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Zedler: Vorlesung HIS-Data
5028-50-898-6
Titel: Vorlesung
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 50 Sp. 898
Jahr: 1746
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 50 S. 464
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Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Vorlesung, Lat. Praelectiones.  
  Sie werden auch von der Versammlung der Lernenden, die dabey zuseyn pflegt, Collegia genennet.  
  Es wird aber durch dieses Wort diejenige öffentliche Unterweisung verstanden, die die Lehrer auf Academien denen daselbst studirenden geben. Sie erstrecken sich nicht nur auf alle 3. Haupt Facultäten, nehmlich die Gottes-Gelahrheit, Rechts-Wissenschafft und Artzeney-Kunst; sondern erstrecken sich auch auf die vielfältigen Philosophischen Wissenschafften, darunter man Mathesin, Weltweißheit, Historie, Beredsamkeit, Poesie und Sprachen verstehet.  
  Ihre Haupt-Eigenschafften sind wohl ohne Zweifel folgende:  
 
1) Daß sie deutlich,
2) gründlich, und
3) zureichend seyn, also daß man die Haupt-Sachen weder gantz und gar übergehe, noch dieselben mit einer alzugrossen Kürtze vortrage.
 
  Es werden dieselben in zwey Classen getheilet in Practische und Theoretische. In den letztern wird bloß über eine Wissenschafft gelesen, ohne daß die Zuhörer dabey eine andere Beschäfftigung haben, als daß sie fleißig zuhören; hingegen in den erstern wird dasjenige in die Übung gesetzt, was man in den Theoretischen gefasset, und bekommen dabey sowohl die Lernenden als Lehrenden etwas zuthun. Jene müssen etwas ausarbeiten, und von diesen werden die Fehler angezeiget, die dabey mit untergelauffen.  
  Man kan die letztere Art, nehmlich die Practischen Vorlesungen, in 3. Gattungen eintheilen  
 
1) in Collegia Examinatoria
2) in Elaboratoria und
3) in Disputatoria.
 
  In den erstern werden gewisse Fragen von einem Lehrer an die Lernenden gethan, die die wichtigsten Sachen einer Wissenschafft in sich enthalten. Es kömmt hier sehr viel auf die Geschicklichkeit eines Lehrers an, wenn er seine Fragen so einzurichten im Stande ist, daß er hierdurch zugleich die Antwort dem Lernenden gleichsam in dem Munde legt.  
  Von der andern Art sind die gewöhnlichsten  
 
  • die Collegia
    • Logico-Practica,
    • Homiletico-Practica,
    • Juridico-Practica,
  • die Exercitationes Stili,
  • Redner-Gesellschafften,
  • u.d.m.
 
  in welchen allen gewisse Ausarbeitungen dem Lehrer überlieffert werden, davon er sein  
  {Sp. 899|S. 465}  
  Gutdüncken entdecken muß.  
  Was endlich die letzte Gattung anlangt nehmlich die Collegia disputatoria so sind sie nichts anders als angestelte Ubungen, welche die Untersuchung gewisser Wahrheiten, und ihre Rettung wieder alle darwieder zumachende Einwürffe zum Grunde haben dabey ein Lehrer die Aufsicht führt. Derjenige, der die Wahrheit wieder alle Einwürffe vertheidiget, wird der Antwortende (Respondens), hingegen der die Einwürffe auf die Bahne bringt der Gegner (Opponens) genennet. Der Lehrer aber, der sowohl den Antwortenden unterstützt, als auch den Gegner zurecht weiset und ihn gründlich wiederleget, wird der Vorsitzer (Praeses) genennet.  
  Den Nutzen der Vorlesungen überhaupt wird kein Mensch in Zweifel ziehen. Denn was erstliche die Theoretische Vorlesungen anlangt, so müste man den Nutzen aller Gelehrsamkeit überhaupt leugnen, wenn man denselben nicht auch bey den Vorlesungen, die sich als Ursachen gegen dieselbe verhalten, erkennen wolte.  
  Fürnehmlich aber dienen die Practischen Collegia ungemein zur Ausarbeitung unserer Kräffte; wir lernen uns deutliche Begriffe von den Dingen machen, und dieselbe anderen in verständlichen Worten ordentlich vortragen. Wir prüfen hierduch immer mehr und mehr unsere Kräffte und lernen nach und nach diejenige Aufgeblasenheit abzulegen, die man an vielen der Studierenden, zumahl in den ersten Jahren wahrnimmt.  
  Was die Dauer der Vorlesungen anlangt, so währt eine nicht länger als eine Stunde; weil aber in einer so kurtzen Zeit unmöglich etwas zureichendes kan gelehret werden, so setzt man in einer Woche gewisse Stunden aus, in welchen entweder ein halbes oder ein gantzes Jahr durch eine Wissenschafft allein getrieben und vorgetragen wird.  
  Die Menge der Zuhörer, die bey dergleichen Vorlesungen sich einzufinden pflegt, kommt zwar an gewöhnlichsten von der Geschicklichkeit des Lehrers, der sie hält, her; unterdessen wird man doch auch finden, daß öffters nicht alzugeschickte und gelehrte Leute einen grössern Zulauff von Zuhörern haben, als Männer von ausnehmenden Verdiensten, besondern Verstande und grosser Gelehrsamkeit. Es kommt hierbey öffters viel auf den muntern und lebhafften Vortrag an, den ein mittelmäßiger Gelehrter manchmahl in höhern Grad besitzet als ein Gelehrter von ersten Range.  
  Doch wollen wir nicht leugnen, daß man die Annehmlichkeit und Gründlichkeit in Lehren öffters vereinigt findet. Epicurus ein Weltweiser von der ersten Grösse hatte die Kunst gelernet seine Zuhörer so einzunehmen, daß man seine Vorlesungen einen Syrenen Gesang, der alle, die ihnen zuhörten gefesselt genennet. Diogenes Laertius in der Beschreibung des Epicurs giebt uns davon Nachricht. Es ist bekannt, daß ein Camerarius, ein Melanchthon, ein Petrus Mosellanus, Männer, deren Verdienste um die Gelehrsamkeit unschätzbar sind, eine so grosse Menge an Zuhörern gehabt haben, daß ihre Hör-Säle dieselben bei weiten nicht haben fassen können.  
  Dennoch wenn man auch eine tägliche Erfahrung zu Rathe zieht, und sich auf Academien umgesehen hat; so wird man auch  
  {Sp. 900}  
  manches braven Lehrers der in der Gelehrsamkeit das seinige vortreflich gethan hat Lehr-Stuben von Lernenden gantz leer und wüste bemercken.  
  Das Betragen und die Pflicht und Schuldigkeit des Lehrers und der Lernenden alhier anzuführen ist deswegen unnöthig, weil dieses schon in besondern Articuln ausgeführt worden.  
  Unterdessen ist dieses gewiß, daß dergleichen Lehrer jederzeit doppelter Ehre würdig geschätzt zu werden, verdienen weil aus ihrer Werckstatt Leute herkommen, die sowohl in der Kirchen, als bey dem Staate das Ruder in Händen haben, und von denen die Wohlfahrt eines gantzen Landes abhanget.  
  Es haben auch dieses unterschiedliche der öffentlichen Lehrer erkannt. Wie man den von Wilhelm Barclai, einen Schottländischen Rechts-Gelehrten im 16. Jahrhunderte, berichtet, daß er mit besonderer Pracht vornehmlich alsdenn, wenn er in die Vorlesungen gegangen, aufgezogen sey. Es begleitete ihn dahinein nebst zweyen Bedienten sein gelehrter Sohn. Er war mit einem kostbaren langen Rock bekleidet, und hatte eine grosse goldene Kette um den Halß.
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Stand: 25. Februar 2013 © Hans-Walter Pries