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Text |
Quellenangaben und Anmerkungen |
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In diesen zwey gedachten Abhandlungen ist das Wort
sōthēnai, oder selig werden,
vornemlich von der
zeitlichen
Glückseligkeit
erkläret worden; Wir
wollen aber noch einer kurtzen
Schrifft
hier Meldung thun, weil darinnen von obiger
Meynung abgegangen wird. Es ist dieselbe eine
Disputation,
welche
D. Johann Balthasar Bernhold, der H.
Theologie, wie auch
der
Griechischen Sprache,
öffentlicher
Professor zu Altorf, im
October 1735
gehalten hat. Sie führet den
Titel:
Hypomnemata exegetica de salvanda per filiorum generationem muliere.
Und enthält folgendes in sich: |
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In dem Neuen Testamente, so 1732 in Offenbach von dem Fanatischen
Übersetzer, Johann Jacob Junckherrott, heraus gekommen ist,
heisset es: |
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„Gerettet werden sie aber durch
Kinder-Zeugungs da aushin wenn bleiben sie da, in Glauben auch Liebe auch
Gemachtwerdung heilig bey Bedachtwerdungs auf Gerettetwerdung da aushin.„ |
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Dieses ist weder
Griechisch, noch Deutsch; Und es scheinet, als wenn ein
solcher Übersetzer unter dem Hute nicht wohl verwahret wäre. Die
Person,
von der allhier die
Rede ist, wird V. 2 gynē
genennet, gleichsam gonē, ein Weib, das mit ihrem
Manne
rechtmäßig in der
Ehe verbunden ist. Es wird dieses Wort von dem weiblichen
Geschlechte
schlechterdings genommen; |
- 1. Tim. II, 9;
- Matth. V, 28.
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Zuweilen deutet es eine
Jungfrau an, als Galat. IV, 4. |
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Es stehet offt in uneigentlichem
Verstande; Als Offenbahr. XII, 1, 4, 6, 13, 14, 16
u.f. |
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Weil des
Kinder-Zeugens in unserer
Stelle gedacht wird, so ist leicht zu sehen, daß die
erste Bedeutung hier allein Statt finde. De
bedeutet |
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Apost. Gesch. XII, 9; |
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2. Corinth. X, 3; |
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1 Corinth. IX, 15. |
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Daß es hier so viel, als Doch anzeige, ist aus dem, was vorher gehet, zu
erkennen. |
Vergl. 1 Corinth. XIV, 1; Cap. II, 6. |
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sōzethai heist selig werden, erhalten wer- |
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{Sp. 35|S. 31} |
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den, oder Schaden davonkommen. Es wird einmahl von der ewigen Seeligkeit
gebrauchet, |
- Matth. I, 21; X, 22;
- Marc. X, 26;
- Lucä XVIII, 16;
- Johann III, 17.
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Und diese Bedeutung ist in der
H. Schrifft sehr gemein. Ferner bedeutet es so viel, als errettet werden;
z.E. von einer Kranckheit oder Gefahr, |
- Johann XI, 11 u.ff.
- Apost. Gesch. XVIII, 48;
- Lucä XXIII, 35.
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Daher stehen einige in den
Gedancken,
es werde allhier den Weibern von Paulo eine zeitliche Glückseligkeit verheissen.
Allein der Zusammenhang in diesem Capitel giebt die erste Bedeutung an die Hand.
Es ist kürtzlich zu erweisen, daß das allhier mit dem Genitivo gebrauchte
dia soviel bedeute, als Non obstante, nihil
prohibente, quin. Denn dieses Wörtgen hat Gelegenheit zu unterschiedenen
Meynungen gegeben; Zu geschweigen, daß die Papisten daraus
behaupten wollen, daß
Kinder-Zeugen sey eine
verdienstliche
Ursache
der Seligkeit. |
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Bellarminus will (L. I. de matrimonio, c. 2)
daraus
beweisen, daß der
Ehestand ein Sacrament sey, das ist, die Verheissung
der rechtfertigenden Gnade habe. Paulus aber macht das
Kinder-Zeugen nicht zu einer
Ursache
der Seligkeit, sondern
sagt
nur, daß die Weiber in dem
Stande,
da sie Kinder zeugen, selig würden, so sie blieben im Glauben, und in der
Liebe,
und in der Heiligung, samt der
Zucht, d.i. so ferne sie den wahren Glauben
hätten. |
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Daß die oben angeführte Bedeutung hier statt habe,
beweiset und bestätiget
der biblische Gebrauch. Z.E. 1 Petri III, 20: Acht Seelen
deesōthēsan di hydatos, wurden durch das Wasser
erhalten. D.i. Noah und 7 Menschen mit ihm wurden, unerachtet die Sündfluth kam,
in dem Wasser erhalten. |
Vergl.
- 1 Corinth. III, 15.
- 2 Corinth. II, 4;
- Galat. IV, 13.
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dia stehet vor en; |
- Röm. II, 27, 29;
- 2 Corinth. III, 11.
Siehe
Scultetum ad h.l.
- 1 Tim. II.
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Xenophon Paed. …: dia
penthous to gēras diagōn, der sein Alter im Trauren zubringet.
Lucianus dia cheiros echō, ich habe es in
der Hand, oder
Macht. |
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Teknogonia, das
Kinder-Gebären, wird bloß
einem
Eheweibe zugeschrieben. Es schliesset das Schwangerwerden, Schwangergehen,
und das Gebähren ein. Daß es auch das Erziehen der Kinder in sich begreiffe,
mercken Jacob Capellus, Chrysostomus und Theophylactus
an. |
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Der andere Satz, oder die Bedingung des ersten Satzes, lautet: So sie in dem
Glauben, und in der Liebe, und in der Heiligung, samt der
Zucht, bleiben. Viele
haben einen Anstoß gefunden, das meinōsin, der
Pluralis sich auf den vorhergehenden Singularem beziehen soll. Einige, als
Hieronymus, Chrysostomus, Ambrosius, und andere, haben
denselben auf die
Kinder gedeutet. Faber Scapulensis und der
Cardinal Cajetanus meynen, das Bleiben gehe auf den
Mann und das
Weib zugleich. Andere halten mit besserem
Rechte
davor, das allein auf das Weib gesehen werde, und daß Paulus
eine grammaticalische Figur gebrauche, und nicht so wohl auf das
Wort,
als auf den
Sinn,
sehe. Der Apostel redet nicht von einem eintzelnen Weibe, sondern von dem
sämtlichen weiblichen
Geschlechte.
Der- |
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{Sp. 36} |
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gleichen Veränderung der Zahl ist nicht so gar ungewöhnlich; |
Als
- Johann IX und XI;
- Galat. VI, 1.
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Es ist also der
Sinn:
So sie bleiben werden, d.i. so ein jedes unter denselben Weibern in dem Glauben
bleiben wird. |
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en pisei. Dieses
Wort
bedeutet den seligmachenden Glauben, welcher dem todten entgegen gesetzet ist; |
- Jacob. II, 17;
- Röm. III, 28;
- 1 Cor. XIII, 13.
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Paulus setzet die Tugend dieses Glaubens hinzu,
Liebe und
Heiligung. |
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hagiasmos bedeutet alle Reinigkeit des Lebens,
und Absonderung von allem, was unrein ist. Mit diesen Tugenden verbindet Paulus
sōphrosynēn [1], die
Christliche und Himmlische Klugheit; Diese ist der natürlichen
Klugheit und der
Narrheit entgegen gesetzet. |
[1] |
HIS-Data: korrigiert aus
sōphrsynēn |
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In den
Worten
selbst sind diese Lehr-Sätze: |
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1) |
Ein Christliches
Eheweib kan auf erlaubte Weise
mit ihrem Manne
Kinder zeugen; |
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Dieses ist der
Endzweck
des
Ehestandes |
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1 Corinth. VII, 2;
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1 Mos. II, 18 u.ff. Vergl. Matth. XIX, 4 u.f.
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2) |
Ein frommes
Eheweib kan selig werden; Ein Eheweib
ohne Glauben kan nicht selig werden, wenn sie gleich
Kinder zeuget. |
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3) |
Was den Glauben und Christliche Tugenden nicht
verhindert, das ist an und vor sich selbst der Seligkeit nicht zuwider:
Das Kinder-Zeugen verhindert beyde nicht. |
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4) |
Was der Seligkeit nicht hinderlich ist, das ist
erlaubet; Kinder-Zeugen, d.i. in dem
Ehestande leben, hindert die
Seligkeit nicht; Darum ist er Ehe-Stand erlaubet. |
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5) |
Die
Würckung
des Glaubens sind
Liebe, Heiligkeit,
Weisheit und Christliche Klugheit. |
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Was den Zusammenhang betrifft, so verbindet Paulus, nach
seiner
Gewohnheit,
Glaubens-Lehren und Lebens-Pflichten. In dem 1 Capitel träget er
Timotheo die Summe der Lehre vor, und ermahnet ihn, das
Amt eines
Bischoffs gebührend zu
verwalten.
In dem 2 Capitel erfordert er das öffentliche Gebet, V. 1, vor die
Obrigkeit, und
zwar allhier vor die heydnische Obrigkeit. Die
Ursachen
sind |
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- V. 3. Dieses ist
GOtt
angenehm;
- V. 4. GOtt will alle
Menschen
selig haben;
- V. 5. Es ist ein Mittler, welches auch die Heyden angehet.
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Endlich sagt er, V. 8. die
Männer
solten ohne Unterschied des
Ortes
beten, womit er den Unterschied zwischen Jüden und Heyden aufhebet. Er warnet
die Weiber V. 9. vor Kleider-Pracht, ermahnet sie V. 11 zu der Demuth und
Gottseligkeit. In dem 12 Verse schliesset er sie von dem Lehr-Amte aus, und
führet V. 13 und 14 die
Ursache
an. |
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Paulus deutet an, daß denen Weibern die
Straffe
auferleget worden, gehorsam zu seyn; Weil Eva der Schlange
Gehorsam
geleistet habe, |
1 Mos. III, 16. |
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Damit aber die Weiber nicht zaghafftig werden, so giebt er ihnen einen
Trost, und sagt, sie würden aber doch bey ihrem
Kinder-Zeugen selig, wenn sie in
dem Glauben, u.s.w. blieben. Demnach ist das Absehen Pauli, die
Ehe-Weiber bey ihren Geburts-Schmertzen, wenn sie auch ihren
Geist
darbey aufgeben solten, mit der Versicherung der ewigen Seligkeit zu trösten,
und zu der Standhafftigkeit in dem Glauben, und in der Gottseligkeit zu
ermuntern. |
Röm. VIII, 18. |
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Die
Schrifft
muß durch Schrifft erkläret werden. Diese lehret aber |
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1) |
daß
GOtt der Stiffter des
Ehestandes sey, |
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- 1 Mos. I, 27; II, 18;
- Malach. II,
14;
- Matth. V, 31 u.f.; XIX, 3 u.f.
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2) |
Daß viele Wöchnerinnen, so
wahrhafftig gläubig
gewesen, |
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{Sp. 37|S. 32} |
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Mos. XXIII, |
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1 Mos. XXXV. |
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3) |
Daß das Creutz die Seligkeit nicht verhindere,
sondern vielmehr befördere; |
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- 2. Tim. II.
- 1 Petri IV.
- Röm. VIII,
18
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4) |
Daß der Glaube Tugend und Liebe würcke; |
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Gal. V, 6. |
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Solchergestalt kan die Umschreibung unseres Textes also lauten: |
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„Ob denen Weibern gleich nicht
erlaubet ist, in öffentlicher Versammlung zu lehren, ob auch schon die Weiber
keine Herrschaft über die Männer haben; So haben sie doch zu Hause ihre
Verrichtung, und vornemlich das Kinder-Zeugen; Dieses soll ihnen dennoch an der
ewigen Seligkeit nicht hinderlich seyn, wenn sie in dem wahren Glauben, welcher
Liebe gegen GOtt und den Nächsten und Heiligkeit würcket, und von der
Himmlischen Klugheit begleitet wird, bleiben.„ |
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Wir mercken kürtzlich aus den Worten Pauli |
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a) |
GOtt ordnet nichts was die Seligkeit der
Menschen
verhindert; |
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- 2 Petri III, 19.
- Offenb. Joh. XXII, 2.
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b) |
Die Mittel der Seligkeit gehen so wohl die
Weiber, als
Männer
an; |
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- Galat. III, 28.
- 1 Petri II. 7.
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c) |
Die warhafftig-gläubigen sind ihrer Seligkeit
gewiß. |
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d) |
Die Papisten mißbrauchen den Spruch Pauli,
wenn sie das
Verdienst der Wercke daraus
beweisen wollen. |
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e) |
Sie bemühen sich auch vergebens, daraus zu
bestärcken, daß der
Ehestand ein Sacrament sey. |
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a) |
Die Frommen können auch in dem Hauß- und
Ehestande gute
Wercke
thun. |
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b) |
Diejenigen sündigen, und werden mit
Recht
gestraffet, welche die Zeugung der
Kinder verhindern. |
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c) |
Fromme Eheleute suchen nicht Fleisches-Lust,
sondern Kinder. |
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1 Corinth. VII, 2. |
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d) |
Welche Trost nöthig haben, die muß man damit
aufrichten. |
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- Jes. XL, 1;
- 1 Thessal. IV, 18.
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Wenn wir unser
Urtheil von den bisher angeführten Dissertationen fällen sollen,
so geben wir dem Verfasser der letztern unsern Beyfall, und glauben, |
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- daß in dieser
Schrifftstelle
der Apostel alle Christlichen Weiber und Kind-Betterinnen versichere,
- daß, ob wohl durch das Weib die Sünde in die
Welt
gebracht worden ist, Sirach XXV, 32. ob auch wohl die Schmertzen,
so ein Weib bey dem
Kinder-Gebären ausstehen muß, von der Sünde zeugen, 1
Mos. III, 16. dem ohngeachtet an ihrer Seligkeit nicht zweiffeln
dürffen, sondern so wohl als die
Männer,
solche erlangen und Mit-Erben der
Gnade des
Lebens
seyn sollen,
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1 Petri III, 7. |
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Und das auch, so ferne sie in dem
Stande
des
Kinder-Zeugens, teknogonias, betrachtet, oder
gefunden werden. |
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Das Wörtlein Durch bedeutet also allhier nicht eine
würckende Ursach, auch nicht ein
Verdienst, auch nicht ein Werckzeug und
Mittel, dadurch das Weib die Seligkeit erlange: Denn das ist allein der Glaube,
und die andern Mittel, die
GOtt darzu verordnet hat. Sondern es wird entweder als ein
Weg gesetzet, darauf das Weib bleibet, als bey ihrem Beruff, und bey ihrer
Arbeit und Creutze, so ihr GOtt aufgebürdet hat, darinnen
sie ihren Glauben am besten
beweisen kan, und es ihr, so sie es in dem Glauben
erträgt, reichlich aus Gnaden vergolten werden wird; |
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Oder es hat die Bedeutung, daß es so viel heisset, als In, wie es also in
folgenden Sprüchen
heiliger Schrifft
genommen wird. Als, da von Abra- |
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{Sp. 38} |
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ham gesaget wird: Das Zeichen in der Beschneidung empfing er zum Siegel der
Gerechtigkeit des Glaubens, welchen er nun in der
Wahrheit hatte, auf das er
würde ein
Vater aller, die da gläuben in der Wahrheit, daß denselben solches
auch gerechnet werde zur Gerechtigkeit. Petrus braucht es von
dem Wasser der Sündfluth zu den Zeiten Noah, da man die Arche
zurüstete, in welcher wenig, d.i. acht
Seelen,
behalten wurden durchs Wasser. Und Paulus braucht es von seiner
und seiner Mit-Apostel Verfolgung und Trübsal, da er saget, daß sie sich
erweisen wollen als Diener Gottes, durch
Ehre und
Schande, u.s.w. und also finden wir viele Exempel gottseliger Kindbetterinnen,
welche mit grosser Freude u. vielem Troste
gestorben sind.
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