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Zedler: Wittwe [2] HIS-Data
5028-57-1938-3-02
Titel: Wittwe [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 57 Sp. 1943
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 57 S. 985
Vorheriger Artikel: Wittwe [1]
Folgender Artikel: Wittwe, (Adeliche)
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe Personen, Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

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Übersicht
Bibel
  Kleidung
Aufgaben in der ersten Kirche

Stichworte Text   Quellenangaben
Bibel In der Heiligen Schrifft wird der Wittwen gar offt gedacht. Sie ist die Elende, über welche alle Wetter gehen, und die Trostlose,
  • Es. LIV, 11.
  • 2. Sam. XIV, 5.
  • Ps. XXXI, 13.
  Wie sie denn  
  {Sp. 1944}  
  auch für verlassen genommen wird Offenb. XVIII, 7.  
  GOtt hat ihnen gleiche Berechtigungen mit denen Waysen zugestanden, auch ihre Vergewaltigung und Verdrängung so hart, als deren Waysen ihre, verbothen. Wie Wittwen und Waysen zu halten, davon findet man 2 Mos. XXII, 22-24. folgende Worte:  
  Ihr solt keine Wittwen und Waysen beleidigen: Wirst du sie beleidigen, so werden sie zu mir schreyen, und ich werde ihre Schreyen erhören; So wird mein Zorn ergrimmen, daß ich euch mit dem Schwerdte tödte, und eure Weiber Wittwen, und eure Kinder Waysen werden."  
  Da wir denn dreyerley zu erwegen finden:  
 
1) Das ernste Verboth, keine Wittwen oder Waysen zu beleidigen,
 
 
2) den sicheren Schutz, den GOtt Wittwen und Waysen leisten wolle,
 
 
3) das strenge Gericht, so er wider die Beleidiger derselben anstellen werde.
 
  Was erstlich das Verboth betrifft, so ist es einmahl sehr nothwendig: Denn es ist ja nichts gemeiners, als daß man Wittwen und Waysen zu drücken und zu drengen, zu nagen und zu plagen, zu kräncken und zu beleidigen suchet, jedermann will über sie hingehen, und sie überwältigen, und keiner will der Wittwen und Waysen schonen, wie GOtt in seinem Worte vielfältig klaget, als
  • Hiob XXIV, 3.
  • Ps. XCIV, 6.
  • Es. I, 23. X, 2.
  • Ezech. XXII, 7.
  • Buch der Weish. II, 10.
  Sodann ists auch gar verbindlich: Denn es verbindet alle Obrigkeiten, alle Vormünder, alle Richter und Advocaten, ja alle und jede, die mit ihnen umgehen und zu thun haben, da wird allen, wes Standes oder Alters sie auch seyn, gesagt: Ihr, ihr solt keine Wittwen und Waysen beleidigen.  
  Endlich ists auch recht ernstlich: denn es faßt alle Wittwen und Waysen ein: Ihr solt einmahl nullam viduam, keine Wittwe, durchaus keine, beleidigen, sie sey, wer sie wolle, hoch oder niedrig, arm oder reich, u.s.w. gantz oder gar keine; sodann nullum pupillum, keinen Waysen, es sey einer der Reichen oder der Armen, er sey aus geehrten oder vornehmen Geschlechte, oder aus geringem Stande, und was dergleichen mehr, keinen solt ihr beleidigen.  
  Das Hebräische Wort bedeutet eine jede Beleidigung an, sie geschehe nun mit Worten oder mit Wercken, sie geschehe am Leibe, oder am Vermögen, oder am ehrlichen Nahmen, sie geschehe auf diese, oder auf eine andere ungerechte Art und Weise, entweder daß man ihnen würcklich Leides antut, es sey mit List oder Gewalt; oder daß man das Gute an ihnen unterläßt, indem man selbige nicht höret, oder ihnen nicht hilffet, oder nicht rettet, oder wider ihre Beleidiger nicht schützet, u.s.w.  
  Und das solch Verboth GOtt dem HErrn ein rechter Ernst sey, das sehen wir aus der vielfältigen Wiederhohlung desselben, als
  • 5. Mos. XXIV, 17.
  • Jer. VII, 6. XXII, 3.
  • Zach. VII, 10.
  deren Innhalt durchgehends dahin gehet; Ihr solt keine Wittwen und Waysen beleidigen.  
  Hierauf folget vors andere der sichere Schutz, den GOtt Wittwen und Waysen leisten will: Zwar sorgt GOtt wohl für alle Menschen, und schützet sie wider zugefügte Beleidigung; aber vornehmlich nimmt er die in seinen Schutz, die vor der Welt verachtet sind, und sonderlich Wittwen und Waysen, deren nennt er sich einen Vater,  
  {Sp. 1945|S. 986}  
  Ps. LXIIX, 6;
  derer wegen läst er gewisse Verordnung und Gesetze ergehen, als 5 Mose X, 8. XIV, 29. XVI, 11. XXIV, 13. XXVI, 12:
  denen thut er allerley sonderbahre Verheissungen, er wolle sie behüten, erhalten, erhören, retten, u.s.w.  
  Und dahin gehet auch, was er allhier in unserm oben angezogenen Spruche saget: Wirst du sie beleidigen, so werden sie zu mir schreyen, und ich werde ihr Schreyen erhören. Da denn sonderlich denckwürdig die genaue Verbindung, daß das Beleidigen, Schreyen und Erhören, gleich aufeinander folget, und zwar nicht ohne grossen Nachdruck.  
 
1) Si affligendo afflixeris eum;
2) clamando clamaverit ad me;
3) audiendo audiam clamorem ejus,
 
  d.i. je mehr du sie wirst beleidigen, und die Beleidigung vermehren, je mehr werden sie schreyend schreyen, und unabläßig zu mir beten, und desto eher und mehr werde ich sie unverzüglich erhörend erhören, und mich ihres Elendes mit grosser Barmhertzigkeit erbarmen.  
  Drittens ist noch übrig das strenge Gericht, das GOtt wider die Beleidiger der Wittwen anstellen, und sie exemplarisch straffen werde. Denn erstlich, sagt er, werde sein Zorn ergrimmen, und zwar so hefftig, daß er nicht aufhören werde, bis er sich an solche Wittwen-Ängstiger werde gerochen haben. Sodann werde er sie mit dem Schwerdte tödten, er werde sie mit Krieg und Pest heimsuchen, und sie alle umkommen lassen. Und endlich werde er ihre Weiber zu Wittwen, und ihre Kinder zu Waysen machen, und also eben mit dem Maaße, da sie gemessen, ihnen wiedermessen, und ihnen vergelten, wie sie verdienet. Er wolle überdiß den Fluch über sie sprechen, und das Wehe über sie ruffen,
  • 5 Mos. XXVII, 19.
  • Esa I, 24.
  • Matth. XXIII, 14
  ja er wolle es hier zeitlich und dort ewig rächen, Mal. III, 5.
  Ein mehrers hiervon kan man nachlesen in
  • Olearii Biblisch. Erklär. ad Exod. …
  • Reichmanns Vorraths-Kammer, …
  • Steph. Fabricii Conc. in Decalog. …
  • Pelargus Conc. Funebr. …
  • Mich Cramers noli flere, per integr.
  • Faes weinender JEsus …
  • Joh. Martini Geistl. Hertz-Stärckung, Dedicat.
  • Cyriac. Martini der Reisenden Lehr- und Zeit-Buch …
  • Wellerus Fascic. Viventium
  • Widerus Evangel. Leich-Postill, Dom. p. Fest. Nativit. Christi.
  • Schröders Continuata Accerra Biblica Mulleriana
  Siehe auch den Artickel: Wayse, im LIII Bande, p. 848.  
  So findet sich auch der Wittwen und Waysen Trost in H. Schrifft vielfältig, als
  • Ps. X, 14,
  • Ps. XXVII, 10.
  • Ps. LXVIII, 5. 6.
  • Ps. CXLVI, 9.
  und GOtt sorget gar sonderlich vor sie,
  • 2 Mose XXII, 22. 23.
  • 5 Mose X, 18.
  • Esa. I, 17;
  er  
 
  • erhöret sie,
Syr. XXXV, 17. 18;
 
  • nehret sie;
  • 5 Mose XIV, 28. 29.
  • 1 Könige XVII, 16;
 
  • straffet ihre Beleidiger,
  • 2 Mose XXII, 23. 24.
  • 5. Mose XXVII, 19.
  • Syr. XXXV, 19.
  • Hiob XXII, 9. 10.
  • Sprüchw. XXIII, 10. 11;
 
  • belohnet ihre Wohlthäter,
  • Jer. XXII, 3. 4.
  • Syr. IV, 10. 11.
  • Jac. I, 27.
  Der Wittwen Kindern sollen nicht zum Pfande genommen werden, 5 Mose XXIV, 17;
  Wittwen soll man ehren, 1. Tim. V, 3.
  von welchem letztern Spruche der Artickel: Wittwe (rechte) nachzusehen.  
  Siehe hiernächst auch den Artickel: Wittwen-Stand.  
  {Sp. 1946}  
  Hingegen aber wird auch 1 Timoth. V, 11. 12. wider die jungen Wittwen geredet:  
  "Der jungen Wittwen aber entschlage dich. Denn wenn sie geil worden sind wider Christum, so wollen sie freyen. Darneben sind sie faul, und lernen umlauffen durch die Häusser; Nicht allein aber sind sie faul, sondern auch schwätzig und fürwitzig, und reden das nicht seyn soll."  
  Es ist am Fleisse der Gelehrten über diese Stelle kein Mangel. Doch ist etwas allhier zu erinnern von grosser Wichtigkeit. Was das Griechische Wort katastrēnian betrifft, kan dessen wahrer Verstand aus Offenbar. XVIII, 3. 7. 9. wie auch Könige XIX, 28. abgenommen werden, gleichwie auch zwey sonderbahre Stellen aus dem Athenäo vom Erasm. Roterod. beygebracht werden, da einer spricht, estrēnian. "Ich habe mich so voll und muthwillig bezeuget, als hätte ich 4 Elefanten Futter verzehrt."  
  Dahero heisset es muthwillig und übermüthig auch geil seyn, weil man das Fleisch allzusehr gesättiget hatte. Und, daß dieses wider Christum sey, ist leicht daraus abzunehmen, weil v. 15. von einigen solchen jungen Wittwen folget, sie wären umgewendet dem Satan nach, also freylich wider Christum, zu dessen Dienste sie gleichwohl besonders geschäfftig scheinen wolten. Sie mochten nun dem Satan nachgewandelt haben durch gäntzliche Verleugnung des Christlichen Nahmens, oder durch schändliche Sitten.  
  Aber die folgenden Worte: Sie wollen freyen, halten eine grosse Schwürigkeit in sich, wenn man nicht genaue Achtung hat. Ist es denn wohl glaublich, daß der Apostel das Verlangen in die Ehe zu treten, für etwas sündliches ausgeben werde? Und, wenn man schon sagen wolte, alsdenn sey es erst Sünde, wenn man zuvor zur ehelosen Keuschheit sich verbunden, so ist doch ein Gelübde solcher Enthaltung der Ehe, das auf keine Weise dörffte zurücke genommen werden, der Billigkeit und Apostolischen Praxi gantz ungemäß, und ein blosses Versprechen oder Vorsatz solcher Wittwen, die zum Dienst in den Kirchen aufgenommen worden, hat die Bedingung bey sich: im Fall man nicht wichtigere Ursachen habe seinen Stand zu ändern. So sich aber solche fänden, siehet man nicht, wie ein also beschaffenes Versprechen zu verlassen, unerlaubt oder eine grosse Sünde sey.  
  Wir wissen wohl, daß man aus dem folgenden 14 Vers kräfftig genug erweiset, daß der Apostel denen Witwen zu anderweitiger Ehe zu schreiten nicht nur nicht verbietet, sondern darzu ermahnet: Aber damit ist doch auf den Vorwurff vom Gelübde der ehelosen Keuschheit, welches gültig wäre, und nicht gebrochen werden dürffte, nicht genugsam geantwortet. Und scheinet noch immer, als würde diesen jungen Wittwen für eine Geilheit wider Christum angerechnet, daß sie ein Verlangen nach anderweitiger Ehe haben. Ja, ob auch wohl ein vornehmer Lehrer hinzu setzet: "So wollen sie freyen, solte es auch zu der Kirche Beschwerde und ungelegenster Zeit geschehen," also, daß nicht das heyrathen an und vor sich, sondern die damit verbundene unbequeme Umstände verworffen wären: So stehet doch dergleichen nöthiger Zusatz nicht im Texte, und hätte nicht füglich ausgelassen werden können, wenn er von Paulo gemeynet wäre.  
  Zu geschweigen,  
  {Sp. 1947|S. 987}  
  daß wohl selten der Kirche eine grössere Beschwerde zuwachsen können, wenn eine solche Wittwe nach vorher geschehener Meldung abgetreten, und sich verheyrathet, als wenn jetzo eine Magd aus unsern Häusern dergleichen thut. Es fehlet da nicht an andern.  
  Wir ziehen vom 12 Vers die zwey Worte echousai krima hinauf in diesem Verstand: Da wollen sie heyrathen einen Vorwurff habend. Denn daß krima solche Bedeutung habe, kan man z.E. aus Matth. VII, 2. sehen. Da könnte man also nicht sagen, daß das heyrathen wollen, an sich getadelt würde, sondern mit dem ausdrücklichen Anhang, daß sie nun heyrathen wollen, da sie sich zuvor durch geäusserte Üppigkeit einen bösen Nahmen zugezogen haben. Man siehet wohl, daß wir die folgende Worte: [ein Satz griechisch], nicht also verstehen; das sey eben der Vorwurff oder die Beschuldigung, die solche Wittwen von andern auszustehen hätten, daß sie den ersten Glauben verbrochen haben; Sondern sie enthalten die Ursache, warum zuvor gemeldet war, daß sie mit Vorwurff freyen wolten.  
  Das wird aber erst deutlich werden, wenn wir vernehmen, was diese Worte im Griechischen bedeuten. Hier dienet uns vortreflich eine Stelle Polybii, p. 877. der Gronovischen Edition, die der gelehrte Raphelius p. 606. seiner Observat. angezeiget hat, nachdem er zuvor gemeldet, daß die Redens-Art [drei Wörter Griechisch] zum öfftern bey diesem Polybio zu finden, in diesem Verstand, Treue und Glauben nicht halten, mutare fidem. Der Haupt-Ort, welchen zwar Raphelius einen andern Verstand zu haben vermuthet, als Pauli Spruch hat, heisset also: [drei Zeilen griechischer Text].  
  "Wann der, welcher Ermahnungen giebt, sein Leben selbst nach seinen Worten einrichtet, so muß die Ermahnung nothwendig den grösten Glauben oder Vertrauen finden."  
  Man übersetze des Apostels Worte folgendermassen:  
  "Dann, sie haben den grösten Glauben oder Vertrauen verlohren und verbrochen."  
  Das ist, sie haben gemacht, daß man das wichtigste Vertrauen, das man ihnen lauter Gutes zugetrauet, fahren lässet. Sinceri Pistophii neue und gründliche Erläuterung schwerer Stellen H Schrifft, I Theil, …
  Die weder Mann noch Kinder mehr hat, nennet Paulus eine rechte Wittwe, 1 Timoth. V, 3-16,
  wovon der Artickel: Wittwe (rechte) mit mehrern handelt; soll sie aber zugleich eine Christliche Wittwe seyn, muß sie die von ihm zugleich bemeldete Tugenden an sich haben. Das Herumschweiffen, Plaudern, Zurechttragen tadelt er, als Wittwen durchaus unanständige Sachen, rathende, daß junge Wittwen lieber, da es Gelegenheit giebet, wieder heyrathen, des Ihren darbey warten, als in solcherley und andere Thorheiten verfallen. Schneiders Bibl. Lex. III Theil, p. 619.
  Die Egyptier verglichen sie bald mit einer schwartzen Taube, welche allein lebete; Bald mit einem Stamme, dessen Baum niedergefallen.  
Kleidung Eine Wittwe hatte vordessen sonderbahre Klei-  
  {Sp. 1948}  
  der, wie die Thamar ihre Wittwen-Kleider träget, 1 Mose XXXVIII,
  und das Weib von Thekoa, 2 Sam. XIV.
  Die Tugenden einer Wittwe sind  
 
  • die Frömmigkeit, wie die Debora, Wittwe zu Nain, und andere gethan;
 
 
  • Das Gebet,
Luc. II, 36;
  1 Tim. V, 3.
Aufgaben in der ersten Kirche In der ersten Kirchen war der alten Wittwen Amt, daß sie den Weibern, ehe sie getauffet worden, zuvor die Kleider ablegeten, denen Krancken dieneten, und die Todten abwuschen, und sie zum Begräbniß bereiteten. Miri Lexic. Antiqu. Ecclesiast. p. 929.
     

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Stand: 24. August 2016 © Hans-Walter Pries