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Zedler: Zeit [4] HIS-Data
5028-61-725-2-04
Titel: Zeit [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 61 Sp. 750
Jahr: 1749
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 61 S. 388
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Hinweise:
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  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
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Übersicht
15. Betrachtung insbesondere der bösen Zeit nach Anleitung der Heiligen Schrifft.
16. Von der Klugheit, welche wahre Christen in bösen Zeiten beweisen sollen.

  Text   Quellenangaben
  15. Betrachtung insbesondere der bösen Zeit nach Anleitung der Heiligen Schrifft.  
  Es ist die Schrifft gewohnt, die Menschen durch Vorstellung der bösen Zeit zur Vorsichtigkeit und Klugheit zu ermahnen, und sie gegen die Trübsal und tausendfaches Elend zu wafnen, welches in diesen Zeiten über sie kommen soll. Nach der Göttlichen Absicht sollen durch das Unglück und Böse die Sünder gestraffet; Die Frommen auf sich selbst, und auf die Gnade GOttes aufmercksamer gemacht, und die Ehre GOttes verherrlichet werden. Daher handeln diejenigen am klügsten, die solche Zeiten, in welchen sie mehr als ordentlich über Trübsal und Elend zu klagen haben, auch zu dem Ende anwenden, zu welchen sie von GOtt bestimmt sind: nehmlich an ihre Sünden zu dencken, sich der Gottseligkeit mit mehrern Ernst zu befleißigen, und darauf bedacht zu seyn, daß auch durch ihren Wandel der Nahme GOttes verherrlichet werde.  
  In dieser Absicht erinnert der geheiligte Paulus nicht nur die zu Christo bekehrten Epheser, daß sie in einer bösen Zeit lebten, sondern er unterrichtet sie auch, was dieserwegen von ihnen für Pflichten gefordert werden. So sehet nun zu, wie ihr vorsichtiglich wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen. Und schicket euch in die Zeit: Denn es ist böse Zeit, Ephes. V, 15. 16.
  Die Zeiten, in welchen die Epheser damahls lebten, waren in einem doppelten Verstande böse. Erstlich begaben sich in denselben viele Widerwärtigkeiten, die sie mit allen, die zugleich mit ihnen lebten, gemein hatten. Zweytens stund ihnen auch insbesondere deswegen Verfolgung und Elend bevor: Weil sie sich zur Lehre JEsu bekenneten, auf deren Vertilgung damahls die gantze Heydnische Welt bedacht war. Damit sie nun diesem Elende so viel als nach dem heiligen Willen GOttes möglich, entgehen möchten: So ermahnet sie der Apostel in den angeführten Worten zur Christlichen Klugheit. Dieses führt uns auf die theologische Abhandlung.  
     
  16. Von der Klugheit, welche wahre Christen in bösen Zeiten beweisen sollen.  
  GOtt lässet es nach seiner Weisheit zu, daß nicht nur öffters eintzelne Personen in elende Umstände gerathen; sondern daß auch zuweilen gantze Versammlungen, Städte, Länder, und Reiche  
  {Sp. 751|S. 389}  
  empfindlich betrübet werden. Und wenn dieses letztere geschiehet, pflegt man zu sagen, daß es böse Zeiten seyn. Wie nun bey allem dem, was sich unter der Göttlichen Vorsehung zuträgt, die Absichten GOttes heilig, weise und gütig sind: So ist es auch klar und deutlich, daß alsdenn, wenn gantze Versammlungen, Städte, Länder, und Reiche sich in widerwärtigen Umständen befinden, GOtt der HErr hierunter seine weisen, heiligen und gütigen Absichten habe. Besteht nun darinnen überhaupt die gröste Klugheit, daß man dasjenige, was einem begegnet, zu dem besten Endzweck anwenden könne: So können wir auch keine grössere Klugheit beweisen, als wenn wir uns angelegen seyn lassen, eben denselben Endzweck zu erreichen, den GOtt bey Zulassung des Bösen sich vorgesetzet hat. Denn der Endzweck GOttes ist allezeit der beste. Wenn wir also untersuchen, was GOtt für einen Endzweck habe, wenn er böse Zeiten kommen lässet: So werden uns die Regeln der Christlichen und besten Klugheit bekannt seyn, wornach wir uns in denselben zu richten haben.  
  Warum lässet aber GOtt zuweilen böse Zeiten kommen, in welchen gantze Versammlungen Städte, Länder, und Reiche mehr als ordentlich in Noth und Unglück gerathen? Es geschiehet dieses aus keiner andern Ursache als daß die Menschen desto lebhaffter sollen überzeuget werden, wie viele und grosse Straffen sie mit ihren Sünden verdienet haben, und wie nöthig es sey, daß sie Buße thun und um JEsu Willen Gnade suchen. GOtt gönnet uns Menschen alles gutes, und er entzieht uns niemahls seine Güte, als wenn wir uns derselben durch Sünde unwürdig gemacht haben. Alles Böse das vorhanden ist, erinnert uns daran, daß wir GOtt beleidiget haben. Hätten wir Menschen niemahls die Gebote GOttes übertreten: So würde auch nichts in der Welt anzutreffen seyn, daß uns Klagen, Seuffzer und Thränen auspressete. Denn alles Böse ist durch die Sünde in die Welt kommen.  
  Nun haben wir zwar allezeit Bewegungs-Gründe genug an unsere Sünden zu gedencken. Auch alsdenn, wenn die Tage unsres Lebens die besten sind, begegnet uns viel Unangenehmes, welches uns ins Gedächtniß bringt, daß wir von den Wegen GOttes abgewichen sind. Aber wie wenig achten wir Menschen hierauf! Gehet es uns nur in der Welt erträglich, so daß wir über keine ausserordentliche Unglücksfälle zu klagen haben, wie geneigt sind wir alsdenn, übermüthig zu werden! Wie wenig demüthigen wir uns vor GOtt! Wie sehr nehmen wir in der fleischlichen Sicherheit zu! Wie bald vergessen wir es, unsere Sünden abzulegen!  
  Dieses ist die Art der Menschen, daß sie durch etwas, dessen sie bereits gewohnet sind, nicht sonderlich gerühret werden, und an die Ursache derjenigen Dinge nicht mit Bedacht dencken, die sich fast täglich zutragen. Wenn aber etwas ungewöhnliches vorgehet: So wird unser Gemüth in Bewegung gebracht, und wir forschen nach, woher es doch komme, und warum es geschehe? Man hört es alle Tage, dieser oder jener sey gestorben. Aber wer wird durch diese Zeitung ermuntert, sein immer näher kommendes Ende in  
  {Sp. 752}  
  Betrachtung zu ziehen? Wenn aber durch eine ansteckende Kranckheit viele, von welchen man es nicht vermuthet hätte, in kurtzer Zeit dahin gerissen werden: So dencken verschiedene weiter nach, die sonst unempfindlich bleiben. Man erzählet, dieser sey verarmt; jener bemühe sich vergeblich, sein Glück zu machen; ein anderer sey traurig und niedergeschlagen, weil es ihm nicht nach Wunsch gehet. Und wir fällen hierüber das kaltsinnige Urtheil: Der ordentliche Lauff der Welt bringe es somit sich.  
  Wenn aber auf einmahl verschiedene, die uns bekannt sind, durch Krieg, durch Teuerung und durch Pest in Noth gerathen, ja wenn wir derselben vereinbahrte Klagen und Seuffzer anhören müssen: So werden wir empfindlich gerührt, wir schliessen: Die Reihe könne auch an uns kommen, und wir überlegen mit mehrern Fleiße, was denn die Ursache dieses Verhängnisses sey? Und was ist es denn Wunder, daß GOtt so empfindliche Mittel hervor sucht, uns, die wir durch das ordentliche Leiden dieser Zeit nicht gerühret werden, aus dem Sünden-Schlaffe zu erwachen, und uns zu bekehren, daß wir ausser seiner Gnade die elendesten unter allen Creaturen sind. Denn, wenn GOtt nicht nur über eintzelne Personen, sondern zu gleicher Zeit über sehr viele seine Straf-Gerichte ergehen lässet: So müssen wir entweder schon völlig verstockt seyn, oder wir müssen uns auch besinnen, es sey ein grosses Übel, den HErrn seinen GOtt beleidigen.  
  Wenn wir also über böse Zeiten klagen, so müssen wir bedencken, daß es GOtt nöthig zu seyn erachtet, uns auf eine empfindliche und nachdrückliche Art zu unsern eigenen Besten, unsere Sünden ins Gedächtnis zu bringen. Wir müssen dadurch zu einer ungeheuchelten Buße bewegt werden, und lernen, wie sehr wir Ursache haben, uns vor GOtt zu demüthigen, und ihn um JEsu willen um Gnade und Barmhertzigkeit anzuflehen. Dieses ist die gröste Klugheit, die wir in bösen Zeiten beweisen können. Hierdurch erreichen wir eben denselben Endzweck, den GOtt hat, und sind, wie der Apostel redet, nicht unverständig, sondern verständig, was da sey des HErrn Wille.  
  Je eher aber der Endzweck GOttes bey bösen Zeiten an uns erreichet wird, desto eher wird uns auch GOtt von dem Bösen wieder befreyen, das uns bisher bekümmert hat. Der HErr selbst lehrt uns dieses, wenn er beym Jeremia spricht: Plötzlich rede ich wider ein Volck und Königreich, das ichs ausrotten, zerbrechen, und verderben wolle. Wo es sich aber bekehret von seiner Bosheit, dawider ich rede: So soll mich auch reuen das Unglück das ich gedachte zu thun.  
  Als der HErr beschlossen hatte, die grosse Stadt Ninive ihrer Sünden halber zu verderben, und derselben ihren nahen Untergang durch den Propheten Jonas verkündigen ließ; fiengen die Leute zu Ninive an Buße zu thun, und bekehrten sich zu dem HErrn ihren GOtt. Und alsbald war GOtt anderes Sinnes, Jon. III, 10.
  Als den Propheten Daniel das Elend zu Hertzen gieng, darinne sich zu seiner Zeit das Jüdi-  
  {Sp. 753|S. 390}  
  sche Volck befand: wuste er kein besseres Mittel sich und dem Jüdischen Volcke zu helffen, als ein bußfertiges und gläubiges Gebet, Daniel IX, 7-11.
  Wenn der Apostel Paulus Ephes. V,16. über böse Zeiten klaget: Und die Epheser ermahnet in denselben klüglich und vorsichtig zu wandeln: So nennet er vornehmlich deswegen die Zeiten böse, weil die zu Christo bekehreten Epheser in denselben ihrer Religion wegen nicht viel Gutes in der Welt zu erwarten hätten. Alle, die sich zu den Zeiten der Apostel entschlossen, GOtt den HErrn nur allein in JEsu Nahmen anzuruffen, konnten nichts als Verfolgung vermuthen. Denn so gewiß die Lehre JEsu den richtigen Weg zur Seeligkeit zeigte: So wenig konnte die Welt, welche im Argen lag, selbige dulten. Paulus sahe also wohl vorher, daß die Epheser vielen Trübsal nicht würden entgehen können. Und die Liebe, die er zu ihnen trug, bewegte ihn, sie zu ermahnen, vorsichtiglich zu wandeln: damit sie nicht durch ihre eigene Schuld ihr Leiden häuffen und vermehren möchten.  
  So sehet nun zu, wie ihr vorsichtiglich wandelt! nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen. Und schicket euch in die Zeit: denn es ist böse Zeit. Paulus giebt in diesen Worten eine allgemeine Regel, alle mögliche und einem Christen anständige Klugheit, in der bösen Zeit, in welcher sie lebten, anzuwenden. Er hat sich aber bey anderer Gelegenheit weitläufftiger hierüber erkläret, und es wird der Mühe werth seyn, es auszuführen, was der geheiligte Apostel in solchen Zeiten, in welchen man, der Religion wegen, Böses zu besorgen hat, für die beste Christliche Klugheit halte. Wir werden aber das Vornehmste, so hieher gehöret, in drey Regeln zusammenfassen.  
  Die erste Regel ist diese: Man muß sich gegen diejenigen sanfftmüthig erweisen, welche Feinde unsers Gottesdienstes sind. Es ist keine Tugend, die uns als Christen mehr anstehet, als eine wahre und hertzliche Sanfftmuth. Was für ein vortreffliches Vorbild hat uns nicht unser theurester Erlöser gegeben, wie wir uns sanfftmüthig gegen unsere Widersacher verhalten sollen. Er schalt nicht wieder, da er gescholten ward: er drohete nicht, da er litte, und er versäumte keine Gelegenheit, demjenigen Gutes zu erzeigen, die sich öffentlich für seine Feinde erkläreten. Durch wie viele Ermahnungen verpflichten uns nicht die Apostel unsers Heylandes zur Ausübung dieser Tugend. Paulus insbesondere schreibt an die Philipper: Eure Lindigkeit lasset kund seyn allen Menschen, Philipp. IV, 5.
  Nun aber ist es in allen Umständen unsere Schuldigkeit, denjenigen sanfftmüthig zu begegnen, die uns übel wollen: wie vielmehr ist es nöthig, daß wir denen Sanfftmuth beweisen, die uns deswegen ihre Freundschafft versagen, weil wir ihre irrigen Sätze von GOTT und dem Wege zur Seeligkeit mit guten Gewissen nicht billigen können? Wir haben Ursache die Barmhertzigkeit GOttes zu preisen, daß wir in dem hellen Lichte des Evangelii wandeln können, und aus dem unverfälschten Worte GOttes zur Seeligkeit unterwie-  
  {Sp. 754}  
  sen werden. Und diejenigen verdienen unser Mitleiden durch die schädliche Vorurtheile von der Erkenntniß dessen, was zu ihrem ewigen Heyl erfordert wird, abgehalten werden.  
  Ist es aber auch wohl anständig, diejenigen mit hefftigen Worten oder ungestümen Bezeugen zu erbittern, deren Mitleidens-würdiger Zustand uns zu Hertzen gehet, und denen wir eine bessere Erkenntniß wünschen? Wir müssen nie aufhören, dem Exempel JEsu zu folgen, und nach dem Willen GOttes durch Sanfftmuth und Wohltun die Unwissenheit und übereilten Urtheile derselben zu verstopffen. Indem wir aber ermahnet werden, denen, welche uns der unverfälschten Lehre JEsu wegen zuwider sind, uns gefällig zu erweisen: so ist dieses keinesweges dahin zu deuten, als wenn es uns erlaubt wäre, aus Liebe zum Frieden, einige der wichtigsten Wahrheiten der Lehre JEsu zu verleugnen, damit wir desto gewisser allerley Ungemach vermeiden mögen. Denn wenn wir in solchen Sachen andern nachgeben, welche offenbar wider das Wort GOttes sind: so handeln wir nicht klüglich, sondern stellen uns vielmehr der Welt gleich, und widersetzen uns selbst der Lehre JEsu. Die ersten Christen, welche der Ermahnung des Apostels nachlebten, und sich gegen ihre Verfolger sanfftmüthig bewiesen, waren diesem ohngeachtet so beständig im Bekenntnisse ihres Glaubens, daß sie lieber den Tod erdulten, als den heydnischen Götzen opffern wolten, wenn ihnen auch gleich die zeitlichen Vortheile angebothen wurden. Daher muß ein jeder Christ ihrer Sanfftmuth, aber auch ihrer Beständigkeit und Eyfer in der Religion nachfolgen.  
  Die andere Regel der Klugheit, die ein Christ in bösen Zeiten zu beobachten hat, bestehet darinne: Diejenigen, welche von den Widersachern ihres Gottesdienstes böses besorgen, sollen sich auch in andern Geschäfften einig erweisen, keinesweges aber Streit und Uneinigkeit anfangen. Der geheiligte Apostel Paulus hat diese Regel der Christlichen Klugheit bey aller Gelegenheit eingeschärft, und den Friedfertigen und Einträchtigen den Seegen des Herrn verkündiget
  • Phil. II, 1.
  • Ephes. IV, 2.
  Und wie sorgfältig der Apostel gewesen, es zu verhüten, daß die Zwistigkeiten, welche sich etwa damahls unter den Christen hervor gethan hatten, nicht den Heyden möchten bekannt und ärgerlich werden, solches ist aus 1 Corinth. VI klar, an welchem Orte er von unzeitigen Gerichts-Händeln redet. Indem aber der Apostel so ernstlich auf die Einigkeit derer dringet, welche GOTT gemeinschafftlich in JEsu Nahmen anruffen: so thut er nichts anders, als daß er dem Beyspiele seines und unsers Erlösers folget, der daran seine Jünger erkennen will, daß sie Liebe unter einander haben.  
  Gewiß, es würde weit besser um den äusserlichen Zustand Evangelischer Christen stehen, wenn sie diesen wohl gemeynten Ermahnungen allezeit nachgelebt hätten. Die Uneinigkeit und die Streitigkeiten, welche unter denen entstanden, die sich zu einer Religion bekennet, haben allezeit der Religion grössern Schaden zugefügt, als die offenbahren Feinde dersel-  
  {Sp. 755|S. 391}  
  ben. Als Jerusalem zerstöret wurde, geschahe solches nicht so wohl durch die Gewalt der Heydnischen Römer, als durch die vielfältigen Uneinigkeiten, wodurch die Juden sich selbst unter einander aufrieben. Und die Geschichte der Christlichen Kirche lehret uns durch überflüßige Exempel, daß die Uneinigkeit, welche unter denen, die sich Christen nennen, zum öfftern gewesen, ihnen allezeit den meisten Schaden, und das gröste Ungemach zuwege gebracht habe.  
  Wenn unter denen, die eine Christliche Versammlung ausmachen, erst selbst Feindseligkeiten entstehen, und einer sich bemühet, den andern zu verfolgen und zu unterdrücken: Da wird dem gemeinen Feinde die Thüre geöffnet, der gantzen Versammlung zu schaden. Paulus sagt dahero Galat. V, 15: So ihr euch unter einander beisset und fresset; so sehet zu, daß ihr nicht unter einander verzehret werdet. Im Gegentheil aber ist die Liebe und Einigkeit derer, die sich zu einer Kirche bekennen, das beste und von GOtt selbst gesegnete Mittel, die Gefahr, welche allen gemein ist, abzuwenden.  
  Die dritte Regel der Christlichen Klugheit, die der Apostel denen vorschreibt, welche deswegen die Zeiten böse nennen müssen, weil in denselben die Art ihres Gottesdienstes der Welt nicht gefallen will, ist: Sie sollen einen desto grössern Ernst und Eyfer in ihren wahren Gottesdienste bezeigen, je mehr sie dessenthalben angefeindet werden. Paulus ermahnet: Schicket euch in die Zeit: denn es ist böse Zeit. Und wenn wir den Nachdruck des Griechischen Textes, und die besondere Absicht des Apostels in Betrachtung ziehen: so finden wir: daß seine Ermahnung folgenden Innhaltes sey; Kauffet die Zeit aus, [drei Wörter Griechisch], nehmet der Zeit war, schätzet dieselbe nach ihrem hohen Werthe. Denn es sind viele mit vereinigten Kräfften darauf bedacht, euch des hellen Lichtes des Evangelii zu berauben. Ihr handelt also klüglich, wenn ihr im Lichte wandelt, weil ihr das Licht habt: wenn ihr euch das Wort GOttes wohl zu Nutze machet, da es euch so reichlich verkündiget wird, und wenn ihr in euch beyzeiten durch den Geist GOttes eine rechte Glaubens-Krafft würcken lasset, damit ihr bey den bevorstehenden Versuchungen und Verfolgungen nicht am Glauben Schiffbruch leiden möget.  
  Diese Ermunterung des Apostels ist zu allen Zeiten nöthig. Was ist wohl gewisser, als daß es die Weisheit GOttes aus heiligen Ursachen offtmahls zulasse, daß das Licht des Evangelii an einem Orte verdunckelt wird, wo es kurtz zuvor noch helle geleuchtet hat? In wie vielen Gegenden, da vor dem die Christl. Religion in Flor gewesen; da alle Mittel der Gnaden den Menschen häuffig angebothen worden, ist jetzo wenig oder nichts von der seligmachenden Lehre JEsu zu hören? Wo sind die sieben Christlichen Versammlungen in Asien, deren in der Offenbahrung Johannis gedacht wird? Wo sind die Christlichen Gemeinen in Syrien, in Griechenland, in Macedonien, welche die Apostel selbst gepflantzet haben? Ist nicht jetzo in dasigen Gegenden alles mit Aberglauben an-  
  {Sp. 756}  
  gefüllt? Und was wird wohl mehr durch eine betrübte Erfahrung bestätiget, als daß in den Gegenden, wo nicht lange zuvor das Evangelium von Christo rein und lauter verkündiget worden, die Menschen-Satzungen allmählich überhand nehmen, und abgöttische Gebräuche der Lehre JEsu zur Seite gesetzet werden?  
  Was dem einen begegnet, kan allen andern wiederfahren. Daher müssen wir uns diejenige Zeit wohl zu Nutze machen, da GOtt uns seine unschätzbare Gnade darbietet. Wir müssen dem klugen Rathe folgen, den uns derselbe ertheilet: Wir ermahnen euch als Mithelffer, daß ihr nicht vergeblich die Gnade GOttes empfahet. Denn er spricht: ich habe dich in der angenehmen Zeit erhöret, und habe dir am Tage des Heyls geholffen. Sehet jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heyls! Heute derowegen da ihr seine Stimme höret: so verstocket eure Hertzen nicht,
  • 2 Corinth. VI, 1. 2.
  • Ebr. II, 15.
  Woher will ein Christ Trost, woher will er göttliche Krafft zur Zeit der Anfechtung nehmen, allem zu besorgenden Widerwärtigen zu begegnen. Wenn wir nicht zu der Zeit, da uns die Gnade GOttes noch reichlich dargeboten wird, uns derselben zu versichern, und uns vorbereiten wollen, JEsu Christo bis in den Tod getreu zu bleiben.  
  Wir sind ausser dem zu einer solchen Zeit durch noch mehrere Gründe als sonst verbunden, mit allem Ernst und Eyfer dem Evangelio von Christo würdig zu wandeln, und die Lehre GOttes unsers Heylandes in allen Stücken zu zieren, wenn viele auf unser Leben Acht haben, welche Feinde unsers Glaubens sind. Dieß ist die beste Vertheidigung unserer Religion, wenn wir in unsern Leben beweisen, daß dieselbe uns von allen Bösen abhält, und zu allem Guten beweget. Mit unzeitigem Streiten ist nichts ausgerichtet, und diejenigen, welche bey einer solchen Gelegenheit ihre Religion mit Hefftigkeit verfechten wollen, wo man keine ernsthaffte Gedancken, wo man keine redliche Absicht, die Wahrheit zu erkennen, vermuthen darff, und wo ein starckes Getränck vielmahls die Ursache vieler schlecht überlegten Ausdrücke ist, diese thun ihren Glaubens-Genossen keine Dienste. Sie verrathen vielmehr nur gar zu deutlich, daß sie sich mehr darauf verlassen, daß sie sich äusserlich zur unverfälschten Lehre Christi bekennen, als daß sie durch die Krafft des Geistes GOttes, in der Ordnung, die JEsus selbst vorgeschrieben hat, nach der ewigen Seligkeit trachten sollen.  
  Wenn aber ein heiliger Wandel der Beweis ist, daß wir das Evangelium von Christo JEsu von Hertzen hoch schätzen: so gewinnen wir nicht nur die Menschen, sondern wir werden auch GOtt wohlgefällig. Wir gewinnen die Menschen. Es mögen auch einige so abgeneigt von der unverfälschten Lehre JEsu seyn, als sie immer wollen: so ist doch die Lehre unsers Heylandes so vortrefflich, daß ein Wandel, welcher mit derselben übereinstimmet, auch von denen muß gebilliget werden, welche sonst gantz andere Meynungen hegen. Ein Christlicher Wandel, der auch von der Liebe der Feinde nicht kan getrennet  
  {Sp. 757|S. 392}  
  werden, wird diejenigen beschämen, und auf andere Gedancken bringen, die Böses im Sinne haben. Und solte auch dieses nicht geschehen, so haben wir genug gewonnen, wenn wir durch eine ungeheuchelte und Christliche Gottesfurcht der Gnade des Allerhöchsten versichert werden. Denn GOtt, der ein Herr des Himmels und der Erde ist, wird nimmermehr zugeben, daß denen, die ihn über alles fürchten und lieben, etwas Böses begegne, daß er nicht zu ihrem wahren Besten zu lencken wisse.  
  Ein Christ muß demnach nicht nur hierinne seinen Vorzug setzen, daß er sich zur Lehre JEsu bekennet, die durch keine menschliche Zusätze verderbet worden, sondern er muß auch der Welt zeigen, daß er durch Liebe, Sanfftmuth, und überhaupt durch einen heiligen Wandel in die Fußtapffen unsers Heylandes trete, um dessen Willen wir allein ein ewiges Leben hoffen; so mögen die Zeiten so böse seyn, wie sie wollen, es wird uns nicht schaden. Theophili und Sinceri Sammlung von Cantzel Reden III Th. …
     

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Stand: 31. März 2013 © Hans-Walter Pries