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Zedler: Wort [1] HIS-Data
5028-59-265-11-01
Titel: Wort [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 59 Sp. 265
Jahr: 1749
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 59 S. 146
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Übersicht
I. Philosophische Abhandlung.
  (a) Theoretische Betrachtung.
 
  1) Was ein Wort sey?
  2) Wie vielerley die Wörter sind?

  Text  
  Wort, Lat. Vox, Verbum, Frantz. Mot, heisset ein vernemlicher Laut, der etwas bedeutet.  
  {Sp. 266}  
  Dem Menschen allein ist gegeben zu dencken, und seine Gedancken durch Worte zu erkennen zu geben. Siehe hierbey auch den Artickel: Vocabula, im L Bande, p. 3.  
  Es ist die Materie von denen Worten sehr weitläufftig, und erfordert dahero ihre Abhandlung besondere Abschnitte  
     
  I. Philosophische Abhandlung.  
  In der Philosophie handelt man in so weit von den Wörtern, so ferne sie Zeichen sind, damit man andern so viele und mancherley abstracte Ideen zu erkennen giebt. Die Ideen geben einen Philosophen nur die Helfte von dem Nutzen, den sie sonst bringen, wo er selbige durch Worte nicht ausdrucken könnte; es sey denn, daß jemand vor sich allein philosophiren wolte. Doch da man mit der Wahrheit andern zu dienen verbunden, so muß auch ein Philosophe wissen, wie er andern seine Ideen soll zu verstehen geben.  
  Es läst sich von den Wörtern eine Theoretische und Practische Betrachtung anstellen.  
     
  (a) Theoretische Betrachtung.  
  Bey der theoretischen Betrachtung müssen wir sehen:  
     
  1) Was ein Wort sey?  
  Es ist solches eine abgetheilte Stimme, oder ein Laut der menschlichen Stimme, welcher durch besondere Fügungen der Werckzeuge des Mundes in Silben zusammen gesetzet, und zur Bedeutung einer gewissen Idee durch den Gebrauch in einer Sprache bestimmet ist, damit man dadurch andern seine Gedancken zu erkennen gebe:  
  Andere haben diese Definition gegeben: ein Wort wäre ein articulirter Schall, der einen Abdruck eines Begriffes enthält; oder ein Wort sey eine vernehmliche Stimme, welche eine Idee ausdrückt; Ingleichen ein Wort sey ein künstlich zusammen gesetzter Laut der Menschen, damit sie nach dem Willkühr der Erfinder und dem Gebrauche des Worts einen Begriff ausdrucken.  
  In der zuerst gegebenen Definition sind verschiedene Ideen zusammen begriffen, die wir zu erklären haben. Wir nennen das Wort eine abgetheilte Stimme, und zeigen damit an, daß man selbiges so wohl von der Stimme an sich selbst, als von dem Schalle unterscheiden müsse. Denn der Schall ist ein jeder Thon, der mit den Ohren empfunden wird, und also auch von leblosen Sachen herkommt; eine Stimme aber ist derjenige Schall, den die lebendigen Geschöpffe durch den Hals von sich geben, welche Menschen und Vieh mit einander gemein haben; das Wort aber, als einer abgetheilte Stimme kommt den Menschen allein zu.  
  Ein solches Wort muß eigentlich zur Bedeutung einer gewissen Idee durch den Gebrauch in einer Sprache bestimmet seyn; woraus aber noch nicht folgt, daß alle Wörter gewisse Ideen vorstellen, oder allen Ideen gewisse Wörter beygeleget werden. Denn man findet Wörter, die in der That nichts bedeuten, gleichwie auch offt durch fleißiges Nachsinnen der Leute Ideen erfunden werden, die noch keine Benennungen haben, da es denn freylich gut wäre, wenn man dahin sähe, daß eben so viel Wörter, als Ideen, und also weder mehr, noch weniger wären.  
  Es sind bey nahe alle Wörter nur Zeichen der abstracten Ideen, welches man wahrnehmen wird, wenn  
  {Sp. 267|S. 147}  
  man die unter so mancherley Völckern übliche Sprache betrachten will, daß nemlich fast alle Wörter derselben nicht individuelle, sondern abstracte Ideen bedeuten, welches auch seine Ursachen hat. Denn einmahl wäre es unmöglich gewesen, allen Individuis der Dinge, z.E. allen eintzeln Sand-Körnlein, allen Blumen und Gräslein auf dem Felde, allen Blättern auf den Bäumen u.s.w. eigene und besondere Nahmen zu geben; hernach wenn dieses auch möglich gewesen wäre, so hätte doch dieses keinen Nutzen gehabt, und würde dem Hauptzwecke der menschlichen Rede nicht gemäß gewesen seyn. Denn daß wir mit andern reden sollen, zielet dahin, daß wir ihnen unsere Urtheile und Gedancken zu erkennen geben mögen; solche Urtheile und Gedancken aber beruhen lediglich auf abstracte Ideen.  
  Zu dieser Bedeutung einer gewissen Idee muß das Wort durch den Gebrauch in einer Sprache bestimmet seyn, welcher Gebrauch mit sich bringt, daß alle diejenigen, denen die Wörter zu Zeichen ihrer Gedancken dienen sollen, so wohl in den Wörtern selbst, als auch in denen ihnen beygelegten Bedeutungen übereinstimmen. Denn wolte man Wörter brauchen die entweder an sich nicht bekannt; oder sie wären zwar bekannt, man gebe ihnen aber eine neue und besondere Bedeutung, die dem andern unbekannt, so würde man damit nur den Zweck einer Rede hindern, daß man einander nicht verstünde.  
  Der Gebrauch selbst beruhet auf den Willkühr der Menschen, und wir können die Worte vor nichts anders, als vor willkührliche Zeichen halten, in denen kein Grund einer Nothwendigkeit lieget. Man hätte anstatt derjenigen Wörter, die jetzo üblich und eingeführet sind, auch andere nehmen, oder ihnen andere Bedeutungen beylegen können, welches man zur Gnüge daraus sehen kan, daß in so vielerley Sprachen einerley Sachen durch so verschiedene Wörter angedeutet wird; Denn diejenigen, welche die Wörter erst erdacht, haben nach ihrem Gefallen den Arten und Geschlechtern der vor sich und durch andere bestehenden Dingen Nahmen aufgeleget.  
  Denn ob sie gleich einigen Grund dazu müssen gehabt haben: so ist derselbe doch nicht nothwendig gewesen: welches zur Gnüge daraus erhellet, was wir jetzt von verschiedenen Wörtern in vielerley Sprachen, die eine Sache ausdrücket, gesagt haben. Indem man aber das Wort, und die Sache, die dadurch angedeutet wird sich öffters zugleich vorstellet: so darf man nach diesem entweder die Sache empfinden, oder sich einbilden, so kommt einen auch das Wort vor, und man erkennet, daß dieses Wort der Nahme des Dinges ist: oder man darf das Wort hören, oder geschrieben sehen, oder sich einbilden, so kömmt einem zugleich die Sache vor, die dadurch bedeutet wird, und wir erkennen, daß dieses die Sache sey, der dieser Nahme gebührt.  
  Weiter sehen wir  
     
  2) Wie vielerley die Wörter sind?  
  Es können selbige nach einem zweyfachen Grunde abgetheilet werden, entweder in Ansehung der Sachen, die dadurch vorgestellet werden; oder in Ansehung der Art und Weise, wie sie etwas bedeuten und vorstellen.  
  {Sp. 268}  
  Nach dem ersten Grunde der Eintheilung, wenn man auf die Sache siehet, die durch ein Wort angedeutet wird, stellen die Wörter entweder individuale, oder abstracte Ideen vor: Jene bedeuten eintzelne Sachen, die man in der Sprachkunst (Grammatica) pflegt eigenthümliche Worte (NOMINA PROPRIA) zu nennen, z.E. Alexander, Leipzig; diese hingegen gemeine Begriffe, die man sich durch das Nachdencken von den eintzeln Dingen vermittelst derer Abstraction gemacht, z.E. das Wort: Mensch, Baum, Gelehrsamkeit, u.s.w. dergleichen Wörter in der Grammatick NOMINA APPELLATIVA genennet werden, und vornemlich dazu dienen, daß man dadurch bestimmt, wie weit sich die Abstraction bey den Ideen erstrecket.  
  Solche Wörter sind wider entweder NOMINA SUBSTANTIARUM oder ACCIDENTIUM: jene bedeuten die Ideen der selbstständigen Dinge an, z.E. Mensch, Seele, Hund, da es denn geschehen kan, daß unter einen eintzigen Worte viele Substantzen zugleich begriffen und angezeiget werden, welche mit einander vereiniget sind entweder auf eine Physische Art, z.E. das Wort Garten; oder auf eine Moralische, wie unter dem Worte Academie viele Menschen, davon ein jeder seine eigene Substantz hat, und die vermittelst eines Vergleichs in einer Gesellschafft leben, begriffen sind.  
  Diese, oder die nomina accidentium bedeuten die Ideen der Eigenschafften der Dinge, sie mögen nun wesentlich, oder ausserwesentlich seyn, z.E. Gelehrsamkeit, Schönheit.  
  Die Grammatici theilen die nomina in SUBSTANTIVA und ADJECTIVA; sie rechnen aber zu den Substantivis nicht nur solche Sachen, die vor sich bestehen, und ihr selbstständiges Wesen haben, z.E. Mensch, Seele; sondern auch die Dinge, die zwar nicht vor sich bestehen, von denen man sich aber einbildet, als wären sie von den vor sich bestehenden Dingen nicht unterschieden, z.E. Die Gelehrsamkeit ist keine Substantz, sondern eine Eigenschafft, oder ein Accidens, die sich an der Seele, als einer Substantz, befindet, gleichwohl nennet man dasselbe ein nomen substantivum.  
  Ferner ist in denen Grammaticken unter den Wörtern dieser Unterscheid, daß einige blosse Ideen ohne Bejahung ausdrücken: andere etwas mit einer Bejahung vorstellen, davon man jenes schlechterdings NOMINA, diese VERBA zu nennen pflegt, daß wenn sie ausser der Bejahung sonst weiter nichts anzeigen, so heissen sie VERBA SUBSTANTIVA,  z.E. ich bin, ich habe; wo aber noch etwas anders mit angedeutet wird, VERBA ADJECTA, ich liebe, ich schlage.  
  So kan man sie auch eintheilen in Haupt- und Neben-Wörter. Von jenen müssen wir jetzt etwas umständlicher handeln.  
  Die Haupt-Wörter entdecken uns die Sache selbst. Alles, was wir ausser dem Wesen eines Dinges in ihm antreffen, sind entweder seine Eigenschafften, oder seine Veränderungen, oder sein Verhalten gegen andere. Und daher kommen alle Urtheile darauf an, daß ein Ding diese oder jene Eigenschafft hat, oder jene Veränderung hervorgebracht hat, das ist: diß oder jenes gethan, daß es diese oder jene Veränderung erlitten, daß es eine Krafft oder Vermögen habe, diß oder jenes zu thun  
  {Sp. 269|S. 148}  
  und zu leiden, daß es sich auf diese oder jene Weise gegen andere verhält, u. dergl. wie auch, daß alles dieses nicht ist.  
  Um nun die Urtheile durch Wörter anzudeuten, hat man auch besondere Wörter nöthig gehabt, dadurch man die Verbindung der Eigenschafften mit dem Wesen, ingleichen die Veränderungen mit denselben, wie nicht weniger ihr Thun und Leiden andeutete. Diese pflegen die Lateiner vor allen andern Wörter zu nennen, und wir können sie daher ihnen zu Folge in Ansehung anderer Wörter, nur neben andern gebraucht werden, Haupt-Wörter heissen.  
  Die Verbindung des Wesens mit seinen Eigenschafften und Veränderungen, auch seinem Verhalten gegen andere anzudeuten, brauchet man das Haupt-Wort, seyn: welches man daher das Verbindungs-Wort nennet, z.E. ich sage, das Eisen ist glüend, wo das Wort ist die Verknüpffung des Eisens und des Glüens andeutet, das ist, des Wesens eines Dinges und seiner Veränderung. Derowegen, wenn etwas verneinet wird, muß das Verneinungs-Wort zu dem Verbindungs-Worte gehören, als wenn ich sage: ein kaltes Eisen ist nicht glüend, so gehöret das Verneinung-Wort nicht zu dem Verbindungs-Worte ist.  
  Da alle Urtheile entweder eine Verbindung oder Trennung zweyer Begriffe sind: so solte das Verbindungs-Wort, und zwar in dem andern Falle, mit dem Verneinung-Worte jederzeit anzutreffen seyn, wenn man ein Urtheil aussaget: dergleichen Aussage auch ein Satz genennet wird. Allein der Kürtze halber hat man das Verbindungs-Wort in die Haupt-Wörter mit versteckt, und muß daher in den meisten Fällen nur darunter verstanden werden. Denn z.E. ich sage: Das Eisen glüet, anstatt: Das Eisen ist glüend. Gleicher Gestalt saget man: Ein Frommer liebet GOtt, anstatt: Ein Frommer ist GOtt liebend; oder eine Person, die GOtt liebet.  
  Hieraus erhellet, daß die Haupt-Wörter eine zusammengesetzte Bedeutung haben: indem sie so viel bedeuten, als das Verbindungs-Wort, und noch ein anderes zusammen, dadurch man den Zustand eines Dinges anzeigt, mit seinem Wesen zugleich, als wenn in dem vorigen Exempel gesaget wird: Ein Frommer liebet GOtt: so bedeutet das Wort liebet so viel: als das Verbindungs-Wort ist und das Wort liebend, welches sich auf den Zustand des Frommens mit seinem Wesen zugleich beziehet; dergleichen Wörter man mittlere Wörter nennen kan.  
  Ausser denen bisher erzählten Wörtern sind noch einige, dadurch die Umstände bedeutet werden, welche man deswegen Bey-Wörter zu nennen pflegt, weil sie bey die zufälligen Nahmen und Haupt-Wörter mit hinzugesetzet werden. Dergleichen ist das Wort morgen, welches einen Umstand der Zeit bedeutet, und zu Haupt-Wörtern gesetzt wird, um dadurch anzudeuten, wenn etwas geschehen soll, als wenn ich sage: Morgen soll der Brief geschrieben werden.  
  Man hat auch Bey-Wörter der Nahmen, welche vor die Nahmen gesetzt werden, um die Umstände der Dinge, und ihr Verhalten gegen andere, oder andere gegen sie, zu bemercken. Dergleichen ist das Wort mit,  
  {Sp. 270}  
  als wenn ich sage: Der Brief ist mit der Feder geschrieben worden.  
  Endlich giebet es Verknüpfungs-Wörter, wodurch die Theile einer Rede miteinander verbunden werden. Dergleichen ist das Wort: aber, und, u.s.w.  
  Zu den Wörtern pflegt man einige Thone zu rechnen, dadurch man die Affecten oder Gemüths-Bewegungen zu verstehen giebt, als Ach, so im Klagen als ein Zeichen der Traurigkeit gebraucht wird. Und diese Wörter werden Zwischen-Wörter genennet, weil sie zwischen die andern gesetzt werden, ohne daß sie etwas von den Sachen bedeuten, darauf die andern Worte gehen.  
  Wir könnten von diesen bisher angeführten Arten der Wörter noch gar vieles sagen, und auch von denen daraus zusammen gesetzten Redens-Arten das nöthigste beybringen: Wir begnügen uns aber, daß wir den Grund der verschiedenen Arten von Wörtern angezeigt haben.  
  Wir müssen aber auch die übrigen Arten derselben beyfügen.  
  Zu den Neben-Wörtern, von welchen wir gesagt haben, daß sie gewisse Umstände einer Sache, wie die Beywörter ausdrückten, müssen auch diejenigen gerechnet werden, welche zu dem Zusammenhange sind, dahin die PARTICULAE oder Vorwörter gehören, die von mancherley Art sind. Diese Wörter sind von grossem Nutzen. Denn da alle Dinge mit einander verknüpfft sind, und man in Reden gar offt auch auf diese Verknüpffung sehen muß: so hat man sich genöthigt gesehen, in einigen Sprachen die Nahmen zu verändern, in andern aber gewisse Beywörter zu brauchen, die man Artickel zu nennen pflegt. Z.E. wir Deutschen sagen: Der Mensch: Des Menschen u.s.w.  
  Damit man ferner die Nahmen der Sachen nicht allezeit wiederholen darff; welches ohne Verdruß nicht geschehen kan: so hat man einige Wörter erdacht, die an statt ihrer in solchen Fällen können gebraucht werden, und Vorwörter heissen. Dergleichen sind dieser, jener etc.  
  Man hat nach diesem auch dergleichen Wörter gebraucht, damit man unangenehme Weitläufftigkeiten vermeiden möge, welche entstehen würden, wenn man den Nahmen der Sachen selbst gebrauchen wolte, dergleichen Vorwörter sind: Ich, Du, Mein, Dein, u.s.w.  
  Endlich hat man diese Wörter mit den Nahmen der Dinge verknüpft, damit der einem gantzen Geschlechte, der einer gantzen Art zugehörige Nahme für den Nahmen einer einzelnen Sache stehen kan, weil es nicht möglich ist, allen einzelnen Dingen einen eigenen Nahmen zu geben, auch sich einige Fälle ereignen, da man den eigenen Nahmen nicht brauchen will, als wenn er andern unbekannt ist, zu denen man redet, oder man eine Person gewisser Ursachen halber mit Nahmen zu nennen Bedencken trägt, u.s.w.  
  Endlich gibts gemeine und Kunst-Wörter. Die gemeinen Wörter sind zur Bedeutung gemeiner Ideen eingeführet: Die Kunst-Wörter (TERMINI TECHNICI) hingegen zur Bedeutung solcher Ideen, die gewissen Personen in einem besondern Stande und Profeßion eigen sind.  
  Nach dem andern Grund der Abtheilung der Wörter, der von der Art ihrer Bedeutung her-  
  {Sp. 271|S. 149}  
  genommen, giebt es auch mancherley Gattungen derselbigen. Denn man theilet sie in terminos univocos, synonymos, und aequivocos.  
  Ein TERMINUS UNIVOCUS ist, wenn nur ein Terminus zur Ausdruckung einer eintzigen Idee vorhanden ist, z.E. Mond, Sonne, ausser welchen Wörtern wir in der Deutschen Sprache keine andere haben, damit man diese Welt-Cörper zu benennen pflegt.  
  Ein TERMINUS SYNONYMUS (ein gleichgültiges Wort) ist, wenn nebst ihm noch andere da sind, die eben dergleichen bedeuten, wie man z.E. die Affecten im Deutschen nennet die Gemüths-Bewegungen, Leidenschafften, Begierden, wobey man wohl zu sehen hat, daß man Wörter nicht vor gleichgültig hält, die es in der That nicht sind. Wenn eine Sprache viele gleichgültige Wörter in sich faßt, so wird sie dadurch schwer gemacht, und dient zur Zierlichkeit in der Rede-Kunst, daß man mit denselbigen abwechseln kan, und nicht immer einerley Wörter nehmen darf.  
  Ein TERMINUS AEQUIVOCUS (ein zweydeutiges Wort) wird genennet, der mehr als eine Idee bedeutet, wie bey uns das Wort Krebs, einen Fisch, eine gewisse Kranckheit, und ein gewisses himmlisches Zeichen des Thier-Kreises bedeutet. Solche Zweydeutigkeit, die in einer Sprache auch viele Schwierigkeiten macht, kan entweder von ohngefehr entstanden seyn, oder man hat mit Fleiß zweyen Sachen einerley Nahmen gegeben; weil man unter ihnen eine Gleichheit angetroffen zu haben vermeynet.  
  Bey dieser Vorstellung sind wir in einigen Stücken von den Aristotelickern und Scholastickern abgegangen. Denn bey ihnen bedeuten die Univoca eben so viel, als die Synonyma, und sie thun zu den Univocis und Aequivocis noch ANALOGA, und sagen, etliche genera und species wären einander gantz gleich, etliche aber nicht. Wenn nun das Genus allen Speciebus in gleicher Vortrefflichkeit zukäme, so wären es UNIVOCA oder SYNONYMA, wie  z.E. das Wort Baum einen Birn-Baum und einen Apfel-Baum in gleicher Würde beyzulegen; wäre aber eine Ungleichheit da, und es schickte sich das Genus auf eine Speciem besser, als auf die andere, so wären diß ANALOGA, z.E. das Wort Herr käme sowohl dem Landes-Fürsten, als auch dem Hauß-Vater wahrhafftig zu, doch jenem in weit höherm Verstande, als diesem.  
  Rüdiger de sensu veri et falsi I. 1. c. 13. §. 13. erinnert, daß dieses eine Scholastische Subtilität sey, die nichts auf sich habe. Denn da die Scholasticker zwischen den Univocis und Analogis nur eine graduale Differentz setzen, so sey dieses kein solcher Unterscheid, da eins das andere aufhebe, und die Analoga den Univocis könnten entgegen stehen. Es blieben die analoga univoca, nur zielten sie auf die Division, wie die univoca auf die Definition. Denn, sagten sie, z.E. das Ens könnte von GOtt und den Menschen gesaget werden, aber in ungleicher Würde, weil GOtt das allervollkommenste, der Mensch hingegen ein unvollkommenes Wesen sey, und deswegen käme dieses Wort GOtt in weit höherm Verstande zu; so folge zwar daraus so viel, daß man den Concept vom Ente in GOtt und in die  
  {Sp. 272}  
  Creatur ertheilen müsse, keinesweges aber, daß man das Ens von GOtt und den Menschen nicht univoce sagen könne. Wenn das nur univoca seyn solten, da ein Wort verschiedenen Sachen in gantz gleichem Grade, einer wie der andern zukomme, so dörfte man wohl wenig dergleichen antreffen, und würde daraus fliessen, daß man weder das Wort animal von einem Menschen und unvernünfftigen Vieh; noch das Wort Mensch von Paulo und Petro univoce sagen könne, wenn etwa Paulus vernünfftiger sey, als Petrus.  
  Ausser dem sind hier die Wörter auch unterschieden, daß sie bisweilen eine Haupt- und Neben-Bedeutung haben, welche Neben-Bedeutungen eine gewisse Beschaffenheit und Umstand der Sache zugleich mit bedeuten, worunter meistens ein Affect des Redenden und Schreibenden lieget, welches den eigentlichen Grund der Emphatischen Redens-Arten abgiebet, z.E. wenn wir im Deutschen sagen, gehen, schreiten, schleichen, rennen, springen; so kommen alle diese Wörter in der Haupt-Idee überein, daß sie eine Bewegung der Füsse anzeigen; in den Neben-Ideen aber, was die Art solcher Bewegung betrifft, sind sie von einander unterschieden.  
  Auf solchen Neben-Ideen beruhet die Manierlichkeit der Rede-Kunst, und das Wesen der sogenannten Rhetorischen Figuren. Man theilet sie auch in TERMINOS CATEGOREMATICOS, die vor sich eine Idee ausdrucken, wenn sie gleich nicht mit andern zusammen gesetzet sind, und in TERMINOS SYNCATEGOREMATICOS, die an und vor sich keinen Begriff vorstellen, und daher, wenn sich ihre Bedeutungs-Krafft äussern soll mit andern zu verknüpffen sind, dahin man die Adverbia, Praepositiones, Interjectiones u.d.gl. zu rechnen.  
  Endlich theilt man sie auch in TERMINOS INCOMPLEXOS, die nur aus einem Worte allezeit bestünden, und in TERMINOS COMPLEXOS, die zwar aus vielen Worten bestünden, aber doch nur eine eintzige Idee anzeigten, welche wieder zweyerley wären, indem sie entweder eine Sache nach ihren Eigenschafften beschrieben, z.E. die Logick, so den Verstand verbessert; oder in Ansehung der unterschiedenen Arten determiniret, z.E. die Tugend, welche andern mehr Ehre erweiset, als sich selbst, das ist, die Bescheidenheit, daß also die erstern auf die Definition, die andern auf die Division giengen.  
     

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Stand: 8. April 2013 © Hans-Walter Pries