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Zedler: Zeit [5] HIS-Data
5028-61-725-2-05
Titel: Zeit [5]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 61 Sp. 757
Jahr: 1749
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 61 S. 392
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Übersicht
17. Erklärung einiger Sprüche Heiliger Schrifft, worinnen der Zeit gedacht wird.
  [1-5]

  Text   Quellenangaben
  17. Erklärung einiger Sprüche Heiliger Schrifft, worinnen der Zeit gedacht wird.  
 
1) 1 B. Mos. I, 14: Und GOtt sprach: Es werden Lichter an der Veste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht, und geben Zeichen, Zeiten, ([ein Wort Hebräisch]) Tage und Jahre.
 
 
  Ein Ebräer hat eine andere Zeit, als ein Philosoph, und das Wort Zeit bedeutet auch bey jenem etwas anders als bey diesem. Ein Ebräer nennet auf Theologisch Zeit, ordentliche und bestimmte Feste: Ferner die Tage, wie sie auf einander folgen, und ein Jahr schlichten; so, daß das Wort Zeit fast überall durchs Wort Fest oder Feyertag gegeben wird, ausser wenn es vom Tabernackel oder Lauberhütten gesagt wird.
Luthers Auslegung des I Buches Mosis …
 
  In der Heiligen Schrifft wird die Zeit zuweilen complet gezählet, als wenn Adam 130 Jahre alt gewesen, da er Seth gezeuget. Denn nach der Geburt des Seths lebt er 800 Jahre, sein gantzes Leben war 930 Jahre. Daher bleiben nach Abziehung der 130 Jahre noch die 800 Jahre übrig.
 
 
  Zuweilen wird die Zeit incomplet genommen, als wenn Matth. XII, 40. des Menschen Sohn drey Tage und Nächte in der Erde ist.
 
 
  Zuweilen wird die Zeit exclusive genommen, als wenn Matth. XVII, 1. Jesus nach sechs Tagen Petrum, Jacobum und Johannem auf einen hohen Berg geführet.
 
 
  Zuweilen wird die Zeit inclusive genommen, als wenn Lucä IX, 28. acht Tage eben bey Beschreibung eben dieser Historie genennet werden.
 
 
  Ja die Zeit wird offt numero rotundo vorgetragen, als wenn B. Richt. XI, 26. Israel in Hesbon und Aroer 300 Jahre regieretet, da es doch 305 Jahre waren.
 
 
  Insonderheit wird die Zeit eingetheilet in die Zeit des Alten und Neuen Testamentes, deren jede ihre besondern Perioden hat; wovon der Artickel Zeitbegriffe, (Biblische) unten nachzusehen ist.
Miri Biblisches Antiquitäten Lexicon …
  {Sp. 758}  
 
2) 1 B. Mos. XVII, 21: Um diese Zeit im andern Jahr.
 
 
  Hier ist das Wort [ein Wort Hebräisch] zu mercken, daß Luther sonst verdeutscht hat, Stifft, wofür die Lateinische Übersetzung tabernaculum testimonii, d.i. die Hütte des Gezeugniß gesetzet hat. Hier aber heisset es eine gewisse und angestellte Zeit, wie auch 1 B. Mos. I, 14. von Sonne und Mond gesagt wird, sie sollen geben [ein Wort Hebräisch] gewisse Zeiten. Denn weil der Mond eine gewisse Zeit hat, darinnen er aufgehet, und sein Schein zu- und abnimmt, so ist er ein sehr bequemes Zeichen der Zeit. Daher heisset [ein Wort Hebräisch] auch einen gewissen und sonderlichen Ort, darinne die Hütte des Stiffts aufgerichtet war, und da GOtt befohlen hatte, daß man seiner gedencken, d.i. sein Wort predigen, und ihm dienen solte.
 
 
  Darum aber befiehlt GOtt solches, auf daß die Juden nicht hin und wieder in mancherley Abgötterey und Gottesdiensten irren solten. Er will nicht, daß man unter einem jeden grünen Baum zusammen kommen soll; sondern er will, daß man sich versammlen soll, da er die Wohnung seines Nahmens aufgerichtet hat. Solches heisset [ein Wort Hebräisch] ein gewisser und bestimmter Ort, wie wir auf Deutsch sagen, ein Stifft. Also, wenn Ps. LXXIV, 8 stehet: Sie verbrennen alle Häuser GOttes im Lande, so heißt es im Hebräischen, wir wollen abbrennen alle [ein Wort Hebräisch] auf Erden.
 
 
  Es heißt dieses Wort nicht allein Feste und Vollmonde, sondern auch Synagogen und Schulen, darinne man zusammen kommt. Denn so war im Gesetz gebothen, daß in allen Städten die Leviten auf gewisse Tage lesen, und lehren solten, und diese Örter, darinne solch Lehren und Lesen geschahe, hiessen sie [ein Wort Hebräisch].
 
 
  Zu den Opffern aber war ein sonderlicher Ort bestellt zu Jerusalem, da man nicht allein lehrete, sondern auch opfferte. In dem oben angezogenen Orte heisset [ein Wort Hebräisch] eine bestimmte Zeit.
Luthers Erklärung des II. Buchs Mosis, …
     
 
3) 1 B. Mos. XXVII, 41 u.f. Es wird die Zeit bald kommen, da mein Vater Leide tragen muß.
 
 
  Nach dem Hebräischen heißt es eigentlich; es wird die Zeit des Leidwesens meines Vaters bald kommen. Abarbanel verstehet das Hebräische Wort passive, so, daß es heissen sollte, tempus luctus ob patrem meum. Mein Vater wird bald sterben, und dann will ich meinen Bruder erwürgen: weil er lebt, will ich zu Ehren und Respect meines Vaters seiner schonen: so bald er aber todt ist, will ich Rache an ihm ausüben.
 
 
  Allein dieses Wort ist vielmehr active zu verstehen, wie es auch Luther selbst also verdollmetschet hat, es wird die Zeit bald kommen etc. als spräche er: hat er es doch nicht besser haben wollen: er wird bald sehen, was er mit seinem Segen ausgerichtet hat.
 
 
  Da wurden Rebecca angesagt diese Worte etc.
v. 42.
 
  Es wird gefragt, wie sie es erfahren? der Text spricht nur er habe es im Hertzen, das ist, bey sich selbst gesagt. Rascht, wie auch Augustinus meynen, sie habe es durch Eingebung und Offenbahrung des Heiligen Geistes erfahren. Allein es stehet deutlich es ward ihr angesagt,
 
  {Sp. 759|S. 393}  
 
  das ist, wieder gesagt. Aben Esra, Abarbanel, und andere mercken an; Esau habe diese seine Gedancken etlichen guten Freunden zu verstehen gegeben, zumahl seinen Weibern, welche es vermuthlich weiter ausgebreitet haben, bis es der Rebecca zu Ohren gekommen ist. Diese dachte, als eine verständige Mutter, auf ein Mittel, wie sie zu gleich Jacob von der Gefahr befreyen, und den Esau von den Sünden abhalten könnte.
Pfeiffers Hauß und Ehe-Schule …
     
 
4) 2 Sam. VII, 12: Wenn nun deine Zeit hin ist: Die Zeit ist hin, so wird geredet von unserm Tod.
 
 
  Unser Leben, welches wir täglich fortsetzen, ist anders nichts, als eine bescheidene und vorbestimmte Zusammenfließung und Abmessung vieler unterschiedener Tage, die immer auf einander erfolgen, bis man zu derer Vollendung und zum letzten Termin kommet, da das alte Sprüchwort der Römer von dem Deo Termino gebraucht wird: cedo nulli. Wer den Termin, von GOtt vorgesteckt, erlanget, der hat seine Tage vollendet,
Hiob XIV, 5.
 
  Gleichwie aber diejenigen, welche ein gewisses Maaß füllen wollen, eher nicht ablassen und aufhören, bis daß das Maaß gantz voll ist bis oben an, wie die Diener auf der Hochzeit zu Canaan in Galiläa mit den sechs grossen steinernen Wasser-Krügen thäten,
Joh. II, 6. 7:
 
  also muß ihm niemand unter uns das Ende seines Lebens vor der Zeit aus Ungedult wünschen, ehe das Maaß seiner Jahre, Tage und Stunden erfüllet ist.
 
 
  Wie aber die Reisenden und Arbeits-Leute, wenn sie ihr Tage-Werck und Reise vollendet haben, sich zur Ruhe begeben und zu Bette legen, und fein sanffte und süsse einschlaffen: Also wirds auch bey Vollendung unserer Tage und der zeitlichen Pilgrimschafft gehen, daß wir im Tod, der darum in den göttlichen Büchern dem natürlichen Schlaf verglichen wird,
  • Matth. IX, 24.
  • Joh. XI, 11. 12.
 
  seelig entschlafen, worzu uns Gott selbst freundlich einladet.
Es. XXVI, 20.
     
 
5) Hiob XIV, 5: Er (der Mensch) hat seine bestimmte Zeit.
 
 
  Wenn wir uns auf diese Zeit recht vorbereiten, und einen frölichen Muth im Leben und Sterben behalten wollen: so müssen wir uns gewöhnen, die Tage unsers Lebens und den Tag unsers Todes nicht mit fleischlichen, sondern mit Glaubens-Augen anzusehen, und die dabey waltende Vorsehung Gottes stets zu bedencken.
 
 
  Diese Worte Hiobs eröffnen uns das Buch der göttlichen Vorsehung, und wenn wir hinein sehen, finden wir:
 
 
 
a) beschrieben, die Tage unsers Lebens, und erkennen mit geziemender Ehrerbietung, wie herrlich diese Vorsehung des Höchsten sich hervor thue, theils in Erhaltung, theils in Regierung unsers Lebens. Seine Vorsehung erhält unser Leben; denn die Zahl unserer Monden stehet bey ihm: seine Vorsehung regieret unser Leben, denn sie hat unsere Zeit und Tage bestimmt, und allen Dingen ein Ziel, oder wie das Wort [ein Wort Hebräisch] kan übersetzet werden, eine gewisse Ordnung gesetzet, Maaß und Weise vorgeschrieben. Das Wort, das GOtt in der
 
  {Sp. 760}  
 
 
  Schöpffung geredet hat, ist nicht verschwunden, und kein blosser Schall gewesen, sondern es ist gleichsam das Leben aller Creaturen,
Matth. IV, 4.
 
 
  Würde die Sonne ihr Licht zurück ziehen: so würde die gantze Erde und alle Planeten, die von der Sonne regieret, und erleuchtet werden, auf einmahl gäntzlich in Finsterniß verfallen: Gleichergestalt wenn Gott nur einen Augenblick seine alles erhaltende Lebens-Krafft zurück ziehen wolte: so müsten alle Creaturen auf einmahl ihr Leben und Wesen verlieren, und wieder in das Nichts verfallen, woraus sie durch seine allmächtige Schöpffers-Krafft sind hervorgebracht worden
Ps. CIV, 30.
 
 
  Die Schrifft vergleichet den Menschen mit einem Schatten,
  • Hiob XIV, 2. VIII, 9.
  • Ps. CXLIV, 4.
 
 
  Ein Schatten ist ein Krafftloses Ding, so von sich selbst nichts ist, und keine Bewegung hat, sondern bloß an einem Leibe hanget, und dem Leibe folgt, wo er hingehet. Wie nun der Schatten sich gegen den Leib verhält: so auch der Mensch gegen Gott. Sein Leben und Bewegung, sein Vermögen und Krafft hat er nicht von sich, sondern von Gott. Der Leib ist ein Schatten der Seele, und die Seele ein Schatten Gottes. Wie aber Gott ein Erhalter unsers Lebens ist: also ist er auch ein Regierer desselben. Unsere Zeit, und alles was uns darinne begegnet, ist von seiner Vorsehung bestimmt und gleichsam abgemessen. Er hat einem jeden Dinge sein Maaß, Ziel, und Weise gesetzt, und eine gewisse Ordnung vorgeschrieben.
 
 
 
  Die Thoren sprechen zwar in ihren Hertzen: es gehe in der Welt verwirrt unter einander, was geschiehet, das kommt von blinden Glücke, es geschehe von ohngefehr, man müsse sich blos durch seinen Witz helffen, und Gott bekümmere sich nicht um unser Thun: Aber solcher Gottlosen Meynung müsse ferne von uns seyn.
  • Ps. CXLVII, 5.
  • Hiob XXIII, 13.
 
 
  Seine Vorsehung erstrecket sich sogar auf die geringsten Dinge,
Matth. VI, 26. X, 29. LVI, 9. XXXIII, 13.
 
 
  Wie wunderbarlich Gott sein Werck bey Lenckung der menschlichen Hertzen habe, davon findet man augenscheinliche Zeugnisse. Nur müssen wir uns vor dem einigen hüten, daß wir ihn nicht zur Ursache der Sünden machen. Im übrigen bleibt es bey dem, was Salomo sagt: Jedermanns Gänge kommen von dem Herrn, welcher Mensch verstehet seinen Weg,
  • Sprichw. XX, 24.
  • Jer. XVIII, 6.
 
 
  Er kan aus uns machen was er will.
Sprichw. XVI, 9.
 
 
  Wie es heut oder morgen ergehen werde, muthmassen wir zwar in unsern Gedancken; der Erfolg aber beruhet bloß in Gottes Händen. Wenn die Menschen ihre Sachen aufs klügste ausgesonnen haben, und dencken nunmehro sey alles richtig: so ist es doch Gott ein geringes, die Klugheit der Menschen zu Thorheit zu machen, und ihnen durch Jesaiam sagen lässet VIII, 2: Beschliesset einen Rath und es werde nichts draus.
 
 
 
  Da ferner in unsern angeführten Worten, eines Ziels Meldung geschiehet, das Gott dem Menschen gesetzet hat: so mercken wir daß Agur Sprichw. XXX, 8. eben dieses Wort in seiner Sprache gebrauchet, da es im Deut-
 
  {Sp. 761|S. 394}  
 
 
  schen heist: Laß mich meinen bescheidenen Theil Speise dahin nehmen. Und also können wir nach unsern Textes Worten wohl sagen, GOtt habe einem jeglichen sein bescheiden Theil Speise, seine Nahrung und Auskommen verordnet, dem einen reichlich, dem andern sparsam, nach seinem Gutbefinden.
 
 
  Die Haupt-Absicht aber des Textes gehet auf das Ziel unsers Lebens. Wie wir also bisher die Tage unsers Lebens in dem Buche der göttlichen Vorsehung beschauet haben, also sehen wir auch
 
 
 
(b) wie der Tag unsers Todes darinne beschrieben sey.
 
 
 
  Hier wissen wir, daß dem Menschen einmahl gesetzt ist, zu sterben,
  • Ebr. XI,
  • 1 B. Mos. III, 19.
 
 
  Dieses Ziel kan kein Mensch überschreiten. Denn, wo ist jemand, der da lebe und den Tod nicht sehe,
Ps. LXXXIX, 49.
 
 
  Etlichen wird das Lebens-Licht im Mutterleibe ausgelöscht: andern, wenn sie schon gebohren sind, und nur kurtze Zeit gelebt haben. Etliche werden in der Helffte ihrer Tage hingerissen. Manche sterben eines gewaltsamen, andere eines natürlichen Todes. Und wenn es hoch kömmt, ist unser Leben achtzig Jahr,
Ps. XC, 10.
 
 
  Wenn man aber hierbey fragt: Wie sich eigentlich die Göttliche Vorsehung bey der Ordnung des menschlichen Lebens-Ziels verhalte? So muß man mit Bedacht und Unterscheid darauf antworten.
 
 
 
  Anfangs muß man die Göttliche Vorwissenheit bey dem menschlichen Lebens-Ziele erkennen, Krafft welcher GOtt alle Dinge von Ewigkeit her gewust, mithin auch voraus gesehen hat, zu welcher Zeit und auf welche Art der Mensch sterben werde. Der Mensch weiß seine Zeit nicht, wie lange er leben werde: aber GOtt weiß gewiß, wenn unser Leben seyn Ziel erreichen werde.
 
 
 
  Zweytens muß man auch auf die Göttliche Zulassung bey dem Tode des Menschen sehen. Wenn ohne GOttes Willen nicht ein Sperling auf die Erde, ja nicht ein Haar von unsern Haupte fället,
Matth. X, 29:
 
 
  so wird vielweniger ein Mensch ohne GOttes Willen dahin fallen. Es könnte ja GOtt niemahls an Mitteln fehlen den Tod des Menschen zu verhindern, und sein Leben zu verlängern, wenn es seinem allweisen Rath beliebte. Ein Beyspiel sehen wir an Christo
  • Joh. VII, 30.
  • Apostelg. II, 23.
  • Lucä XXII, 53.
 
 
  Drittens müssen wir theils auf die ordentliche, theils auf die ausserordentliche Würckung GOttes Acht haben. Ordentlich würckt GOtt, wenn er einem Menschen nach dem ordentlichen Lauff der Natur sterben lässet. Wie aber ein Uhrwerck, welches seinen ordentlichen Lauff hat, so eingerichtet werden kan, daß es langsamer oder geschwinder, als sonst, abläufft: also kan auch der Allmächtige unsere Lebens-Zeit ausserordentlich verlängern oder verkürtzen nach seinem Wohlgefallen,
  • Jes. XXXVIII, 5.
  • Ps. CII, 24.
  • Jes. XXXVIII, 12.
 
 
  Solche Verkürtzung des Lebens geschiehet bisweilen aus Gnaden, bisweilen aus Zorn. In jenem Fall handelt GOtt als ein liebreicher Vater: in diesem als ein gerechter Richter. Siehet ein Vater, daß eine Feuersbrunst oder sonst ein Unglück entstehet, so suchet er seine Kinder zuerst in Sicherheit zu setzen: Eben so pflegt der barmhertzige GOtt vorher seine liebsten Kinder zu sich zu nehmen, ehe sein Zorn über die Welt entbrennt,
  • Jes. XXVI, 20.
  • 2 B. Kön. XXII, 19.
  • Jes. LVII, 1.
 
 
  Und ob er gleich zeitlich stirbt, ist er doch in der Ruhe: denn er gefält GOtt wohl etc.
B. Weish. IV, 7
  {Sp. 762}  
    u.ff.
 
 
  Bisweilen aber wird ein solches frühzeitiges Lebens Ziel von GOtt aus gerechtem Zorn verhänget. Die Blutgierigen und Falschen werden ihr Leben nicht zur Helffte bringen,
Ps. LV, 24.
 
 
  Die tägliche Erfahrung lehret auch, wie viele ihren Tod durch die Sünden beschleunigen. Wenn aber jemand fragt: Ob man bey denen von der Obrigkeit Verurtheilten sagen könne: GOtt habe ihnen diese Zeit und Art des Todes bestimmt: so antworten wird: GOtt sey nicht die Ursache seiner Sünde, aber wohl seiner Straffe. Er treibt nicht den Übelthäter an, zu sündigen; er regieret aber wohl des Richters Hertz, ihn davor abzustraffen. Die Sünde hätte der Übelthäter wohl vermeiden können: weil er aber muthwillig gesündiget; so thut ihm GOtt kein Unrecht, wenn er seiner Boßheit ein Ziel gesetzet, und ihm durch die Obrigkeit seinen verdienten Lohn geben lässet.
 
 
 
  Kan man aber von denen die sich selbst entleiben, sagen: GOtt habe ihnen ihr Ziel gesetzet? Hierauf sagen wir: GOtt hat keinen Gefallen am Tode des Gottlosen: beharret er aber auf seinem verstockten Sinn, so kan der gerechte GOtt gar wohl dem Teuffel Macht lassen diesen Menschen vollends in Verzweiffelung, und in den Tod zu stürtzen. Man lese die Begebenheiten
 
 
 
 
  • mit Ahab
1 B. Kön. XXII, 19.
 
 
 
  • und David
1 Chron. XXII, 1.
 
 
  Daß aber ohne GOttes Verhängnis der Satan dergleichen nicht thun dürffe, ist aus 2 Sam. XXIV, 1 zu ersehen.
 
 
 
  Bey manchen Arten des Todes scheint es, als ob sie von ohngefehr geschähen daß aber die göttliche Vorsehung mitwalte, zeigt Moses 2 B. Mos. XXI, 13 an.
 
 
 
  Fragt man weiter: Wenn niemand ohne GOttes Willen stirbt; worzu dienen die Artzeneyen, und andere Vorsichtigkeit? Wir antworten: GOtt, der dem Menschen das Leben gegeben, hat ihm auch befohlen, zu dessen Erhaltung ordentliche Mittel zu gebrauchen. Wie wir nun Speise und Tranck in gesunden Tagen zu uns nehmen: so müssen wir auch in Kranckheiten dienliche Artzeneyen gebrauchen; ob wir gleich hernach der göttlichen Vorsehung anheim stellen müssen, ob er die Artzeneyen segnen wolle.
 
 
 
  Und ob schon ein Christ versichert ist, daß ihm ohne göttlichen Willen auch die gröste Gefahr nicht schaden könne: so muß er doch GOtt durch Vermessenheit nicht versuchen, noch sich muthwillig in Gefahr begeben. Wer gar zu kühn ist, dem geschiehet recht, wenn ihn GOtt fallen lässet, und seyn Ziel früher setzet, als er vermuthet hatte. GOttes Vorsehung soll uns im Glauben, aber nicht in der Sicherheit und Verwegenheit stärcken: gleichwie hinwiederum menschliche Vorsichtigkeit die göttliche Vorsehung nicht aufhebt; sondern wenn wir unsere Pflicht geachtet haben, demjenigen alles allein anheim stellen müssen, der über Leben und Tod zu gebieten hat.
Lith Steine des Anstoß. …
     

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HIS-Data 5028-61-725-2-05: Zedler: Zeit [5] HIS-Data Home
Stand: 15. Februar 2013 © Hans-Walter Pries