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Text |
Quellenangaben |
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Wille Gottes,
Lat. Voluntas Dei,
Voluntas |
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{Sp. 26} |
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divina. Man pfleget den
Willen
Gottes sonderlich auf zweyerley Art zu
nehmen.¶ |
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I. Abhandlung des Willens Gottes in der
ersten Bedeutung. ¶ |
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1) Erklärung dieser Bedeutung.
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Einmahl
verstehet man durch den göttlichen Willen eine
Art derjenigen
Eigenschaften Gottes, die er mit den andern
Geistern gemein hat. Man
theilet
selbige in die Physische und
Moralische, und weil zu jenen dessen
Leben gehören,
so rechnet man zu den
Würckungen desselbigen seinen
Verstand und Willen. |
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Es sind die Eigenschaften Gottes, und also auch sein
Vermögen zu
wollen, (FACVLTAS VOLENDI) sein
Wesen selbst, und da er das
allervollkommenste Wesen ist, so muß er auch den allervollkommensten Willen
haben, daher, wenn wir gleich die
Sache nicht anders, als wie es die Schwachheit
unsers
menschlichen Verstandes zuläst, vorstellen können, doch dahin zu sehen
ist, daß ihm auch auf Seiten des Willens nicht die geringste Unvollkommenheit
beygeleget werde. |
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Es ist also der Wille Gottes diejenige
Würckung des
Lebens, so in Gott ist,
da er allezeit, auf die allervollkommenste Art, das Gute
liebet, und das
Böse
hasset; auch in sich selbst, als in dem allerhöchsten Gute, allein acqviesciret.
Dieses letztere ist auch ohnstreitig die
Ursach, warum er sich den
Nahmen des
sich selber zureichenden GOttes [zwei Wörter hebräisch] selber beyleget. |
1 B. Mos. XVII, 1. |
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Die Handlung des göttlichen Willens (Actus volendi) kan, nach
Verschiedenheit des Gegenstandes, in ein
Wollen und
Nicht-Wollen, (Voluntatem et Noluntatem) eingetheilet werden,
indem
GOtt theils etwas will, theils etwas nicht will. Das göttliche
Wollen ist nichts anders, als die weiseste Zuneigung GOttes, welche er
gegen sich selbst, als den höchsten
Endzweck, und gegen die Geschöpffe um seiner
willen, als gegen Mittel, heget. |
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Wenn der Wille GOttes als eine Zuneigung beschrieben wird, so wird er
dadurch von dem
Verstande unterschieden; Wenn er aber die weiseste Zuneigung
genennet wird, so wird er dadurch von dem natürlichen und sinnlichen Triebe, (Appetitu
naturali et sensitivo) der in GOtt nicht statt findet, unterschieden;
Massen in GOtt die allervollkommenste
vernünfftige Begierde (Appetitus
rationalis) ist, die sich auf die Einsicht seines Verstandes gründet. Eine
solche Beschaffenheit hat es mit dem göttlichen Willen. |
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Nun fragt es sich, was das Nicht-Wollen GOttes sey? Dieses
ist mit dem
moralischen
Bösen, das ist, mit demjenigen beschäftiget, was mit dem
göttlichen Willen und Neigung nicht übereinkommt. Es ist also diejenige
Handlung, da
GOtt, welcher zu sich selbst die allervollkommenste Neigung und
Liebe hat, alles dasjenige, was ihm und seiner
Ehre zuwider ist, verabscheuet.
Davon heisset es Psalm V, 5: Du bist nicht ein GOtt, dem gottloß Wesen
gefällt. |
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Diese Verabscheuung GOttes aber bestehet nicht in einem blossen
Affecte,
sondern in dem nachdrücklichsten
Effecte,
indem er das
Böse
bestraffet und
vernichtet; gleichwie er hingegen das Gute
liebet, belohnet und befördert. Es
ist also in GOtt eine ernstliche, |
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{Sp. 27|S. 27} |
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ewige und unveränderliche Neigung zu dem Guten, und Abneigung von dem Bösen;
Und das ist es, was das
Wollen und Nicht-Wollen GOttes genennet wird. Die
heilige Schrift schreibet Gott ausdrücklich einen Willen zu. |
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- Ps. CXV, 3: Unser GOtt ist im Himmel, er kan schaffen was er
will.
- Röm. IX, 18, 19: Er erbarmet sich, wessen er will, und
verstocket, welchen er will.
- Ephes. I, 11: Er würcket alle
Dinge, nach dem Rathe seines
Willens.
- Matth. XI, 26: Ja Vater, es ist also wohlgefällig gewesen vor
dir.
- 1 Timoth. II, 4: GOtt will, daß allen Menschen geholffen werde,
etc. Von dem Nicht-Wollen heisset es,
- 2 Petr. III, 9: GOtt will nicht, daß jemand verlohren werde,
etc.¶
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2) Object des Göttlichen Willens.
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Der Gegenstand des göttlichen Willens ist entweder persönlich, (Objectum
personale) oder reell, (reale). Das persönliche Object kan wiederum in das
vornehmste, (primarium) welches er selber ist, und in das geringere,
(secundarium) nehmlich die Creaturen, so ferne sie ein Bild seiner Gütigkeit
tragen, und zu seiner
Ehre geschaffen sind, eingetheilet werden. |
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Das reelle Object, dabey sich das göttliche Wesen durch den Willen äussert,
ist entweder was gutes, oder was
böses; Da er denn das Gute allezeit
lieben, und
das Böse allezeit hassen muß. Hier zeiget sich zwischen dem göttlichen und
menschlichen Willen ein grosser Unterschied. Denn die
Menschen erwählen oft was
Böses, an statt des Guten indem sie selbiges entweder aus Unwissenheit, oder aus
Irrthum oder auf Antrieb eines verderbten Affects vor gut halten, daher es auch
kommt, daß sie in ihrem Willen so veränderlich sind, welches eine grosse
Schwachheit anzeigt. Dieses läßt sich von GOtt nicht
sagen, massen er wider sich
selbst handeln würde, und also kein GOtt bliebe, woferne er was gutes hassen,
und was böses lieben solte, so mit einer gar grossen Unvollkommenheit
verknüpft
wäre.¶ |
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3)
Würckungen des Göttlichen Willens.
¶ |
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Die Würckungen des göttlichen Willens theilet man in die Rathschlüsse,
Affecten und in die Tugenden, wenn man auf
menschliche Art davon
reden will, da
man sie zwar von einander unterscheidet, die aber alle zugleich geschehen. Denn
da bey ihm wegen seiner Unendlichkeit keine Succeßion statt findet, so
erkennt
er nicht nur alles auf einmahl, sondern will auch alles auf einmahl. |
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Der Rathschluß ist der
Wille, daß etwas geschehen, und zur
Würcklichkeit
kommen soll, welches man sich, wie bey allen andern
Würckungen auf das
vollkommenste vorstellen muß. Denn wir dörffen nicht dencken, es gehe da zu, wie
bey einem Menschen, wenn er worinnen einen Schluß fasset. Wie bey ihm alles
schon von Ewigkeit beschlossen gewesen, also sind seine Rathschlüsse gantz
unveränderlich, und muß alles auf das genaueste so eintreffen, wie er es
beschlossen. Er braucht dabey keine Überlegung anzustellen, daß wenn er gleich
nichts ohne
Ursache thut, so macht |
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{Sp. 28} |
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ers doch nicht wie die Menschen, die, wenn sie sich zu etwas entschliessen
wollen, so halten Sie den
Nutzen und den
Schaden gegen einander, und sehen,
welches das beste. Nach der
Vernunft können wir keine andere Rathschlüsse
erkennen, als die uns aus dem würcklichen Erfolg, wie er in der
Natur begriffen,
bekannt werden, daß
GOtt von Ewigkeit beschlossen, die gegenwärtige
Welt in der
Zeit zu erschaffen, den Creaturen dasjenige
Wesen, so sie haben, zu geben, und
das Böse zu zulassen. |
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Rechnet man zu dem göttlichen Willen und dessen
Würckungen auch noch die
Affecten, so muß abermahl ihm keine solche
Art der Affecten beygeleget werden,
dabey sich was unvollkommenes befindet. Man pflegt solche in drey Gattungen
abzutheilen. Es sey ein
Affect eine heftige und ausserordentliche
Bewegung
entweder am
Leibe allein, und das nennet man Affectum corporeum; oder
am Leibe und
Gemüthe zugleich, welches ein
Affectus sensualis; oder am
Gemüthe allein, so ein Affectus mentalis sey. |
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Die beyden ersten
Arten können
GOtt als einen
Geiste nicht zukommen; was
aber die
Affectus mentales betrift, wie denn auch die Engel gewisse
Affecten haben, so sind selbige zweyerley. Einige haben ihrer
Natur nach was
sündliches und unvollkommenes bey sich, als der Neid, Haß, Reue und Traurigkeit,
daher wenn wir auch von GOtt in der
heiligen Schrift lesen, er sey bekümmert: er
sey erbittert: es reue ihn, so geschicht dieses auf menschliche Art und muß auf
eine der göttlichen Majestät gemässe Weise erkläret werden. Andere Affecten
haben nichts sündliches und eitles an sich selbst bey sich, und die werden GOtt,
jedoch in dem vollkommensten Grade, zugeschrieben, als der
Affect der
Liebe, der
Freude, der Mitleidigkeit. |
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Die Tugend in dem göttlichen Willen müssen wir uns gantz
anders vorstellen, als wie sie bey einem
Menschen beschaffen. Denn
sagt man von
demselbigen, er sey Tugendhaft, so heißt dieses eigentlich so viel: er ist stets
bemüht, sein
Thun und Lassen nach dem Willen GOttes, als der Richtschnur seiner
Handlungen, einzurichten, welches sich von GOtt nicht
sagen läßt. Denn man kan
ihm nicht nur keine Bemühung beylegen, weil selbige mit einer Unvollkommenheit
verknüpffet ist; sondern es läßt sich auch nicht sagen, daß er sich nach einem
Gesetze richte, indem er keinen höhern über sich hat. Auf solche Weise müssen
wir an statt des Gesetzes sein göttliches Wesen nehmen, und an statt der
Bemühung die würckliche Einrichtung oder Gleichförmigkeit, und uns also die
Tugend bey Gott so vorstellen, daß er alles thue, was seinem
Wesen gemäß ist.¶ |
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4) Eigenschaften des Göttlichen Willens.
¶ |
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Die
Eigenschafften des göttlichen
Willens zeigen wir überhaupt darinnen an,
wenn wir, wie wir vorhero schon erinnert haben,
sagen, es geschehe dabey alles
auf das allervollkommenste. Es haben aber die den Willen GOttes angehenden
Eigenschafften ihre Benen- |
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{Sp. 29|S. 28} |
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nung und
Natur theils von demjenigen, womit der göttlichen Wille und sie
selbst umgehen, (ab objecto) theils von der Art und Weise, nach welcher
GOtt etwas will, oder würcket, (ab operandi modo). |
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Es werden ferner die Eigenschafften des göttlichen Willens entweder
schlechterdings, (absolute) von GOtt
gesagt, oder sie beziehen sich auf
die Creaturen (in relatione ad creaturas). Schlechterdings kommet GOtt
zu, daß sein Wille |
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a) |
independent sey, gleichwie sein
Wesen independent ist. |
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Jes. XLVI, 10. |
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c) |
Unendlich, denn der vornehmste
Gegenstand des Willens ist sein göttliches Wesen, das unendlich ist, um
welches Willen er alles übrige will. |
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d) |
Allerkräfftigst und
allmächtig, indem keine Creatur seinen Willen hindern kan,
Psalm CXV, 3: Er kan schaffen was er will. |
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e) |
Vollkommen heilig, so, daß er
nichts will, oder würcket, was einem wahren und guten
Zwecke (dessen
Würcklichkeit jedoch allemahl von seinem Willen entspringet) zuwider
läufft. |
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f) |
Vollkommen
frey, indem er sich
selbst durch den weissesten Rathschluß determiniret. Diese
Freyheit muß
GOtt schlechterdings zukommen. Denn wolte man ihm selbige absprechen, so
wäre dieses eben so viel, als wenn man offenbar
sagte, es sey kein GOtt.
Ein GOtt, der nicht mit Freyheit, sondern aus einer
Nothwendigkeit und
Zwang würcket, ist kein GOtt, sondern vielmehr eine
Machine; Weswegen
die
Atheisten ihre
Kräffte vornemlich dahin anwenden, daß sie alle
Freyheit aufheben mögen, weil sie wohl wissen, daß dadurch zugleich GOtt
aus der
Welt geschaffet werde. Man kan dieses an dem Benedict
Spinoza sehen, welcher in Ethica. P. II. praeposit.
48. p. 65.
schreibt: In mente nulla est absoluta, sive
libera voluntas: sed mens, ad hoc vel illud vollendum, determinatur a
caussa, quae etiam ab alia determinata est, et haec iterum ab alia, et
sic in infinitum. |
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Ja in dem bey dieser Proposition angeführten
Scholio beraubt er den
Menschen des
Verstandes und Willens, woraus man
leicht
verstehen kan, was er von der Freyheit GOttes halte, worüber er
sich Epist. 62. p. 584. also erkläret: Ego eam
[ca. 11 Zeilen lateinischer Text]. |
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In diesem Irrthum stacken auch viele von den
Griechischen
Weltweisen, welche
GOtt durch ein nothwendiges
Band mit der
Materie
verknüpften, und ihm damit alle Freyheit nahmen. Darinnen kamen
sie alle überein, daß die Materie von Ewigkeit gewesen, und nicht hätte
möglich seyn können, daß die Welt aus nichts sey erschaffen worden;
wegen des
Ursprungs der Welt aber selbst, und der dabey erwiesenen
göttlichen Freyheit waren sie von einander unterschieden. |
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Plato meynte, GOtt habe aus
freyem Willen sich mit der
Materie vereiniget, und also die Welt
herfürgebracht, auf welche Weise er GOtt eine Freyheit ließ.
Aristoteles und Zeno aber |
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{Sp. 30} |
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sagten, daß GOtt von Ewigkeit aus einer
Nothwendigkeit wäre gezwungen worden, sich mit der Materie zu
vereinigen, welcher also die Freyheit GOttes gar aufhoben, so
insonderheit durch die gottlose Lehre der Stoicker von dem
unvermeidlichen Schicksal geschahe, wovon Jacob Thomasius
de Stoica mundi ... zu lesen. |
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Es bestehet aber die
Freyheit des göttlichen
Willens darinnen, daß er aus innerm Triebe und Beliebung, dasjenige
will, was sein vollkommenster
Verstand als gut
erkennet. Mit dieser
Freyheit aber ist zugleich die höchste
moralische Nothwendigkeit
verbunden, welche darinnen bestehet, daß er nur das will, was er als gut
erkennet, und dasjenige nicht will, was er als
böse erkennet. Denn da
er, wegen seiner Unveränderlichkeit, seine
moralischen
Eigenschafften
nimmermehr ändern kan, als z.E. seine
Wahrheit, Liebe, Heiligkeit etc.
da er ferner, nach seiner Allwissenheit das Gute allezeit als gut, und
das Böse als böse, erkennet: so kan er auch in Ewigkeit nicht anders,
als das Gute wollen, und das Böse nicht wollen. Und das wird eine
moralische Nothwendigkeit genennet, die mit der Freyheit wohl bestehen
kan. |
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Diese Freyheit des göttlichen Willens ist aus der
Welt, als aus einem Spiegel, zu
erkennen: Dieweil er den Raum und die
Zeit in der
Natur auf mehr, als eine Art, hätte erfüllen können, und ihn
also nichts genöthiget, diesen Raum zu dieser Zeit vielmehr auf diese,
als auf eine andere Art, zu erfüllen, sondern er die freye Wahl, oder
einige Willkühr, gehabt hat, vor andern
Dingen dasjenige zu erwählen,
was ihm am meisten gefället, welches auch die
H. Schrifft bezeuget:
Psalm CXV, 3. CXXXV, 6. Hiob XXIII, 13. Dan.
IV, 32. Offenbahr. IV, 11. |
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Siehe Nicolai Wilhelm Schröders
Philosophische Inaugural-Dissertation: De libertate Dei, unter dem
Professor Johann Conrad Spangenberg zu Marburg, 1743 gehalten. |
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g) |
Höchst einfach: Denn, wie
GOtt,
durch die einfacheste Handlung, auf einmahl alles
erkennet, so will er
auch alles durch eine eintzige einfacheste Handlung, ohne einige
Succeßion der Volitionen. |
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Man hat nicht wenig darüber gestritten: Ob in
GOtt der Verstand vor dem Willen vorhergehe? Ob also das
Wesen der
Dinge, oder die durch einen
vernünftigen
Verstand von der
Existentz der
Dinge abstrahirte Möglichkeit derselben, vor dem göttlichen Willen
vorhergehe, oder gegen den göttlichen Willen sich vorhergehend (antecedenter)
verhalte? Ob nicht folglich der göttlichen Wille die
Grund-Ursache nur
der Existentz der Dinge, der göttliche Verstand aber die Grund-Ursache
des Wesens der Dinge, und also zugleich mit dem göttlichen Verstande das
Wesen der Dinge ewig, und nur die Existentz derselben zeitlich sey? |
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Allein alle diese
wahrhafftig unverständige
Fragen setzen voraus, daß der
Verstand und Wille GOttes zwey und
verschiedene Dinge in GOtt selbst seyn: Daß der göttliche Verstand, wie
der menschliche, vorerst durch gewisse Abstractionen sich vorstellen
müsse, ob etwas angehe, oder möglich sey, ehe und bevor der göttliche
Wille es zu der
Existentz bringen könne: Daß also der göttliche Wille
von dem göttlichen Verstande, nicht aber dieser von jenem, dependire;
Wie etwa der
menschliche Verstand und
Wille in |
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{Sp. 31|S. 29} |
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dem
Menschen unterschieden, und die Wahrheiten
des menschlichen Verstandes von der
Freyheit des menschlichen
Willens
independent sind. Da nun aber der
göttliche Verstand und Wille nicht
zwey unterschiedene
Dinge in
GOtt selbst, sondern nur zwo unterschiedene
Relationen der einigen gantz einfachen Gottheit gegen die
Welt sind, die
wir nur wegen der Ähnlichkeit, die sie mit den
Würckungen unsers
Verstandes und Willens haben, vermittelst der Anthropopadie uns unter
dem Bilde eines Verstandes und Willens vorstellen. |
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So fält ja die Frage, welches von beydem vor dem
andern in dem göttlichen Wesen selbst vorhergehe, oder von dem andern
dependire, von sich selbst hinweg; Und diejenigen, die solche Frage
aufgeworffen, müssen von dem göttlichen Verstande und Willen, auch von
dem göttlichen Wesen selbst, gar unrichtige
Begriffe gehabt, und nicht
erwogen haben, daß, da der Wille Gottes, in so fern wir ihn in Gott
betrachten, Gott selbst seyn muß, folglich die
Wahrheit, wenn sie nicht
von Gottes Willen dependirete von Gott gar nicht dependiren könnte. |
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Vielmehr hat Gott durch die
Schöpffung, und also
offenbahrlich durch seinen Willen, aller in der
Natur hervorleuchtenden
Weisheit ihre ersten
Principia gesetzet. Er ist der Schöpffer der
Elemente und
Geister, welche die Principia der natürlichen Weisheit
sind, die in dem
Zusammenhange der Dinge selbst anzutreffen. Er ist der
Schöpffer der
Sinne und der
Vernunfft, welche das
Principium der
menschlichen Weisheit sind. Er ist der Urheber aller
Zwecke der Dinge,
als des Principii aller
moralischen Weisheit. |
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Da also
GOtt der Brunnquell aller in der
Natur
hervorleuchtenden
Weisheit dergestalt ist, daß auch sogar die ersten
Principia derselben von der Schöpffung, und also von seinem Willen,
ihren
Ursprung haben; Und durch diese Principia alle erschaffene
Weisheit eben endlich und umschränckt ist, indem sie über dieselben sich
nicht erstrecken kan: So kan die erschaffende Weisheit selbst kein
Principium, das sich gegen den Willen GOttes vorhergehend verhalte,
haben: Dieweil, wenn sie, wie die menschliche Weisheit, die vor dem
menschlichen Willen vorhergehet, in die Grentzen determinirter
Principiorum eingeschräncket wäre, sie unstreitig endlich, und folglich
nicht göttlich seyn müste. |
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Wenn derowegen die Scholasticker
gesagt haben,
daß dasjenige, was durch das göttliche natürliche
Gesetz geboten und
verboten ist, an sich selbst und seiner eigenen
Natur nach, oder durch
eine natürliche
Nothwendigkeit, (per se, intrinsece, et sua natura)
gerecht, oder ungerecht sey: so kan solches, als sehr wohl
geredet,
angenommen und gebilliget werden, in sofern es also verstanden wird, daß
es nicht erst durch den Willen der
Regenten auf
Erden recht, oder
unrecht werde, sondern solches recht und unrecht schon in der
Ordnung der Natur, und also in dem
Wesen der
Dinge selbst, als eine von dem
Willen aller Regenten auf Erden independente
Wahrheit, gegründet sey. |
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Daß aber ferner die meisten Scholasticker diese
innerliche Nothwendigkeit (Perseitatem) auch so gar von der
Freyheit GOttes independent haben machen wollen, und |
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{Sp. 32} |
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davor gehalten, daß das
Wesen der
Dinge, und das
in demselben gegründete
Recht und Unrecht, auch selbst vor dem Willen
GOttes, als ein ewiges Gesetz, vorhergehe; in dem GOtt ein freyer
Schöpffer aller
Dinge, nur in Ansehung ihrer
Existentz, nicht aber auch
ihres Wesens, und also auch nicht ein freyer Urheber des in dem Wesen
der Dinge gegründeten Rechts, oder Unrechts, sey: Ist ein altes
Vorurtheil, das aus den grundlosen Lehren der Heyden von dem Schicksale,
und von einem GOtte gleich ewigen unerschaffenen
Principio, durch
welches die
Formen der Dinge determiniret würden, und über dessen
determinirte Möglichkeiten auch GOtt selbst nichts vermöge, seinen
Ursprung zu haben scheinet; Welches zu bemänteln, und den Schandfleck
seines Ursprungs zu dissimuliren, die Scholasticker sich zwar sehr, aber
vergeblich, bemühet haben. |
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Es ist wohl an dem, daß, was natürlicherweise
recht, oder unrecht ist, in dem
Wesen der
Dinge selbst, nemlich in dem
Wesen der
Vernunfft und ihrer Objecte, gegründet ist: Allein, es ist
auch gewiß, daß, da
GOtt ein freyer Urheber und Schöpffer der Vernunfft
und aller Dinge, die
Schöpffung aber ein freyer Wille GOttes ist; Das
Wesen der
Dinge, und das aus demselben natürlicherweise fliessende
Recht
und Unrecht, dem freyen Willen GOttes nicht entgegen gesetzet, sondern
als ein freywillig hervorgebrachter
Effect subordiniret werden müsse;
und man also nicht
sagen könne, daß das Wesen der Dinge, nebst dem
darinnen gegründeten Recht, oder Unrecht, vor dem Schöpffer der Dinge,
das ist, der Effect vor seiner
Ursache, sich als vorhergehend (antecedenter)
verhalte. |
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Es würden auch solches die Scholasticker nicht
gesaget haben, wenn sie nicht den heydnischen
Principien ihres
Aristoteles allzu strenge angehangen hätten, welcher die
Materie vor ein GOtt gleich ewiges und von ihm gäntzlich independentes
Ding hielt, aus dessen Fähigkeit (Potentia) die
Formen, als die
Essentzen der Dinge, hervorgebracht würden: Dem zu Folge sie freylich
sagen musten, daß das
Wesen der Dinge schon von Ewigkeit, und vor dem
Willen GOttes vorhergehend, in der Fähigkeit (Potentia) der
Materie, der Möglichkeiten nach, determiniret sey, und es also nicht
schlechterdings bey der göttlichen Freyheit gestanden, was vor Wesen die
aus der Materie hervorzubringenden Dinge haben solten. Ja, viele haben
diesen Irrthum gar so weit getrieben, daß sie sich nicht gescheuet, zu
sagen, das in dem ewigen Wesen der Dinge gegründete
Recht würde seyn,
wenn auch gleich gar kein GOtt wäre. |
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Die neuern Vertheidiger der Vorhergehung des
Wesens der
Dinge vor dem Willen GOttes, leiten zwar dieselbe nicht mehr
aus diesen heydnischen Vorurtheilen her, durch welche die alten
verleitet worden sind, sie zu behaupten: sondern sie
sagen, daß das
Wesen, oder die Möglichkeit der Dinge, von dem
göttlichen Verstande, und
nur die
Existentz, oder die
Würcklichkeit derselben, von dem göttlichen
Willen dependire; und daß also, weil der göttliche Verstand vor dem
göttlichen Willen sich als vorhergehend verhalte, |
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{Sp. 33|S. 30} |
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folglich auch das Wesen, oder die Möglichkeit der
Dinge, sich als vor dem göttlichen Willen vorhergehend verhalte; Dahero
sey das Wesen der Dinge ewig, weil es in dem göttlichen Verstande von
Ewigkeit vorhanden, und würcklich zugegen gewesen, und nur die
Existentz
derselben, als die von dem göttlichen Willen dependire, zeitlich. |
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Wolffs vernünfftige Gedancken von Gott, ... |
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Allein an dieser
Gedancke finden wir zweyerley
auszusetzen: Erstlich, die Trennung des
Wesens der
Dinge von ihrer
Existentz, als ob nemlich beyde zwey unterschiedene Dinge, auch ausser
dem
menschlichen Verstande, der sie von einander abstrahiret, wären;
Inmassen das eine einen anderen
Ursprung haben soll, als das andere. Zum
andern den unrichtigen
Begriff von dem
Verstande und Willen GOttes, als
ob nemlich auch diese zwey unterschiedenen Dinge in dem göttlichen Wesen
selbst wären, und der göttliche Verstand etwas, (nemlich das Wesen der
Dinge) würcke, worzu der göttliche Wille nichts vermöge, als welcher auf
den göttlichen Verstand dergestalt erst folge, und von demselben
dependire, daß, ehe der Wille GOttes einen Rathschluß, etwas zu der
Existentz zu bringen, fassen könne, der Verstand GOttes erst
erkennen
müsse, ob und wie es möglich sey; Welches doch gar sehr nach dem
Anthropomorphismus schmecket. |
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Denn der
menschliche Wille, wenn er sich, etwas
zu
Wercke zu richten, determiniren soll, erfordert zwar ein Object,
dessen Möglichkeit schon ausser ihm in der
Natur der
Dinge präexistire,
welche Möglichkeit von den schon existirenden Dingen zu abstrahiren und
vorher zu
erkennen, ihm eben ein Verstand zugesellet, oder vorgesetzet
ist. Und in den menschlichen
Wercken also ist es wahr, daß eine ausser
dem Willen in der Natur vorher gegründete Möglichkeit schon da seyn
müsse, ehe sie der menschliche Wille zu der
Würcklichkeit bringen könne:
Dieweil freylich der
Mensch ein Object seiner Wercke haben muß, und sie
nicht aus nichts erschaffen kan. Allein GOtt, als der Schöpffer der
Dinge, findet nicht etwa schon das mögliche, sondern er machet möglich
und zu einem Dinge, was vorher noch gar nichts, oder ein Unding, und
also auch noch keine Möglichkeit war. Denn er erschaffete die
Welt aus
nichts. |
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Also, da vor der
Schöpffung ausser
GOtt gar
nichts war, und also auch nicht die Möglichkeiten, oder Species in
Abstracto, der
Dinge, die nun sind; Denn diese hat nachhero erst der
menschliche Verstand von den würcklich existirenden Dingen, oder
Individuis, in
Gedancken abstrahiret: (Und wer wolte sagen, daß auch
GOtt selbst, indem er habe erschaffen wollen, sich erst, man weiß nicht
von was vor Concretis die Species, oder generalen Möglichkeiten der
Dinge, abstrahiret habe). |
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So muß GOtt alles, was möglich ist, allererst
möglich gemacht haben. Und weil etwas machen, eine
That, oder
Würckung,
GOtt aber in allen seinen Thaten, oder Würckungen, frei ist; (GleichwIe
hin- |
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{Sp.34} |
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gegen der Mensch in den Seinigen zum Theil
umschräncket, und an die Möglichkeiten der Natur gebunden ist) Und das
freye
Thun, oder Würcken GOttes, wir uns als einen Willen GOttes
vorstellen: So muß der Wille GOttes der Brunnquell nicht allein der
Würcklichkeit, sondern auch der Möglichkeiten, (Specierum in
abstracto) die wir Menschen uns nachhero von den würcklichen Dingen
abstrahiren, seyn. |
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Und also, da, nach der
Redens-Art der
Scholasticker, die von der
Würcklichkeit der
Dinge abstrahirte
Möglichkeit derselben das
Wesen der Dinge heisset; So ist der Wille
GOttes auch der
Grund des Wesens der Dinge. |
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Gesetzt demnach, daß ein Heyde, den die
Schöpffung aller Dinge aus nichts unbekannt war, und der also die
Ewigkeit der Welt behaupten muste, nach diesem seinem Vorurtheile, nur
die
Existentz derer Individuorum vor zeitlich, das
Wesen aber der Dinge
in Abstracto vor ewig halten muste: So sehen wir doch nicht, wie einer,
der obgedachte Heydnische
Principia verwirfft, die folgenden derselben
beybehalten, und also die
Schöpffung aller Dinge aus nichts, und doch
zugleich die ewige Präexistentz des Wesens der Dinge vor der Schöpffung,
und folglich vor dem Willen GOttes, ohne Widerspruch behaupten könne. |
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Wenn die innerliche Nothwendigkeit des
natürlichen Rechts oder Unrechts, nur hypothetisch, oder
Bedingungs-weise, behauptet würde, also nemlich, daß, da GOtt das
menschliche
vernünfftige
Wesen, und das Wesen der andern
Dinge, so, wie
es ist, würcklich hergestellet hat, gewisse menschliche
Thaten durch
eine innerliche, in dem Wesen menschlicher Thaten selbst gegründete,
Nothwendigkeit recht, oder unrecht seyn müssen: So hätte wohl niemand
Ursach, das geringste darwider einzuwenden; Inmassen wir eine solche
innerliche natürliche Nothwendigkeit, die nicht ein vor GOttes Willen
vorhergehendes, sondern ein von Gott erschaffenes, und also von GOttes
Willen dependirendes Wesen der Dinge zu dem
Grunde hat, selbst
behaupten. Denn da GOtt diese Natur der Dinge, und in derselben die
menschlichen, nach seinem Willen nun einmahl hergestellet hat: So ist
freylich nicht möglich, daß er zugleich etwas derselben widersprechendes
wollen könne. |
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Und so weit können wir allerdings mit dem
Grotius, B. I, C. I. § 10.
sagen: Quod
actus jure naturali, praecepti, aut prohibiti, sint debiti, aut
illiciti, per se, atque ideo a Deo necessario praecepti, aut vetiti,
intelligantur; quodque jus naturale adeo immutabile sit, ut ne a Deo
quidem mutari queat. Denn daß Grotius allhier
nicht eine absolute, sondern eine hypothetische Nothwendigkeit,
verstanden, welche die Bedingung, daß
GOtt die
Vernunfft und
Natur so,
wie sie ist, erschaffen habe, voraus setzet, ist aus seiner
unmittelbar
vor dem angeführten Satze vorhergehenden Definition des natürlichen
Rechts, aus welcher er solchen Satz schliesset, gar deutlich zu
erkennen: Jus naturale est dictamen rectae rationis, indicans, actui
alicui ex ejus convenientia, aut |
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{Sp. 35|S. 31} |
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disconvenientia, cum ipsa natura rationali,
inesse moralem, turpitudinem, aut necessitatem moralem, ac consequenter
ab auctore naturae, Deo, talem actum aut vetati, aut praecipi. |
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Wenn demnach gefraget wird: Warum eine
menschliche
That an sich selbst vor recht, oder unrecht zu halten sey?
So ist, nach dieser Definition des Grotius, zu
antworten: Weil sie mit dem
Wesen des Menschen, als einer
vernünfftigen
Creatur, übereinkommet, oder ihm zuwider ist. Wenn man ferner nach den
Ursprunge diese vernünfftigen Natur des Menschen zu fragen fortfähret,
so antwortet Grotius, sie sey, und mit ihr alles aus
ihre folgende
Recht, oder Unrecht, von GOtt, dem Urheber der Natur. |
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Will man noch weiter ausgrübeln, warum doch GOtt
diese Creatur, die wir nun, da sie da ist, einen Menschen nennen,
vernünfftig, oder zu einem
Menschen, erschaffen? So antwortet der
Scholasticus, wie er aus den Heydnischen Principien seines
Aristoteles gelernet hat: Weil das
Wesen der Dinge, und also
auch das vernünfftige Wesen des Menschen, ewig ist, und also GOtt das
Wesen des Menschen nicht anders, als wie es schon vor der von Ewigkeit,
vor dem Willen GOttes vorhergehend, gewesen ist, zu der
Existentz in den
Individuis der
Welt hat bringen können; Und daraus schliesset er, daß
also, was in den menschlichen
Thaten recht, oder unrecht ist, nicht
durch GOttes Willen, sondern vor dem Willen GOttes vorhergehend, recht,
oder unrecht sey. |
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Wir aber
sagen, daß, weil der Wille, das ist, die
freye
That GOttes, durch welche er alle Dinge, und unter denselben die
menschliche
Vernunfft selbst erschaffen hat, das schlechterdings erste
Principium aller Dinge ist, also unsere Vernunfft über GOtt, als den
Schöpffer aller Dinge, nicht weiter hinaus könne: Und daß also Leute,
denen GOttes Wille, oder die
Schöpffung, noch nicht ein genugsam erster
Grund aller Dinge zu seyn bedüncket, in einer Stunde mehr fragen können,
als von ihnen selbst und von andern jemahls mit Grunde beantwortet
werden kan. |
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Der gewöhnlichste Einwurff, den die Vertheidiger
der Vorhergehung des
natürlichen Rechts, oder Unrechts, vor dem
göttlichen Willen machen, ist dieser, daß, wenn das natürliche Recht,
oder Unrecht, nicht vor dem göttlichen Willen vorhergienge, sondern erst
durch diesen recht, oder unrecht würde, daher folgen würde, daß GOtt,
nach seinem freyen Willen, die
schändlichsten Laster, als Mord,
Ehebruch, Diebstahl, Neid und so weiter, je so schier hätte gebieten
oder zulassen, als verbiethen können; Welches zu
sagen höchst ärgerlich
und gottloß wäre. |
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Allein die Nichtigkeit dieses Einwurffs lässet
sich gar bald
erkennen, wenn man erweget, wie unrichtig seine Folge sey.
Denn da Mord, Ehebruch u.s.w. solche
Thaten sind, die ihrer
Natur
nach schon einen
vernünfftigen
Menschen voraussetzen, aus dessen
Wesen ein
natürliches
Gesetz, und aus diesem die Schändlichkeit dieser Laster, und
die
Verbindlichkeit zu den entgegen gesetzten Tugenden, nothwendig
folget: So ist es ja freylich |
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{Sp. 36} |
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unmöglich, daß GOtt einem vernünfftigen Menschen
obgedachte Laster habe zulassen, oder gebieten, und also der göttlichen
Willen sich selbst habe zuwider seyn, oder sich widersprechen können,
das ist, daß GOtt ein vernünfftiges Wesen habe erschaffen wollen und
können, das doch zugleich nicht vernünfftig seyn solle. |
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Daher siehet man, daß die Zulassung der Laster
von Seiten GOttes unmöglich seyn könne, und würcklich unmöglich sey,
wenn auch gleich das vernünfftige
Wesen des
Menschen, und das aus
demselben fliessende natürliche Recht, ein
Werck des göttlichen Willens
ist; Und daß man aus der natürlichen Schändlichkeit der Laster eine
Vorhergehung solcher Schändlichkeit vor dem Willen GOttes keinesweges
schliessen könne. |
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Denn zum wenigsten hat doch dieses bey dem freyen
Willen GOttes gestanden, ob er ein vernünfftiges Wesen hat erschaffen
wollen, oder nicht. Dahero unwiedersprechlich folget, daß, da alles
natürliche Recht und Unrecht unstreitig aus der Natur eines
vernünfftigen Wesens fliesset, folglich auch das
natürliche Recht und
Unrecht, und ob je eine physicalische
That, oder
Bewegung, der
Eigenschafft der Tugendhafftigkeit, oder der Lasterhafftigkeit, fähig
seyn solle, schlechterdings von dem göttlichen Willen dependiret. Denn
ein mehreres brauchet man nicht zu behaupten, um die Vorhergehung des
natürlichen Rechts und Unrechts vor dem göttlichen Willen zu widerlegen. |
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Ein mehreres hiervon kan man in des
scharfsinnigen
Puffendorffs Specimine
controversiarum, c. 5. und in eben desselben Spicilegio
controversiarum, c. 3. die beyde in seiner Eride Scandica
zu befinden sind, nachlesen; Da er diese gantze Streitigkeit aus dem
Grunde untersuchet und ausgemachet hat. |
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In Ansehung der Geschöpffe, ist der Wille GOttes: |
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a) |
Unendlich gütig, dahin denn auch
die Gnade und Barmhertzigkeit zu rechnen ist. |
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b) |
Höchst gerecht, wiewohl ihm
selbst kein
Gesetze vorgeschrieben seyn kan. |
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