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Quellenangaben |
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Monarch, heist eine solche
Person, die
allein das
Regiment in einer
Republick
führet. |
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Aus dieser Beschreibung folget, daß nicht nur
Kaysern
und Königen
der
Titul eines Monarchen allein zukomme, ob ihnen gleich selbiger hauptsächlich
beygeleget wird; sondern daß auch alle diejenigen
Regenten also können
genennet
werden, welcher alle mit der
Ober-Herrschafft
verknüpffte
Rechte
und Vorzüge
allein geniessen, ob sie gleich diesen Titul nicht führen. |
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Es wird aber solche
höchste Gewalt
entweder durch die
Wahl, oder durch die Erbfolge erlanget, wie solches in dem
Artickel
Monarchie des
mehrern wird gezeiget werden. |
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Bey einer glücklichen
Regierung
eines Monarchen kommt alles auf die Gerechtigkeit und
Klugheit an, daß, wie er
nach jener dahin zu sehen hat, daß er das
gemeine Beste des
Staats
auf alle Weise befördere; also weiset ihm die Klugheit Mittel an, durch welche
er seinen
Zweck erhalten kan. Beydes muß beysammen seyn. Denn Gerechtigkeit ohne
Klugheit thut zwar so viel, daß man sich was Gutes vorsetzet, und den
Willen
hat, seinen
Pflichten gemäß der
Unterthanen Wohlfahrt und Sicherheit möglichst zu befördern;
ob man aber allezeit seinen Zweck erreiche, daran ist
billig zu zweiffeln,
nachdemmalen man, wann man die Mittel Erlangung der gemeinen Wohlfahrt und
Sicherheit entweder nicht kennet, oder nicht weiß, wie man den, bey Ausführung
derselben, sich ereignenden Hindernissen begegnen solle, selbige nothwendig
entweder |
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{Sp. 994} |
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gar nicht vorzukehren vermögend ist, oder doch alles auf eine unrichtige
Weise angreiffet, und also die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit stöhret, indem
man selbige zu befördern gemeynet ist. |
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Gleicherstalt kan von der wahren
Klugheit die Gerechtigkeit niemals
abgesondert werden, die sonst keine Klugheit bleibet, sondern eine Arglistigkeit
wird. Es muß daher ein Monarch nach der Klugheit sehen |
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1) |
auf seine eigene
Person, daß er sich bey seinen
Unterthanen in
Ansehen, Liebe und
Furcht setzet, welches drey
Dinge sind, die den
Thron eines Monarchen befestigen können. Durch die Auctorität erhält er
bey ihnen eine solche
Meynung, daß sie niemals zweiffeln, ob er wohl
oder übel
regieren werde, und wenn er solche erlangen will, muß er
gewisse
Eigenschafften an sich haben, die theils äusserliche, theils
innerliche sind. |
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Zu jenen rechnen wir die hohe Geburt und Ankunfft
eines
Regenten
und dessen
ansehnliche
Leibes-Statur, welche
Dinge
sonderlich bey Leuten, die nur auf das äusserliche sehen, grossen
Eindruck haben können, die wir denn beym Tacitus von
dem Kayser Galba lesen, daß er wegen seiner schlechten
Statur von dem Römischen
Volck verachtet und verlachet worden, wiewol
aus beyden so viel nicht zu machen ist. |
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Sind sie da, so ists desto besser; wo sie aber
fehlen, so kan dieser Mangel durch die innerlichen
Eigenschafften
ersetzet werden. Diese theilen wir in natürliche und erlangte, da denn
zu jenen insonderheit ein zu
regieren
geschicktes Temperament gehöret.
Denn es steht sich nicht ein iedes Temperament zu einer glücklichen
Regierung, immassen weder die allzu grosse Hitze, noch die
Schläffrigkeit was Gutes stifften, sondern wenn eine solche Mischung
vorhanden, daß eine natürliche
Menschen-Liebe und Ehr-Begierde
vorhanden, so schickt sich selbige am besten zur Regierung. |
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Die erlangten Qualitäten bestehen in einer
Erkänntniß verschiedener
Sachen, wodurch eben der
Grund zu der
Gerechtigkeit und
Klugheit geleget wird. Es gehöret dazu mehr, als ein
natürlicher
Verstand, und daher muß ein Printz auch in einer
vernünfftigen und brauchbaren Logick
unterrichtet werden, daß er
sonderlich von practischen Dingen zu urtheilen lerne, und mit der
Wahrscheinlichkeit umzugehen wisse. |
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Dieses ist aber nicht also anzunehmen, als wenn
man von einem Monarchen erfoderte, daß er die Vernunfft-Lehre eben so
gut als ein
Philosophe
verstehen solle; sondern es ist genug, wenn er so
viel daraus erlernet, wie er die ihm ertheilten Rathschläge beurtheilen
müsse, damit er nicht die guten hintansetze, und den schlimmen folge: Zu
welchem Ende nöthig ist, daß er allezeit nach dem
Grunde fraget, warum
einer diesen, oder jenen Rath giebet, und wie er vermeyne, daß dadurch
die Absicht des
gemeinen Wesens, nemlich die allgemeine Wohlfahrt und
Sicherheit solle befördert, und erhalten werden. |
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Ins besonderen aber muß ein Monarch zum wenigsten
so viel natürlichen, oder durch die Vernunfft-Lehre verbesserten
Verstand haben, daß er
erkennet, was er
verstehet, und was er nicht
verstehet; allermassen er sonst, wann er dieses zu unterscheiden nicht
geschickt ist, und daher sich einbilden wird, er verstehe, was hier und
da zu thun ist, ohnfehlbar auf seinem
Kopffe
bestehen, und keinen klugen
Rath, den man ihm ertheilet, anhören wird. |
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Und damit er hiernächst das Unrecht nicht vor
Recht, Thorheit nicht vor
Klugheit annehme, so muß er auch die
Gründe
des
Rechts,
und der Klugheit inne haben; und weil zur Ausführung gerechter und
kluger
Thaten |
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{Sp. 995|S. 519} |
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nicht allein das Verstehen, sondern auch das
Wollen gehören, das Wollen aber die
Affecten hindert, so muß einem
solchen Printzen auch eine gute Moral beygebracht werden. |
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Aus der Mathematick kommt ihm die Bau-Kunst zu
statten, indem er die Civil-Bau-Kunst brauchen kan, damit er die
Erbauung seiner Palläste, welche ihm bey den
Unterthanen und Fremden ein
Ansehen machen, selbst beurtheilen kan; die Kriegs-Bau-Kunst aber, um
sowol seine eigne Festungen wohl anzulegen, als auch wenn eine
Feindliche zu erobern, nachsehen zu können, wie sie müssen angegriffen
werden. |
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Die Physic kan wenigstens in so weit eine
Fürstliche
Wissenschafft werden, damit man sich von dem Aberglauben
befreye, und sich durch abergläubische Listigkeiten nicht verführen
lasse. |
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Vor allen andern aber muß er sein
Land
kennen lernen, welches Jacob,
König
in Engeland, in der Theorie wohl wuste, der seinem
Sohn in dono regio ... diese
gute
Regel giebt: populi ingenia, immo vero cujusque tractus ac
territorii conditionem debet princeps noscere, wenn er nur selbst
dieses gethan hätte. |
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Nebst dem
Ansehen sucht ein kluger Monarch sich
auch in Liebe zu setzen, welche bey den
Unterthanen macht, daß, wenn sie
auch mit der
Regierung nicht zu frieden sind, sie dennoch die Schuld
nicht dem Monarchen, sondern seinen Ministern beylegen. Wie nun Liebe
Liebe machet, also ist das beste Mittel, wodurch ein
Regent sich bey den
Unterthanen beliebt machen kan, wenn er sich begierig erzeiget ihre
Glückseligkeit zu befördern, und also gegen selbige Liebe, oder
Gnade
bezeiget. |
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Mit dieser Liebe muß sich die
Furcht
verknüpffen,
welche so viel würcket, daß, wenn auch die
Unterthanen glauben, ein
Monarch
regiere übel, und wolten sich wider ihn auflehnen, sie es doch
zu thun nicht wagen. Und diese Furcht kan durch die
Majestät
erwecket werden. Doch da ein
Regent nicht vollkommen seyn kan, und man
gleichwol offt mehr von ihm erheischet, als die
Menschliche Schwachheit
zulässet, so kan er dasjenige, was würcklich fehlet, durch kluge
Verstellung ersetzen. Nemlich die Unvollkommenheiten, die er noch hat,
verbirget er; und das Gute, das er nicht hat, nimmt er durch eine
Stellung an, womit dem
Ansehen und Liebe kan geholffen werden; weil sich
aber nicht alle
Gemüther dadurch gewinnen lassen, so müssen die übrigen
durch Furcht erschrecket werden. |
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Zwey Abwege haben kluge Monarchen zu meiden, auch
so gar den Verdacht von sich abzulehnen, welches die Tyranney und
Nachläßigkeit, die beyderseits darinnen übereinkommen, daß man sich der
Majestätischen
Rechte nicht gehöriger massen bedienet. Denn bey der
Tyranney spannt man die Sayten zu hoch, welches sonderlich aus Antrieb
des Ehr- und Geld-Geitzes geschiehet; bey der Nachläßigkeit hingegen
nimmt man sich der
Sache nicht an, und überlässet das
Regiment den
Bedienten, welches die Art der wollüstigen
Fürsten
ist. |
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2) |
Hat ein solcher
Regent nach der
Klugheit zu sehen
auf die Sache selbst, die er zu tractiren hat, und das ist, daß er
Land
und Leute
regieren soll. Von dem Cardinal Mazarini wird
berichtet, daß er sich in vielen Folianten eine gantz genaue
Beschreibung von allen
Provintzen machen lassen, darinnen alle Häuser und
Dörffer aufgezeichnet, und was ieder vor Einkünffte habe,
angemerckt gewesen, welches eine Klugheit war. Denn der
Fürst muß vor
allen
Dingen die
Kräffte und Schwäche sei- |
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{Sp. 996} |
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nes Landes wissen, damit er urtheilen kan, was
solches zu ertragen vermag, oder nicht. |
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So ist auch ein grosser
Vortheil, wenn er die
Gemüths-Art seiner
Unterthanen
erkennet, und also weiß, wie er mit ihnen
umzugehen, und wie er ihnen zu begegnen habe. Ist eine solche
Erkänntniß
zum
Grunde gelegt, so wird darauf der kluge Gebrauch der
Majestät
gebauet, und da die
Rechte der Majestät, die man auch
Regalien
nennet, entweder auswärtige, oder innerliche sind, jene
Art aber wieder
besondere Stücke in sich fasset, so zeigt die
Klugheit, was bey einem
ieden wieder ins besondere in acht zu nehmen, z.E. bey dem Recht Krieg
zu führen,
Friede zu schliessen, Bündnisse zu machen,
Gesetze
zu geben, Bedienten zu bestellen,
Straffen
auszutheilen, u.s.f. |
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3) |
Sind auch die Mittel, die man zu Erhaltung des
vorgesetzten
Zwecks brauchen muß, in Erwegung zu ziehen, welche durch
vernünfftige Anschläge an die Hand gegeben werden, dazu der
Fürst seine
Bedienten und Räthe hat, die er klüglich aussuchen, und wenn er die hat,
sich derselben klüglich bedienen muß, nemlich, daß er einen ieden in der
Sache, die er
verstehet, fraget. |
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Die Rathschläge müssen geprüffet werden, indem
die Räthe
Menschen sind, und daher irren können, auch wenn sie nach der
Wahrheit zu urtheilen im
Stande sind, nicht allezeit das wahre
ergreiffen wollen, und sich vielmehr paßionirt bezeigen. Ein
Regent ist
glücklich, wenn er selbst solche Prüffung anstellen, und dasjenige, was
die Räthe
sagen, nach den
Regeln der Gerechtigkeit und
Klugheit
untersuchen kan und will. |
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Die
Affecten sind offt wider die besten
Anschläge, und verlangen, daß man die schlimmsten ins
Werck richte. Es
giebt Schmeichler, welche, nach dem Maaß solcher Affecten, ihre
Anschläge abmessen, die ein
vernünfftiger
Fürst nicht um sich leiden
wird. |
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Wie die
Sachen, die man sich vorgenommen, auszumachen, unterschiedlich sind;
also müssen nach Beschaffenheit derselben die Mittel auf unterschiedene Art
ausgesonnen und angewendet werden, welches sich hier ins besondere nicht
ausführen lässet. |
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Dieses ist aber noch zu erinnern, daß man zuweilen
Thaten aus
Klugheit
unternimmt, die nicht iederman dürffen bekannt werden, und Geheimniß heissen,
welche man theilet in Reichs-Geheimnisse, (arcana imperii) wenn sie zum
Nutzen der
Unterthanen gebraucht werden, und in Regierungs-Geheimnisse, (arcana
dominationis) wenn sie zu dem unschuldigen
Nutzen des
Regenten angewendet
werden, die zuweilen zusammen treffen können, weil etwas sowol dem
Reich, als
dem Regenten nützlich seyn kan, worauf eben ein kluger Regent siehet, daß der
Nutzen des Reichs, und sein eigner unzertrennlich sind, und daher die
Reichs-Geheimnisse so gern, als die Regierungs-Geheimnisse brauchet. So ist z.E.
ein Arcanum Imperii, |
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- daß man sein eigenes, und der
Bedienten Versehen, so gut man kan, dem
Volck
verhalte;
- daß man von den
Rechten des
Regenten nicht urtheilen lasse;
- daß ein Regent die hohen Bedienten nicht läst gar zu
mächtig werden, u.s.w.
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Von dieser
Materie handeln die
Politici in ihren
Büchern, unter denen man
sie kurtz und deutlich zusammen findet in
Rüdigers
Klugheit zu
leben und zu herschen, c. 16. p. 469. |
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