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Quellenangaben
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Kennzeichen der Wissenschafft, ob sie sich bey einem
Menschen befindet.
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Ob man aber die Wissenschafft entweder selbst schon besitzet, oder ob sie
bey einem andern anzutreffen sey, das kan man leicht
erkennen. Man darf sich
nemlich nur selbst
untersuchen, ob man den
Satz, den man für
wahr hält, auch
durch einen Vernunfft-Schluß erweisen könne, oder ob der andere solches zu
thun
im
Stande sey? Kan man dieses, so
muß man sich selbst
fragen, ob man den Ober-
und Unter-Satz seiner Schluß-Rede noch weiter durch förmliche
Schlüsse
darthun
könne; und dieses so lange fortsetzen, bis man auf die ersten
Gründe gekommen
ist. Kan man diese in seinen
Beweisen nicht erreichen; so hat man auch keine
Wissenschafft von den Satze; doch kan es wohl kommen, daß man in vielen
Wahrheiten schon eine Wissenschafft besitzet; ob man es gleich nicht in allen
Stücken bis zu diesem Grade der
Vollkommenheit gebracht hat. Man darf also weder
sich selbsten, noch andern alle Wissenschafft absprechen; ob man sie gleich
nicht überall besitzet. |
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Überhaupt hat man auf die
Urtheile wohl Acht zu haben, wenn wir erkennen
wollen, ob jemand Wissenschafft besitze. Denn die Urtheile, welche wir von
Dingen verwenden, sind eine
Würckung unsers
Verstandes. Derowegen da sie zeigen, was wir einer
Sache
zueignen oder absprechen; so können wir dadurch
verstehen, was einer für
Erkenntniß davon haben muß. Wer also auf der Leute Urtheile Acht hat, und dabey
überleget, wie sie dazu gelangen können, der wird bald inne werden, wie weit sie
es in einer
Art der Erkenntniß gebracht. |
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Und wer dieses zu
erforschen Vorhabens ist, darf nur Gelegenheit suchen, des
andern seine
Urtheile heraus zu locken. Wenn einer bloß nachsaget, was er von
andern gehöret; so muß man sich in Acht nehmen, daß man das
Urtheil nicht
ansiehet, als wenn es von ihm aus seinem eigenen
Kopffe
gefället würde. Will man
erfahren, ob einer eine Wissenschafft hat von dem, was
er
erkennet, oder ob er nur andern nachsaget, was er bey ihnen gelesen, oder von
ihnen gehöret; so darf man ihnen nur dahin bringen, daß er den
Grund anzuzeigen
oder seyn Urtheil zu vertheidigen genöthiget wird. Denn die Art der
Vertheidigung und des
Beweises wird es zeigen, ob er eine Wissenschafft besitzet
oder eine
Meynung hat, oder auch gar nur eine Historische Erkenntniß
sich bey ihm befindet, ja wohl gar nicht einmahl
verstehet, was er andern
nachplappert. |
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Wiederum, wo Wissenschafft ist, da ist man dessen, was man behauptet, gewiß.
Wer aber gewiß ist, der lässet sich nicht zweifelhafftig machen. Derowegen wenn
man einen kan irre machen, daß er sich selbst nicht weiß zurechte zu finden; so
ist dieses eine Anzeige, daß er keine Wissenschafft besitzet. Es ist wohl
möglich, daß man einem Einwürffe machen kan, die er nicht bald zu heben im
Stande ist: allein diesen ungeachtet bleibet er seines
Urtheils gewiß.
Unterdessen bleibet doch auch wahr: Wer solche Einwürffe nicht beantworten kan,
deren Unrichtigkeit man
erkennen muß, wenn man die
Wahrheit begreiffet, der
zeiget dadurch, daß er keine Wissenschafft hat. |
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Und ist auch wenigstens ein wahrscheinliches Kennzeichen, daß es an
Wissenschafften fehlt, wenn man entweder gar keinen Einwurf anhören will, ob er |
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{Sp. 1354} |
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gleich aus lehrbegierigen
Gemüthe
vorgebracht wird, oder wenigstens begehret, der andere solle mit unserer Antwort
zufrieden seyn, es mögen ihm seine Zweiffel gehoben seyn, oder nicht. Denn man
hat zum wenigsten mit
Recht
einen Argwohn, er könne sich nicht genung erklären, und seinen
Beweiß nicht
genung ausführen, und folgends fehle es ihm an Wissenschafft. Jedoch ist hier
wohl Acht zu geben, ob derjenige, welcher einen Einwurf vorbringet, in dem
Stande ist eines bessern überführet zu werden. Denn wenn er nicht in dem Stande
ist; so wird ein verständiger und kluger
Mann sich nicht mit ihm einlassen, als
der nichts für die lange Weile vornehmen kan.¶ |
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Ob aber einer Liebe zur
Erkenntniß
der Wahrheit hat, und insonderheit auch nach einer Wissenschafft begierig ist,
kan man aus dem Vergnügen abnehmen, so er von sich spüren lässet, indem davon
geredet wird: denn wer eine
Art der Wahrheiten liebet, der schöpffet daraus
Vergnügen. Wer also kein Vergnügen von sich spüren läst oder wohl gar
Mißvergnügen, der kan auch kein Liebhaber von dergleichen Erkenntniß seyn, wenn
sich nicht etwan besondere Umstände ereignen, warum er davon nicht mag
reden
hören, die sich in besondern Fällen gar leichte jederzeit zeigen. Man spüret
aber das Vergnügen theils aus den gefälligen Minen, theils aus der
Aufmercksamkeit, theils aus der Fortsetzung des angefangenen Discurses, und
dergleichen.¶ |
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Wenn wir etwas möglich befinden, so wir würden für unmöglich gehalten haben
und hinwiederum unmöglich, was wir würden für möglich gehalten haben; so
verwundern wir uns. Daher ist klar, daß die Verwunderung aus Unwissenheit
entstehet. Wenn man demnach
erforschen will, ob einer in der Wissenschafft geübt
ist oder nicht; so darf man nur Acht geben, ob er sich darüber wundert, wenn von
dergleichen Wahrheiten
geredet wird. Denn wer sich darüber wundert, der leget
dadurch seine Unwissenheit an den Tag. |
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Jedoch muß man sich wohl in Acht nehmen, daß man sich in diesem
Urtheile
nicht übereilet. Nemlich die Verwunderung muß über die
Wahrheit, nicht aber über
die Person,
die sie erfunden, oder die sie vorbringet, noch auch über das
Buch, darinnen sie
stehet, geschehen. Auch muß man versichert seyn, daß der andere uns recht
verstehet. Denn die Verwunderung zeiget in solchen Fällen nur an, daß wir einem
die Entdeckung oder
Erkenntniß der Wahrheit nicht zugetrauet, oder eine Wahrheit
nimmermehr in diesem oder jenem Buche gesucht hätten. |
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Über dieses muß man das Vergnügen, so einer, der einen Eyfer für das
Aufnehmen der Wissenschafften hat, über einer
Wahrheit bezeiget, nicht mit der
Verwunderung vermengen: auch sich dabey in Acht nehmen, daß man von der
Unwissenheit einer Wahrheit nicht auf die Unwissenheit der gantzen
Art solcher
Wahrheiten aus Übereilung schliesse: indem es gar offt zu geschehen pfleget, daß
einer eine sonst bekannte Wahrheit nicht weiß, ob er gleich von dergleichen Art
Wahrheiten eine ausnehmende Wissenschafft besitzet. |
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Gemeine Leute und gemeine Gelehrte begehen gar offte diesen Fehler, indem
sie vermeynen, es verstehe einer gar nichts |
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{Sp. 1355|S. 691} |
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von der
Sache, wenn ihm die
Kunst-Wörter nicht bekannt sind, die man dabey
braucht. Freude und Vergnügen über uns noch nicht
erkannte Wahrheiten zeigen
einen grossen Eyfer für die Aufnahme der Wissenschafften an. Denn man siehet
daraus eine grosse Liebe zur Wahrheit: der Eyfer aber entsteht aus der Liebe.
Wer die Wahrheit liebet, der trachtet danach, wie er viele
erkennen kan,
gleichwie ein Liebhaber des
Geldes
sich eifrig bezeigt, Geld zu erwerben. |
-
Wolffs Gedancken von der Menschen Thun und Lassen, §.
341-349, p. 224 u.ff.
- Gottscheds Gründe der Weltweißheit, Th. II. §.
469. p. 314 u.f.¶
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Bewegungs-Gründe zur Wissenschafft.
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Wir sind schon zur Wissenschafft verbunden, in so weit sie eine
Vollkommenheit des
Verstandes ist, und einen hohen Grad der
Vernunfft zeiget.
Über dieses aber giebt auch das gründliche
Erkenntniß einem
Menschen ein grosses
Vergnügen, weil es allen Zweiffel ausschliest und das
Gemüth gantz sicher macht,
wie wir weiter unten mit mehrerm hören werden. Und ob wohl erst nicht möglich
ist, daß man in allen Gattungen des Erkenntnisses zur Wissenschafft gelange: so
kan doch ein jeder in denjenigen, was ihm zu
verstehen am nöthigsten ist, sich
darnach bestreben und dazu gelangen. |
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Es ist nemlich nicht bloß die Mathematick eine Wissenschafft: sondern auch
in andern Gattungen gemeiner Wahrheiten giebt es Gewißheit; wenn man sich nach
Logischen Regeln darum bemühen will. Alle Theile der
Weltweißheit sind vor
andern darzu fähig und vermittelst derselben können auch die
freyen Künsten und
die höhern Facultäten allmählig dazu gelangen. Sonderlich aber ist die
Wissenschafft und das Demonstriren in
moralischen Dingen nöthig. Denn nichts ist
gefährlicher, als wenn man auf ein ungewisses in den Tag hinein lebt, ohne zu
wissen, ob das gut oder
böse ist, was man thut? Wer so auf ein bloßes Gerathe
wohl handelt, der hat entweder ein schlafendes oder ein zweifelhafftes oder nur
ein wahrscheinliches Gewissen. Jenes kan aber endlich aufwachen, und diese beyde
Arten desselben können leichtlich irren, so daß das nachfolgende mit dem
vorhergehenden hernach nicht übereinstimmet. In allen diesen Fällen aber
entstehen Gewissens-Bisse, als eine wohl
verdiente
Straffe
der versäumten Wissenschafft im Guten und
Bösen. Es ist also höchst-nöthig, daß
man seine Maximen und Lebens-Regeln demonstrire, welches auch um desto leichter
angeht, da die Demonstration nach der natürlichen Art zu dencken verfährt. |
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Nun wird eine jede Fertigkeit und folglich auch die Wissenschafft nicht
anders als durch eine anhaltende Übung erlangt. Da man aber selbst gleich
Anfangs nicht lauter neue Demonstrationen zu machen oder zu erdencken
geschickt
ist: so muß man sich um solche
Lehrer und
Bücher bemühen, die uns eine gute
Anzahl demonstrirter Sätze vorlegen, und uns gleichsam bey der Hand leiten; bis
wir allgemach selbst
Kräffte
genug bekommen, weiter zu gehen. Man treibe also fleißig die Mathematick und in
Ermangelung der dazu nöthigen Zeit und Anführung die
Weltweißheit. Man gebe auf
alle Sätze darinnen Acht, und |
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{Sp. 1356} |
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prüfe sie nach Logischen Regeln, damit man den
Grund von seiner Überzeugung
anzugeben wisse. Man übe sich hernach auch selbst, nach solchen Mustern eines
und das andere zu demonstriren: so wird man es allmählig zu einiger Fertigkeit
darinnen bringen. |
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Wer die Wissenschafft besitzt, der hat verschiedene
Vortheile davon. Fürs
erste ist er in seinen Sätzen sicher, und läst sich von keinem Widerspruch der
Gegner irre machen. Ferner ist er auch im
Stande, die Einwürffe der
Widersprecher zu heben: Denn wer die
Gründe einer
Wahrheit einsieht, der wird
auch den Ungrund des Irthums leichte zeigen können. Weiter wird ein solcher mit
Wissenschafft begabter sich nicht leichte über eine
Sache verwundern; wie die
Unwissenden zu thun pflegen: daher das Sprüchwort kommt, daß die Verwunderung
eine
Tochter der Unwissenheit sey. Gleichwohl könnte es hier doch kommen, daß
auch ein Verständiger sich darüber wunderte, daß etwas von diesem oder dem hätte
geschehen können, dem man solches oder in so kurtzer Zeit niemahls zugetrauet
hätte, wie schon gedacht worden.¶ |
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Wir können auch noch auf eine allgemeinere Art erweisen, daß der
Mensch zur
Wissenschafft, d.i. zur Scharffsinnigkeit, Fertigkeit im Schlüssen und
Gründlichkeit,
Kunst zu
erfinden, Witz, Erfahrungs-Kunst, Verständnis der
Sprache und was diesen Vollkommenheiten mehr anhängig
verbunden ist. Nemlich er ist zur Ausübung des Guten und Unterlassung des
Bösen verbunden, das ist, nichts zu thun als was seinen
Zustand vollkommener
machet, und nichts zu unterlassen, als was ihnen unvollkommener machet. |
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Nun ist aber klar, daß wenn er in allen vorkommenden Fällen
geschickt seyn
soll, die Beschaffenheit seines
Thun und Lassens richtig zu beurtheilen, er
Scharffsinnigkeit, Gründlichkeit, Witz,
Kunst zu erfinden, Erfahrungs-Kunst, und
Verständniß der
Sprache besitzen müsse. Denn die verschiedene Gegenstände, mit
denen er wird zu thun bekommen, werden bald diese bald jene dergleichen
Geschicklichkeit erfordern. Wer wolte demnach zweifeln, ob der
Mensch
verbunden sey, nach diesen allen zu trachten. |
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Ferner: Die
Weißheit ist eine Fertigkeit nicht allein bey allen seinen
freyen Handlungen eine gewisse Absicht zu haben, sondern auch alle besondere
Absichten dergestalt mit einander zu verbinden, daß immer eine ein Mittel zur
andern, und endlich alle insgesammt ein Mittel zur Haupt-Absicht sind. Wer nun
untersuchen will, ob seine besondere Absichten ihm zu seiner Haupt-Absicht
führen, der muß solches durch richtige
Schlüsse aus bekannten
Gründen
herausbringen können. Nemlich die Beschaffenheit der besondern Absicht giebt
gemeiniglich den Untersatz des Schlusses: die
Regeln, darnach man urtheilet, ob
etwas die Vollkommenheit unseres innern und äussern
Zustandes befördert, geben
den Ober-Satz und das
Urtheil in gegenwärtigen Falle den Hinter-Satz. |
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Wer nun dergleichen Fertigkeit besitzet, alles was er urtheilet, durch
richtige
Schlüsse zu erweisen, der hat Wissenschafft. Und demnach ist die
Wissenschafft ein Mittel zur
Weißheit. Derowegen weil wir zur Weißheit
verbunden
sind; so erhellet hieraus auf eine neue Art, daß wir auch zur Wissenschafft
verbunden sind. Man |
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{Sp. 1357|S. 692} |
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kan eben dieses noch ferner in Ansehung der Mittel erweisen. Denn wenn wir
richtig urtheilen wollen, ob dasjenige, was wir als Mittel erwehlet, auch in der
That Mittel sind, das ist, ob wir dadurch unsere Absicht erreichen können:
ingleichen, wenn wir aus vielen Mitteln das bessere auslesen sollen; so
erhellet, wie vorhin, daß die Wissenschafft darzu dienlich sey? |
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Es ist wohl wahr, daß der größte Theil der
Menschen
beständig und alle
Menschen gar offte in solchen Fällen anstatt der
Wissenschafft sich der Erwartung ähnlicher Fälle bedienen, ja auch öffters aus
Mangel der
Erkenntniß
bedienen müssen; allein da es hier gar öffters denen fehlschläget, die am
gewissesten zu seyn vermeynen; so wird niemand die Erwartung ähnlicher Fälle der
Wissenschafft als einem sicherern Mittel vorziehen, wo er nicht aus Noth
angetrieben wird, jene zu ergreiffen, weil er diese nicht in seiner
Gewalt
hat. Wenn es aber geschiehet, daß wir bey der Erwartung ähnlicher Fälle
verbleiben müssen; so ist doch nöthig, dahin zu trachten, daß sie der
Vernunfft nahe kommt, weil man alsdenn mehr ausser der
Gefahr ist zu fehlen. Allein weil man nicht sehen kan, daß man weißlich
gehandelt, wenn man gefehlet, das ist, entweder eine unrichtige Absicht
erwehlet, die der Haupt-Absicht zuwiderläufft, oder auch solche Mittel, die uns
zu unserm
Zwecke nicht bringen, und also in der
That keine Mittel sind, sondern
nur davor gehalten werden; so wird hierdurch vielmehr bestätiget, daß zur
Weißheit Wissenschafft erfordert werde, als daß sie ohne diese bestehen könne. |
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Und demnach machet der Mangel der Wissenschafft die
Weisheit unvollkommen,
das ist, es bleibet nur gantz was geringes übrig, was einige Ähnlichkeit mit ihr
hat. Wir werden nicht irren, wenn wir
sagen: nur ein Schatten. Man siehet aber
leicht, daß nicht alles Wissen einem jeden zur Weißheit nöthig ist. Derowegen
muß man sich wohl vorsehen, daß man seine Wissenschafft fürnemlich darinnen zu
üben habe, was zur Einrichtung seines Wandels dienlich seyn kan. Und daher ist
es möglich, daß
Menschen grosse Wissenschafft von einigen
Sachen haben können,
dabey aber in Einrichtung ihres Wandels wenig Weißheit bezeugen, weil die
Dinge,
so sie wissen, darzu nichts beytragen: hingegen sie sich um die
Erkenntniß
dessen, was hierzu dienet, niemahls bemühen. Wer nun die zu der Beurtheilung
nöthige Erkenntniß nicht besitzet, dem hilfft seine Fertigkeit im Schliessen
nichts, auch nicht seine grosse Wissenschafft in andern
Dingen. Es ist ein
grosser Selbst-Betrug, wenn man vermeynet, man könne sich über alle weise
bezeigen, wenn man in einigen Dingen grosse Wissenschafft besitzet. |
- Christian von
Wolff Gedancken von der Menschen Thun und
Lassen, p. 205. u.ff.
- Gottscheds Weltweißheit, Th. II, p. 313. u.ff.¶
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Daß die Wissenschafft uns von GOtt nicht unmittelbar
eingegeben werde.
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Es hat unter den Christlichen Lehrern nicht an |
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{Sp. 1358} |
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Leuten gefehlet, die davor gehalten, daß alle Wissenschafft den
Menschen
von
GOtt
unmittelbar eingegeben werde, und daß man nichts wissen
könne, ohne einem besondern Lichte, welches uns GOtt in unser Hertz senden
müsse; also daß der allgemeine Beystand des höchsten
Regierers und Schöpffers
nicht genüglich sey die Wissenschafft zu vermehren, wenn nicht auch ein näheres
und helleres Licht zu dieser allgemeinen Vorsehung herzukäme. |
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Gleichwie der H. Augustinus L. I. Colloqu.
geglaubt, daß die in die Wissenschafften einschlagende
Dinge ohne eine gantz
besondere Erleuchtung von dem
Verstande nicht könnten
erkannt werden, wie die Farben ohne
das Licht der Sonne keinesweges wahrgenommen werden könnten. Obgleich diese
Meynung eben so gar verwerfflich nicht ist: so kan doch ein
der Wissenschafft begieriger sich gewiß versichern, daß eine jede
menschliche
Wissenschafft auf eben die Weise von uns erlangt werde, auf welche die übrige
Geschicklichkeiten mit uns hervorkommen, das ist, durch
Arbeit und Fleiß. |
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Um dieses durch Arbeit und Fleiß desto besser ins
Werck zu richten und allen
Schlaf aus den Augen zu streichen, wird viel beytragen, wenn man die besten
Bücher liesset, und sich dieselben anschaffet und eine nützliche Reise zur
Vermehrung seiner Wissenschafft unternimmt, dergleichen nach Anzeige des
Plutarchi in Solone, die Heydnischen
Weltweisen unternommen
haben, die durch viele
Länder, um von
denen grösten und gelehrtesten
Männern vieles zu lernen,
gereiset sind. Sie sind
öffters aus
Europa nach Africa geschiffet, nicht so wohl das sie die Lage von Egypten,
oder die Ausflüsse des Nils oder die höchste Last der Pyramiden, oder fremde
Vögel sehen möchten, sondern, daß sie des
Schatzes einer gründlichen
Gelehrsamkeit
und ausnehmenden
Geschicklichkeit theilhafftig werden möchten. |
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Man kan hier nachlesen des Philo des Juden
Abhandlung de congressu quaerendae eruditionis gratia, wo unter andern
diese merckwürdige
Worte p. 299, seq. gelesen werden: |
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„Indifferentes artium
sectatores vident se graves utero sed quid gestent non satis vident; scientiae
vero cernunt foetus suos manifestissime, nam scientia major est, quam ars, qippe
ratione confirmata stabilitaque, sic enim definitur: scientia est ex multis
intellectis facultas meditatione acquisita, ad finem aliquem bonum ac utilem;
quae clausula recte additur ut malas improbatasque artes excludat; Tales vero
adeundos esse audiendosque Magistros, quorum nemo in placitis excultae a se
scientiae fellatur.„ |
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Doch aber muß ein der Frömmigkeit aufrichtig ergebener seine
Gelehrsamkeit,
die er entweder andern beybringen oder von andern und fremden erlangen will,
nicht dazu anwenden, wohin sie diese verlarvte Sclaven einer eiteln
Ehre haben
angewendet, deren ihr Haupt-Absehen dahin gieng, nicht, wie sie in der
Welt
den grösten
Nutzen schaffen, sondern, wie sie sich am allerbeliebtesten machen
möchten, und indem sie den Mantel nach den Winde hängen, sich recht viel wusten,
wenn sie es so weit gebracht, daß man mit den Fingern auf sie wieß und heimlich
zischte: Diese sind |
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{Sp. 1359|S. 693} |
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es. Sie haben also darauf ihre gröste
Arbeit verwendet, wie sie die grösten Lobes-Erhebungen von
den Leuten erhaschen möchten. Alle, die der gründlichen Gelehrsamkeit
nachtrachten, mögen ja diesem Pfeil des
Fürstens der Finsterniß aus dem Wege zu
gehen suchen, und wohl zusehen, daß sie sich auf eine Wissenschafft legen, die
nach ihrer Neigung und nach ihren
Verstands-Kräfften wohl abgemessen ist, daß sie nicht da am
meisten ihre Unwissenheit an den Tag legen, wenn sie alles zu wissen vorgeben. |
Spitzelii Litteratus felix. Comm. IX, §. XV.
p. 1027. seq.¶ |
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Vergnügen, daß man aus der Wissenschafft schöpffet.
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Die
Gemüths-Vergnügungen sind die reinesten und nützlichsten, die
Freude dauerhafft zu machen. Cardanus war bereits in seinem hohen Alter mit
seinem
Zustande dermassen zufrieden, daß er mit einem Eyde bezeugte, er möchte
ihn nicht mit dem Zustande eines von den reichsten jungen
Menschen, der aber
dabey ungelehrt und unwissend wäre, vertauschen. Herr la Mothe le Vayer führet
dieses an, ohne es zu tadeln: Die Wissenschafft und
Gelehrsamkeit scheinet
dergleichen Anmuth zu haben, die von Leuten, so sie niemahls geschmeckt, nicht
kan begriffen werden. Wir
verstehen nicht ein blosses historisches Wissen ohne
die
Erkenntniß der
Gründe; sondern ein solches Wissen, wie des
Cardani, der bey
allen seinen Fehlern in der
That ein grosser
Mann war, und ohne diese Fehler
unvergleichlich würde gewesen seyn. Virgilius Georg. B.
II. V. 490. u.ff.
sagt
hiervon: |
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Felix, qui potuit rerum cognoscere causas
Ille metus omnes et inexorabile fatum
Subjecit pedibus strepitumque Acherontis avaris. |
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Wohl dem, der Grund von Dingen weiß!
Den schreckt das Schicksal nicht mit seinen Demant-Schlüssen,
Dem macht kein Höllen-Hund nicht heiß;
Der tritt Geschick und Höll, und alle Furcht mit Füssen. |
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Das ist nicht eine geringe
Sache, wenn man mit
GOtt und der
Welt
zufrieden ist, wenn man sich weder vor dem
fürchtet, was uns bestimmet ist, noch
sich über dasjenige beschwert, was uns begegnet. |
Leibnitzens Theodicaea, Richters
Teutsche Übersetzung, §. CCLIV, p. 438 u.f. |
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Übrigens hat man hierbey allerdings den
Artickel:
Wissenschafften,
nachzulesen; ingleichen sehe man auch den Artickel:
Wissen. |
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