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Verhalten gegen die politischen Reden |
Vors andere folget unser Verhalten gegen die
politische Reden. Daß man in
Conversation
reden
müsse, erfordert überhaupt die
Klugheit und die Beförderung
unsers
Nutzens.
Denn eine in der Conversation klug-geführte Rede ist hinlänglich, uns anderer
Gemüther zu gewinnen; da hingegen die ungeschickte und plumpe Discourse, oder
gar ein närrisches Stillschweigen eine gar üble Nachrede hinter sich lassen, und
man wird alsdenn vor einen
Menschen
angesehen, der sich in der Wohlanständigkeit zu leben nicht zu schicken wüste. |
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Wer in
Gesellschafft von etwas urtheilet, hat
den Vortheil, daß entweder seine
Gedancken gebilliget werden, oder bekommt
Gelegenheit, sich aus denen von andern gemachten Einwürffen vollkommener zu
unterrichten, und entweder durch Ablehnung derselben in seinen wohlgegründeten
Gedancken sich desto mehr zu bestärcken, oder widrigen Falls daher eine
angenehme Anleitung finden zu können, einen Irrthum oder Zweiffel abzulegen. |
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Hier möchte jemand fragen: ob derjenige, der in
Gesellschafft nichts rede, vor dumm zu achten sey? Gracian
sagt in Oracul. Max. 48. zwar gar recht, daß ein
Kopff, der ungeschickt und leer von
Gedancken
ist, auch ungeschickt sey einen reellen Discurs zu führen, und fortzusetzen;
aber es läst sich nicht schlüssen, daß alle diejenigen, die in Gesellschaft
nicht, oder wenig reden, Leute von ungeschicktem und leerem
Verstand
wären, indem das Stillschweigen nicht allezeit eine
Würckung
der Unwissenheit und Dummheit ist, und dieses z.E. von verstockter
Boshafftigkeit, welche mit gar lebhaftem und gutem Verstande verbunden seyn kan,
auch offt von übler Erzühung ausser aller Gesellschafft, und daher entstehender
Blö- |
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{Sp. 1599|S. 809} |
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digkeit, oder aus einer Christlichen
Klugheit herrühren kan. Will man sich
aber durch eine Rede, oder Discurs in einer Gesellschafft recommendiren, wie
denn ein wohl an einander hangender Discurs gleichsam die
Seele
einer guten Conversation ist, so muß derselbe klug und
vernünfftig
seyn, wozu denn ein solider,
reicher
und wohlgeübter Verstand, dem es nie an guten Gedancken mangeln möge, und die
Klugheit sich solcher Gedancken zu diesem
Zweck vernünfftig zu bedienen,
erfordert wird. |
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Klug führt man sich auf vor der Rede, wenn man sich erstlich solche
Gedancken
zur
Materie seines Discurses erwählet, die man nach Beschaffenheit der Umstände,
die Conversation zu unterhalten, vor dienlich befindet. So wäre es nicht klug,
von etwas zu reden, welches diejenigen, mit denen man in Unterredungen ist,
nicht verstünden, und ihre Fähigkeit überstiege. Denn in einer Unterredung hat
einer, der da redet, die Absicht, dem andern die Gedancken von einer
Sache,
die er selbst hat, zu erwecken, in
Meynung, er werde eben den Beyfall, den er bey dem
Begriff
derselben in sich
empfindet, auch in seinem
Gemüth
empfinden, wenn er vermittelst der Rede einen
gleichen Begriff solcher Gedancken überkommen wird. |
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Nun aber haben ja nicht alle Leute die Fähigkeit, jede gute und gründliche
Gedancken
zu begreiffen, oder sich beybringen zu lassen, es sey nun, daß solche
Unfähigkeit scheltenswürdig sey, wie sie es z.E. ist bey Leuten, die von einer
Wissenschafft Profeßion machen, oder durch Stupidität, oder
Vorurtheile und
Affecten viele dazu gehörige gründliche Wahrheiten zu begreiffen
gehindert werden: oder daß sie auch nicht scheltenswürdig sey, als nemlich bey
Leuten, die von einer Wissenschafft eben nicht Profeßion machen, und also nur
aus Mangel der Erfahrenheit in derselben einer
Sachen
nicht mächtig sind, |
siehe
Müllers Anmerckungen über
Gracians Oracul Max. 58. n. 2. p. 447. |
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Es wäre weiter nicht klug, wenn man in einer
Gesellschafft, wo viele
Weibs-Personen zugegen wären, von gelehrten, und
Staats-Dingen, oder wo Gelehrte und Staats-Leute vorhanden, von
Haushaltungs-Sachen reden wolte. Nicht weniger stieße man wider die
Klugheit an,
wenn man von sich selbst rede, und entweder seine Fehler, oder Sünden der
Jugend, seine Schul- und
Studenten-Possen erzähle; oder seine löbliche
Thaten
herausstreiche, es möge nun dieses directe, da man seine Fehler, oder Tugenden,
mit einem ausdrücklichen Tadel, oder Lob anführet; oder indirecte und
Folgerungs-Weise geschehen, wenn man seine Fehler und Tugenden zwar nicht mit
ausdrücklichem Tadeln und Lobes-Erhebungen anführet, selbige aber doch von
jedermann aus solcher Erzählung können und müssen geschlossen werden. |
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Denn die Ehre ist eine hohe
Meynung, die andere von uns hegen; gleichwie im Gegentheil
eine Meynung, die man von sich selbsten hat, Hochmuth heisset. Gleicher gestalt
ist Schande, eine niedrige Meynung, die andere von uns hegen, eine dergleichen
niedrige Meynung aber, die man von sich selber heget, und in den unrühmlichen
Eigenschafften, darauf sich solche Meynung gründet, oder aus Liederlichkeit oder
Kleinmuth behar- |
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{Sp. 1600} |
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ret, ist eine Niederträchtigkeit des
Gemüths. |
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Inzwischen wenn dasjenige im Gegentheil, was man von sich selber redet, in
Betrachtung der Ehre
und Schande was indifferentes ist; oder auch wohl auf Erfordern der
Nothwendigkeit
und anderer Umstände, man von seinen guten, oder nicht guten Thaten zu reden vor
nöthig erachtet, also daß in Ansehung solcher Umstände kein Eigen-Lob oder Tadel
daher vermuthet werden kan, da mag man wohl, so weit es die Noth, oder Connexion
des Discurses erfordert, mit gehöriger Bescheidenheit von sich selber reden. Von
der letztern Art hat der Apostel Paulus in dem 11. Capitel des
andern Send-Schreibens an die Corinthier eine sehr schöne Probe gegeben, daß
Erasmus über Röm. 15. v. 19.. gar recht
schreibet: Paulus
fuit vir et modestissime magniloquus et magnifice modestus, in Christo superbus,
in se humilis. |
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Es wäre ferner nicht klug, von Leuten, die zugegen sind, zu reden. Denn
einen Menschen
in seiner
Gegenwart ausdrücklich loben, ist so viel, als ihn nöthigen, seine
Meynung, die er von sich selber heget, zu
erkennen zu geben,
welches kein kluger Mensch gerne thut, indem, wenn er dem ihm beygebrachten Lobe
beypflichten wolte, solches einen Hochmuth anzeigen würde, und wenn er sich
demselben widersetzen wolte, solches einer heuchlerischen Demuth ähnlich sehen
möchte. Dahero im Gegentheil ein Lob, das einem Menschen zwar in seiner
Gegenwart, jedoch aber indirecte und durch eine gute Folgerung gegeben wird,
weit mehr Annehmlichkeit hat, indem er allda der
Nothwendigkeit,
sich darauf mit etwas heraus zu lassen, leichter überhoben seyn kan. |
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Gleiche Bewandniß hat es mit dem Tadel eines
Menschen
in seiner
Gegenwart. Denn andern, die zugegen sind, ist solcher Tadel mehr
verdrüßlich, weil sie dadurch veranlasset werden, ihre
Meynung von dem, der zugegen ist, ebenfalls kund zu geben:
und demjenigen selbst, zu dessen Tadel etwas in seiner Gegenwart
gesprochen
wird, kan solches nicht anders, denn höchst verdrüßlich fallen. Denn solchem
Tadel geruhiglich beyzupflichten, wäre eine Niederträchtigkeit, und sich
demselben zu widersetzen, ist an sich selbst eine verdrüßliche
Arbeit,, zumahl wenn solche Widersetzung ein Lob seiner
selber in sich halten würde, wie solches mehrentheils geschiehet: zu geschweigen
der
empfindlichen Unhöflichkeit, die derjenige, der den andern in seiner
Gegenwart tadelt, dadurch begeht, |
siehe
Müllers Anmerck. über
Grac. Orac. Max. 117. p. 114. |
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Es wäre nicht klug, wenn einer in einer
Gesellschafft von
Sachen
reden und raisonniren wolte, die er nicht verstünde, indem er dadurch seine
Blösse und ungereimte
Affecten zu
erkennen geben würde: und was andere Arten
mehr sind, worinnen man in Ansehung dieser
Materie eines Discurses wider die
Klugheit handelt. |
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Es ist aber nicht gnug, daß man sich in Erwählung einer
Materie klug
verhalte, sondern es erfordert auch die
Klugheit die dritte Achtsamkeit im
Reden, daß ein
Mensch,
ehe er etwas redet, zuvor die Folgerungen erwäge, so die
Gedancken,
die er durch das Reden andern erwecken würde, nach sich zühen möchten. Denn
hier- |
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{Sp. 1601|S. 810} |
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durch haben wir diesen Nutzen, daß unsere Absichten u.
Thaten
desto ungehinderter von statten gehen mögen; daß wir unsere
Affecten und
Schwachheiten entweder überhaupt, oder in Ansehung einer und der andern
Sachen
insonderheit, so wohl Freunden, als Feinden, nicht so leicht zu verrathen möge,
und daß das Gute, so wir thun, desto
ansehnlicher in die Augen fallen möge, |
siehe Müller c.l. Max. 160 p. 341. |
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Die Klugheit bey der Rede selbst kommt vornehmlich auf einen klugen und
geschickten Vortrag an, da man in Ansehung der Weitläufftigkeit nicht immer, wie
ein Lehrmeister nur allein reden und seine
Weisheit sehen lassen muß, sondern
vielmehr dem andern, der auch wohl von so vielen Einfällen nicht ist, immerfort
zu gleichmäßigen
Gedancken
Anlaß zu geben wisse, damit also die Unterredung von beyden Theilen immer munter
und lebhafft fortgeführet, und folglich Zeit währender Conversation den Leuten
nicht Zeit und Weile lang währen möge. |
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In Ansehung der innern Beschaffenheit des Vortrages ist nöthig, daß man
erstlich wohl rede, das ist, daß man seine Neben-Ideen, mit welchen man seine
Haupt-Ideen vorzutragen willens ist, wohl und accurat ausdrucke, und daß man zum
andern manierlich rede, das ist, daß man diejenige
Regeln des Wohlstandes wohl
beobachtet, welche die
Gewohnheit
geschickter Leute eingeführet, um jegliche
Art
der
Gedancken,
die man vorträgt, auf eine
angenehme Art zum Vergnügen des andern vorzutragen.
Wollte sich jemand z.E. in
Gesellschafft ingenieuser Reden bedienen, es wäre aber darinnen nichts
sinnreiches, lebhafftes, und sonst unanständige Possen enthalten, wie man in den
gemeinen Schertz-Reden öffters wahrnimmt, so würde er bey
Vernünfftigen
schlechten Vortheil gewinnen. |
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Wolte jemand scharffsinnige Discourse führen, so wäre es ein
schulfüchsischer Fehler, wenn man wie Lehrmeister seine Sätze und
Demonstrationen aus der Logick oder Moral herbeten wolte. Den
Regeln in Thesi
hören und lernen wollen, ist ein
Werck,
das gar nicht hauptsächlich in
politische Conversationen, sondern in die
Auditoria gehöret, und was andere Regeln mehr sind, die man aus
Erfahrung
in Praxi bemercken kan. |
Man lese
-
Thomasium im Entw. der politischen Klugheit Cap. 5.
- Rohr in der Klugheit zu leben Cap. 20.
- Heumann in pol. Phil. Cap. 2 §. 19 ff.
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Verhalten bei Rede eines anderen |
Das andere Stück der Praxis in Ansehung der Rede ist, wie wir uns bey der
Rede eines andern verhalten müssen? Wobey diese Stücke in Betrachtung zu ziehen,
wie wir uns bey Anhörung anderer Reden klüglich aufführen; wie wir eines andern
Rede klüglich nutzen; und wie wir eines andern Rede
geschickt auslegen und
erklären sollen? |
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Was das erste anlangt, wie wir uns bey Anhörung anderer Reden klüglich
aufzuführen? so muß hierinnen unser Verhalten überhaupt nach den
Regeln der
Wohlanständigkeit eingerichtet werden, welche durch die Gewohnheit
vernünfftiger,
kluger und
geschickter Leute eingeführet worden. So wäre es was unanständiges,
wo jemand was discouriret, und man wolte was anders thun z.E. in einem
Buch
lesen, von seinem Sitz aufsteigen, in der Stuben herum gehen, sich ans Fenster
legen. Es wäre was unanständiges, wenn man dem an- |
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{Sp. 1602} |
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dern in die Rede fallen wolte, es geschehe nun, zu was Ende es wolle. Denn
man hat was zu erinnern, so kan dieses geschehen, wenn er ausgeredet hat. |
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Es ist aber auch noch eine besondere
Klugheit in Anhörung anderer Reden, was
die verschiedenen
Arten derselben anlanget, nöthig, z.E. bey unangenehmen und
verdrüßlichen Reden, dabey sich einer klug aufführet, wenn er sich ein wenig
einfältig stellet, als wenn ers nicht verstehe, und also über das verdrüßliche
nur oben hingehet. Gleichwie derjenige, der einem was unangenehmes
sagen muß,
klug handelt, wenn er dabey die
Sprache ein wenig ändert, das ist, das unangenehme nicht so trocken
heraus
saget, sondern etwa nur in generalibus bleibet, oder es sonst
auf eine sinnreiche Art mit
angenehmen Neben-Ideen zu bemänteln suchet. |
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Fallen kurtze und sinnreiche Reden in einer
Gesellschafft für, und zwar erstlich solche, wodurch man die
Gemüther auszulocken gedencket, so will die
Klugheit, daß man
sich bald in selbige zu finden wisse, das ist, die Absicht, die der andere
darunter führet, bald kennen lerne. Denn wenn man die Absicht einer solchen Rede
bald gewahr wird, so wird man sich desto leichter hüten können, seinen
Affect
sich verleiten zu lassen, daß man sich zu seinem
Schaden darauf mit etwas heraus
lassen solte. |
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Wird ein
Mensch
unvermuthet und in seiner
Gegenwart in Conversation mit einer höhnischen Rede
aufgezogen, so muß er soviel
Erkänntniß
seiner selbst haben, daß er wisse, ob er soviel Hurtigkeit des Ingenii besitze,
daß er fähig sey, einen mocquanten Gegenpart mit gleicher
Müntze
zu bezahlen. Denn ein solcher handelt nicht übel, und kommt am besten aus der
Sache,
wenn er das Gelächter, so seyn Gegenpart über ihn zu erwecken gedacht, solcher
gestalt auf seine eigene
Person
zurück wendet, als welches umso viel leichter geschehen kan, da allezeit eine
sinnreiche Antwort auf eine Mocquerie mehr Grace als die Mocquerie selbst hat.
Ist aber ein Mensch mit dergleichen Hurtigkeit des Ingenii nicht begabet, so
erfordert die
Klugheit, daß er sich mit einem solchen ingenieusen Mocqueur gar
nicht einlasse, auch nicht bloß gehe, als ob ihn die Mocquérie afficire; sondern
die Beantwortung derselben mit einer indifferenten Art unterlasse; in seinem
Thun
aber, dafern dieses
vernünfftig
ist, mit guter Gelassenheit fortfahre. Kommen Lob-Reden aufs Tapet, so muß man
den Discours auf eine andere
Materie zu bringen wissen. |
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Der andere Punct, wie wir eines andern Rede klüglich nutzen sollen, ist
insonderheit um deßwillen ein sehr nützliches Stück der
Klugheit in Ansehung der
Rede, weil man immer in Conversation diejenigen
Dinge,
an denen uns am meisten gelegen, nur halb zu
sagen pflegt, und dieses geschicht
zuweilen mit Intention, zuweilen auch wieder die Intention derer, die da reden.
Was das erstere anlanget, so haben offt diejenigen, die uns entweder aus
Wohlwollen oder aus Kützel uns zu insultiren, etwas
sagen wollen, ihre
Ursachen,
weswegen sie mit ihren
Gedancken
nicht recht gegen uns heraus wollen. Denn es kan zuweilen eine allzufreye
Entdeckung derselben gefährlich seyn; bisweilen wollen uns gute Freunde in
Gegenwart anderer ein Ding verdeckt zu
verstehen geben; zuweilen pflegen die
Leute aus guter, oder
böser
Meynung ihr Mißfallen, |
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{Sp. 1603|S. 811} |
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oder Wohlgefallen über etwas wohl mit einem eintzigen nachdencklichen
Wort
sich mercken zu lassen, oder unser Versehen, oder bevorstehendes Unglück
verdeckter Weise anzuzeigen oder vorzurücken u.s.f. |
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Was aber das andere betrifft, so sind wohl wenig Leute so gar
Herren
über ihre
Affecten, daß sie sich nicht zuweilen auch wider ihre Intention aus
Nachläßigkeit, oder aus Hitze ihrer Affecten durch ein und andere nachdenckliche
Reden, daraus man das, was sie im Sinn haben, schlüssen kan, bloß geben solten,
wenn nur der andere so viele Aufmercksamkeit und
Verstand hat, dasjenige, was
dißfalls in ihren Reden heimlich verborgen steckt, zu begreiffen. Der
Nutzen
nun, den man aus solchen Reden zühet, muß darin bestehen, daß man vermöge der
Aufmercksamkeit und Scharffsinnigkeit des Verstandes die Absicht des, der da
redet, begreifft, und sich darnach zu richten weiß. |
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Hierinnen wird man sich gar bald helffen können, wenn man nur auf die
unterschiedene Arten, verdeckt zu reden, Achtung giebet, davon dreyerley
Haupt-Gattungen anzumercken: zuweilen bedient sich ein
Mensch
einer nachdencklichen Expression, welches vermöge ihrer Neben-Ideen, oder auch
nur der Mine, oder des Tons der Stimme, damit sie vorgebracht wird, einem klugen
Aufmercker die verborgenen
Gedancken
dessen, der da redet, verräth. Zuweilen läst sich ein Mensch mit etwas heraus,
das zwar dasjenige nicht selbst ist, das man gern
erfahren wolte, aber daraus
man doch solches durch eine gute Folgerung ziehen kan; und zuweilen fällt ein
Mensch in seinen Discoursen etwas nachdencklich von einer
Sache
auf die andere, da ein guter Aufmercker auf die Connexion der Gedancken dessen,
der da redet, manche Gedancken, die er nicht mit
saget, nach den
Regeln
der Wahrscheinlichkeit vermuthen kan, |
siehe
Müllers Anmerck. über
Grac. Orac. Max. 25. n. 1. p. 163. |
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Endlich folget auch, wie wir eines andern Rede
geschickt auslegen und
erklären sollen? wohin die Auslegungs-Kunst zielet, wovon
besonders gehandelt worden. |
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Siehe übrigens die
Artickel: |
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- logos, im XVIII
Bande, p. 276,
- Oratio, im XXV Bande, p.
1735 u.f.
- ingleichen
Reden.
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