HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Leuteratio HIS-Data
5028-17-669-8
Titel: Leuteratio
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 17 Sp. 669
Jahr: 1738
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 17 S. 352
Vorheriger Artikel: Leuteon
Folgender Artikel: Leuteratio Reiectionis
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Leuteratio, Leuterung, ist ein Remedium suspensiuum, in welchem coram eodem judicio die Obscurität oder Iniquität einer Sententz entweder zu declariren, oder zu corrigiren gesuchet wird.  
  Dahero weil die Sache bey eben dem Richter bleibet, kan die Leuterung nicht anders, denn abusiue eine Instantz benennet werden, denn die Instantia einen andern Iudicem erfordert. Carpzov Proc. ...
  Ist demnach ein Unterscheid zu machen  
 
1) unter der Leuterung und einer blossen Protestation, als welche letztere gantz keine Vim suspensionis hat.
Ord. Proc. Sax. ...
 
2) unter der Leuterung und Appellation: denn die Appellation nicht allein die sache suspendiret, sondern auch dieselbe an den Ober-Richter deuoluiret, und eine neue Instantz ausmachet.
Carpzov Proc. ...
  Die Leuterung wird eingetheilet  
 
1) in generalem und specialem; die generalis suspendiret die gantze Sententz, die specialis aber nur einen Articul derselben.
2) In Leuterationem in specie und die Ober-Leuterung.
 
  Jene bedeutet primam oder priorem; diese aber secundam oder posteriorem, und wird sonst Leuteratio Leuterationis genennet, welche letztere, nehmlich die Ober-Leuterung, alsdenn nur in Sachsen admittiret wird, wenn nicht nur die Sache in dem Hof-Gerichte anhängig gemacht, sondern auch definitiue darinne erkannt worden. Im übrigen aber ist Leuteratio Leuterationis nicht zuläßig, nehmlich in denen Sachen, welche in denen Unter-Gerichten gehandelt, oder ad Principem durch eine Appellation devolviret werden. In beyden ist nicht mehr denn eine Leuterung zuläßig. Chur-Sächs. verbesserte Process-Ordn. ...
  Dahero, wenn prior sententia in der Leuterungs-Instantz confirmiret wird, kan von neuem dieses Remedium nicht eingewendet werden, welches jedennoch auf den Casum, wenn zwey gantz conforme und übereinstimmige Sententzen immediate auf einander folgen, allein zu restringiren.  
  Wenn aber die erstere Sententz durch die andere mutiret wird, stehet beyden Partheyen frey, abwechsels-weise zu  
  {Sp. 670}  
  leuteriren, und wenn gleich aus eben dem Grauamine die vorige Leuterung interponiret worden wäre, welches Gebrauchs der Fori Saxonici Ratio seyn soll: Quod in omni mutatione prioris sententiae nouum grauamen subesse videatur, adeoque remedium suspensiuum de nouo etiam locum habere debeat.  
  Allein nach der neuen Ordnung ist in Chur-Sachsen de nouo geordnet, daß in Zukunfft, zu mehrerer Verkürtzung derer Processe, bei denen Nieder-Gerichten jedem Theile wieder ein Urtheil nicht mehr als eine Leuterung zugelassen seyn, und an deren statt, von dem, so dergleichen bereits gehabt, wenn auf des Gegentheils Leuterung eine correctoria oder declaratoria erfolget, bey vorhandenen erheblichen Grauaminibus alsofort das Remedium Appellationis zu ergreiffen.  
  Ferner wird auch so wohl die Leuterung als ein anderes Remedium suspensiuum wieder ein Urtheil, so in possessorio Summarissimo gesprochen worden, nicht admittiret; doch muß Iudex inferior, wenn wieder eine solche Sententz eine Appellation eingewendet worden, davon an den Superiorem Bericht erstatten. Ord. Proc. Sax. Recog. ...
  Noch weiter findet die Leuterung in denen Inquisitionibus nicht statt, weil darinnen die Sententz nicht Res iudicata wird, sondern wenn jemand trifftige Momenta anführen kan, darff er allezeit seine Defension beybringen. So ist auch die Leuterung in Wechsel-Sachen unzuläßig, ob celerrimum procedendi modum. Und letzlich wird die Leuterung nicht admittiret, wenn in dem Contractu derselben renunciret worden, per l. vlt. §. vlt. C. de Temp. et Repar. appell.
  Es interponiret aber die Leuterung entweder grauatus selbst, oder dessen Anwald, denn in Abwesenheit seines Clienten kan der Advocat auch solches thun; muß aber seines Clienten Namen unterschreiben. Carpzov Lib. III. Resp.
  Eines illegitimati geschehene Interposition kan ratihabiret werden, welches jedoch intra decendium geschehen muß; denn wenn ein negotium intra certum tempus expediret werden muß, soll auch die Ratihabition innerhalb solcher Zeit, darinnen der Actus verrichtet werden soll, geschehen.  
  Die Leuterung wird dem Iudici grauanti, nicht aber bey dem superiori eingerichtet. So ferne aber die Sache vor einer Commission tractiret wird, muß man sich wohl in Acht nehmen, daß man die Leuterung, ehe und bevor man das Commissoriale nicht durchgesehen, nicht exhibire. Arg. Cap. 22. X. d. Rescr.
  Die Grauamina müssen specifice inseriret werden, nach der verbesserten Sächsischen Proceß-Ordnung ...
  und wird eine Leuterung, darinnen die Grauamina specifice nicht angeführet, mit fünf Rthlr. Strafe reiiciret.  
  Nach der alten Sächsischen Proceß-Ordnung ... ist geordnet, daß, wenn gleich jemand in der Schedula Leuterationis um den Terminum Prosecutionis bereits angehalten hätte, er dennoch sub Poena Desertionis noch einmahl innerhalb Sächsischer Frist schrifftlich um solchen Termin ansuchen wolle, welches aber in der verbesserten Proceß-Ordnung ... gäntzlich aufgehoben, und in der Leuterungs-Schedul die Suchung des Termini anbefohlen worden.  
  Wenn Leuterans und Leuteratus in Termino Prosecutionis beyderseits nicht erscheinen, ist die Leuterung nicht desert worden,  
  {Sp. 671|S. 353}  
  sondern der Termin pro circumducto zu halten: Denn da es ein generale Principium ist, quod vtraque parte absente in Termino, nihil actum esse intelligatur, nulla quoque poene locum habere potest, nisi haec expressa lege sancita fuerit. Nun ist aber in hoc Casu kein Lex vorhanden; ergo ist auch keine Poena zu statuiren, wie das also  
 
  • Collegia Wittebergensia pronunciiren.
  • Wernher Comp. Iur. ... dociret,
  • und daß Collegia Lipsiensia einen andern Stylum zu führen belieben. Riuinus ad Ord. Proc. Sax. ... allda allegiret.
 
  Zuweilen sind die Verba einer publicirten Sententz ambigua, und inferiren einen Sensum dubium, in solchem Casu man eine Declaration zu bitten nöthig hat, welches denn eben nicht intra decendium bewerckstelliget werden muß, sondern auch, wenn gleich das Urtheil seine Rechts-Krafft erreichet hat, geschehen kan, weilen dadurch nichts anders, denn daß der Sensus genuinus erkläret werde, intendiret wird, welches von dem Richter, so die Sententz gesprochen, geschiehet; doch kann auch eine Sententz, welche von einem andern gesprochen, von einem andern Collegio ICtorum declariret werden.  
  Stryk Introd. ad Praxin forens. ... vermeynet, es sey besser, und gereiche zu Vermeidung des unnützen Disputats, wenn man diese Declaration intra decendium suche, und solchem Petito euentualiter die Leuterung anhänge.  
  Dieser heilsame Sächsische Gebrauch der Leuterung hat zweyerley Nutzen:  
  Erstlich dienet er, und ist gut, für beyderseits Partheyen, damit sie ihre Sache wieder zurechte bringen mögen, so zuvor sich verlauffen hatten, und zwar etwa in Mangel genugsamen Berichts und Verstandes und denen Dingen so viel oder zu wenig gethan worden, oder könnte auch wohl durch Unfleiß versehen worden seyn.  
  Zum andern nutzet die Leuterung auch dem Iudici, auf daß er sich aus Wiederhohlung, Leuterung und verständigen Auslegung derer vorigen eingekommenen Sätze und Acten erinnern möge, ob er auch irgends in Concipirung des Urtheils sich geirret, damit er hier retractiren und verbessern könne; denn irren ist menschlich.  
  Ordentlicher Weise pfleget die Leuterung schrifftlich, nicht aber viua voce, aucht nicht vor Notario und Zeugen eingewendet zu werden, jedoch kann man dieselbe durch einen gevollmächtigten einwenden, wofern er nur mit einer General-Vollmacht cum libera versehen, und werden durch die Leuterung dem Richter eben so wohl als durch die Appellation die Hände gebunden, daß er in der Sache nichts weiters vornehmen kann.  
  Nun muß auch, wie schon gedacht, das gantze Urtheil oder doch das Grauamen in dem Urtheile wörtlich eingerücket werden, nehmlich in den Leuterungs-Zettel. Es dürffen in der Schedula Leuterationis angezogene Grauamina nicht völlig deduciret werden, sondern es ist genug, wenn man solche summarisch berühret, müssen aber nach der neuesten Chur-Sächsischen Proceß-Ordnung ... wenigstens ein und das andere Grauamen specifice und deutlich angeführet werden, oder es wird mit 5. Rthlr. Straffe ab Actis remouiret[1], und die ausführli-
[1] HIS-Data: korrigiert aus: renouiret
  {Sp. 672}  
  che Deduction bis zur Leuterung versparet.  
  Man übergiebt den Leuterungs-Zettel wie andere Schrifften: mündlich ists ungewöhnlich, aber bey Appellationen gehet es wohl an viva voce et stante pede, vor einem Notario und Zeugen gehet es auch nicht an mit der Leuterung, man müste den Richter nicht habhafft werden können.  
  Die Leuterung, wie schon gedacht, bindet dem Richter so wohl die Hände, als die Appellation, daß er in der Sache weiter nichts vornehmen kan.  
  Wie viel einem Satze jeden Theil bey der Leuterung zugelassen, davon giebt die Sächsische Proceß-Ordnung ... deutliche Nachricht. In Sachsen wird alles aus dem Munde in die Feder dictiret. Und, ist der Richter nicht zugegen, schreibet der Actuarius oder ein geschworner Copist nach.  
  In Chur-Sachsen ist das Septiduum gebräuchlich, ausgenommen in Concurs-Sachen, da nach Gelegenheit der Sachen 2. 3. auch wohl 6. Wochen diesfalls eingeräumet werden. Welchergestalt nun diese 7. Tage unter denen Partheyen einzutheilen, davon ist in Mand. I. Georg. II. d. 25. April. 1672. enthalten. Es ist dieses Mandat durch ein anderes de anno 1696. nochmahls bestätiget worden.  
  An dieses Fatale des Septidui (jedoch die Fest-Tage und Ferien abgerechnet) sind die Partheyen genau verbunden.
  • Ord. Iud. Adpell. Tit. vom Rechtlichen Einbrigen
  • Mandat. de. 3. April. Anno 1605.
  Es kan aber auch im Gegentheil der Richter dasselbe nicht einschräncken, noch prorogiren, es müste denn gantz was sonderliches seyn. Mandat. de Anno 1607.
  Leuterung ist beyden Theilen gemein, und kan der Leuterat derselben adhaeriren.  
     

HIS-Data 5028-17-669-8: Zedler: Leuteratio HIS-Data Home
Stand: 30. Dezember 2012 © Hans-Walter Pries