der
zur Zeit der Ligve gelebet, und 1591 vier
Bücher de justa Henrici III.
abdicatione e regno Francorum geschrieben, welches auch eine ärgerliche
Schrifft, und gleich einen lügenhafften
Titel führte, indem dieser
König niemals
abgesetzet worden. |
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Um diese Zeit kam eine andere
Schrifft zum Vorschein, welche den
Titel
führet: de justa reipublicae Christianae in reges impios et haereticos
auctoritate ..., welche einige dem vorher gedachten Boucherius
beylegen, andere aber geben Wilhelm Kossäus als Verfasser an. |
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Der sonst berühmte Franciscus Hottomannus hat sich auch
desfalls in seiner Francogallia vergangen, und darinnen solche
Dinge
geschrieben, welche der
Majestät eines
Königes
nachtheilig zu seyn scheinen,
wiewol andere zu seiner Vertheidigung anbringen, daß er nur die gegründete
Rechte des Parlaments in Franckreich, die ehemals sehr groß gewesen, zu
vertheidigen gesucht. |
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In Engeland hats an dergleichen
Büchern auch nicht gefehlt. Georg
Buhananus hat ein Gespräch de jure regni apud Scotos
herausgegeben, indem er des
Volcks Parthie wider die
Königliche
Hoheit genommen.
Sonderlich giengen diese Streitigkeiten an, als die entsetzliche
That mit der
Enthauptung Königs Caroli I.
im Jahr 1649 geschahe, da unter den Gelehrten einige die
Rechte des Königes
vertheidigten, andere aber dem Volck das
Wort
redeten. Die Vornehmsten bey
dieser Streitigkeiten waren Salmasius und Milton,
zwey be- |
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{Sp.1018} |
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rühmte
Männer, dazu aber keiner zu einer gründlichen und
wahrhafftigen
Ausführung dieser
Sache
geschickt war, daher auch die Gelehrten geurtheilet:
Salmasius rem optimam pessime. Miltonus rem pessimam optimè defendit. Denn
Salmasius hatte eine gerechte Sache zu vertheidigen über sich
genommen, und ob er wol gelehrter, als Milton war, so hatte er
sich doch in solchen practischen Dingen nicht umgesehen; dahingegen
Milton als ein
Politicus, dem ungerechten Verfahren der Engeländer
wider ihren König, eine Farbe anzustreichen wuste. |
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Den Anfang machte Salmasius, indem er 1649 defensionem
regiam pro Carolo I. herausgabe, darinnen er zu erweisen sich angelegen
seyn liesse, daß das Parlament unter dem
Könige stünde, und man also ihn
umzubringen nicht befugt gewesen, welchem aber bald darauf Milton
defensionem pro populo Anglicano entgegen setzte, darwider zwar
Salmasius eine Responsionem aufsatzte, die aber erst nach
seinem
Tode zum Vorschein kam. |
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Unterdessen trat eines Ungenannten Tractat, unter dem
Titel: Regis
sanguinis clamor ad coelum adversus parricidas Anglicanos, ans Licht, davon
der wahrer Auctor Peter Molinäus der jüngere seyn soll, ob man
wol insgemein den Alexander Morus davor gehalten. Diese
Schrifft veranlaßte, daß Milton defensionem secundam pro
populo Anglicano aufsatzte, und in derselben mit Exempeln aus der
Englischen Historie darthun wolte, daß das Parlament über den
König sey, und die
höchste Gewalt bey dem Volck stünde. Carolus
I. aber sey ein Tyrann gewesen; welchen aber
ein Ungenannter in der Apologia pro rege et populo Anglicano angriff,
der Joh. Branchal, ein Englischer
Bischoff, soll gewesen seyn. |
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Wider diesen nahm sich des Miltons einer seiner
Anverwandten Joh. Philippi an, und verfertigte Responsionem
ad apologiam anonymi cujusdam tenebrionis, dergleichen
Schrifften wider den
König noch mehr auskommen, als, le triomphe de la liberté ..., in
welchem Tractat der Verfasser die
Meynungen der Monarchomachorum deutlich
vertheidiget, und den König vor einen offenbaren Tyrannen ausgiebt, wiewol es
auch an Gegen-Schrifften nicht gefehlet, denn da sind unter andern: Carolus
I. Britanniae rex a securi et Miltoni calamo vindicatus. Zieglers
dissertat. circa regicidium Anglicanum. Schallers
dissert. ad quaedam loca Miltonis, nebst mehrern ans Licht getreten. |
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Man pflegt auch unter die Monarchomachisten zu rechnen den
Allhusius, Hönonius, Boxhornius, van der Muelen, wegen seiner Schrifft
de Sanctitate summi imperii civilis, nebst mehrern. Wenn man aber das
Verzeichniß dieser Leute gern groß haben will, so muß mancher mit in diese
Rolle, der es eigentlich nicht
verdienet. |
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Wir haben aber mit Fleiß die Monarchomachisten aufs genaueste beschrieben,
damit daraus zu sehen, wie man weder diejenigen, welche den
Obrigkeitlichen
Stand verwerffen, noch die, so das Vertheidigungs-Recht wider einen Tyrannen
behaupten, noch solche, welche die Fehler der
Regenten entdecken und
bestraffen,
dahin rechnen, und sie vor Monarchomachisten ausgeben könne. |
Bey dieser historischen Nachricht können nachgelesen
werden
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{Sp. 1019|S. 531} |
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praef. libror. adversus monachomachos. |
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- Johann Heinrich
Acker in commentat. de monarchomachis et antimonarchomachis.
-
Buddeus in historia juris naturae ...
-
Struv.
in biblioth. philos. ...
- Arnd in biblioth.
politica herald. ...
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Es hat auch Toland, Miltons
Leben beschrieben, welches er
nicht nur seinen
Schrifften vorgesetzet, sondern auch 1699 besonders
herausgegeben, in dem auch verschiedene hieher gehörige Umstände fürkommen, die
zum Theil in den Actis eruditorum 1700. p. 377. angeführet
worden. Die ausführliche Nachricht von denen hieher gehörigen Schrifften findet
man in der Bibl. juris imperantium quadripartita p. 118. sqq.
wobey auch zu lesen
Buddeus in appendice Isagoges ad
theologiam ... |
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Wenn wir die
Sache selbst ansehen, was von der
Meynung der Monarchomachisten
zu halten, so muß die Streit-Frage recht deutlich aus einander gesetzet werden.
Es ist hier die Frage nicht: ob man sich einem Tyrannen widersetzen könne? woran
gar kein Zweiffel, weil durch Tyranney die
Bürgerliche
Gesellschafft aufgehoben wird, daß, wie ein Tyrann kein
Regent mehr ist,
also sind diejenigen, welche ihm, als Regenten, vorher unterthan gewesen, seine
Unterthanen nicht mehr, sondern sie befinden sich in
statu belli, als gleiche
Personen, da
derjenige Theil, der angegriffen wird, sich zu vertheidigen befugt ist. |
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Eben diese Frage haben die Englischen
Scribenten, welche die Enthauptung des
Caroli I. gut geheissen,
von der Haupt-Sache, die sie zu vertheidigen vorgenommen, nicht wohl zu
unterscheiden gewust. Denn sie gaben für, dieser
König sey ein Tyrann gewesen,
und sehen doch seine Enthauptung als eine
Straffe an, welches sich nicht
zusammen reimt. Denn gesetzt, daß er sich einer Tyranney theilhafftig gemacht
hätte, welches aber nicht zu erweisen, so wäre er als ein öffentlicher Feind des
Landes anzusehen gewesen, den sie wohl bekriegen, aber nicht
bestraffen können,
mithin wenn sie diese
That aus dem
Grund der Tyranney rechtfertigen wollen, so
hätten sie sich keiner
Gewalt über den König anmassen sollen; aber gründlich
beweisen müssen, daß der König ein Tyrann sey. |
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Doch sie meynten, das
Volck hätte eine Gewalt über den König, der unter dem
Gericht desselbigen stünde, und wegen seines
Thuns und Lassens Rechenschafft
geben müsse, welches eben der eigentliche Satz der Monarchomachisten ist. Es ist
aber selbiger nicht nur höchst unvernünfftig, sondern auch gefährlich.
Unvernünfftig ist er, weil die
Majestät die höchste Gewalt, folglich independent
ist; daß hohe Obrigkeiten niemand als
GOtt dem HErrn allein wegen ihres Thuns
und Lassens Rechenschafft zu geben haben, und hingegen ihre Majestät, keine
Majestät seyn würde, wenn sie unter einer andern menschlichen
Macht stünden. |
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Der vornehmste Einwurff der Regiments-Stürmer ist, daß gleichwol das
Volck
einem Ober-Haupt das
Regiment auftrage, welches daher auch bey dem Volck stehen
müste; worauf aber andere gar recht geantwortet, es werde der
hohen Obrigkeit
diese
Gewalt vom Volck dergestalt aufgetragen, daß solches eben hierdurch sich
von solcher Gewalt lossage, und sich dem
Regenten ohne Ausnahme, in allen
Stücken, die zur Wohlfahrt des
Staats gehören, unterwerffe. Sie
sagen, das Volck
gebe dem Ober-Herrn die höchste Gewalt nicht cumulative, daß es solche
zugleich behalte, sondern privative, daß es dieselbige
verliere,
welches auch nicht anders seyn kan. Denn man be- |
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{Sp. 1020} |
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dencke selber, wenn das Volck einem die höchste Gewalt übergiebt, so kan
dasselbige nichts von der
Majestät behalten, weil alsdenn die Gewalt des
Regenten nicht die höchste wäre, daher auch der Unterscheid ohne allem
Grund
ist, den etliche unter der Real- und Personal-Majestät machen, welcher kein
ander Absehen hat, als die Gewalt der höchsten Obrigkeit niederzuschlagen. |
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So ungegründet demnach diese
Meynung ist, so gefährlich ist auch selbige.
Denn das ist eben der rechte Grund-Satz, unter dessen Vorwand unruhige
Unterthanen einen Aufstand nach dem andern wider ihren
Regenten anfangen können,
und dadurch Potentaten die Sicherheit in ihren eignen
Landen genommen
wird. Der König Carl
I. that daher
recht, daß, als man ihn vor
Gericht forderte, er auf die angebrachte Klage nicht
antwortete, weil er als König von seinen Unterthanen nicht kunte verklagt noch
verdammet werden. |
Man lese was Grotius de jure belli et pacis ...
den Regiments-Stürmern nachdrücklich antwortete. Siehe auch
-
Pufendorf de Offic. Hom. et Civ. ...
- Everard Otto in den Noten über den
Pufendorf l.c.
- Treuer not.
- Köhlers Jus sociale et Gent. ...
- Hertius
Diss. an summa rerum semper sit
penes populum.
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