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3) Worte sind der Grund der figürlichen Erkenntniß.
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Es wird hier nicht
unnöthig seyn, zu zeigen, wie die Worte der
Grund
von einer besondern
Art der
Erkenntniß
seyn. Diese
nennet man die figürliche. Denn wir
stellen uns die
Sache
entweder selbst, oder durch andere
Zeichen
vor.
Z.E. wenn ich an einen
Menschen
gedencke, der abwesend ist, und mir sein Bild gleichsam vor Augen schwebt: so
stelle ich mir seine
Person
selbst vor. Wenn ich mir aber von der
Tugend folgende Worte gedencke: Sie sey
eine Fertigkeit seine
Handlungen nach dem Gesetze der Natur einzurichten: so
stelle ich mir die Tugend durch Worte vor. Diese |
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{Sp. 273|S. 150} |
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letztere heist die figürliche Erkenntniß, die erste die anschauende. |
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Es hat aber die figürliche Erkenntniß viele
Vortheile vor der anschauenden,
wenn diese nicht vollständig ist, das ist, alles deutlich gleichsam vor Augen
leget, was ein
Ding
in sich enthält, und wie es mit andern
verknüpfft ist, und gegen sich verhält.
Denn da jetzund unsere
Empfindungen gröstentheils undeutlich und dunckel sind:
so dienen die Wörter und
Zeichen zur Deutlichkeit, indem wir durch sie
unterscheiden, was wir verschiedenes in den Dingen, und unter ihnen antreffen.
Weil nun aber hierdurch die Ähnlichkeit erhellet, die zwischen verschiedenen
eintzelnen Dingen anzutreffen: so gelanget man auf diese Weise zu allgemeinen
Begriffen. Es wird demnach die allgemeine
Erkenntniß
durch die Wörter deutlich. |
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Unterdessen kan die figürliche Erkenntniß auch zu einigem
Nachtheile
gereichen, wenn man nicht genug Acht darauf hat, in dem wir leere Wörter, mit
welchem kein
Begriff verknüpfft ist, für Erkenntniß halten, und Wörter für
Sachen
ausgeben. Es pflegt aber zu geschehen, daß wenn wir Wörter mit einander
verknüpffen, von deren jedem wir insbesondere einen Begriff haben, wir wohl
verstehen, was wir
reden, ohngeachtet dasjenige ohnmöglich ist, was durch diese
zusammengesetzten Wörter angedeutet wird, und dahero unmöglich einen Begriff
haben kan. Denn was unmöglich ist, dasselbe ist nichts: von nichts aber kan man
nichts dencken. Z.E. vom Golde haben wir einen Begriff, auch nicht weniger vom
Eisen. Hingegen ist unmöglich, daß das Eisen zugleich Gold seyn kan, und dahero
können wir auch von eisernen Golde keinen Begriff haben. Dennoch verstehen wir
andere, was sie haben wollen, wenn sie eisern Gold nennen. |
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In dem gegebenen Exempel ist es freylich einem jeden bald klar, daß das
Wort, eisern Gold, ein leerer Ton sey; allein es giebt tausend Fälle, da man es
nicht so leicht sehen kan. Z.E. wenn ich sage: Ein gerade linichtes Zweyecke sey
eine Figur, die in zwo gerade Linien eingeschlossen ist: so
verstehet man mich
sowohl, als wenn ich sage: Ein gerade linichtes Dreyeck sey eine Figur, die in
drey gerade Linien eingeschlossen ist. Und es scheinet, als wenn wir von beyden
Figuren einen deutlichen
Begriff hätten. Unterdessen da man in der Geometrie
erweiset, daß zwo gerade Linien keinen Raum einschliessen können: so ist auch
unmöglich von einem gerade linichtem Zweyeck einen Begriff zu haben. Also sind
die Worte: Ein gerade linichtes Zweyeck ist eine Figur, die in zwo gerade Linien
eingeschlossen ist; ein leerer Ton. |
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Eben dergleichen Beschaffenheit hat es mit der wachsendmachenden Seele in
den Pflantzen, welche ein geistisches Wesen seyn soll, dadurch die Pflantzen
vermögend gemacht werden, zu wachsen: |
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Denn obgleich alle diese Wörter vor sich verständlich sind; so haben sie
doch hier keinen
Begriff, der mit ihnen zusammen genommen, könnte
verknüpfft
werden. Ebenso wenn ich sage, der Zieh-Geist, oder Ziehe-Strick, wie ihn
Linus nennet, oder auch die Ziehe-Krafft, wie sie einige Engelländer
heissen, ist ein uncörperliches Ding, dadurch die Anziehungen in der
Natur
geschehen: so ist kein Begriff, den man bey diesen Wörtern haben könnte. Hierher
gehören auch die natürliche
Liebe, und der natürliche Haß der Pflantzen; Das
Band der Rechte in der Er- |
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{Sp. 274} |
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klärung der
Verbindlichkeit;
Das Wesen, wovon das
Böse in der
Welt
nach der
Meynung der Manichäer kommt, u.s.w.¶ |
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Damit wir nun Wörter von
Sachen
unterscheiden, und uns niemahls selbst betrügen: so müssen wir keinen
Begriff
zulassen, als dessen Möglichkeit wir richtig
erkannt haben. Es ist aber hier ein
Unterschied zu machen unter den Begriffe des Tones der Wörter, und dem Begriffe
der Sache, die sie bedeuten sollen. Denn freylich müssen wir einen Begriff von
den Tone der Wörter haben sonst würden wir sie entweder nicht hören, oder auch
nicht bey uns gedencken, z.E. man hat einen Begriff von dem Worte Ziehe-Geist,
denn sonst könnte man nicht unterscheiden, ob man dieses oder ein anderes Wort
hörete: allein man hat keinen Begriff von der Sache, die durch dieses Wort soll
angedeutet werden; Hieraus ist nun deutlich zu ersehen, daß man miteinander
reden, und einander
verstehen, und doch keiner einen Begriff von dem haben kan,
was er redet, oder hört, indem von lauter nichts geredet wird. |
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Dergleichen Discourse sind unter
Gelehrten nicht selten, absonderlich trifft
man viele in der Natur-Lehre der Schul-Weisen an. Gleich wie es aber Wörter
giebt, die keinen
Begriff haben: eben so kan es Wörter geben, durch welche etwas
würckliches angedeutet wird, davon wir keinen klaren und deutlichen Begriff
haben, ob sie uns gleich nicht unbekannt sind, z.E. das Wort Luchs bedeutet ein
Thier, welches den Jägern nicht unbekannt, auch wegen seines scharffen Gesichts
beschrien ist. Viele wissen das Wort, haben aber keinen klaren, geschweige denn
einen deutlichen Begriff davon. Derowegen folgt nicht, daß Wörter, mit welchen
wir keinen klaren Begriff
verknüpffen, nichts bedeuten: wie die Feinde des
Evangelii das Wort: Dreyeinigkeit und andere Geheimnisse bedeutende Wörter für
einen leeren Ton ausgeben. Vielweniger folgt, wenn wir mit einem Worte keinen
klaren und deutlichen Begriff verknüpffen können, solches auch kein anderer zu
thun vermögend sey: worinne diejenigen verstossen, welche in
Wissenschafften alle Wörter verwerffen, bey welchen sie sich
keinen klaren und deutlichen Begriff machen können.¶ |
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4)
Nutzen der Wörter bey dem Urtheilen, und der
allgemeinen Erkenntniß. ¶ |
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Die Wörter und
Zeichen dienen zur Deutlichkeit im Urtheilen. Denn da es
hauptsächlich darauf ankommt, wenn man urtheilet, daß man die
Eigenschafft
oder
Veränderung, oder
Würckung,
oder das Verhalten gegen andere, so einem
Dinge
zugeeignet oder abgesprochen wird, von ihm unterscheidet, und dieser beyden
unterschiedenen Dinge Verknüpffung erweget, und daher zur Deutlichkeit des
Urtheils in der anschauenden
Erkenntniß
nicht allein erfodert wird, daß man sich den Unterscheid der
Begriffe, die
entweder getrennet oder verknüpffet werden, sondern auch die Würckung der
Seele,
dadurch sie dieses erweget, ordentlich vorstellet; Die Wörter aber die
Verknüpffung und Trennung der Begriffe an sich zeigen: so zeigt sich in der
figürlichen Erkenntniß der Unterscheid der
Urtheile und blosser Begriffe klärer,
als in der an- |
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{Sp. 275|S. 151} |
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schauenden und ist demnach die Deutlichkeit grösser. Daher geschiehet es
auch, daß so bald wir uns entweder einen allgemeinen
Begriff
von einer
Art
Dinge,
davon wir eines sehen, oder sonst
empfinden, formiren, oder auch nur etwas
deutliches mercken, oder von einem Dinge ein
Urtheil für uns fällen wollen, wir
von der anschauenden
Erkenntniß
zu der figürlichen schreiten, und zu uns selbst
reden, oder wenigstens die dazu
nöthigen Worte gedencken.¶ |
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Denn wir pflegen den
Dingen,
in so weit sie einander ähnlich sind, und also entweder von einer
Art seyn, oder
zu einem
Geschlechte gehören, einerley
Nahmen zu geben. Und durch Hülffe dieses
Nahmens sondern wir gleichsam ab, was sie mit einander gemein haben. Demnach
sind die Wörter, oder auch andere
Zeichen, das Mittel, wodurch wir allgemeine
Erkenntniß
erlangen.¶ |
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5) Wie der Leib die Wörter vorbringt, und wie sie in
demselben vorgestellt werden. ¶ |
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Da die Wörter Töne sind, die sich durch das Gehör unterscheiden lassen: so
können sie auch im
Leibe
durch
Bewegungen im Ohre und dem Gehirne vorgestellet werden. Da nun die
allgemeine
Erkenntniß
aus Wörtern bestehet: so kan auf solche Weise auch die allgemeine Erkenntniß im
Leibe vorgestellet werden, d.i. es können im Leibe Bewegungen hervorgebracht
werden, mit welchen die allgemeine Erkenntniß der
Seele
übereinstimmet. Denn bey der allgemeinen Erkenntniß dencke ich Wörter, die
Gedancken
der Wörter sind Vorstellungen gewisser Tone, die in den Ohren und dem Gehirne
besondere
Arten der
Bewegung erregen, und also ist ein besonderer
Zustand des
Leibes, welcher mit dem Zustande der Seele übereinstimmet, indem sie allgemeine
Erkenntniß hat. |
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Diejenigen, welche die Wörter zuerst
erfinden, sind durch das Anschauen der
Dinge
bewegt worden, durch die zur
Sprache erforderten Gliedmassen gewisse Tone
formiren, dadurch sie die Dinge als durch
Zeichen angedeutet haben. Es ist
demnach aus der
Bewegung, die in den Gliedmassen der
Sinnen, und ferner im
Gehirn erregt worden, diejenige Bewegung entstanden, die zur Formirung der Tone
in den Gliedmassen der Sinne erfordert wird. Den Ton haben sie gehöret; wodurch
von neuen eine Bewegung im Ohre und ferner in Gehirne erreget worden, die sich
mit den andern, so durch die andern Sinne kommen, daselbst vergesellschafftet. |
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Derowegen, da das Gehirne dergestalt beschaffen, daß wir in zweyerley
Bewegungen mit einander daselbst zugleich entstanden, nach diesem wiederum aus
der einen die durch die
Sinne erreget worden, die andere erfolget: so siehet man
hieraus, wie es möglich ist, daß unser
Leib
als eine blosse Maschine diejenigen Worte hervorbringt, die sich jederzeit zur
Sache
schicken, und die allgemeine
Erkenntniß
der
Seele
andeuten. Was einige hierwider einwenden wollen, zeiget an, daß sie das, was
hier
gesagt worden, nicht genau erwogen haben. Die Exempel, welche sie darwider
vorbringen, bestätigen eben das, was wir hier behaupten.¶ |
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{Sp. 276} |
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Diese
Meynung, daß der blosse
Leib
die für die allgemeine
Erkenntniß
der
Seele
sich schickenden Wörter in gehörigen Fällen hervorbringen könne, und die Seele
bey Formirung der Wörter nichts beytrage, hat Andreas Murray im
XI §. einer Schrifft geleugnet, welche den
Titel führet:
Demonstratio Dei ex voce animalium, publico antea Examini in Academia Kiloniensi
subjecta, nunc vero plenius exposita, Hamburg in 8.¶ |
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Eben so verhält es sich mit denjenigen, welche die
Sprache von andern
lernen. Wir
empfinden die Sache und hören das Wort, wodurch sie angedeutet wird
zugleich, und fangen es an auszusprechen. Also haben wir abermahls im Gehirne
zweyerley
Bewegungen, die aus zwo oder auch aus mehrern verschiedenen
Bewegungen, welche in den Gliedmassen der
Sinne erreget worden, entsprungen, und
aus diesem entstehet die
Bewegung in den Gliedmassen der Sprache. Derowegen wenn
nach diesem die eine Bewegung von beyden erreget worden, durch die Veränderung
in einem Gliedmasse der Sinnen: so entstehet auch daraus die andere, und endlich
auch die Bewegung in den Gliedmassen der Sprache.¶ |
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Ehe wir diese Abhandlung von den Wörtern, in sofern sie in der
Philosophie gebraucht werden, beschliessen: so wollen wir
noch einige
Schrifften
beyfügen, welche insbesondere davon handeln. Hierher gehöret Johann
Wilhelm Gollings Dissertation: De cautione philosophica circa
voces, welche er zu Wittenberg 1727 im August gehalten hat. Ferner ist
hieher zu rechnen des jetzigen Rectors zu Görlitz Friedrich Christian
Baumeisters Dissertation: De eruditis, qui sensa animi exprimere
nequeunt, Wittenberg 1034. Ingleichen erläutert das Capitel in der Logick
von den Wörtern, zum Theil Michael Gottlieb Hanschens Idea
boni disputatoris. Accedit ejusdem dissertatio philosophica: de eo quod
observandum est, ut nos perfecte intelligamus, Leipzig 1713 in 8. Die
übrigen Schrifften, die nur zum Theil hiervon handeln, sollen beym Beschlusse
dieses gantzen
Artickels angeführet werden.¶ |
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(b) Practische Betrachtung.
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Die practische Betrachtung der Wörter muß den rechten Gebrauch derselbigen
anweisen. Man kan solchen in einen gemeinen, und in einen gelehrten, und den
letzten wieder in einen philosophischen und oratorischen eintheilen.¶ |
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1) Der philosophische Gebrauch der Worte.
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Wir werden zuerst von dem philosophischen Gebrauche der Worte
reden, da wir
denn darauf zu sehen haben, wie sich ein
Philosophe
bey dem Gebrauche der Wörter zu verhalten. Er muß überhaupt auf die Deutlichkeit
und Accuratesse derselbigen sehen.¶ |
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Deutlich heist ein Wort, wenn es nebst seiner Bedeutung denen, unter denen
es ein
Zeichen der
Gedancken
seyn soll, sattsam bekannt ist, so daß ein jeder, sobald er das Wort höret, oder
lieset, alsofort die
Idee, zu deren Bedeutung es bestimmet ist, in sich erwecket
findet. Diese Deutlichkeit beruht |
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{Sp. 277|S. 152} |
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entweder auf einen bereits eingeführten Gebrauch, durch welchen ein Wort
nebst seiner Bedeutung der nur der
Sprache kundig, alsofort wenn er es höret,
bekannt ist; oder auf eine willkührliche Wort-Erklärung, durch welche man die
Bedeutung eines Worts dem Leser oder Zuhörer, zu
erkennen giebt, und es
hierdurch deutlich macht. |
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Wenn nun der andere, mich
verstehen soll: so muß ich kein Wort brauchen, als
davon ich versichert bin, daß er nicht allein den
Begriff haben kan, den ich
damit verbinde, sondern auch daß das Wort, sobald er es höret, und ihm
nachdenckt, selbigen Begriff in ihm erreget. Denn es geschiehet gar offt, daß
der andere gantz einen andern Begriff, als wir, mit einem Worte
verknüpffen,
ohngeachtet jener eben so wohl unsern damit verbinden könnte. Z.E. Simplicius,
der von Kindheit an stets lustige
Bücher gelesen und vielen Possenspielen
beygewohnt, stellet sich das
Vermögen
scharffsinnig zu urtheilen unter der Fertigkeit alles
durchzuziehen und lächerlich zu machen vor. Lynceus aber, welcher durch
gründliche
Wissenschafften seinen
Verstand
ungemein geübt, nimmet vor das Vermögen scharffsinnig zu urtheilen, die
Fertigkeit in dem
Beweise dessen, was man behauptet, seine
Schlüsse ordentlich
nach einander so lange fortzuführen, bis man auf
ungezweiffelte
Gründe
kömmt. Wenn nun Simplicius zu dem Lynceus
saget: Thraso könne von einer
Sache
scharffsinnig urtheilen: so wird ihn Lynceus nicht
verstehen, ohngeachtet er vom
Durchziehen, und eine Sache lächerlich zu machen, einen vollständigern Begriff
als Simplicius hat. |
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Derowegen muß einer, sonderlich in
Wissenschafften seiner Wörter erklären, und die in diesen
Erklärungen gebrauchten Wörter von neuen so lange erklären, bis er auf solche
Wörter kommt, deren
Begriff einer von den gegenwärtigen
Dingen
ohnfehlbar haben kan, oder von denen er versichert ist, daß der Leser ihre
rechte Bedeutung wisse. Wenn man aber die rechte Bedeutung der Wörter finden
will; so muß man sich einige Fälle vorstellen, in welchen das Wort gebraucht
wird, und dabey auf alles genau Acht geben, was uns selbiges zu brauchen
veranlasset. Denn so bekommen wir die Merckmahle, dadurch die
Sache
so diesen
Nahmen
führet, von andern unterschieden wird. Z.E. man verlangt die eigentliche
Bedeutung des Wortes Licht zu wissen. Man stellet sich demnach vor was man
empfindet, wenn man das Licht nennen höret, und wodurch man bewogen zu
sagen, es
sey lichte. Alsdenn findet man, daß man sage, es sey lichte, wenn die
umstehenden
Cörper können gesehen werden, und es sey sehr lichte, wenn
wir sie deutlich können
erkennen. Hieraus siehet man, daß man durch das Licht
dasjenige verstehe, so die Sachen um uns sichtbar macht. |
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Auf solche Weise ist die Bedeutung der Wörter Raum,
Ordnung, Stetigkeit,
Wahrheit, Traum,
Vernunfft und andere mehr gefunden worden. Und in allen
Theilen der
Weltweißheit
kommt es auf gegenwärtige
Regel an, wenn man die Bedeutung eines Wortes zu
erklären sich vorgenommen. Es ist daher unumgänglich nöthig, |
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{Sp. 278} |
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daß ein
Philosoph
in seinen Lehrbüchern von dem Gebrauche der Wörter handele, welches nirgends
besser als in der Logick geschehen kan, wie dieses der Freyherr von Wolf
gethan hat. Denn da wir uns bemühen, deutliche
Begriffe von den
Dingen,
die uns vorkommen zu erlangen, damit wir allgemeine Erklärungen, und
Grund-Urtheile daraus formiren können, als worinnen der
Grund
aller gründlichen
Erkenntniß
zu den
Wissenschafften gelegt wird: so hat man auch nöthig, alles
dasjenige, was man in seinen Begriffen unterscheidet, und durch dieselben sich
vorstellet, mit besondern
Nahmen
zu belegen. Denn die allgemeine Erkenntniß ist gantz figürlich, wofern sie
deutlich werden soll. Und aus dieser Absicht muß in der Logick von dem Gebrauche
der Wörter gehandelt werden, wobey absonderlich gezeiget werden muß, wie man
sich verständlich erklären soll; wie man sich in Acht zu nehmen hat, daß man
nicht leere Wörter mit Sachen vermengt; und auf was für Art und Weise die
gewöhnliche Bedeutung eines Wortes herausgebracht wird, und s.w. Dieses war die
erste
Eigenschafft
der Wörter, nemlich die Deutlichkeit.¶ |
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Nebst dieser Eigenschafft muß man auch um die Accuratesse
derselben besorget seyn. Diese bestehet darinne, daß die Bedeutung genau, mit
der dadurch angezeigten
Idee übereinstimme, und dergestalt abgemessen werde, daß
sie weder mehr noch weniger anzeige, als sie anzeigen soll, welche Gewißheit
oder Accuratesse der Wörter auch zweyerley ist. |
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Denn entweder bedeuten sie schon an sich selbst ihre durch den Gebrauch
bereits sattsame determinirte
Ideen; oder sie erlangen die Determination der
Ideen, die sie bedeuten sollen, allererst durch willkührliche
Wort-Beschreibungen. Indem aber die in einer
Sprache eingeführte Wörter nach dem
Gebrauch grossen theils von so unrichtigen und ungewissen Bedeutungen sind, so
hat ein
Philosophe
und überhaupt ein
Gelehrter
Ursach, von dem gemeinen Gebrauche abzugehen,
welches vornemlich in zwey Stücken geschehen muß. |
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Denn man hat zweyerley abstracte
Ideen, welche man ausdrucken und vorstellen
soll. Einige sind scharffsinnige und gelehrte, die von gemeinen Leuten nicht
mögen begriffen und
erkannt werden, folglich weil vor dieselbige in dem gemeinen
Gebrauch der
Sprache keine Wörter vorhanden gewesen, so hat man zur Bezeichnung
solcher Ideen neue Wörter machen müssen, die nur unter den
Gelehrten als ihre
eigene Benennung üblich sind. Andere Ideen betreffen gemeine
Dinge,
die unter Ungelehrten in den gemeinsten Verrichtungen des
Lebens vorkommen,
haben auch ihre gewöhnliche Benennungen; weil aber selbige meistens unrichtig
bestimmet, so behalten zwar solche die Gelehrten, nehmen sich aber die
Vernunfftsmäßige
Freyheit,
die unrichtigen Bedeutungen derselbigen durch ihren besondern Gebrauch zu
verändern, und entweder die allzuweit ausschweiffenden Bedeutungen
einzuschräncken; oder die zur Ungebühr eingeschränckten weiter auszudehnen. |
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Dieses macht den gelehrten Gebrauch der
Sprache aus, durch |
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{Sp. 279|S. 153} |
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welchen man gewisse und besondere Kunst-Wörter eingeführet, und von den
gemeinen Gebrauche der Sprache abzugehen
Ursach
gehabt. Doch kan sich auch zutragen, daß ein
Gelehrter von dem gelehrten
Gebrauche selbst abzugehen sich genöthiget siehet. Denn einmahl kan er zuweilen
neue
Begriffe, die nöthig und nützlich sind, und andern
Gelehrten bisher
unbekannt gewesen, erfinden, zu deren Benennung er neue Wörter, die unter den
Gelehrten bisher nicht üblich gewesen, erfindet. |
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Hernach da die
Gelehrten als
Menschen
irren können, kan es sich offt begeben, daß ein rechtschaffener Gelehrter in den
sonst gewöhnlichen
Begriffen anderer Gelehrten ein und andere Änderung zu
machen, genungsame
Ursache
findet, welches ihm denn Anlaß giebet, das Wort, das man bisher gebraucht, an
sich zwar zu behalten, aber auch die Bedeutungen desselbigen zu verändern. |
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Auf solche Weise können alle Kunstwörter der
Gelehrten in
zweyerley
Arten eingetheilet werden: in gemeine und in
besondere. |
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Die gemeinen sind diejenigen, die durch den Gebrauch aller oder der meisten
Gelehrten in den Disciplinen der
Gelehrsamkeit
eingeführet sind, worinnen die Gelehrten von den gemeinen Gebrauche der
Sprachen
abgewichen, welches wieder auf zweyerley Art geschiehet: nemlich da die
Gelehrten entweder gantz neue Wörter gemacht; oder die durch den gemeinen
Gebrauch eingeführten Wörter behalten, und ihnen nur neue Bedeutungen
beygeleget. |
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Die besondern Kunst-Wörter hingegen sind diejenigen, die nur einen und dem
andern
Gelehrten eigen sind, in welchen ein Gelehrter auch von dem gelehrten
Gebrauch selbst abweichet, und dieses ebenfalls auf obgedachte zweyerley Art. |
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Ob nun wohl der Gebrauch schlechter Dinges die Richtschnur ist, nach welcher
die Wörter, wenn sie gut und richtig seyn sollen, sich richten müssen, so
erhellet doch aus dem, was jetzo angeführet worden, daß man weder an dem
gemeinen noch am gelehrten Gebrauch so streng gebunden sey. Dieses ist eben der
Grund
der bekannten richtigen
Regel der
Philosophen:
philosopho licet onomatopoiein. Solche
Freyheit
in dem Gebrauche der
Sprachen
was zu ändern, stehet eigentlich nur den
Erfindern neuer
Wahrheiten zu, die sich
derselbigen mit
Vernunfft und Bescheidenheit bedienen müssen, wenn sie entweder
neue Kunst-Wörter erfinden, oder die Bedeutungen der bereits eingeführten anders
bestimmen wollen, welches Müller in der Logick c. 9. weiter ausgeführet, dessen
Gedancken wir hier aus Walchs philosophischem Lexico vornemlich mitgetheilet
haben.¶ |
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Ob aber diese
Freyheit
neue Wörter zu machen sich auch auf die Dichter und
Comödien-Schreiber erstrecke, dieses wollen viele
Gelehrten läugnen. Was die
erstern betrifft: so wollen besonders die neuern Kunst-Richter ihnen diese
Freyheit nicht zugestehen. Es ist auch wohl richtig, daß viele Poeten damit
einen grossen Mißbrauch getrieben haben. Einige haben geglaubt, sie könnten
nicht anders sinnreich seyn, als wenn sie neue Mißgeburten in Worten und |
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{Sp. 280} |
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Redens-Arten ausheckten, und alles für platt und niedrig hielten, was nicht
von grammatikalischen Schnitzern, Verdrehung der Wortfügung, und Verkehrungen
der
Gedancken
wimmelt. |
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Was den
Weltweisen,
und
Lehrern der
Wissenschafften, in Verfertigung gantzer Lehrbücher
frey stehet,
das stehet darum einem Dichter nicht frey, der von seinen Wörtern keine
Erklärungen geben kan, wie jene; sondern eine
Sprache
reden muß, die auch der
Ungelehrte
verstehet. Man hat es von der fruchtbringenden Gesellschafft und an
dem Harsdörferischen und Zesischen Blumen und Schwanen-Orden zur Gnüge gesehen,
wie wenig ihre neu gebackenen Wörter bey den Nachkommen Beyfall gefunden haben.
Gleichwohl hat man nach der Zeit solche Ungeheuer als Machtwörter und Zierrathen
der Schreibart anpreisen wollen, ohne welche ein Gedichte nicht schön seyn
könne. Das lutescere und noctescere des Römischen Furius waren doch noch
analogisch, das ist, nach der Ähnlichkeit anderer Wörter gemacht. Unsere
Deutschen Furier aber fehlen auch darwider, und verstossen wider die
deutlichsten
Regeln der Sprach-Lehre; indem sie
Frantzösische und Englische
Barbarismos ins Deutsche mengen. Was aber hier von Deutschen Dichtern
gesagt
wird, das gehet auch die übrigen an, welche in andern
Sprachen Verse machen.
Denn sie müssen sich alle nach gewissen allgemeinen
Regeln richten, worunter
auch diese mit begriffen ist, daß sie in Verfertigung neuer Wörter entweder sehr
behutsam und sparsam seyn, oder, wo möglich, sich derselben gar enthalten
sollen.¶ |
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Den Comödienschreibern will man so wenig als den Dichtern diese
Freyheit
einräumen. Die
Ursache,
warum man es den Poeten verbietet, gilt auch bey diesen. Es haben daher
unterschiedene Kunst-Richter den grossen Moliere getadelt, daß
er sich eine allzu grosse Freyheit heraus genommen, neue Worte und Ausdrückungen
zu erfinden. Doch haben sich einige gefunden, ihm
Recht
wiederfahren lassen, und nur die Übermasse der Freyheit an ihm ausgesetzet, im
Grunde
aber nicht geläugnet haben, daß er sich derselben nicht sehr offt auf eine sehr
glückliche, und für die
Frantzösische Sprache
vortheilhaffte Art bedient hätte. Er hat auch in der
That etliche Wörter in
Ansehen
gebracht, welche viel Anmuth haben; und wenn irgend ein Sprachlehrer auf eine
gantz widrige Art davon urtheilte: so würde er das Schicksal desjenigen
verdienen, welcher den Poeten Furius getadelt hat, daß er
gewisse
Lateinische Worte erfunden hatte, welche die
Rede abkürtzten, und für zarte
Ohren nichts hartes hatten. Man lese diese Worte des Aulus Gellius
XVIII B. II Cap. 494. u.f. S. |
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Non hercle idem sentio cum Caesellio Vindice Grammatico, ut mea opinio
est, haud quaquam inerudito. Verum hoc tamen petulanter insciteque; quod Furium
veterem poetam dedecorasse
linguam Latinam scripsit, hujuscemodi vocum
fictionibus, quae mihi quidem neque abhorrere a poetica facultate visae sunt,
neque dictu profatuque ipso taetrae aut insuaves esse; sicuti |
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{Sp. 281|S. 154} |
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sunt quaedam alia ab illustribus poetis ficta dure et raucide. Quae
reprehendit autem Caesellius Furiana, haec sunt: quod terram in lutum versam
lutescere dixerit, et tenebras in noctis modum factas
noctescere, etc. |
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Übrigens scheinet keine bessere Schmiede zu neuen Wörtern als die Comödie zu
seyn. Denn wenn sie einige Neuerung der
Sprache hervorbringt, die wohl
aufgenommen wird: so bemächtigen sich derselben unzählige Leute zugleich, und
breiten sie durch vielfältige Wiederholungen gar bald weit und breit aus. Man
muß also überhaupt zu
reden zugestehen, daß Moliere das
Recht
gehabt, die Theatralischen
Materien mit neuen Worten und
Redens-Arten zu
bereichern, worinne er sich einen so grossen
Nahmen
erworben hatte: allein man kan wohl
sagen, daß er sich seines Rechts
gemißbrauchet habe. Denn man muß sich erinnern, daß bey solchen Materien
diejenigen, die sie abhandlen, die
Armuth der Sprache nicht so sehr
empfinden,
als die Scribenten
der Dogmatischen Materien sie empfinden. |
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„Man muß bekennen,
saget Arnaud,
in der Vorrede zur 5 Denunciat. der Philosophischen Sünde, |
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„daß man den Mangel, den unsere
Sprache an gewissen Wörtern hat, vielmehr empfindet, wenn man Materien von einer
Wissenschafft abhandelt, als wenn man von gemeinen Sachen des bürgerlichen
Lebens redet oder schreibet.„ |
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Es ist also gewiß, daß ein Comischer Poet nicht so sehr zu entschuldigen
ist, als die
Philosophen,
welche Wörter schmieden. Diese zwingt eine unumgängliche
Nothwendigkeit dazu.
Man lese diese Klage des Lucretius I B. 137 v. |
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Nec me animi fallit, Grajorum obscura reperta
Difficile inlustrare Latinis versibus esse,
(Multa novis verbis praesertim cum sit agendum)
Propter egestatem linguae, et rerum novitatem. |
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- - -
- - |
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Nunc et Anaxagorae scrutemur Homoeomeriam,
Quam Graeci memorant, nec nostra dicere lingua
Concedit nobis patrii sermonis egestas. |
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Es hat sich Lucrez nicht bloß wegen der
Gesetze
des Sylben-Maaßes in dieser Dürftigkeit befunden, denn diejenigen, welche sich
der Prosa beym Philosophiren bedienet, haben sich eben so, wie er beklagt, daß
es ihnen an Worten gebreche. Seneca
schreibet Epistola
LVIII: |
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Quanta verborum nobis paupertas imo egestas sit, nunquam magis quam
hodierno die intellexi. Mille res inciderunt, cum forte de Platone loqueremur,
quae nomina desiderarent, nec haberent: quaedam vero cum habuissent, fastidio
nostro perdidissent. Quis autem ferat in egestate fastidium. |
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Man bemercke hier die doppelte Quelle, welche uns Seneca
von der
Armuth der
Sprachen anzeiget: Die eine ist, daß man gewisse Worte nicht
gefunden hat: die andere, daß man viele Worte hat abkommen lassen. Allein man
mercke auch, daß die Römer schon damahls, da sie nur kurtze Sinngedichte
gemachet, sich beklaget haben, daß sie die Wörter nicht finden können, die sie
gebraucht haben, siehe Plinius den Jüngern im XVIII
Br. des IV B. |
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Doch ist auch dieses wahr, daß es mit Machung neuer Wörter, wie mit den
Hervorbringungen der
Natur
zugehe: generatio unius est corruptio alterius. Die Geburt eines Worts
ist gemeinig- |
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{Sp. 282} |
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lich der
Tod eines andern. Dieses trifft vornehmlich in Franckreich ein,
daher man hoffen kan, daß die
Frantzösische Sprache niemahls aufhören werde dürfftig zu seyn.¶ |
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