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Quellenangaben |
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15. Betrachtung insbesondere der bösen Zeit nach Anleitung der Heiligen Schrifft.¶ |
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Es ist die
Schrifft
gewohnt, die
Menschen durch
Vorstellung der
bösen Zeit zur
Vorsichtigkeit und
Klugheit zu ermahnen, und sie gegen die Trübsal und tausendfaches
Elend zu wafnen, welches in diesen Zeiten über sie kommen
soll. Nach der
Göttlichen
Absicht sollen durch das Unglück und
Böse die Sünder
gestraffet; Die Frommen auf sich
selbst, und auf die
Gnade GOttes aufmercksamer gemacht, und die
Ehre GOttes
verherrlichet werden. Daher handeln diejenigen am klügsten, die solche Zeiten, in welchen
sie mehr als ordentlich über Trübsal und Elend zu klagen haben, auch zu dem Ende
anwenden, zu welchen sie von GOtt bestimmt sind: nehmlich an ihre Sünden zu dencken,
sich der Gottseligkeit mit mehrern Ernst zu befleißigen, und darauf bedacht zu seyn, daß
auch durch ihren Wandel der Nahme GOttes verherrlichet werde. |
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In dieser Absicht erinnert der geheiligte Paulus nicht nur die zu Christo bekehrten
Epheser, daß sie in einer
bösen Zeit lebten, sondern er
unterrichtet sie auch, was
dieserwegen von ihnen für
Pflichten gefordert werden.
So sehet nun zu, wie ihr vorsichtiglich
wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen. Und schicket euch in die Zeit: Denn
es ist böse Zeit, |
Ephes. V, 15. 16. |
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Die Zeiten, in welchen die Epheser damahls lebten, waren in einem doppelten
Verstande
böse. Erstlich begaben sich in denselben viele Widerwärtigkeiten, die sie mit
allen, die zugleich mit ihnen lebten, gemein hatten. Zweytens stund ihnen auch insbesondere
deswegen Verfolgung und Elend bevor: Weil sie sich zur Lehre JEsu bekenneten, auf deren
Vertilgung damahls die gantze Heydnische
Welt bedacht war. Damit sie nun diesem Elende
so viel als nach dem heiligen
Willen GOttes möglich, entgehen möchten: So ermahnet sie
der Apostel in den angeführten
Worten zur Christlichen Klugheit. Dieses führt uns auf die
theologische Abhandlung.¶ |
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16. Von der Klugheit, welche wahre Christen in bösen Zeiten beweisen sollen.¶ |
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GOtt lässet es nach seiner Weisheit zu, daß nicht nur öffters eintzelne
Personen in
elende Umstände gerathen; sondern daß auch zuweilen gantze Versammlungen,
Städte,
Länder, und
Reiche |
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{Sp. 751|S. 389} |
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empfindlich betrübet werden. Und wenn dieses letztere geschiehet, pflegt man zu
sagen, daß es
böse Zeiten seyn. Wie nun bey allem dem, was sich unter der Göttlichen
Vorsehung zuträgt, die Absichten
GOttes heilig, weise und gütig sind: So ist es auch klar und
deutlich, daß alsdenn, wenn gantze Versammlungen, Städte, Länder, und Reiche sich in
widerwärtigen Umständen befinden, GOtt der HErr hierunter seine weisen, heiligen und
gütigen Absichten habe. Besteht nun darinnen überhaupt die gröste
Klugheit, daß man
dasjenige, was einem begegnet, zu dem besten
Endzweck anwenden könne: So können wir
auch keine grössere Klugheit beweisen, als wenn wir uns angelegen seyn lassen, eben
denselben Endzweck zu erreichen, den GOtt bey Zulassung des Bösen sich vorgesetzet hat.
Denn der Endzweck GOttes ist allezeit der beste. Wenn wir also untersuchen, was GOtt für
einen Endzweck habe, wenn er böse Zeiten kommen lässet: So werden uns die
Regeln der
Christlichen und besten Klugheit bekannt seyn, wornach wir uns in denselben zu richten
haben. |
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Warum lässet aber
GOtt zuweilen
böse Zeiten kommen, in welchen gantze
Versammlungen
Städte,
Länder, und
Reiche mehr als ordentlich in Noth und Unglück
gerathen? Es geschiehet dieses aus keiner andern
Ursache als daß die
Menschen desto
lebhaffter sollen überzeuget werden, wie viele und grosse
Straffen sie mit ihren Sünden
verdienet haben, und wie nöthig es sey, daß sie Buße thun und um JEsu Willen
Gnade
suchen. GOtt gönnet uns Menschen alles gutes, und er entzieht uns niemahls seine Güte,
als wenn wir uns derselben durch Sünde
unwürdig gemacht haben. Alles
Böse das
vorhanden ist, erinnert uns daran, daß wir GOtt
beleidiget haben. Hätten wir Menschen
niemahls die Gebote GOttes übertreten: So würde auch nichts in der
Welt anzutreffen seyn,
daß uns Klagen, Seuffzer und Thränen auspressete. Denn alles Böse ist durch die Sünde in
die Welt kommen. |
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Nun haben wir zwar allezeit
Bewegungs-Gründe genug an unsere Sünden zu
gedencken. Auch alsdenn, wenn die Tage unsres
Lebens die besten sind, begegnet uns viel
Unangenehmes, welches uns ins Gedächtniß bringt, daß wir von den Wegen
GOttes
abgewichen sind. Aber wie wenig achten wir
Menschen hierauf! Gehet es uns nur in der
Welt
erträglich, so daß wir über keine ausserordentliche Unglücksfälle zu klagen haben, wie
geneigt sind wir alsdenn, übermüthig zu werden! Wie wenig demüthigen wir uns vor GOtt!
Wie sehr nehmen wir in der fleischlichen Sicherheit zu! Wie bald vergessen wir es, unsere
Sünden abzulegen!¶ |
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Dieses ist die Art der
Menschen, daß sie durch etwas, dessen sie bereits gewohnet
sind, nicht sonderlich gerühret werden, und an die
Ursache derjenigen
Dinge nicht mit
Bedacht dencken, die sich fast täglich zutragen. Wenn aber etwas ungewöhnliches vorgehet:
So wird unser
Gemüth in
Bewegung gebracht, und wir
forschen nach,
woher es doch
komme, und warum es geschehe? Man hört es alle Tage, dieser oder jener sey
gestorben.
Aber wer wird durch diese Zeitung ermuntert, sein immer näher kommendes Ende in |
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{Sp. 752} |
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Betrachtung zu ziehen? Wenn aber durch eine ansteckende Kranckheit viele, von
welchen man es nicht vermuthet hätte, in kurtzer Zeit dahin gerissen werden: So dencken
verschiedene weiter nach, die sonst unempfindlich bleiben. Man erzählet, dieser sey
verarmt; jener bemühe sich vergeblich, sein Glück zu machen; ein anderer sey traurig und
niedergeschlagen, weil es ihm nicht nach Wunsch gehet. Und wir fällen hierüber das
kaltsinnige
Urtheil: Der ordentliche Lauff der
Welt bringe es somit sich. |
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Wenn aber auf einmahl verschiedene, die uns bekannt sind, durch Krieg, durch
Teuerung und durch Pest in Noth gerathen, ja wenn wir derselben vereinbahrte Klagen und
Seuffzer anhören müssen: So werden wir
empfindlich gerührt, wir schliessen: Die Reihe
könne auch an uns kommen, und wir überlegen mit mehrern Fleiße, was denn die
Ursache
dieses Verhängnisses sey? Und was ist es denn Wunder, daß
GOtt so empfindliche Mittel
hervor sucht, uns, die wir durch das ordentliche Leiden dieser Zeit nicht gerühret werden,
aus dem Sünden-Schlaffe zu erwachen, und uns zu bekehren, daß wir ausser seiner
Gnade
die elendesten unter allen Creaturen sind. Denn, wenn GOtt nicht nur über eintzelne
Personen, sondern zu gleicher Zeit über sehr viele seine Straf-Gerichte ergehen lässet: So
müssen wir entweder schon völlig verstockt seyn, oder wir müssen uns auch besinnen, es
sey ein grosses Übel, den HErrn seinen GOtt
beleidigen.¶ |
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Wenn wir also über
böse Zeiten klagen, so müssen wir bedencken, daß es
GOtt nöthig
zu seyn erachtet, uns auf eine
empfindliche und nachdrückliche Art zu unsern eigenen
Besten, unsere Sünden ins Gedächtnis zu bringen. Wir müssen dadurch zu einer
ungeheuchelten Buße bewegt werden, und lernen, wie sehr wir
Ursache haben, uns vor
GOtt zu demüthigen, und ihn um JEsu willen um Gnade und Barmhertzigkeit anzuflehen.
Dieses ist die gröste
Klugheit, die wir in
bösen Zeiten beweisen können. Hierdurch erreichen
wir eben denselben
Endzweck, den GOtt hat, und sind, wie der Apostel
redet,
nicht
unverständig, sondern verständig, was da sey des HErrn Wille. |
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Je eher aber der Endzweck GOttes bey
bösen Zeiten an uns erreichet wird, desto eher
wird uns auch GOtt von dem Bösen wieder befreyen, das uns bisher bekümmert hat. Der
HErr selbst lehrt uns dieses, wenn er beym Jeremia spricht:
Plötzlich rede ich wider ein
Volck und Königreich, das ichs ausrotten, zerbrechen, und verderben wolle. Wo es sich aber
bekehret von seiner Bosheit, dawider ich rede: So soll mich auch reuen das Unglück das ich
gedachte zu thun. |
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Als der HErr beschlossen hatte, die grosse
Stadt Ninive ihrer Sünden halber zu
verderben, und derselben ihren nahen Untergang durch den Propheten Jonas verkündigen
ließ; fiengen die Leute zu Ninive an Buße zu thun, und bekehrten sich zu dem HErrn ihren
GOtt. Und alsbald war GOtt anderes Sinnes, |
Jon. III, 10. |
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Als den Propheten Daniel das Elend zu Hertzen gieng, darinne sich zu seiner Zeit das
Jüdi- |
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{Sp. 753|S. 390} |
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sche
Volck befand: wuste er kein besseres Mittel sich und dem Jüdischen Volcke zu
helffen, als ein bußfertiges und gläubiges Gebet, |
Daniel IX, 7-11. |
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Wenn der Apostel Paulus Ephes. V,16. über
böse Zeiten klaget: Und die Epheser
ermahnet in denselben klüglich und vorsichtig zu wandeln: So nennet er vornehmlich
deswegen die Zeiten böse, weil die zu Christo bekehreten Epheser in denselben ihrer
Religion wegen nicht viel Gutes in der
Welt zu erwarten hätten. Alle, die sich zu den Zeiten
der Apostel entschlossen,
GOtt den HErrn nur allein in JEsu
Nahmen anzuruffen, konnten
nichts als Verfolgung vermuthen. Denn so gewiß die Lehre JEsu den richtigen Weg zur
Seeligkeit zeigte: So wenig konnte die Welt, welche im Argen lag, selbige dulten. Paulus
sahe also wohl vorher, daß die Epheser vielen Trübsal nicht würden entgehen können. Und
die Liebe, die er zu ihnen trug, bewegte ihn, sie zu ermahnen, vorsichtiglich zu wandeln:
damit sie nicht durch ihre eigene Schuld ihr Leiden häuffen und vermehren möchten. |
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So sehet nun zu, wie ihr vorsichtiglich wandelt! nicht als die Unweisen, sondern als die
Weisen. Und schicket euch in die Zeit: denn es ist böse Zeit. Paulus giebt in diesen
Worten
eine allgemeine
Regel, alle mögliche und einem Christen anständige
Klugheit, in der
bösen
Zeit, in welcher sie lebten, anzuwenden. Er hat sich aber bey anderer Gelegenheit
weitläufftiger hierüber erkläret, und es wird der Mühe werth seyn, es auszuführen, was der
geheiligte Apostel in solchen Zeiten, in welchen man, der Religion wegen, Böses zu
besorgen hat, für die beste Christliche Klugheit halte. Wir werden aber das Vornehmste, so
hieher gehöret, in drey Regeln zusammenfassen.¶ |
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Die erste
Regel
ist diese: Man muß sich gegen diejenigen sanfftmüthig erweisen,
welche Feinde unsers Gottesdienstes sind. Es ist keine Tugend, die uns als Christen mehr
anstehet, als eine wahre und hertzliche Sanfftmuth. Was für ein vortreffliches Vorbild hat uns
nicht unser theurester Erlöser gegeben, wie wir uns sanfftmüthig gegen unsere Widersacher
verhalten sollen. Er schalt nicht wieder, da er gescholten ward: er drohete nicht, da er litte,
und er versäumte keine Gelegenheit, demjenigen Gutes zu erzeigen, die sich öffentlich für
seine Feinde erkläreten. Durch wie viele Ermahnungen verpflichten uns nicht die Apostel
unsers Heylandes zur Ausübung dieser Tugend. Paulus insbesondere
schreibt an die
Philipper: Eure Lindigkeit lasset kund seyn allen Menschen, |
Philipp. IV, 5. |
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Nun aber ist es in allen Umständen unsere Schuldigkeit, denjenigen sanfftmüthig zu
begegnen, die uns übel wollen: wie vielmehr ist es nöthig, daß wir denen Sanfftmuth
beweisen, die uns deswegen ihre Freundschafft versagen, weil wir ihre irrigen Sätze von
GOTT und dem Wege zur Seeligkeit mit guten Gewissen nicht billigen können? Wir haben
Ursache die Barmhertzigkeit GOttes zu preisen, daß wir in dem hellen Lichte des Evangelii
wandeln können, und aus dem unverfälschten Worte GOttes zur Seeligkeit unterwie- |
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{Sp. 754} |
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sen werden. Und diejenigen
verdienen unser Mitleiden durch die
schädliche Vorurtheile
von der
Erkenntniß dessen, was zu ihrem ewigen Heyl erfordert wird, abgehalten
werden. |
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Ist es aber auch wohl anständig, diejenigen mit hefftigen
Worten oder ungestümen
Bezeugen zu erbittern, deren Mitleidens-würdiger
Zustand uns zu Hertzen gehet, und denen
wir eine bessere Erkenntniß wünschen? Wir müssen nie aufhören, dem Exempel JEsu zu
folgen, und nach dem
Willen GOttes durch Sanfftmuth und Wohltun die Unwissenheit und
übereilten Urtheile derselben zu verstopffen. Indem wir aber ermahnet werden, denen,
welche uns der unverfälschten Lehre JEsu wegen zuwider sind, uns gefällig zu erweisen: so
ist dieses keinesweges dahin zu deuten, als wenn es uns erlaubt wäre, aus
Liebe zum
Frieden, einige der wichtigsten
Wahrheiten der Lehre JEsu zu verleugnen, damit wir desto
gewisser allerley Ungemach vermeiden mögen. Denn wenn wir in solchen
Sachen andern
nachgeben, welche offenbar wider das Wort GOttes sind: so handeln wir nicht klüglich,
sondern stellen uns vielmehr der
Welt gleich, und widersetzen uns selbst der Lehre JEsu.
Die ersten Christen, welche der Ermahnung des Apostels nachlebten, und sich gegen ihre
Verfolger sanfftmüthig bewiesen, waren diesem ohngeachtet so beständig im Bekenntnisse
ihres Glaubens, daß sie lieber den
Tod erdulten, als den heydnischen Götzen opffern wolten,
wenn ihnen auch gleich die zeitlichen
Vortheile angebothen wurden. Daher muß ein jeder
Christ ihrer Sanfftmuth, aber auch ihrer Beständigkeit und Eyfer in der Religion
nachfolgen.¶ |
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Die andere
Regel
der
Klugheit, die ein Christ in
bösen Zeiten zu beobachten hat,
bestehet darinne: Diejenigen, welche von den Widersachern ihres Gottesdienstes böses
besorgen, sollen sich auch in andern Geschäfften einig erweisen, keinesweges aber Streit
und Uneinigkeit anfangen. Der geheiligte Apostel Paulus hat diese Regel der Christlichen
Klugheit bey aller Gelegenheit eingeschärft, und den Friedfertigen und Einträchtigen den
Seegen des Herrn verkündiget |
- Phil. II, 1.
- Ephes. IV, 2.
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Und wie sorgfältig der Apostel gewesen, es zu verhüten, daß die Zwistigkeiten, welche
sich etwa damahls unter den Christen hervor gethan hatten, nicht den Heyden möchten
bekannt und ärgerlich werden, solches ist aus 1 Corinth. VI klar, an welchem Orte er von
unzeitigen Gerichts-Händeln
redet. Indem aber der Apostel so ernstlich auf die Einigkeit
derer dringet, welche
GOTT gemeinschafftlich in JEsu
Nahmen anruffen: so thut er nichts
anders, als daß er dem Beyspiele seines und unsers Erlösers folget, der daran seine Jünger
erkennen will, daß sie
Liebe unter einander haben. |
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Gewiß, es würde weit besser um den äusserlichen
Zustand
Evangelischer Christen
stehen, wenn sie diesen wohl gemeynten Ermahnungen allezeit nachgelebt hätten. Die
Uneinigkeit und die Streitigkeiten, welche unter denen entstanden, die sich zu einer Religion
bekennet, haben allezeit der Religion grössern
Schaden zugefügt, als die offenbahren
Feinde dersel- |
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{Sp. 755|S. 391} |
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ben. Als Jerusalem zerstöret wurde, geschahe solches nicht so wohl durch die
Gewalt
der Heydnischen Römer, als durch die vielfältigen Uneinigkeiten, wodurch die
Juden sich selbst unter einander aufrieben. Und die Geschichte der Christlichen
Kirche lehret uns durch überflüßige Exempel, daß die Uneinigkeit, welche unter
denen, die sich Christen nennen, zum öfftern gewesen, ihnen allezeit den meisten
Schaden, und das gröste Ungemach zuwege gebracht habe. |
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Wenn unter denen, die eine Christliche Versammlung ausmachen, erst selbst
Feindseligkeiten entstehen, und einer sich bemühet, den andern zu verfolgen und
zu unterdrücken: Da wird dem gemeinen Feinde die Thüre geöffnet, der gantzen
Versammlung zu schaden. Paulus sagt dahero Galat. V,
15: So ihr euch unter einander beisset und fresset; so sehet zu, daß ihr
nicht unter einander verzehret werdet. Im Gegentheil aber ist die Liebe
und Einigkeit derer, die sich zu einer Kirche bekennen, das beste und von
GOtt selbst gesegnete Mittel, die Gefahr, welche allen
gemein ist, abzuwenden.¶ |
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Die dritte
Regel
der Christlichen Klugheit, die der Apostel denen vorschreibt, welche
deswegen die Zeiten
böse nennen müssen, weil in denselben die
Art ihres Gottesdienstes
der
Welt nicht gefallen will, ist: Sie sollen einen desto grössern Ernst und Eyfer in ihren
wahren Gottesdienste bezeigen, je mehr sie dessenthalben angefeindet werden.
Paulus
ermahnet: Schicket euch in die Zeit: denn es ist böse Zeit. Und wenn wir den Nachdruck des
Griechischen Textes, und die besondere Absicht des Apostels in Betrachtung ziehen: so
finden wir: daß seine Ermahnung folgenden Innhaltes sey; Kauffet die Zeit aus, [drei Wörter
Griechisch], nehmet der Zeit war, schätzet dieselbe nach ihrem hohen Werthe. Denn es sind
viele mit vereinigten
Kräfften darauf bedacht, euch des hellen Lichtes des Evangelii zu
berauben. Ihr handelt also klüglich, wenn ihr im Lichte wandelt, weil ihr das Licht habt: wenn
ihr euch das Wort GOttes wohl zu
Nutze
machet, da es euch so reichlich verkündiget wird, und wenn ihr in euch beyzeiten
durch den Geist GOttes eine rechte Glaubens-Krafft würcken lasset, damit ihr bey den bevorstehenden Versuchungen und Verfolgungen
nicht am Glauben Schiffbruch leiden möget. |
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Diese Ermunterung des Apostels ist zu allen Zeiten nöthig. Was ist wohl gewisser, als
daß es die Weisheit GOttes aus heiligen Ursachen offtmahls zulasse, daß das Licht des
Evangelii an einem
Orte verdunckelt wird, wo es kurtz zuvor noch helle geleuchtet hat? In
wie vielen Gegenden, da vor dem die Christl. Religion in Flor gewesen; da alle Mittel der
Gnaden den Menschen häuffig angebothen worden, ist jetzo wenig oder nichts von der
seligmachenden Lehre JEsu zu hören? Wo sind die sieben Christlichen Versammlungen in
Asien, deren in der Offenbahrung Johannis gedacht wird? Wo sind die Christlichen
Gemeinen in Syrien, in Griechenland, in Macedonien, welche die Apostel selbst gepflantzet
haben? Ist nicht jetzo in dasigen Gegenden alles mit Aberglauben an- |
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{Sp. 756} |
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gefüllt? Und was wird wohl mehr durch eine betrübte
Erfahrung bestätiget, als daß in
den Gegenden, wo nicht lange zuvor das Evangelium von Christo rein und lauter verkündiget
worden, die Menschen-Satzungen allmählich überhand nehmen, und abgöttische Gebräuche
der Lehre JEsu zur Seite gesetzet werden? |
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Was dem einen begegnet, kan allen andern wiederfahren. Daher müssen wir uns
diejenige Zeit wohl zu
Nutze machen, da
GOtt uns seine unschätzbare Gnade darbietet. Wir
müssen dem klugen Rathe folgen, den uns derselbe ertheilet: Wir ermahnen euch als
Mithelffer, daß ihr nicht vergeblich die Gnade GOttes empfahet. Denn er spricht: ich habe
dich in der angenehmen Zeit erhöret, und habe dir am Tage des Heyls geholffen. Sehet jetzt
ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heyls! Heute derowegen da ihr seine Stimme
höret: so verstocket eure Hertzen nicht, |
- 2 Corinth. VI, 1. 2.
- Ebr. II, 15.
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Woher will ein Christ Trost, woher will er göttliche Krafft zur Zeit der Anfechtung
nehmen, allem zu besorgenden Widerwärtigen zu begegnen. Wenn wir nicht zu der Zeit, da
uns die Gnade GOttes noch reichlich dargeboten wird, uns derselben zu versichern, und uns
vorbereiten wollen, JEsu Christo bis in den Tod getreu zu bleiben.¶ |
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Wir sind ausser dem zu einer solchen Zeit durch noch mehrere
Gründe als sonst
verbunden, mit allem Ernst und Eyfer dem Evangelio von Christo
würdig zu wandeln, und die
Lehre GOttes unsers Heylandes in allen Stücken zu zieren, wenn viele auf unser
Leben Acht
haben, welche Feinde unsers Glaubens sind. Dieß ist die beste Vertheidigung unserer
Religion, wenn wir in unsern Leben
beweisen, daß dieselbe uns von allen
Bösen abhält, und
zu allem Guten beweget. Mit unzeitigem Streiten ist nichts ausgerichtet, und diejenigen,
welche bey einer solchen Gelegenheit ihre Religion mit Hefftigkeit verfechten wollen, wo man
keine ernsthaffte
Gedancken, wo man keine redliche Absicht, die
Wahrheit zu
erkennen,
vermuthen darff, und wo ein starckes Getränck vielmahls die
Ursache vieler schlecht
überlegten Ausdrücke ist, diese thun ihren Glaubens-Genossen keine
Dienste. Sie verrathen
vielmehr nur gar zu deutlich, daß sie sich mehr darauf verlassen, daß sie sich äusserlich zur
unverfälschten Lehre Christi bekennen, als daß sie durch die
Krafft des Geistes GOttes, in
der
Ordnung, die JEsus selbst vorgeschrieben hat, nach der ewigen Seligkeit trachten
sollen. |
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Wenn aber ein heiliger Wandel der
Beweis ist, daß wir das Evangelium von Christo
JEsu von Hertzen hoch schätzen: so gewinnen wir nicht nur die
Menschen, sondern wir
werden auch
GOtt wohlgefällig. Wir gewinnen die Menschen. Es mögen auch einige so
abgeneigt von der unverfälschten Lehre JEsu seyn, als sie immer wollen: so ist doch die
Lehre unsers Heylandes so vortrefflich, daß ein Wandel, welcher mit derselben
übereinstimmet, auch von denen muß gebilliget werden, welche sonst gantz andere
Meynungen hegen. Ein Christlicher Wandel, der auch von der Liebe der Feinde nicht kan
getrennet |
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{Sp. 757|S. 392} |
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werden, wird diejenigen
beschämen, und auf andere
Gedancken bringen, die
Böses im
Sinne haben. Und solte auch dieses nicht geschehen, so haben wir genug gewonnen, wenn
wir durch eine ungeheuchelte und Christliche
Gottesfurcht der Gnade des Allerhöchsten
versichert werden. Denn GOtt, der ein
Herr des Himmels und der
Erde ist, wird nimmermehr
zugeben, daß denen, die ihn über alles
fürchten und lieben, etwas
Böses begegne, daß er
nicht zu ihrem wahren Besten zu lencken wisse. |
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Ein Christ muß demnach nicht nur hierinne seinen Vorzug setzen, daß er sich zur Lehre
JEsu bekennet, die durch keine menschliche Zusätze verderbet worden, sondern er muß
auch der
Welt zeigen, daß er durch Liebe, Sanfftmuth, und überhaupt durch einen heiligen
Wandel in die Fußtapffen unsers Heylandes trete, um dessen
Willen wir allein ein ewiges
Leben hoffen; so mögen die Zeiten so
böse seyn, wie sie wollen, es wird uns nicht schaden.
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Theophili und Sinceri Sammlung von Cantzel Reden
III Th. … |
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