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Zedler: Zeit [3] HIS-Data
5028-61-725-2-03
Titel: Zeit [3]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 61 Sp. 742
Jahr: 1749
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 61 S. 384
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Hinweise:
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  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

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Übersicht
13. Von gewissen abergläubischen Zeiten.
14. Betrachtung der Zeit nach Anleitung der Heiligen Schrifft.

  Text   Quellenangaben
  13. Von gewissen abergläubischen Zeiten.  
  Den fatalen Zeiten, worvon wir jetzt gehandelt haben, setzen wir billig die abergläubischen Zeiten an die Seite, weil sie mit einander eine grosse Verwandtschafft haben. Denn die Furcht für den fatalen Zeiten ist ebenfalls abergläubisch.  
  {Sp. 743|S. 385}  
  Es findet sich aber folgender Unterschied zwischen beyden: In den fatalen Zeiten besorget und vermuthet man etwas, das einem begegnen werde; in den abergläubischen aber wird etwas unterlassen, oder vorgenommen, in der Einbildung, es werde alsdenn, was man vornimmt, glücklich von statten gehen; oder wo man etwas nicht unterlässet, könne man damit kein Glück haben.  
  Es giebt zwar gewisse Verrichtungen, welche, wenn sie wohl gerathen sollen, zu einer gewissen Jahrszeit müssen vorgenommen werden. Z.E. Der Gärtner und Ackersmann nehmen die Zeit wohl in Acht, wenn sie ihren Saamen ins Land bringen müssen, und haben sonst keine gute Erndte zu hoffen; man kan auch nicht sagen, daß solches etwas abergläubisches sey. Vielmehr würde der mit Schaden klug werden müssen, welcher die rechte Zeit zur Saat nicht in Acht nehmen wolte. Gleichwohl laufft dabey viel Aberglaube mit unter, nehmlich wenn man zur Ausstreuung dieses oder jenen Saamens einen eintzigen gewissen Tag setzet, der vor allem darzu der glücklichste seyn soll. Denn die tägliche Erfahrung bezeugt es, daß wenn man nur den Saamen zur ordentlichen Jahrszeit in die Erde bringt, es auf ein paar Tage und mehr eher oder später nicht ankomme, sondern derjenige offt eine reichlichere Erndte habe, welcher ein paar Tage eher oder später gesäet, als der auf einen gewissen Tag, den der Aberglaube vor andern darzu bestimmt hat, seinen Saamen in die Erde gebracht.  
  Bey den Gärtnern regieret insonderheit noch eine Art des Aberglaubens, indem sie das Schalt-Jahr für unglücklich halten, und darinnen nicht gerne Bäume pflantzen, weil sie meynen, sie würden alsdenn nicht wohl fortkommen. Man braucht solches nicht einmahl zu widerlegen, da ja genugsam bekannt ist, daß das Schalt-Jahr von den gemeinen Jahren bloß darinne unterschieden sey, daß es einen Tag mehr hat, als die andern. Denn weil die Sonne ihren Lauf nicht just in 365 Tagen vollendet, sondern über dieses noch darzu bey nahe 6 Stunden braucht, so ist man genöthiget worden alle vier Jahre einen Tag einzurücken, dahero ein Schalt-Jahr 366 Tage bekommt. Was kan aber solche freywillige Einrichtung der Jahre den Bäumen und andern Garten-Früchten schaden?  
  Es giebt noch weit gröbere Arten des Aberglaubens in Ansehung gewisser Zeiten, Jahre und Tage. Den Ursprung dieses Aberglaubens hat man im Heydenthum zu suchen, und uns Christen ist es eine nicht geringe Schande, wenn wir uns ihnen darinne gleich stellen.  
  Die heydnischen Römer hielten einige Tage für glücklich, andere für unglücklich. In diesen letztern muste man nichts vornehmen, wo man sich nicht in Gefahr eines übeln Ausganges setzen wolte. Insonderheit waren ihnen die Tage unglücklich, an welchen ihre Armeen von den Feinden geschlagen, und dadurch ihre Republick in grosse Gefahr gesetzet worden. Nun ist es wohl wahr, ein dergleichen Tag war unglücklich zu nennen: Aber es folgt nicht, daß eben derselbe Tag, wenn er in den folgenden Jahren wieder kommt, allemahl unglücklich seyn müsse. Die  
  {Sp. 744}  
  menschliche Einbildung hat dabey das beste gethan. Wenn nun der Tag kam, an welchem vor ein oder mehr Jahren sich ein Unglück zugetragen, so erweckte die Erinnerung desselben eine Betrübniß und Traurigkeit, welche, weil sie dazu durch öffentlichen Befehl, zu Rom gebräuchlich war, unterstützet und gebilliget wurde, endlich allgemein ward, und verursachte, daß solche Tage deswegen unter die unglücklichen gezehlet wurden.  
  Es wurden auch an diesen Tagen alle öffentlichen Freuden-Bezeugungen verboten, wodurch die Leute in ihrem Wahn noch mehr gestärcket wurden. Hätte der Rath zu Rom verordnet, dergleichen Tage für unglücklich zu halten, und an denselben den Göttern mit Freuden zu dancken, durch deren Hülffe sie dem Unglück entgangen, und von der anscheinenden Gefahr errettet worden: So würde sich der Menschen Wahn auch darnach gerichtet, und diese Tage als glücklich angesehen haben.  
  Hieraus ist leicht abzunehmen, daß es damit bloß auf der Menschen Wahn und Willkühr ankomme, an und vor sich aber kein Tag glücklicher sey, als der andere. Man muß sich also billig wundern, daß auch die Christen hierinne den Römern nachgeahmet, und ihren Aberglauben von der Zeit und den Tagen angenommen haben, da doch das Tagewählen in der H. Schrifft scharff verboten ist.  
  Es hat Antonius Muratorius zween alte Calender drucken lassen, darinne vier Egyptische Tage angemercket sind, (siehe die Acta Eruditor. Ann. 1727 Mens. Novembr. …). Er gedencket dabey, wie er auch solche Egyptische Tage in einem sehr alten Calender, der noch zu Constantins I. Zeiten geschrieben worden, angemerckt gefunden, und verstehet dadurch diejenigen Tage, welche von den Egyptischen Sternsehern als unglückliche angegeben worden. Weil er nun dieses, wie billig, für einen Aberglauben hält, der darzu von der Kirche scharff verboten worden: So wundert er sich nicht ohne Ursache, daß gleichwohl in dem Ambrosianischen Missali, das 1522 im Druck heraus gekommen, eben diese Tage als unglücklich bezeichnet worden. Er erzehlet weiter, wie in Italien, im Modenesischen und der Nachbarschafft sich kaum jemand finden liesse, der im May-Monat Hochzeit machte, vermöge eines Aberglaubens, der sich aus dem Heydenthum herschriebe.  
  Was sollen doch diese Thorheiten? Wer seine Wercke mit GOtt und gehöriger Klugheit anfängt, dem werden sie auch wohl an dem allerunglückseligsten Tage gelingen; Wer aber ohne Bedacht etwas vornimmt, dem kan auch der allerglückseligste Tag zu seinem Vorhaben nicht vortheilhafft seyn.  
  In Böhmen hält man den Tag Ruffi für unglücklich, weil an demselben etliche Könige in Böhmen umgekommen sind. Dies kömmt heydnisch genug heraus, und ist ein von den alten Römern entlehnter Einfall. Wir wissen nicht, was die Artzney-Gelehrten darzu sagen werden, wenn vorgegeben wird, daß wer den 1 April, 1 August, und 1 December Blut lasse, nicht über 7 Tage leben könne. Die Frantzösischen Ärtzte werden gewiß solche Narrheit verlachen, und, wenn die Noth da ist, dem Patienten auch an diesen Tagen wohl zehnmahl, wie sie gewohnt sind, die Adern öffnen lassen.  
  Die H. Christ-Nacht ist vor andern, vielen ab-  
  {Sp. 745|S. 386}  
  scheulichen Unternehmungen unterworffen. Die vorwitzigen Mägde, welche sich nach nichts mehr als einem Mann sehnen, halten diese Nacht für bequem, in derselben ihren künfftigen Bräutigam zu erfahren, oder gar dessen Gestalt zu sehen. Sie erwählen zu solchem Endzweck auch den St. Andreas-Abend, welcher im Pabstthum ihr Patron ist, und im Stande seyn soll, ihnen einen Mann zu bescheeren.  
  Es sind hiervon viele Exempel vorhanden, woraus sich abnehmen lässet, was sie zu dem Ende für Anstalten machen. Sie sprechen das Vater Unser rückwärts, und machen sich Hoffnung dadurch ihren künfftigen Bräutigam zu Gesichte zu bekommen. Sie giessen Bley oder Zinn ins Wasser, damit sie aus der entstandenen Figur des Bleys oder Zinns sehen mögen, von was für Profeßion ihr künfftiger Mann seyn werde. Sie ziehen ein Scheit aus dem Holtzstoß, um zu erfahren ob ihr Bräutigam lang oder kurtz, krumm oder gerade seyn werde.  
  In den Spinn Stuben greifft man über die Schwelle nach den Haaren, die der Liebste trägt, und vermeynet davon ein Bündlein zu erhaschen. Man deckt den Tisch, trägt Brod auf, legt auf jede Ecke des Tisches einen Teller, und invitiret durch ein absonderliches Gebet den Liebsten, daß er kommen, und sein Messer bringen wolle. Sie schütteln die Zäune, und geben acht, woher die Hunde bellen, und bilden sich ein, daß ihr Bräutigam von solcher Gegend herkommen werde. Sie binden einen Dreyer oder Heller auf die grossen Zäen, setzen sich damit auf den Kirch-Weg und sehen sich unter den Leuten, die in die Frühmetten gehen, nach dem Bräutigam um, den sie darunter gewiß zu erblicken hoffen.  
  Es ist zur Widerlegung dieser abgeschmackten Thorheiten nicht nöthig anzuführen, wie eine oder die andere in ihren Vornehmen unglücklich gewesen, und dermassen erschreckt worden, daß sie darüber in eine Kranckheit verfallen, oder gar den Tod davon gehabt habe. Dieß eintzige kann genug seyn, solche närrische Einbildung umzustossen, wenn man erweget, daß GOtt den muthwilligen Mägdgen zukünfftige Dinge, und insonderheit den zukünfftigen Mann nicht offenbaren wolle, der Teuffel aber solches nicht offenbahren könne, weil die freywilligen Entschliessungen der Menschen, worauf es in Stifftung einer Ehe ankommt, ihm gantz und gar unbekannt sind. Wer also nicht betrogen seyn will, der wird sich ohne dem hüten, und deswegen diesen Lügen-Geist nicht um Rath fragen.  
  Hieraus lässet sich auch ohne Mühe abnehmen, was von den Geschichten oder Weiber- Mährgen zu halten sey, die Abraham von St. Clara in seinem Judas, der Ertzschelm mit diesen Worten erzehlet:  
  In Bayern hat ein Mägdgen acht Tage vor Weynachten nebst andern teuflischen Ceremonien in den Spiegel geschauet, damit sie sehen möchte ihren künfftigen Bräutigam: Da hat sie in demselben wahrgenommen, daß einer in einer schwartzen Kutte und weissen Chor-Rock sie angelachet. Nach 2 Jahren hat sie der Pfarr-Meßner selbigen Ortes genommen.  
  Am Abend des Heil. Thomä hat ein Mensch in Schwaben sich gantz allein in der Kammer versperret, und dieselbe gantz ohne Kleidung rückwärts ausgekehret, so ist ihr der Teuffel erschienen, wie ein Schmidt, und hat ihr einen Zwicker gegeben mit der Beißzange. An-  
  {Sp. 746}  
  derthalb Jahre hernach hat sie einen Schmiede-Gesellen geheyrathet, mit welchem sie in steten Zanck gelebt.  
  Ein Mägdgen war von einem alten Weibe unterrichtet, sie solte, wenn sie ihren künfftigen Bräutigam wissen wolte, Wachs nehmen und über einen ausgebreiteten Calender halten, und wo das Wachs würde Creutz-weiß hingetroffen seyn, dort solte der Nahme ihres Bräutigams stehen. Darauf solte sie in ein Gefäß mit Wasser schauen; so würden sie denselbigen erblicken. Der Creutz-weise Wachs-Tropffen fiel auf den Nahmen Leonhard, und im Wasser sahe sie einen rothköpffigen Schreiber. Diesen bekam sie nach etlichen Jahren wunderbarer Weise zur Ehe, und er hieß Leonhard.„¶  
  Unter die abergläubischen Dinge, die in der Christ-Nacht vorgenommen werden, gehöret auch, was Gervasius Telberiensis in otiis Imperialibus apud Leibnitium Scriptor. Brunsvicens. … berichtet, daß bey den alten Einwohnern Britanniens gebräuchlich gewesen, daß man in der Christ-Nacht eine Hand voll Haber unter freyen Himmel gelegt, oder ein Gefäß mit Haber oder Gersten dahin gestellet, und geglaubt, es fiele jährlich in dieser Nacht aus besonderer göttlichen Vorsehung ein Thau vom Himmel herab. Diesen Thau wollten sie mit dem Haber oder Gersten auffangen, und gäben davon denjenigen zu essen, die mit der Pest angestecket wären.  
  Gervasius setzet hinzu, er wisse für gewiß, daß das Brod, so diese Nacht unter freyen Himmel gebacken worden, denen, so das Fieber haben, sehr nützlich sey, sie müsten aber daran glauben. Villeicht hat man darzu Gelegenheit genommen aus den Worten Jesaiä XLV, 8: Treuffelt ihr Himmel von oben. Denn weil diese Worte auf Christi Geburt gedeutet werden, und nach der Lateinischen Bibel lauten: Rorate Cordi desuper, das ist, Thauet ihr Himmel von oben: So hat man sich abergläubischer Weise eingebildet, es liesse GOtt in der Nacht der Geburt Christi wunderbarer Weise Thau herab fallen, der den Menschen zur Gesundheit dienete. Solte man sich wohl dergleichen in Sinn kommen lassen, wenn man am hitzigen Fieber kranck läge?  
  Gleiches Schlages ist, was Gervasius weiter schreibt: Er hätte viele grosse Herren gesehen, die am Heil. Pfingst-Feste nicht eher Speise zu sich genommen, bis ein wenig Thau geschöpffet, oder bis sie wahrgenommen, daß der Thau auf sie gefallen. Vielleicht soll der Heil. Geist, der an diesem Tage über die Apostel ausgegossen worden, einen so herrlichen Thau vom Himmel herab bringen, welcher dem menschlichen Cörper gesund und heilsam ist. Wissen wir aber nicht, daß seine Gnaden-Gaben nicht leiblich, sondern geistlich sind;  
  Der Hecke-Thaler gehöret auch zu dem teuffelischen Aberglauben, der in der Christ- Nacht von Gottes vergessenen Leuten vorgenommen wird. Man verstehet durch den Hecke-Thaler ein Stück Geld, welches, wenn es ausgegeben wird, allemahl in den Schubsack wieder zurück kömmt, oder sich immer vermehret, und  
  {Sp. 747|S. 387}  
  gleichsam Geld ausheckt. Hiervon schreibt der bekannte Melissantes in der traurigen Schaubühne …  
  Daß derjenige, welcher den Heck-Groschen Heck-Gulden, oder Heck-Thaler haben wolte, müsse sich, nach der Hexen-Meister Bericht, in der Heil. Christ-Nacht auf einen Creutz- oder Scheide-Weg in der Finsterniß setzen, und unter freyen Himmel einen Kreis um sich herum machen, mit Thalern oder Groschen. In diesen müsse er sich mitten einsetzen, und nicht einmahl umsehen. Darnach müsse er das Geld vor sich rücklings zählen, wie offt es ihm beliebe: Wo er aber im Zählen 1. 2. 3. 4. irre oder fehle, so sey der Teuffel alsbald da, und breche ihm den Hals. Unter dem Zählen liessen sich mancherley Gespenster, Gauckelwerck und Narren-Possen sehen, den Zähler irre zu machen. Wäre er nun richtig verfahren, so lege ihm der Satan noch einen Thaler, oder Groschen darzu, was er vorher um den Kreis gelegt, welches übrige Stück denn alle Nacht ein anders aushecken, oder zubringen solle.  
  Andere erzehlen den Proceß anders: Derjenige, so den Hecke-Thaler verlangte, müste in der Christ-Nacht eine schwartze Katze in den Sack stecken, und damit dreymahl um eine Kirche lauffen. Wenn solches geschehen, müste er die Katze dem Teuffel, der sich in der Kirchthüre präsentiren würde, übergeben, wovor er denn von ihm den so genannten Hecke-Thaler empfinge. Der Teuffel risse folglich die Katze in tausend Stücken, und indessen müste der Mensch eilen, daß er wieder unter Dach käme, ehe der Teuffel mit der Katze fertig würde, sonst breche er ihm selbst auch den Hals.  
  Auri sacra fames, quid non mortalia cogis Pectora.  
  Das ist:  
  Wann der verdammte Geitz des Menschen Hertz regiret,
Wird nichts so schwer erdacht, es muß seyn ausgeführt.
 
  Worzu verleitet nicht die Geldbegierde den Menschen, daß er gar seinen ärgsten Feind, den Satan, zur Erfüllung derselben zu Hülffe nimmt, der doch so wenig Geld als ein solcher Mensch besitzt? Man sagt zwar: Der Teuffel sey ein Herr über die verborgenen und vergrabenen Schätze, und davon könne er den Menschen, die sich mit ihm in einen Bund einlassen, etwas zubringen. Wer hat ihn aber darüber zum Herrn und Eigenthümer gemachet? Es ist schwerlich zu glauben, daß ihm der höchste Herr im Himmel dieselbige zu der Menschen Schaden und Nachtheil werde übergeben, und zu seiner freyen Disposition einräumen.  
  Es berichtet zwar Melissantes am angeführten Orte, er habe einen Becker gekannt, einen ehrlichen und frommen Mann, der unter andern Gelde, das er eingenommen, auch einen Hecke-Groschen zu haben sich eingebildet, weil die Summe solches Geldes immer mehr und mehr zugenommen; welchen Groschen er endlich auf seines Beicht-Vaters Rath ins Wasser geworffen. Es scheinet aber, als ob sich der gute  
  {Sp. 748}  
  Mann nur verzehlet hätte, und dadurch auf die Gedancken gekommen wäre, als hätte sich sein Geld vermehret. Weil ihm nun solche Einbildung in grosse Furcht gesetzt, konnte es sich leicht zutragen, daß er immer mehr und mehr Geld im Überzehlen bekam. Und vielleicht ist ein Groschen darunter gewesen, von dergleichen Schlag ihm noch keiner zu Gesichte gekommen, den er also für den Hecke-Groschen gehalten, und ins Wasser geworffen. Oder vielleicht hat er diese Geschichte nur erdichtet, oder zum wenigsten mit allerhand Zusätzen vermehrt, aus einem wunderlichen Triebe, der vielen Menschen eigen ist, daß sie gerne wunderliche Dingen erzehlen, die ihnen begegnet seyn sollen, damit sie den Leuten viel von ihnen zu reden, Gelegenheit geben wollen.  
  Einen gewisser von Adel, der in Schulden steckte, hoffete auf andere Weise Geld vom Teuffel zu erlangen. Er schrieb nehmlich einen Zettel, den jemand ohngefehr unter seinen Briefschafften gefunden, dieses Innhalts: Teuffel komm, bringe mir 20000 Thaler, davor verschreibe dir meine Seele: Allein dieses behalte ich voraus, daß ich meine gesetzte Lebenszeit erreichen muß, und nach meinem Tode kanst du die Seele nehmen. Die gesetzte Lebenszeit must du mir aber berichten. Dieses will ich dir halten, so fern du mir das gesetzte Geld verschaffen thust und kanst mir nur den Ort durch einige Zeilen beantworten, wo ich es holen soll. Hiermit unterschreibe ich dir zur Gewißheit meinen Nahmen.  
  N.N.  
  Es ward aber nichts daraus. Er bekam keinen Heller Geld, sondern ward von seinen Gläubigern gezwungen sein Gut zu verkauffen, und seine Tage in Armuth und Elend zu zubringen.  
  Die Walpurgis-Nacht gehört ebenfalls mit unter die besondern abergläubischen Zeiten. In derselben sollen die Hexen einen Ritt nach dem Blochsberge thun, um der dortigen Hexen- Versammlung mit beyzuwohnen. Man nimmt aber in dieser Nacht mancherley abergläubische Dinge vor, womit man sich für den Hexen zu verwahren gedenckt. Es ist aber nicht allein eine unnöthige, sondern auch eine unnütze Sache. Denn wer des göttlichen Schutzes versichert ist, hat sich für dem Satan und seinen Getreuen nicht zu fürchten. Wer sich aber dieses Schutzes nicht getrösten kan, dem werden alle abergläubische Dinge, sie mögen so wunderlich seyn, als sie wollen, für dem Satan keine Sicherheit gewähren.  
  Unter uns Christen ist eine fast allgemeine Gewohnheit am Walpurgis- oder Philippi-Jacobi-Abend vor den Häusern grüne Zweige von Bircken aufzustecken, welche man eben daher, nehmlich von diesem ersten Tage des May-Monats, Mayen nennet. Viele stehen in den Gedancken, daß solche Mayen wider die Hexen gut wären, welche in dieser Nacht herum schwärmen, und gleichsam ihr Regiment haben. Wer will aber glauben, daß sie sich so sehr für solche Zweige fürchten müsten.  
  Andere führen davon aus den Papistischen Legenten folgende Ursache an: Die H. Walpurgis sey aus einem H. Eyfer mit den beyden Aposteln Philippen und Jacoben  
  {Sp. 749|S. 388}  
  das Wort GOttes zu hören, und ihnen Handreichung zu thun umher gezogen. Weil sie aber darüber in Verdacht kam, als lebte sie mit ihnen in Unehren, habe sie einen dürren Stock, dessen sie sich auf der Reise bedienet, in die Erde gesteckt, welcher denn in einer Nacht zum Zeichen ihrer Keuschheit zu grünen angefangen.  
  Noch andere meynen, es habe diese Gewohnheit mit den Mayenstecken von dem Apostel Philippus seinen Ursprung genommen. Als derselbe zu Hieropolis das Evangelium geprediget, hätten die Ungläubigen das Haus, wo er eingekehret, mit grünen Zweigen gezeichnet, damit sie ihn des Morgens gewiß finden, und umbringen möchten. Es wären aber durch GOttes sonderbare Schickung am Morgen alle Häuser mit dergleichen grünen Zweigen besteckt gefunden worden, daß sie also das Haus nicht wieder finden können.  
  Die wahrscheinlichste Meynung aber ist diese: Weil um solche Zeit die Bäume anfangen auszuschlagen, und bisweilen, nachdem das Wetter ist, schon ziemlich Blätter gewonnen haben: So hat man solche Mayen vor und in die Häuser gesteckt, um sich an derselben Geruch, den man in langer Zeit nicht genossen, zu erquicken, und zugleich anzudeuten, wie nunmehro derjenige Monat vorhanden sey, welcher der angenehmste im Jahre ist, und darinne fast alle Bäume in der schönsten Blüthe stehen. Vielleicht hat man sich auch dabey erinnern wollen, daß der alte GOtt noch lebe, welcher zur gewöhnlichen Zeit jährlich Menschen und Vieh zu gut, Laub, Graß, und Blumen hervor wachsen lässet, und dadurch seine immerwährende Vorsorge an den Tag legt:  
  Es sind noch andere abergläubische Zeiten mehr übrig, die wir aber mit Fleiß übergehen, weil sie sich aus den vorhergehenden Exempeln ohne Mühe beurtheilen lassen. Tharsanders Schau Platz ungereimter Meynungen I Th. …
     
  14. Betrachtung der Zeit nach Anleitung der Heiligen Schrifft.  
  Die Zeit wird in der Heiligen Schrifft überhaupt als ein Inbegriff des vergänglichen Zustandes, und der verweslichen Ungewißheit beschrieben. Hierbey schärffet die Heilige Schrifft beständig ein, daß man in dieser Zeit nach dem Unbeweglichen und Unvergänglichen trachten solle, wo keine Zeit der Unbeständigkeit statt findet,
  • Offenbahr. X, 6.
  • 2 Corinth. IV, 18.
  sondern da eine in angenehmer Gleichheit bleibende Ewigkeit seyn wird, und wo man das Maaß der Unbeständigkeit, die Zeit, nicht mehr brauchen wird.  
  Der Heil. Augustin sagt, die Zeit wäre eine Abmessung des Vergangenen, Gegenwärtigen, und Zukünfftigen. Paulus sagt 1 Corinth. VII, 29: Die Zeit sey kurtz; es wird aber auch einer geraumen und langen Zeit gedacht, die nicht nur etliche Jahre, sondern etliche hundert, ja tausend Jahre währet: Von welcher Zeit der HErr durch den Mund David redet, Ps. LXXXI, 16: Ihre Zeit soll ewig währen. Dieses ist nicht von den Feinden der Israeliten, daß die Rache GOttes, und ihre Plagen und Strafen ewig währen solten; sondern von dem Volcke, das dem HErrn gehorchet, und in seinen Wegen wandelt, zu verstehen.  
  {Sp. 750}  
  Sonst redet auch die Heilige Schrifft  
 
  • von einer bestimmten und gewissen Zeit,
  • Ps. I, 3. CII, 4.
  • Jes. XLIX, 8.
  • Jerem. VIII, 7.
  • Daniel VII, 12.
  • Hagg. I, 2. 4;
 
  • von letzten Zeiten,
  • 1 Timoth. IV, 1.
  • 1 Petri I, 5. 20;
 
  • von beschwerlichen Zeiten,
1 Timoth. III, 1;
  III, 1;
 
  • von der Zeit unserer Wallfahrt,
1 Petri I, 17;
 
  • vergangener Zeit, und Zeit des Gerichts GOttes,
1 Petri IV, 3. 17;
 
  • von der Zeit zur Buße,
Offenbahr. II, 21.
 
  • Die Zeit soll man auskauffen, und sich darein schicken,
  • Ephes. V, 16.
  • Coloss. IV, 5.
 
  • GOtt ändert Zeit und Stunden,
Daniel II, 21;
 
  • von der Zeit der Anfechtung,
Lucä VIII, 13;
 
  • von der Heimsuchung
  • XIX, 44.
  • 1 Petri V, 6.
  2 Corinth. VI, 2;
 
  • endlich soll keine Zeit mehr seyn,
Offenbahr. X, 7.
     

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Stand: 18. September 2016 © Hans-Walter Pries