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Quellenangaben |
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Wahl.
Lat.
Electio, Nominatio,
Optatio,
Frantz.
Choix, ist, eigentlich und überhaupt betrachtet,
eine
Würckung des
freyen Willens, da ein
vernünfftiges Wesen aus zweyen, oder mehrern
Dingen, etwas annimmt, und das übrige verwirfft.
Wir betrachten diese Wahl:¶ |
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I. In
Philosophischem
Verstande.¶ |
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Wenn wir die Wahl nach der
Weltweißheit
ansehen, so sehen wir, daß dieselbe bey den
zufälligen Dingen statt habe; Nicht allein, weil
vielerley ist, und man sich nicht genöthiget
befindet, eines zu nehmen, sondern auch, weil
eines den Vorzug für dem andern hat, und also mit
besserm
Grunde genommen werden kan. Man
siehet hieraus, daß derjenige weniger zu der
Freyheit
erfordert, wer bloß bey der Wahl darauf
siehet, daß man eines für dem andern nehmen
kan, als hingegen ein anderer, der zugleich auf die
verschiedenen Grade der
Vollkommenheit derer
Dinge, darunter eine Wahl geschehen soll, Acht
hat. |
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Jedoch, damit man sich von diesen Worten
Wahl und
Freyheit
einen desto deutlichern
Begriff
mache, wollen wir folgender Anmerckungen
voraussetzen: |
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Erstlich, eine Wahl supponiret jedesmahl
wenigstens zwey Objecte, davon ich eines nehme,
und das andere fahren lasse. Diß bringet die
Beschaffenheit des
Wortes mit sich. Nun gestehen
wir zwar zu, daß wir sehr offt und wohl meistens
mehrere Objecte vor uns haben, wenn wir unsere
Freyheit
ausüben: Aber es giebt sehr viel Fälle, da
nicht zwey, sondern nur eins ist, und wir nichts
destoweniger unsere Freyheit erweisen, wenn wir
das eine wollen. Z.E. Ein sehr hungriger
Passagierer kommet in eine Herberge, da er
nichts, als das pure Brodt, zu essen haben kan.
Nun hat er schon, da er die Herberge erblicket, das
ernstliche Wollen, etwas zu essen, gehabt.
Insofern hat eine Wahl statt gefunden, oder unter
essen und nicht essen, oder unter essen wollen
und nicht essen wollen. Allein, da er sonst keine
Gerichte findet, als das liebe Brodt, so begehrt er
auch, man möge ihm nur das geben, und nimmt es
auch mit dem grössesten Appetit zu sich. Hier ist
nun in so ferne, als er diß Brodt nimmt, da er sonst
nichts haben kan, keine Wahl, und doch Freyheit.
Und so in vielen Fällen mehr. |
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Zweytens, bey einer Wahl nimmt man aus
zweyen eins, und läst das andere fahren, sonst ist
es keine Wahl. Nun aber giebt es ja ferner, sehr viel
Fälle, da man so nicht wehlet, wenn man auch
gleich zwey (oder mehrere) Dinge vor sich findet,
sondern, da man sie alle beyde will, oder alle
beyde nicht will. Z.E. Ein Dieb hat sich
vorgenommen, in eine Stube zu gehen, die er offen
findet, und zu stehlen. Die Frage: Ob? ist also bey
ihm ausgemacht. Es liegen aber just zwey
Taschen-Uhren auf dem Tische, und sonst weiter
nichts. |
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{Sp. 697|S. 362} |
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Da macht er keine Wahl, welche von beyden
er nehmen, und welche er liegen lassen will,
sondern er nimmt sie alle beyde mit Freuden zu
sich. Hier sind zwar zwey
Dinge, aber doch keine
Wahl, und gleichwohl
Freyheit. Ingleichen, ein
Vater schläget seinem
Sohne, der
heyrathen will,
zwey Personen vor, und dringet darauf, daß der
eine von beyden nehmen solle. Der Sohn findet
aber an beyden kein Belieben, und will also mit
Gewalt keine davon nehmen, sondern strebet sich
wieder beyde. Da ist wieder keine Wahl unter
beyden, und doch Freyheit. Und dergleichen
Exempel sind mehr. |
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Drittens, eine eigentliche Wahl erfordert ein
wissentliches Ergreiffen des einen, und ein
wissentliches Verwerffen des andern. Wenn das
nicht ist, so ist es keine eigentliche Wahl, ob man
gleich zwey
Dinge vor sich hat, auch eins davon
nimmt, und das andere fahren lässet. Es ist keine
formale Wahl, (Electio formalis) ob es gleich
materiel (materialiter) so heissen möchte. |
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Die
Sache ist richtig, und dem gemeinen
Gebrauche zu
reden gemäß. Man wird das noch
keine Wahl nennen, wenn zwar zwey Dinge da
sind, man aber doch nur eins davon gewahr wird,
oder weiß, und es also nimmt, das andere aber
nicht weiß, oder nicht daran gedenckt. Z.E. Wenn 2
Ducaten auf dem Tische liegen, ich sähe aber
nur den einen und nehme ihn, den andern aber
sähe ich nicht, und ließ ihn also liegen. Sondern
das nennet man erst eine Wahl, wenn man erstlich
sich beyde Objecte eigentlich vorstellet, zweytens
sie beyde gegen einander hält, und denn drittens
eines dem andern wissentlich vorziehet, d.i. eines
nimmt, das andere aber fahren lässet. Z.E. Wenn
ich beyde Ducaten auf dem Tische liegen sähe, sie
betrachtete, und den nähme, der mir gefiele, den
andern aber liegen ließ. Sonst müste man sagen,
daß eine Maschine auch wehlete, wenn sie sich
gegen die Rechte kehret, und nicht gegen die
Lincke; oder daß eine Henne auch wehlete, wenn
sie unter einem Hauffen Erbsen eine nach der
andern frißt, die andern aber indeß liegen lässet;
oder daß der Dieb auch wehlete, wenn er die
silberne Uhr von dem Tische nimmt, und den Tisch
selbst stehen lässet; oder daß man eine Wahl
anstellete, wenn man nach Leipzig
reiset, und nicht
nach Constantinopel, da man an das letztere nicht
gedacht hat. |
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Ob es nun gleich wahr ist, daß man bey einer
jeden freyen Handlung das Thun, oder Nicht-thun,
ergreifft; es auch wahr ist, daß man niemahls ein
Ding nimmt; da nicht andere Dinge in der
Welt
übergangen würden; und es auch wahr ist, daß offt
zwey Objecte vorhanden sind, darunter sich eine
Wahl anstellen ließ; so ist doch gedachtermaßen
aus der täglichen
Erfahrung erweißlich, daß man
nicht allemahl das
Thun, oder das eine Object, so
ergrieffe, daß man sich auch das Nicht-thun und
das andere Object dabey mit vorstelle, und die
ausdrücklichen Reflexionen mache, ob man diß,
oder jenes, nehmen wolle? Sondern man ergreifft
das Thun, ohne an das Nicht-thun zu gedencken,
oder das eine Object, ohne das andere zu
gedencken. Z.E. Wir stehen wohl des Morgens auf,
weil |
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{Sp. 698} |
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wir unsere
Arbeit vor uns haben, ohne daran
zu gedencken, ob wir lieber noch länger, oder den
Tag über, in dem Bette liegen bleiben wollen. Wir
treten unsre ordentliche und gesetzte Arbeit
mehrmahls an, ohne die geringste Reflexion
darüber zu machen, ob wir sie liegen lassen
wollen. Wir setzen uns offt an den Tisch, und
essen, was uns vorgesetzet wird, ohne die
geringste Reflexion darüber zu machen, ob wir
lieber von dem Tische wegbleiben, oder etwas
anders essen wollen. Ein verstockter und ruchloser
Sünder, dessen Gewissen schon fühlloß ist,
begehet offt die gröbsten Schandtaten, ohne zu
reflectiren, ob er sie unterlassen wolle; und so in
tausend Fällen mehr. Und gleichwohl thun wir alle
diese
Dinge
frey, und ist dabey
Freyheit, ob gleich
keine formale Wahl. |
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Da nun solchergestalt nicht in allen freyen
Handlungen eine formale Wahl anzutreffen ist,
indem man offt nur ein Object vor sich hat, oder
doch nicht allemahl eins davon nimmt, und das
andere liegen lässet, sondern entweder beyde
nimmt, oder beyde liegen lässet, oder doch
mehrmahlen das eine nicht wissentlich nimmt,
noch das andere wissentlich fahren lässet; so kan
die Wahl, oder das Wehlen, auch nicht wohl mit
dem allgemeinen
Begriffe der
Freyheit
gezogen
werden. |
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Hingegen aber, da allemahl das
Wollen bey
einer jeden freyen Handlung ist, und eine Handlung
zu einer freyen Handlung macht, man habe
übrigens nur ein Object, oder mehrere, vor sich,
man nehme eins, oder alle beyde, man dencke an
das andere, oder dencke nicht daran; wie ein jeder
leicht begreiffet: So nehmen wir das Wollen auch
lieber zu dem allgemeinen Begriffe der Freyheit,
und sagen nicht, sie sey eine
Krafft zu wehlen,
sondern, sie sey eine Krafft zu wollen. |
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Indessen aber wird doch damit nicht
geleugnet, daß bey der
Freyheit
eine Wahl, und
zwar formal, statt haben könne, sondern wir haben
schon zugestanden, daß es in den meisten Fällen
so sey, und es wird auch solches durch die
Definition der Freyheit mit eingeschlossen und
zugelassen. Denn wenn man die
Krafft hat, nach
eigenem Belieben nur das zu wollen, was man als
gut
erkennet, und das nicht zu wollen, was man
sich als böse vorstellet, so wird man ja auch in dem
Falle, da man zwey Objecte vor sich hat, sich auch
beyde vorstellet, und zwar das eine, als gut und
das andere, als böse ansiehet, das eine wollen und
nehmen, das andere nicht wollen und fahren
lassen können. Und das heist eine Wahl, und zwar
eine formale. |
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Hieraus wollen wir nun wieder einige Folgen
ziehen, die einer Betrachtung nicht gantz unwerth
scheinen: |
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1) |
Es ist nicht
schlechterdings wahr, wo (würcklich) keine
(formale) Wahl ist, da ist auch keine
Freyheit, oder
wo Freyheit ist, da ist auch würcklich eine Wahl: Ob
es gleich wahr ist, wo Freyheit ist, da (ist nicht,
sondern da) kan auch würcklich eine Wahl seyn.
Und also, wo keine Wahl seyn kan, da ist auch
keine Freyheit, d.i. wo bey einer
würckenden
Ursache kein
Vermögen zu wehlen ist, da ist auch
keine Freyheit. Das sind alles unterschiedene
Dinge, die sich nun aus dem bisherigen Discurse
leicht
verstehen, unterscheiden und erweisen
lassen. |
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{Sp. 699|S. 363} |
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tens eine überflüßige
Determination, wenn man zu dem General-Begriffe
der Freyheit erfordert, daß man aus zweyen gleich
möglichen
Dingen eins erwähle. Denn es dürffen
eben nicht allemahl zwey Dinge da seyn, sie sind
auch nicht allemahl da. Man kan seine Freyheit
auch gegen eins
beweisen. Es dürffen auch nicht
eben mögliche Dinge seyn; man kan seine Freyheit
auch gegen unmögliche Dinge beweisen. |
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Endlich dürffen es auch
nicht eben zwey gleich mögliche Dinge seyn; man
kan auch seine Freyheit beweisen, wenn man ein
mögliches einem unmöglichen, und ein leichtes
einem ungleich schwehrern, vorziehet. Z.E. Wenn
einem bey einer Feuers-Brunst seine Thür
verfallen ist, und er also erwehlete, durch das
Fenster zu springen, das noch offen ist, und nicht,
wie sonst, mit
Gewalt durch die verfallene Thür,
oder gar mit dem
Kopffe durch die Wand wolte. Es
darff über dieses alles nicht allemahl würcklich eine
Wahl dabey seyn; man kan auch
Freyheit
üben,
ohne formales Wehlen. |
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3) |
Wenn auch gleich nur eine
Welt, so wohl in sich selbst, absolut, als auch
folglich in Absicht auf
GOtt, und zwar physicalisch,
möglich gewesen, oder auch nur eine unter allen
GOtt anständig, und ihm also nur allein
moralisch
möglich gewesen wäre: So hätte sie doch GOtt frey
erschaffen können; und wäre die
Schöpffung doch
eine freye Schöpffung gewesen. |
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Wir finden, daß
verschiedene
Gelehrte sich darüber Scrupel
gemacht, und gemeynet haben, wo die Schöpffung
eine freye Schöpffung seyn solte, so müste man
annehmen, daß mehrere gleich mögliche und
darunter auch mehrere gleich gute, oder GOtt
anständige, Welten gewesen wären, und daß GOtt
denn eine daraus vor andern zu der
Würcklichkeit
gebracht hätte. Unsers Ermessens aber ist solches
nicht nöthig, und kommt der Scrupel wohl nur
daher, daß man in den
Gedancken stehet, wo
würcklich keine Wahl unter zwey, und zwar gleich
möglichen
Dingen sey, da sey auch würcklich
keine Freyheit, oder keine freye Handlung, (davon
wir aber jetzt das Gegentheil gesehen haben). |
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Wir fügen nur noch dieses
bey, daß, wenn man auch eine formale Wahl zu der
Freyheit erfordern wolte, so würde doch solche bey
GOtt, wie allemahl, also auch in dem Falle statt
finden, ob sie gleich nicht allemahl bey den
Menschen ist. Denn er wehlte ja doch in dem
ersten Falle, die eine mögliche
Welt zu schaffen,
da er sie auch nicht hätte schaffen können. Und
zwar nach seiner Allwissenheit lässet es sich ja
nicht anders dencken, als daß er sich auch das
Nicht-schaffen habe mit vorgestellt, und das
Schaffen demselben wissentlich vorgezogen; und
das heisset eine formale Wahl. |
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In dem andern Falle, aber,
wehlte er ebenso wissentlich diese ihm allein
anständige Welt, vor den andern möglichen, die
ihm nicht so anständig wären: Und das ist wieder
eine formale Wahl. Allein, wenn wir auch nur eine
eintzige mögliche Welt setzen, und nicht einmahl
daran gedencken wolten, daß doch eine Wahl bey
GOtt unter dem Schaffen und Nicht schaffen
gewesen: So wäre es doch eine freye
Schöpffung, |
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{Sp. 700} |
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weil GOtt solche einige
mögliche Welt doch aus einem innern Triebe und
Beliebung, nur darum, und aus keiner andern
Ursach, gewolt, als weil er sie sich als gut
vorgestellt hätte: Und das heisset schon eine
wahre Freyheit, oder freye Handlung. |
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Indem wir dieses der
Wahrheit gemäß
behaupten, geben wir damit gantz gerne zu, daß,
wenn unter mehrerm Guten eines, vor andern, zu
nehmen ist, die Vollkommenheit des
Göttlichen Willens erfordere, das allerbeste zu erwehlen, das
ist, welches unter allen
Gütern den grössesten
Grad enthält. Nähme
GOtt nicht das Beste, könnte man
seinem Willen an Vollkommenheit was zusetzen,
es wäre möglich, einen zu gedencken, der es
besser machte, und so hätte GOtt folgends nicht
die höchste Vollkommenheit. |
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Allein wir müssen hiebey nicht gedencken,
daß gleich dasjenige das beste sey, was wir davor
halten; wir dürffen auch nicht die grossen
Thaten
GOttes nach unsern unweisen Handlungen
abmessen.
GOtt setzt allen
Dingen die richtigsten
Endzwecke, und nach diesen richtet er die
vollkommensten Mittel ein, die, seinen Endzweck
zu erhalten, die
geschicktesten sind. Also heisset
hier dasjenige das allerbeste, und welches GOtt,
erwehlet, das seinen weißlich gesetzten Endzweck
auf das vollkommenste zu erhalten vermögend
ist. |
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Daraus mögen wir auch wahrnehmen, was
dazu gehöre, wenn man sagen will, was
Göttlicher Wille und das beste sey. Zuförderst müssen wir
wissen, was GOtt in seinen
Wercken für Absichten
gesetzet habe; was nun solche am besten erhalten
kan, das hat GOtt, nach seinem höchst
vollkommenen Willen, erwehlet. Was aber GOtt
erwehlet hat, ist freylich, und ausser Streit, das
beste. So gelangen wir erst richtig zu
Begriffen von
der Vollkommenheit dessen, was in der
Welt ist.
Sind wir nicht vermögend, solches einzusehen, wie
in besondern Fällen vor gäntzlichem Ausgange der
Sache vielmahls nicht möglich ist, müssen wir uns
lieber des Urtheilens enthalten, und unserer
verwegenen
Vernunfft gehörige
Schrancken
setzen. Der eintzige Maaß-Stab,
Ursach und
Quelle aller Vollkommenheit ist der
Endzweck der
Dinge; derowegen kan auch unser
Verstand, in
Beurtheilung der Vollkommenheit einer Sache,
wenn er nicht fehlen will, keinen andern
Grund, als
ihren Endzweck, erwählen. |
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Wir wollen die Deutung abermahl auf die
Welt
machen, weil wir uns dieses Exempels bereits
bedienet haben. Wie überhaupt die Welt
beschaffen seyn müsse, zeiget die Erklärung und
Zusammenhang des
Endzweckes; vergleichet man
aber diesen
Begriff der Vollkommenheit mit der
Einrichtung gegenwärtiger Welt, so
erfähret man,
ob sie auch die von
GOtt anerschaffene
Vollkommenheit annoch besitze. Nicht richtig aber
kan man verfahren, wenn man die beste Wahl
GOttes zu dem
Grunde
setzet, und hernach aus Erfahrung die Beschaffenheit gegenwärtiger Welt
wahrnimmt, so dann ferner alles zu der Wahl
GOttes und ihrer Vollkommenheit rechnet, was nur
Gutes und
Böses sich darinnen findet. Denn die
Vollkommenheit der Welt ist veränderlich: Ob GOtt
daher gleich die beste erwäh- |
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{Sp. 701|S. 364} |
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let hat, ist es doch nicht nothwendig gewesen,
daß sie ihre Vollkommenheit hat behalten müssen.
Derowegen hat die Wahl GOttes und die
Vollkommenheit der Welt keinen nothwendigen
Zusammenhang, daß man von jener auf diese
ohne Gefahr und sicher schliessen könnte. |
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Die Freyheit zu wehlen, welche bey
GOTT in
der grössesten Vollkommenheit angetroffen wird,
ist auch bey den
Menschen, als
vernünfftigen
Geschöpffen anzutreffen. Schon aus dem Lichte
der Natur erkennen wir, daß ehemahls der Mensch
eben dieser seiner Freyheit, und von GOTT
erlangten Vollkommenheit zu dem Guten,
gemißbrauchet, und sich selbst zu demjenigen
gewendet habe, was
böse und von GOTT verboten
gewesen, und daß eben diese böse Wahl und
Sünde der eigentliche Grund des
Falles, und der
erste Baum alles menschlichen Verderbens sey:
Ob uns schon, ohne die Offenbahrung, nicht zu
schliessen möglich, wie es nach allen Umständen
damit zugegangen ist. |
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Doch auch nach der in dem Menschen
vorgegangenen
Veränderung, hat der Mensch,
(zwar keinesweges in wahrhafftig Geistlichen, als
zu welchen er gäntzlich ungeschickt befunden
wird, doch in pädagogischen, bürgerlichen, und
natürlichen Dingen) noch eine Wahl-Freyheit;
sonderlich in solchen Umständen, die nicht zu dem
Wesen einer Handlung gehören. Z.E. Zu dem
Essen und Trincken ist der Mensch durch das
Gesetz der Natur verbunden. Wer gar nicht essen
und trincken wolte, der würde sich selbst um das
Leben bringen, und also das Natur-Gesetz
übertreten. Ob aber ein Mensch des Tages ein-
oder zweymahl, ein oder zwey Gerichte eine
Stunde früher oder später essen will, das ist durch
das Natur-Gesetz nicht determiniret. Folglich hat
der Mensch in solchen Dingen seine
Freyheit, und
wenn er sich derselben gebraucht, so darf er nicht
besorgen, daß er das Natur-Gesetz übertreten
werde. Deswegen aber ist das Essen und Trincken
selbst keine indifferente Handlung. Denn das
Natur-Gesetz verbindet den Menschen, zu seiner
Erhaltung zu essen und zu trincken, und das
Moral-Gesetz verbindet ihn zu der
Ehre
GOttes zu
essen und zu trincken. Durch diese Gesetze
bekommt das Essen und Trincken seine Moralität,
obwohl die indifferenten Umstände desselben der
freyen Wahl des Menschen überlassen sind. |
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Der berühmte
Bischoff,
G. King, ein
Engelländer, welcher ein fürtreffliches
Werck vom
Ursprunge des
Bösen
geschrieben, hat in dem
V.
Capitel … behauptet, daß uns die
Dinge in der
Welt
deswegen gefielen, weil wir sie willkührlich
erwehlten. Er macht also die Wahl zu der
stärcksten
Ursache der Glückseligkeit, und giebt
vor, daß der
Mensch bey dem Wehlen das
grösseste Vergnügen empfindet. Er nimmt zwar
auch an, daß, da einige Dinge möglich, andere
unmöglich, einige unsern
Sinnen
angenehm,
andere unangenehm sind, wir solche Dinge
erwehlen müsten; die nicht unmöglich und unserm
Zustande zuwider sind. Doch, da er glaubt,
daß |
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{Sp. 702} |
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es bey endlichen
Gütern gantz auf unserer
Wahl beruhe, die Glückseligkeit hier oder darinnen
zu
empfinden, und also in unserer
Gewalt stehe,
eine
Sache gut oder
böse anzusehen, so macht er
den Menschen zu gantz absoluten
Herren ihrer
Handlungen, und unterwirfft das
Reich der
Geister
dem Eigensinne der Creaturen. |
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Die
Erfahrung widerspricht dieser
Meynung
auch, indem wir wahrnehmen, daß wir bereits von
den ersten Jahren an zu einigen
Dingen mehr
geneigt sind, als zu andern, und nicht in im
Stande
sind, es durch eine Wahl zu ändern. Wenn wir auch
untersuchen, wie es zugehet, daß wir das
Böse
erwehlen können: So finden wir, daß solches
unmittelbar daher komme, weil wir uns bey der
Sache das vorstellen, was mit einem erregten
Grund-Triebe übereinstimmt. Mittelbar trägt die
Wahl etwas hiezu bey, indem der
Verstand
durch sie auf das Object eines besondern Grund-Triebes gerichtet wird. Indessen
leugnen wir nicht, daß die
Freyheit
zu wehlen einer von den Grund-Trieben ist, welcher, wie alle
andere Grund-Triebe, bey einem Menschen stärcker, als bey dem andern ist. |
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Wenn man eine wahrscheinliche
Ursache von des
Herrn Kings
Meynung angeben wolte, dürffte man
nur sagen, daß bey ihm der Grund-Trieb zu der
freyen Wahl viel stärcker, als bey andern
Menschen, gewesen sey. |
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Dem, was wir bisher von der Wahl einer
Sache
vorgebracht haben, fügen wir noch die Erklärung
des Biblischen Spruches
Sirach XV, 14. u.f. bey,
wo es heisset; Er hat den Menschen von Anfange
geschaffen, und ihm die Wahl gegeben. Wilt Du, so
halte die Gebote, und thue, was ihm gefällt, im
rechten Vertrauen. Das ist, der erste Mensch ist
samt seinem freyen Willen erschaffen worden, daß
er GOttes Gebot halten möge, oder nicht. Sirach
widerleget allhie diejenigen, welche die
Ursache
ihrer Sünden
GOtt zuschreiben, als ob sie durch
göttlichen Antrieb darzu gereitzet würden, daß sie
nicht anders thun könnten; da doch GOtt das
menschliche
Geschlecht zu Anfang ohne Sünde
erschaffen habe: Darum man ihm keine Schuld
geben könne, daß die Menschen
böse und gottlos
seyn. |
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In den
heiligen Schrifften
finden wir, daß der
Herr vier Personen, die auch alle
Könige waren,
eine Wahl unter etlichen vorgelegten Stücken
überlassen, durch diese besondere
Gnade ihre
Würde über andere
Menschen zu
erkennen
gegeben, auch zugleich, wie hoch ihre gerechten
Begierden geachtet werden müsten, angezeiget
habe. Er hat sie darinnen seinem
Sohne einiger
massen gleich gemacht, dem er auch so eine
Freyheit
giebt, zu fordern, was ihm gefällt, |
Psalm II, 8. |
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Diese vier Könige waren |
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- David, welchem der HErr eine Wahl zwischen
den vorgelegten Plagen überließ,
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2. Sam. XXIV, 12; |
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- Salomo, dem er anheim stellete, welchen
Segen er wählen wolte,
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1. Kön. III, 5; |
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- Achas, dem er die Freyheit gab, ein
Zeichen
zu wählen, welches er an den Himmel oder auf
Erden wolte;
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Esaiä VII, 11; |
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- und Hiskias, dem er die Wahl antragen ließ,
wel-
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{Sp. 703|S. 365} |
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ches er aus 2 Zeichen wolte, entweder, daß
der Schatten 10 Grad für sich, oder so weit zurück
gehen solte, |
2. Kön. XX, 9. |
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David, Salomo und Hiskias haben, in
Annehmung dieser Wahl, ihren
Gehorsam
bewiesen. Denn ob es wohl scheinen möchte, als
ob sie besser gethan haben würden, wenn sie
GOTT die Wahl übergeben hätten, daß er ihnen
zusenden und geben möchte, was ihm das
herrlichste und ihnen das seligste wäre; so würde
doch solches, unter dem Scheine der Niedrigkeit,
ein
Ungehorsam gewesen seyn: Wodurch sie
GOttes
Zweck und Gebot zunichte gemacht haben
würden, der da wolte, daß sie wehlen solten. Als
dahero Achas zu wehlen sich weigerte, rechnete
es GOtt für eine Versuchung, und
erzürnte sich
sehr darüber |
- Jes. VII, 12. 13.
- Biblisches Real-Lexicon, Th. II. …
- Burmanns Bibl.
Wercke …¶
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