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Quellenangaben |
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Leuteratio, Leuterung, ist ein
Remedium suspensiuum, in
welchem coram eodem judicio die Obscurität oder Iniquität
einer Sententz entweder zu
declariren, oder zu corrigiren
gesuchet wird. |
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Dahero weil die
Sache
bey eben dem
Richter
bleibet, kan die Leuterung nicht anders, denn abusiue eine Instantz
benennet werden, denn die Instantia einen andern
Iudicem
erfordert. |
Carpzov
Proc. ... |
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Ist demnach ein
Unterscheid
zu machen |
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1) |
unter der Leuterung und einer blossen
Protestation, als welche letztere
gantz
keine Vim suspensionis hat. |
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Ord. Proc. Sax. ... |
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2) |
unter der Leuterung und
Appellation: denn die Appellation nicht allein die
sache suspendiret, sondern auch dieselbe an den
Ober-Richter deuoluiret, und eine neue Instantz
ausmachet. |
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Carpzov
Proc. ... |
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Die Leuterung wird
eingetheilet |
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1) |
in generalem und specialem; die
generalis
suspendiret die gantze Sententz, die specialis aber nur einen
Articul derselben. |
2) |
In Leuterationem in specie und die
Ober-Leuterung. |
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Jene
bedeutet
primam oder priorem; diese aber secundam oder
posteriorem, und wird sonst Leuteratio Leuterationis
genennet,
welche letztere, nehmlich die Ober-Leuterung, alsdenn nur in Sachsen
admittiret wird, wenn nicht nur die Sache in dem Hof-Gerichte anhängig
gemacht, sondern auch definitiue darinne
erkannt
worden. Im übrigen aber ist Leuteratio Leuterationis nicht zuläßig, nehmlich in
denen Sachen, welche in denen
Unter-Gerichten gehandelt, oder
ad
Principem durch
eine Appellation devolviret werden. In beyden ist nicht mehr denn eine Leuterung
zuläßig. |
Chur-Sächs. verbesserte
Process-Ordn. ... |
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Dahero, wenn prior sententia in der Leuterungs-Instantz
confirmiret wird, kan von neuem dieses Remedium nicht
eingewendet werden, welches jedennoch auf den Casum, wenn zwey gantz
conforme und
übereinstimmige
Sententzen immediate auf einander folgen, allein zu
restringiren. |
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Wenn aber die erstere Sententz durch die andere mutiret
wird, stehet beyden Partheyen frey, abwechsels-weise zu |
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{Sp. 670} |
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leuteriren, und wenn gleich aus eben dem
Grauamine die vorige Leuterung
interponiret worden wäre, welches
Gebrauchs
der Fori Saxonici Ratio seyn
soll:
Quod in omni mutatione prioris sententiae nouum grauamen subesse videatur,
adeoque remedium suspensiuum de nouo etiam locum habere debeat. |
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Allein nach der neuen Ordnung ist in
Chur-Sachsen
de nouo geordnet, daß in Zukunfft, zu mehrerer Verkürtzung derer
Processe, bei denen
Nieder-Gerichten jedem
Theile
wieder ein
Urtheil
nicht mehr als eine Leuterung zugelassen seyn, und an deren statt, von dem, so
dergleichen bereits gehabt, wenn auf des Gegentheils Leuterung eine
correctoria oder declaratoria erfolget, bey vorhandenen
erheblichen
Grauaminibus alsofort das Remedium
Appellationis zu ergreiffen. |
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Ferner wird auch so wohl die Leuterung als ein anderes Remedium
suspensiuum wieder ein Urtheil, so in possessorio Summarissimo
gesprochen worden, nicht admittiret; doch muß
Iudex
inferior, wenn wieder eine solche Sententz eine Appellation
eingewendet worden, davon an den
Superiorem Bericht erstatten. |
Ord. Proc. Sax. Recog.
... |
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Noch weiter findet die Leuterung in denen Inquisitionibus nicht
statt, weil darinnen die Sententz nicht Res iudicata wird,
sondern wenn jemand trifftige Momenta anführen kan, darff er allezeit
seine Defension beybringen. So ist auch die Leuterung in Wechsel-Sachen
unzuläßig, ob celerrimum procedendi modum. Und letzlich wird die
Leuterung nicht admittiret, wenn in dem
Contractu derselben renunciret worden, |
per l. vlt. §. vlt.
C.
de Temp. et Repar. appell. |
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Es interponiret aber die Leuterung entweder
grauatus
selbst, oder dessen Anwald, denn in Abwesenheit seines Clienten kan der
Advocat auch solches
thun;
muß
aber seines Clienten
Namen
unterschreiben. |
Carpzov Lib. III. Resp. |
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Eines illegitimati geschehene Interposition kan
ratihabiret werden, welches jedoch intra decendium geschehen muß;
denn wenn ein negotium intra certum
tempus expediret werden muß,
soll
auch die Ratihabition innerhalb solcher
Zeit,
darinnen der Actus
verrichtet werden soll, geschehen. |
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Die Leuterung wird dem Iudici grauanti, nicht aber bey dem
superiori eingerichtet. So ferne aber die Sache vor einer Commission
tractiret wird, muß man sich wohl in Acht nehmen, daß man die
Leuterung, ehe und bevor man das Commissoriale nicht durchgesehen,
nicht exhibire. |
Arg.
Cap. 22.
X. d.
Rescr. |
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Die Grauamina
müssen specifice inseriret werden, |
nach der verbesserten Sächsischen Proceß-Ordnung
... |
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und wird eine Leuterung, darinnen die Grauamina specifice
nicht angeführet, mit fünf Rthlr.
Strafe
reiiciret. |
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Nach der
alten
Sächsischen Proceß-Ordnung ... ist geordnet, daß, wenn gleich
jemand in der Schedula Leuterationis um den Terminum Prosecutionis
bereits angehalten hätte, er dennoch sub Poena Desertionis noch
einmahl innerhalb Sächsischer Frist schrifftlich um solchen
Termin
ansuchen
wolle, welches aber in der verbesserten
Proceß-Ordnung ... gäntzlich aufgehoben, und in der Leuterungs-Schedul
die Suchung des Termini anbefohlen worden. |
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Wenn Leuterans und Leuteratus in Termino Prosecutionis
beyderseits nicht erscheinen, ist die Leuterung nicht desert
worden, |
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{Sp. 671|S. 353} |
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sondern der Termin pro circumducto zu halten: Denn da es ein
generale
Principium ist, quod vtraque parte absente in
Termino, nihil actum esse intelligatur, nulla quoque poene locum habere potest,
nisi haec expressa lege sancita fuerit. Nun ist aber in hoc Casu
kein Lex
vorhanden; ergo ist auch keine Poena zu statuiren,
wie das also |
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-
Collegia
Wittebergensia pronunciiren.
- Wernher Comp. Iur. ... dociret,
- und daß Collegia
Lipsiensia
einen andern Stylum zu führen belieben.
Riuinus ad Ord. Proc. Sax. ... allda allegiret.
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Zuweilen sind die Verba einer
publicirten Sententz ambigua, und inferiren
einen Sensum dubium, in solchem Casu man eine Declaration
zu bitten
nöthig
hat, welches denn eben nicht intra decendium bewerckstelliget werden
muß, sondern auch, wenn gleich das Urtheil seine Rechts-Krafft erreichet hat,
geschehen kan, weilen dadurch nichts anders, denn daß der Sensus genuinus
erkläret
werde, intendiret wird, welches von dem
Richter,
so die Sententz gesprochen, geschiehet; doch kann auch eine Sententz,
welche von einem andern gesprochen, von einem andern Collegio ICtorum
declariret werden. |
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Stryk Introd. ad Praxin forens. ... vermeynet, es sey
besser, und gereiche zu Vermeidung des unnützen
Disputats, wenn man diese Declaration intra decendium
suche, und solchem Petito euentualiter die Leuterung anhänge. |
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Dieser heilsame
Sächsische
Gebrauch
der Leuterung hat zweyerley
Nutzen: |
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Erstlich dienet er, und ist
gut,
für beyderseits Partheyen, damit sie ihre Sache wieder zurechte bringen
mögen, so zuvor
sich verlauffen hatten, und zwar etwa in
Mangel
genugsamen Berichts und
Verstandes und denen
Dingen
so viel oder zu wenig
gethan
worden, oder könnte auch wohl durch Unfleiß versehen worden seyn. |
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Zum andern nutzet die Leuterung auch dem
Iudici, auf daß er sich aus
Wiederhohlung, Leuterung und verständigen Auslegung derer vorigen eingekommenen
Sätze und
Acten
erinnern
möge, ob er auch irgends in
Concipirung des Urtheils sich
geirret, damit er hier
retractiren und
verbessern
könne; denn irren ist
menschlich. |
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Ordentlicher
Weise pfleget die Leuterung schrifftlich, nicht aber viua voce, aucht
nicht vor Notario und Zeugen eingewendet zu werden, jedoch kann man
dieselbe durch einen gevollmächtigten einwenden, wofern er nur mit einer
General-Vollmacht cum libera versehen, und werden durch die
Leuterung dem Richter eben so wohl als durch die Appellation die Hände
gebunden, daß er in der Sache nichts weiters vornehmen kann. |
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Nun muß auch, wie schon gedacht, das gantze Urtheil oder doch das
Grauamen in dem Urtheile wörtlich eingerücket werden, nehmlich in den
Leuterungs-Zettel. Es dürffen in der Schedula Leuterationis angezogene
Grauamina nicht
völlig
deduciret werden, sondern es ist genug, wenn man solche summarisch
berühret, müssen aber nach der neuesten Chur-Sächsischen Proceß-Ordnung
... wenigstens ein und das andere Grauamen specifice und
deutlich angeführet werden, oder es wird mit 5. Rthlr. Straffe ab Actis
remouiret[1],
und die ausführli- |
[1] |
HIS-Data: korrigiert aus: renouiret |
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{Sp. 672} |
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che Deduction bis zur Leuterung versparet. |
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Man übergiebt den Leuterungs-Zettel wie andere
Schrifften: mündlich ists ungewöhnlich, aber bey
Appellationen gehet es wohl an viva voce et stante pede, vor einem
Notario und Zeugen gehet es auch nicht an mit der Leuterung, man müste
den Richter nicht habhafft werden können. |
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Die Leuterung, wie schon gedacht, bindet dem Richter so wohl die Hände, als
die Appellation, daß er in der Sache weiter nichts vornehmen kan. |
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Wie viel einem Satze jeden Theil bey der Leuterung zugelassen, davon giebt
die Sächsische Proceß-Ordnung ... deutliche Nachricht. In
Sachsen wird alles aus dem Munde in die Feder dictiret. Und, ist der
Richter nicht zugegen,
schreibet
der Actuarius oder ein geschworner Copist nach. |
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In Chur-Sachsen ist das Septiduum gebräuchlich, ausgenommen in
Concurs-Sachen, da nach
Gelegenheit
der Sachen 2. 3. auch wohl 6.
Wochen
diesfalls eingeräumet werden. Welchergestalt nun diese 7.
Tage
unter denen Partheyen
einzutheilen,
davon ist in
Mand. I. Georg. II. d. 25.
April.
1672. enthalten. Es ist dieses Mandat durch ein anderes de
anno
1696. nochmahls bestätiget worden. |
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An dieses Fatale des Septidui (jedoch die Fest-Tage und
Ferien abgerechnet) sind die Partheyen genau
verbunden. |
- Ord. Iud. Adpell. Tit. vom
Rechtlichen Einbrigen
- Mandat. de. 3. April. Anno 1605.
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Es kan aber auch im Gegentheil der Richter dasselbe nicht einschräncken,
noch prorogiren, es müste denn gantz was sonderliches seyn. |
Mandat. de Anno 1607. |
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Leuterung ist beyden Theilen gemein, und kan der Leuterat derselben
adhaeriren. |
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