Titel: |
Aristocratia |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
2 Sp. 1457 |
Jahr: |
1732 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Bd.
2 S. 750 |
Vorheriger Artikel: |
Aristocrates … Archon zu Athen |
Folgender Artikel: |
Aristocreon |
Siehe auch: |
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Hinweise: |
- Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe
Hauptartikel
- Für die Auflösung der Quellenangaben siehe:
Personen
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Text |
Quellenangaben |
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Aristocratia ist diejenige
Regierungs-Form, in
welcher eine
gewisse Anzahl von
Bürgern die
Majestät hat, dergleichen waren vor dem in
Griechenland
unterschiedene, ingleichen die
Republic derer Maßilienser. |
Bodinus de Republ.
… |
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Und Venedig ist hiervon noch heutiges
Tages
ein merckwürdiges
Exempel. |
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Die Anzahl dererjenigen, die die
höchste Gewalt haben, kan unterschiedlich seyn. Wenn aber
nur ihrer zwey das
Regiment führen, so wird es eine
Dyarchie
genennet, woraus einige noch eine
besondere Regierungs-Form machen. |
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Wenn die
Gewalt von denenjenigen, die das
Hefft in Händen haben, gemißbrauchet wird, so wird
es eine Oligarchie genennet, gleichwie die
Monarchie in eine Tyranney verfallen kan. |
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Die Obersten nun, oder wie sie
Doct.
Müller im
Rechte der Natur … nennet, der hohe
Rath, muß
eine solche Gewalt haben, daß seine
Handlungen
nicht dem
Urtheil des
gantzen
Volcks
unterworffen sind, denn sonst ist es eine
würckliche
Democratie, |
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{Sp. 1458|S. 751} |
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und diejenigen, die in dem Rathe sind, sind
nichts anders als
Bedienten des R.
Staats. |
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Man kan diese Regierungs-Form, gleichwie die
Monarchie |
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- in Ansehung der Folge in Successivam, wenn
einander gewisse
Familien nach dem Erb-Rechte
folgen,
- oder Electivam, wenn sich die Mitglieder
unter einander
erwehlen,
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ingleichen auch
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- in Absolutam, wenn sie
völlige Gewalt haben,
- und Limitatam, wenn ihre
Macht durch Grund-Gesetze
eingeschräncket wird,
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eintheilen. |
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Die Vorzüge von andern Regierungs-Formen
sind diese. |
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Vor der Democratie hat sie dieses voraus, daß
unter einer kleinen Anzahl allemal mehr verständige
und
kluge Leute gefunden werden, als in der
grossen Menge des gantzen Volckes. Es können
auch etliche wenige eher einig werden, und sich
unter einander von einer
Sache verständigen, als
eine grosse Anzahl, unter welchen einer so viel
Recht als der andre zu haben vermeinet. |
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Gesetzt auch, daß nicht allemal die
Verständigsten in hohen Rath aufgenommen
würden, und man in diesem Fall nur auf die
Reichsten sähe, so würde doch diesen die
Wohlfarth des
gemeinen Wesens am ersten zu
Hertzen gehen, weil sie bey dessen Untergange das
meiste zu
verlieren haben: Da hingegen unter dem
Pöbel viele eine Zerrüttung des Staates wünschen,
um bey dieser
Gelegenheit in trüben fischen zu
können. Von welchen in der Röm.
Historie viele
Exempel, und insonderheit die
Zusammenverschwörung des Catilinae vorhanden
sind. |
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In Ansehung der Monarchie so wird etlichen die
Last der
Regierung erträglicher, als einem, und viel
Augen sehen immer mehr als eins. Ferner so kan
ein Tugendhaffter einen Verständigen, der aber
einen verkehrten
Willen hat, zurücke halten, daß er
seine Gewalt nicht mißbrauchet: Und ein
Verständiger hingegen einem Tugendhafften die
Hand biethen, daß er die
Liebe gegen das gemeine
Wesen desto besser ausüben könne, |
wie solches
Wolff in
vernünfftigen Gedancken von dem
gesellschafftlichen Leben der Menschen …
bemercket. |
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Es sind aber bey der Aristocratie nachfolgende
Fehler. |
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Erstlich fehlet die Geschwindigkeit bey
nöthigen
Rathschlüssen, und öffters cum deliberatur
Romae, perit Saguntus. Die grösten und
tugendhafftesten Leute haben doch nicht allemal
einerley
Meinung, und ehe sie sich einander
überzeugen können, verschwindet die beste
Gelegenheit. |
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Zum andern, so können leichtlich dem Staate
höchst
schädliche Partheyen entstehen. Grosse
Gemüther können selten andre neben sich leiden,
und eben darum, weil sie zu allen fähig sind, wollen
sie dasjenige alleine haben, was sie mit andern
theilen. |
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Zum dritten, sind dieselben zum Schaden des
gemeinen Wesens unter einander einig, so haben
sie um soviel mehr
Kräffte, die
Unterthanen zu
unterdrücken, |
siehe Wolff l.c.
… |
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und da ist es freylich besser, einen als viele
Tyrannen zu haben. |
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Es hat also die Aristocratie so wol ihre
Vortheile
als ihre Fehler, dennoch kan man nicht eigentlich
sagen, ob dieselbe denen übrigen Regierungs-Formen vorzuziehen oder nachzusetzen sey. Ein
jeder Scribente lobet diejenige, in welcher er
lebet;
wer unter einem Monarchen stehet, hält die
Monarchie, und wer in einem freyen gemeinen
Wesen lebet, die Democratie oder Aristocratie vor
die beste Regierungs-Art. |
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Überhaupt halten wir davor, daß man nicht so
schlechterdings ein
Urtheil hiervon fällen könne,
sondern man
müsse die besondere Beschaffenheit
eines jeden Volcks sehr genau beobachten.
Manches Volck muß unumgänglich einen
Monarchen haben, |
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{Sp. 1459} |
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da hingegen ein andres durch nichts, als durch
seine Freyheit, zu so grossen Flore gelanget.
Erweget man dieses, so kan man wol sagen,
welche Regierungs-Form diesem oder jenem Volck
insonderheit am zuträglichsten sey. Überhaupt aber
eine vor die allerbeste anzupreisen, ist
allzuverwegen. |
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Zu Erhaltung der Aristocratie sind noch
folgende
Sätze zu mercken. |
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Wider die Monarchie wird sie beschützet, wenn
nicht zugegeben wird, daß einer allzureich und zu
mächtig werde, sich einen allzugrossen Anhang
mache, den Pöbel nicht auf seine Seite ziehe, hohe
Ehren-Ämter nicht allzulange
verwalte, allzuviele
von einer Familie einen Antheil an dem Regiment
haben, der geringste dem Pöbel in die Augen
fallende
Vorzug einem alleine eingeräumet
werde; |
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Wider die Democratie kan sich die Aristocratie
beschützen, wenn die Grossen unter einander einig
sind; der Pöbel nicht zu solchen
Ämtern gelassen
wird, in welchen sie die arcana dominationis
erfahren können; ferner, wenn sie diejenigen, die
unter dem Pöbel zu mächtig werden, mit zu der
Regierung ziehen, und endlich die
geistlichen Ämter
mit klugen und ihnen zugethanen
Männern
besetzen; |
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Sich selbst erhält ein Mit-Regente, wenn er sein
Ansehen durch
Fleiß,
Gerechtigkeit und
Klugheit
vermehret; in einer und andern scheinbahren
Gelegenheit seinen
eignen
Nutzen dem
gemeinen besten nachsetzet; die Liebe des Volcks erwirbet;
die Eiffersucht derer Mit-Regenten verhütet; und
den
Reichthum und das Ansehen seines Hauses zu
erhalten bemühet ist. |
Siehe
Müllers Politic.
… |
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Ob die Aristocratie aus der Monarchie oder
Democratie entstanden, ist eine
Untersuchung,
welche eben so
zweiffelhafft ist, als der hieraus
entstehende Nutzen
ungewiß. Zu dem werden wir
vom
Ursprunge derer Regierungs-Formen an
andern Orten zu
reden Gelegenheit finden. |
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