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Zedler: Monarchomachisten HIS-Data
5028-21-1016-3
Titel: Monarchomachisten
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 21 Sp. 1016
Jahr: 1739
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 21 S. 529
Vorheriger Artikel: Monarchomachi, s. Monarchomachisten
Folgender Artikel: Monard
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Monarchomachisten, Monarchomachi, Majestäts-Feinde, Regenten- oder Regiments-Stürmer, kommen in dem natürlichen Recht und in der Politick für, denen etliche die Machiavellisten entgegen setzen, andere aber machen drey schlimme Secten der Politicorum, die Machiavelistische, die Hobbesianische und die Monarchomachische.  
  Eigentlich verstehet man durch die Monarchomachisten diejenigen, welche dem Volck über gecrönte Häupter eine Gewalt und Gerichtsbarkeit einräumen wollen. Sie meynen, wenn die Regenten von dem Volck bestellet würden, und ihre Gewalt von demselbigen bekämen, so müsten sie auch von demselbigen dependiren, daher sie auch eine zweyfache Majestät statuiren. Eine sey majestas personalis, welche dem Regenten zukäme, die andere aber majestas realis, die dem Volck gehörte, Krafft deren solches einen König zur Rede setzen, straffen, absetzen, ja gar tödten könte.  
  Wolte man dieses Wort in weitern Verstande nehmen, so könte man darunter auch diejenigen verstehen, welche gar keine weltliche Obrigkeit unter den Christen leiden wollen, dahin überhaupt die Anabaptisten nebst andern Schwärmern gehören. Jetzo bleiben wir bey der eigentlichen Bedeutung, und theilen unsere Abhandlung von denen Monarchomachisten in zwey Theile ab, daß wir erstlich eine kurtze historische Nachricht von denselbigen geben, und hierauf die Sache selbst untersuchen wollen.  
  Es haben sich die Monarchomachisten sonderlich in Franckreich und Engeland in dem sechzehenden und siebzehenden Jahrhunderten herfürgethan, daß, wenn gleich die Sache älter seyn mag, daß man dergleichen Lehr-Sätze geheget, selbige auch wol hin und wieder eingestreuet, so ist es doch zu keinem offenbaren Streit ausgeschlagen, noch eine besondere Secte daraus worden.  
  So gedencket Jacob Thomasius observ. Hallens. ... Daß zu den Zeiten Ludwigs von Bayern, Menandrinus Patavinus genannt, in defensore pacis, und nachgehends Marius Salamarus in seinen Büchern de principatu, schon auf dergleichen Meynungen kommen, dazu auch, zur Zeit des Schmalkaldischen Kriegs, und der Belagerung Magdeburg, einige  
  {Sp. 1017.|S. 530}  
  strenge Theologen geneigt gewesen. Denn es ist unter andern eine Schrifft herauskommen de jure magistratuum in subditos et officio subditorum erga magistratus, von welcher Bayle in der Dissertation Sur le livre de Junius Brutus, die sich bey seinem Dictionaire befindet, meldet, daß sie 1550 zum ersten mal, unter dem Namen der Einwohner der Stadt Magdeburg, gedruckt worden. Wie aber dieser Umstand gar ungewiß, also kan man sie auch eigentlich nicht unter die Schrifften der Monarchomachisten rechnen. Denn man will darinnen nur weisen, daß man sich der Tyranney eines Regenten widersetzen könne, wovon hier die Rede nicht ist.  
  Doch der Ausbruch solcher Leute geschahe in Franckreich, nach der Parisischen Hochzeit, da man 1572 mit den Hugenotten jämmerlich umgienge, daß an einem Tage derselben 30000 umgebracht, auch fast zu gleicher Zeit in den Niederlanden, durch den Hertzog von Alba nicht allein alle Privilegien und wohlgegründete Freyheiten der Stände durchlöchert und aufgehoben, sondern auch die grausamsten Verfolgungen vorgenommen worden. Dieses gaben einige unter andern den Machiavellistischen Lehr-Sätzen schuld, und indem sie sich denselbigen entgegen setzen wolten, verfielen sie auf das andere äusserste, davon wir die vornehmsten erzehlen wollen.  
  Einer der bekanntesten ist Stephanus Junius Brutus, unter dessen Namen vindiciae contra tyrannos ... herauskommen, die zu Edenburg 1579 gedruckt, nachgehends zu verschiedenen malen wieder aufgeleget worden. Der Auctor ist ein Frantzos; wer er aber eigentlich sey, darüber giebts verschiedene Meynungen, indem einige den Theodor Beza; andere den Philipp Mornäus; die meisten aber den Hubert Langnet als Verfasser angeben.  
  Ihm folget Joh. Boucherius, ein Doctor der Sorbonne, der zur Zeit der Ligve gelebet, und 1591 vier Bücher de justa Henrici III. abdicatione e regno Francorum geschrieben, welches auch eine ärgerliche Schrifft, und gleich einen lügenhafften Titel führte, indem dieser König niemals abgesetzet worden.  
  Um diese Zeit kam eine andere Schrifft zum Vorschein, welche den Titel führet: de justa reipublicae Christianae in reges impios et haereticos auctoritate ..., welche einige dem vorher gedachten Boucherius beylegen, andere aber geben Wilhelm Kossäus als Verfasser an.  
  Der sonst berühmte Franciscus Hottomannus hat sich auch desfalls in seiner Francogallia vergangen, und darinnen solche Dinge geschrieben, welche der Majestät eines Königes nachtheilig zu seyn scheinen, wiewol andere zu seiner Vertheidigung anbringen, daß er nur die gegründete Rechte des Parlaments in Franckreich, die ehemals sehr groß gewesen, zu vertheidigen gesucht.  
  In Engeland hats an dergleichen Büchern auch nicht gefehlt. Georg Buhananus hat ein Gespräch de jure regni apud Scotos herausgegeben, indem er des Volcks Parthie wider die Königliche Hoheit genommen. Sonderlich giengen diese Streitigkeiten an, als die entsetzliche That mit der Enthauptung Königs Caroli I. im Jahr 1649 geschahe, da unter den Gelehrten einige die Rechte des Königes vertheidigten, andere aber dem Volck das Wort redeten. Die Vornehmsten bey dieser Streitigkeiten waren Salmasius und Milton, zwey be-  
  {Sp.1018}  
  rühmte Männer, dazu aber keiner zu einer gründlichen und wahrhafftigen Ausführung dieser Sache geschickt war, daher auch die Gelehrten geurtheilet: Salmasius rem optimam pessime. Miltonus rem pessimam optimè defendit. Denn Salmasius hatte eine gerechte Sache zu vertheidigen über sich genommen, und ob er wol gelehrter, als Milton war, so hatte er sich doch in solchen practischen Dingen nicht umgesehen; dahingegen Milton als ein Politicus, dem ungerechten Verfahren der Engeländer wider ihren König, eine Farbe anzustreichen wuste.  
  Den Anfang machte Salmasius, indem er 1649 defensionem regiam pro Carolo I. herausgabe, darinnen er zu erweisen sich angelegen seyn liesse, daß das Parlament unter dem Könige stünde, und man also ihn umzubringen nicht befugt gewesen, welchem aber bald darauf Milton defensionem pro populo Anglicano entgegen setzte, darwider zwar Salmasius eine Responsionem aufsatzte, die aber erst nach seinem Tode zum Vorschein kam.  
  Unterdessen trat eines Ungenannten Tractat, unter dem Titel: Regis sanguinis clamor ad coelum adversus parricidas Anglicanos, ans Licht, davon der wahrer Auctor Peter Molinäus der jüngere seyn soll, ob man wol insgemein den Alexander Morus davor gehalten. Diese Schrifft veranlaßte, daß Milton defensionem secundam pro populo Anglicano aufsatzte, und in derselben mit Exempeln aus der Englischen Historie darthun wolte, daß das Parlament über den König sey, und die höchste Gewalt bey dem Volck stünde. Carolus I. aber sey ein Tyrann gewesen; welchen aber ein Ungenannter in der Apologia pro rege et populo Anglicano angriff, der Joh. Branchal, ein Englischer Bischoff, soll gewesen seyn.  
  Wider diesen nahm sich des Miltons einer seiner Anverwandten Joh. Philippi an, und verfertigte Responsionem ad apologiam anonymi cujusdam tenebrionis, dergleichen Schrifften wider den König noch mehr auskommen, als, le triomphe de la liberté ..., in welchem Tractat der Verfasser die Meynungen der Monarchomachorum deutlich vertheidiget, und den König vor einen offenbaren Tyrannen ausgiebt, wiewol es auch an Gegen-Schrifften nicht gefehlet, denn da sind unter andern: Carolus I. Britanniae rex a securi et Miltoni calamo vindicatus. Zieglers dissertat. circa regicidium Anglicanum. Schallers dissert. ad quaedam loca Miltonis, nebst mehrern ans Licht getreten.  
  Man pflegt auch unter die Monarchomachisten zu rechnen den Allhusius, Hönonius, Boxhornius, van der Muelen, wegen seiner Schrifft de Sanctitate summi imperii civilis, nebst mehrern. Wenn man aber das Verzeichniß dieser Leute gern groß haben will, so muß mancher mit in diese Rolle, der es eigentlich nicht verdienet.  
  Wir haben aber mit Fleiß die Monarchomachisten aufs genaueste beschrieben, damit daraus zu sehen, wie man weder diejenigen, welche den Obrigkeitlichen Stand verwerffen, noch die, so das Vertheidigungs-Recht wider einen Tyrannen behaupten, noch solche, welche die Fehler der Regenten entdecken und bestraffen, dahin rechnen, und sie vor Monarchomachisten ausgeben könne. Bey dieser historischen Nachricht können nachgelesen werden
  {Sp. 1019|S. 531}  
   
  praef. libror. adversus monachomachos.
   
  • Johann Heinrich Acker in commentat. de monarchomachis et antimonarchomachis.
  • Buddeus in historia juris naturae ...
  • Struv. in biblioth. philos. ...
  • Arnd in biblioth. politica herald. ...
    Es hat auch Toland, Miltons Leben beschrieben, welches er nicht nur seinen Schrifften vorgesetzet, sondern auch 1699 besonders herausgegeben, in dem auch verschiedene hieher gehörige Umstände fürkommen, die zum Theil in den Actis eruditorum 1700. p. 377. angeführet worden. Die ausführliche Nachricht von denen hieher gehörigen Schrifften findet man in der Bibl. juris imperantium quadripartita p. 118. sqq. wobey auch zu lesen Buddeus in appendice Isagoges ad theologiam ...
  Wenn wir die Sache selbst ansehen, was von der Meynung der Monarchomachisten zu halten, so muß die Streit-Frage recht deutlich aus einander gesetzet werden. Es ist hier die Frage nicht: ob man sich einem Tyrannen widersetzen könne? woran gar kein Zweiffel, weil durch Tyranney die Bürgerliche Gesellschafft aufgehoben wird, daß, wie ein Tyrann kein Regent mehr ist, also sind diejenigen, welche ihm, als Regenten, vorher unterthan gewesen, seine Unterthanen nicht mehr, sondern sie befinden sich in statu belli, als gleiche Personen, da derjenige Theil, der angegriffen wird, sich zu vertheidigen befugt ist.  
  Eben diese Frage haben die Englischen Scribenten, welche die Enthauptung des Caroli I. gut geheissen, von der Haupt-Sache, die sie zu vertheidigen vorgenommen, nicht wohl zu unterscheiden gewust. Denn sie gaben für, dieser König sey ein Tyrann gewesen, und sehen doch seine Enthauptung als eine Straffe an, welches sich nicht zusammen reimt. Denn gesetzt, daß er sich einer Tyranney theilhafftig gemacht hätte, welches aber nicht zu erweisen, so wäre er als ein öffentlicher Feind des Landes anzusehen gewesen, den sie wohl bekriegen, aber nicht bestraffen können, mithin wenn sie diese That aus dem Grund der Tyranney rechtfertigen wollen, so hätten sie sich keiner Gewalt über den König anmassen sollen; aber gründlich beweisen müssen, daß der König ein Tyrann sey.  
  Doch sie meynten, das Volck hätte eine Gewalt über den König, der unter dem Gericht desselbigen stünde, und wegen seines Thuns und Lassens Rechenschafft geben müsse, welches eben der eigentliche Satz der Monarchomachisten ist. Es ist aber selbiger nicht nur höchst unvernünfftig, sondern auch gefährlich. Unvernünfftig ist er, weil die Majestät die höchste Gewalt, folglich independent ist; daß hohe Obrigkeiten niemand als GOtt dem HErrn allein wegen ihres Thuns und Lassens Rechenschafft zu geben haben, und hingegen ihre Majestät, keine Majestät seyn würde, wenn sie unter einer andern menschlichen Macht stünden.  
  Der vornehmste Einwurff der Regiments-Stürmer ist, daß gleichwol das Volck einem Ober-Haupt das Regiment auftrage, welches daher auch bey dem Volck stehen müste; worauf aber andere gar recht geantwortet, es werde der hohen Obrigkeit diese Gewalt vom Volck dergestalt aufgetragen, daß solches eben hierdurch sich von solcher Gewalt lossage, und sich dem Regenten ohne Ausnahme, in allen Stücken, die zur Wohlfahrt des Staats gehören, unterwerffe. Sie sagen, das Volck gebe dem Ober-Herrn die höchste Gewalt nicht cumulative, daß es solche zugleich behalte, sondern privative, daß es dieselbige verliere, welches auch nicht anders seyn kan. Denn man be-  
  {Sp. 1020}  
  dencke selber, wenn das Volck einem die höchste Gewalt übergiebt, so kan dasselbige nichts von der Majestät behalten, weil alsdenn die Gewalt des Regenten nicht die höchste wäre, daher auch der Unterscheid ohne allem Grund ist, den etliche unter der Real- und Personal-Majestät machen, welcher kein ander Absehen hat, als die Gewalt der höchsten Obrigkeit niederzuschlagen.  
  So ungegründet demnach diese Meynung ist, so gefährlich ist auch selbige. Denn das ist eben der rechte Grund-Satz, unter dessen Vorwand unruhige Unterthanen einen Aufstand nach dem andern wider ihren Regenten anfangen können, und dadurch Potentaten die Sicherheit in ihren eignen Landen genommen wird. Der König Carl I. that daher recht, daß, als man ihn vor Gericht forderte, er auf die angebrachte Klage nicht antwortete, weil er als König von seinen Unterthanen nicht kunte verklagt noch verdammet werden. Man lese was Grotius de jure belli et pacis ... den Regiments-Stürmern nachdrücklich antwortete. Siehe auch
  • Pufendorf de Offic. Hom. et Civ. ...
  • Everard Otto in den Noten über den Pufendorf l.c.
  • Treuer not.
  • Köhlers Jus sociale et Gent. ...
  • Hertius Diss. an summa rerum semper sit penes populum.
     

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Stand: 15. August 2023 © Hans-Walter Pries