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Zedler: Democratie HIS-Data
5028-7-524-1
Titel: Democratie
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 7 Sp. 524
Jahr: 1734
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 7 S. 283
Vorheriger Artikel: Democrates, (Seruilius)
Folgender Artikel: Democratische Cantons
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

  Text Quellenangaben
  Democratie, ist eine ordentliche Regiments-Form, in welcher die Majestät bey dem gesammten Volck ist. Plutarchus peri monarch. kai demokr. kai olig. p. 826.
  Es wird dieselbe sonst auch politeia, respublica ein gemeines Wesen im engern Verstande genennet. Hertius in Elem. ...
  Man kan dieselbe wie alle Regiments-Formen in unumschränckte oder puram und umschränckte, oder temperatam eintheilen.  
  Die erstere ist, wenn allen Bürgern ohne Ausnahme ein gleiches Recht bey denen öffentlichen Zusammenkünfften zugestanden wird.  
  Die andere hingegen ist, wenn einigen Bürgern ein sonderbahrer Vorzug nach denen Grundgesetzen eingeräumet wird. Diese letztere wird wieder von einigen in regie temperatam et aristocratice temperatam eingetheilet. Regie temperata ist, wenn einer in besonderem Ansehen stehet, doch so, daß seine Macht sich nicht auf einen Befehl, sondern nur auf einen Rath erstrecket. Wie wir dergleichen bey denen alten Teutschen antreffen. Cluuerius Germania ...
  Aristocratice temperata ist diejenige, da gewisse Collegia, Zünffte, oder auch der Adel ein Vorrecht genüssen, wie hin und wieder hiervon Exempel angetroffen werden.  
  Sonst wird sie auch von einigen in Democratiam ciuicam, da die Bürger in Städten die Majestät haben, und in per vicus sparsam, wo die Dörffer in Ermangelung derer Städte die Majestät besitzen, eingetheilet, welches aber gar zugenau ist.
  • Hertius in Elementis ...
  • Hochstetter in Collegio ...
  Die Majestät kan bey dieser Regiments-Form nicht anders als in gemeinen Reichs-Versammlungen unmittelbar ausgeübet werden. Solche wurden bey denen Römern Comitia genennet. Doch ist von denenselbigen alleine keinen Schluß auf die Democratie, weil in umschränckten Monarchien eben dergleichen angetroffen werden, zu machen.  
  Eher aber kan ein dergleichen Reich vor eine Democratie nicht gehalten werden, ehe das Grund-Gesetze einer Democratie nicht vorhanden ist. Die sämtlichen Bürger müssen sich nemlich vergleichen, daß sie insgesamt durch vereinigte Kräffte denen wiederspenstigen eintzelnen Personen wiederstehen wollen, und daß also der Wille des einig gewordenen gesamten Volckes eine Richtschnur aller und jeder ins besondere seyn soll.  
  Eine Menge also eintzelner Personen, die sich verbinden, zusammen zuhalten, ist noch kein demos oder durch die Majestät vereinigtes Volck, sondern es müssen ausdrücklich die in denen gemeinen Versammlungen festgesetzten Schlüsse, als ein allgemeines Gesetze angesehen werden. Da es aber bey der Menge so vieler verschiedener Gemüther unmöglich fällt, sie alle auf einerley Meynung zubringen, so muß die meiste Anzahl derer Stimmen den Ausschlag geben. Bey diesen Stimmen kan nun nicht auf deren Gründlichkeit gesehen werden. Denn diese erreget den Zweiffel; sondern man muß schlechterdings die Vielheit dererselben bemercken.  
  Die Einsammlung derer Stimmen kan auf zweyerley Art geschehen. Es können nemlich Mann vor Mann ihre Stimmen geben, welches viritim genennet wird: oder es geschiehet solches curiatim, da gewisse Eintheilungen oder Zünffte des Volckes nur ihre Stimmen, als eintzelne geben. Welche letztere Art die beste ist, indem unter denen wenigern bey einer Curie die Meynung kluger und erfahrner Männer eher die Oberhand behalten kan.  
  Die Nothwendigkeit erfordert ferner, daß eine gewisse Zeit und beständiger Ort  
  {Sp. 525|S. 284}  
  zu denen Reichs-Versammlungen bestimmet werde. Ist dieses nicht, so kan das Volck niemahls zusammen kommen, indem ein jeder sonst das Recht haben würde, nach seinem Gefallen, wenn und wo er wollte, bey einer Rotte, die die Majestät an sich reissen würde, zusammen zukommen. Die Bestimmung des Ortes und der Zeit kan nun entweder einmahl vor allemahl in denen Grund-Gesetzen des Reichs feste gesetzet werden; oder es wird dieselbe einer Ordnung des Volckes überlassen, wie bey denen Römern der Rath das Recht hatte, die Bürger zusammen zu beruffen.  
  Bedienet sich eine solche Ordnung des Volckes ihres Rechts gehöriger Weise: so können keine andere Versammlungen mit Rechte Bestand haben, sondern sie sind vor Empörungen und ihre gefasten Schlüsse vor ungültig zu halten. Geschiehet aber das Gegentheil und wird dieses Recht durch Unterlassung und Verzögerung derer Zusammenkünffte gemißbrauchet, so kan dem Volcke das Recht von freyen Stücken zusammen zukommen nicht abgesprochen werden.  
  Wer nicht zu gehöriger Zeit und am bestimmten Orte erscheinet, begiebet sich seines Rechtes und muß er den Willen derer andern ohne seine Einwilligung vor ein Gesetze halten. Doch kan es auch geschehen, wenn es in denen Reichs-Gesetzen nicht anders verordnet ist, daß einer dem andern seiner Stimme wegen Vollmacht gebe.  
  Da es nicht möglich ist, daß das Volck beständig beysammen seyn kan, dennoch aber tägliche Zufälle kommen, wo die Majestät muß ausgeübet werden, so müssen dergleichen Verrichtungen mittelbar zum Exempel, durch einen beständig sitzenden Rath, besorget werden. Hierbey aber müssen dergleichen Obrigkeiten dem Volcke unterworffen seyn, welches denn ihre Handlungen zu zernichten, sie selbst abzusetzen, und von ihnen Rechenschafft zu fordern befugt ist.  
  Bey der Versammlungen des Volckes ist nicht nothwendig, daß ein jedweder zu erscheinen das Recht habe, sondern nur vornemlich diejenigen, die das Bürger-Recht erlanget haben, und unter diesen kan auch noch ein Unterschied in Ansehung des Vermögens oder anderer Umstände beobachtet werden. Müllers Natur- und Völcker-Recht ...
  Daß diese Regiments-Form die älteste sey, wird von Puffendorf Jure Naturae ... und Hobbesio de Ciue ... vorgegeben. Es ist auch solches der Natur derer Menschen sehr gemäß. Ein jeder suchet seine Freyheit so lange zu behaupten wie er kan: Wenn es also der Willkühr derer Menschen Anfangs überlassen gewesen wäre, eine Regiments-Form anzuordnen, so würden dieselben freylich diese Art der Regierung, worbey die meiste Freyheit ist, erwehlet haben.  
  Wenn man aber erweget, daß die Grösse von Gesellschafften derer Menschen, aus denen kleinern, welches die Familien sind, entstanden, so siehet man wohl, daß die Menschen gleich Anfangs der Monarchie sind gewohnt gewesen. Da die Weißheit ferner sich zugleich auf die Erfahrung gründet, und bey einer Regierung auf eine weise Anstalt gesehen wird, so ist sehr wahrscheinlich, daß die jüngern denen älterern und erfahrenern, mit denen sie ohnedem wegen des Ursprunges in einer genauen Verbindung stunden, werden gehorchet haben.  
  Hierzu kommen noch die Zeugnisse derer Geschichtschreiber.  
 
  • Abraham wird von Nicolao Damasceno und Justino ein König genennet.
  • Isocrates und Dionysius berichten, daß sowohl die Barbarischen Völcker als die Griechen unter Königen gestanden.
  • Aristoteles Politic. IV. 2. spricht, primus et diuinissimus principatus.
  • Justinus II, 1 berichtet: Principio rerum genti-

    {Sp. 526}

    um nationumque imperiorum penes reges erat.
  • Sallustius in Catilina 2. schreibet von denen Königen: nam in terris nomen imperii primum fuit.
  • Cicero de Legibus III. 2. saget gleichfalls: omnes antiquae gentes regibus quondam paruere und
  • Pausanias IX. 1. sagt ausdrücklich: [Ein Satz in griechischer Schrift.]
 
  Die Römer hatten Anfangs eben auch ihre Könige. Euer. Otto ad Puffendorffium de Officio ...
  Nicht die üble Form der Monarchie, sondern die Fehler derer Monarchen haben die Democratiam hervorgebracht. Welches um so viel desto mehr geschahe, weil die Verbindung des Geschlechts unter denen Menschen immer mehr und mehr aufhörete, und fremde zusammen kamen.  
  Welche Form der Regierung die beste sey, ist eine alte Streitigkeit. Nun muß man zwar überhaupt gestehen, daß alle Arten derselben ihr gutes aber auch ihr böses bey sich haben, und man also schlechterdings nicht sagen kan, daß eine gäntzlich zu verwerffen, oder nur alleine zu erwehlen sey: dennoch aber wird man in der Vergleichung, die man zwischen der Monarchie und der Democratie anstellet, befinden, daß die erstere der letztern Art vorzuziehen ist. Alles was man von denen Fehlern der Monarchie vorbringet, daß in derselben der Priuat-Mann allzusehr unterdrücket werde, und der Fürst nicht alles besorgen könte, da denn sehr viel Unrecht von denen Mittels-Personen verübet würde, ist nicht ein Fehler der Regierungs-Form, sondern ein Fehler derer Personen, welche man auch bey guten Fürsten, und wohl eingerichteten Regierungen nicht findet.  
  Bey der Democratie hingegen findet man erstlich sehr selten Einigkeit, welche in geschwinden Fällen höchst nöthig ist: Ferner so muß die Vielheit derer Stimmen nicht, aber ihre wahre Wichtigkeit den Platz behalten: Sind nun viele Bürger erfahren, klug und wohlgesinnet, so bestehet dadurch das gemeine Wesen: Wie offte läst sich aber hierbey nicht das Gegentheil verspühren? Und überhaupt sind unter einer grossen Anzahl mehr böse und unverständige zu vermuthen. Herodotus III. 81. seq.
  Letztens so lässet sich das Volck durch eine Art bey ihm angesehener Leute, welche Demagogi heissen, wie das Meer von dem Winde hin und her treiben, wodurch denn bey dem Eigennutz eintzelner Personen das gemeine Wesen den grösten Schaden leidet, auch verursachet, daß die Democratien gemeiniglich nicht lange dauren. Pausanias IV. 35.
  So lange die Democratien noch äusserliche Feinde haben, so bestehen sie. Die Furcht lencket sie auf die Einträchtigkeit. So bald sie aber Friede haben, mißbrauchen sie ihre Gewalt gegen einander selber. Die Römischen Geschichte können diesen Satz am allerbesten bestätigen.  
  Die Regeln inzwischen, die ein solcher Staat zu beobachten, damit er nicht in eine von denen andern Regierungs-Formen verfalle, sind folgende: Unter denen Bürgern muß eine beständige Gleichheit erhalten werden. Die Athenienser hatten zu diesem Endzwecke den Ostracismum angeordnet, Cornelius Nepos in Themistocle 8. damit ein jeder, welcher zu groß werden wollte, könte fortgeschaffet werden.  
  In Besetzung derer Ämter muß bloß auf die Tugend und Liebe zur Freyheit, keinesweges aber auf Geld oder Geschlechte gesehen werden. Der Rath muß durch redliche und die wahre Freyheit liebende Tribunos plebis oder Verordnete des Volckes im Zaume gehalten werden. Die Demagogi, sollten sie sich auch unter den Mantel der Heiligkeit verstecken, müssen auf alle Art und Weise ausgerottet wer-  
  {Sp. 527|S. 285}  
  den. Der Aberglaube, als durch welchen das Volck leichte kan bewogen werden, muß vertilget werden. Die Römischen Patricii wusten sich gantz wohl des Aberglaubens zubedienen, um jeder Zeit etwas vor dem Volcke voraus zubehalten.  
  Wird in der Democratie dem gemeinsten Volcke allzuviel Gewalt gelassen, so wird dieser verderbte Zustand eine Ochlocratie genennet: weiß man aber nicht, wer eigentlich regieret und gehet alles durch einander, so heist es eine Anarchie. Reinhards Theatrum ...
  Bernegger in Delineatione ... giebt uns einen vollkommenen Begrif von der Democratie, weil der Straßburgische Staat ehedem eine Democratie gewesen ist.
  • Isocrates Nicocl.
  • Hertius in Elemenits Prudentiae Ciuilis ...
  • Bernegger ad Tac. de Mor. Germ. ...
  • Huber de Jure Ciuitatis ...
  • Boecler. Institutionibus politicis ...
  • Gundlings Discours über die Politic ...
  Von dem Interesse einer Democratie handelt Rechenberg Dissert. Laric. politicar. ...  
     

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Stand: 24. August 2016 © Hans-Walter Pries