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Quellenangaben
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II. Verschiedene Gattungen:¶ |
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Wissen wir, was die
Logische Wahrheit sey, so
müssen wir in der
Theoretischen Abhandlung
dieser
Materie vors andere auch sehen, wie
vielerley selbige sey. Es sind auch hier die
Philosophen nicht einig, indem sie unter andern
darinn von einander abgehen, ob bey denen
Ideen,
oder
Vorstellungen der
Dinge eine Wahrheit oder
Falschheit statt habe. Denn einige, als Lockius de
intell. hum. …
erinnern, daß Wahrheit und
Falschheit nur den
Urtheilen und Propositionen
zukämen, die man von einem blossen
Begriffe
nicht
sagen könnte; andere hingegen, wie |
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- Thomasius in introduct. ad philos. aulic. …
-
Buddeus in elem. phil. instr. …
- Titius
in arte cogit. …
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behalten die
Eintheilung, daß die Begriffe unter andern entweder wahr oder
irrige wären. |
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Es hat die
Sache selbst nicht viel auf sich, weil
es darauf ankommt, wie man das
Wort Wahrheit
nehmen will, welches man entweder
einschräncken kan, daß es bloß auf die
Urtheile
und Sätze geht, oder ihm einen weitläuftigen
Verstand beylegen, damit sich solches zugleich auf
die
Begriffe beziehet. Indem wir oben die Logische
Wahrheit eine Übereinstimmung der
Gedancken
mit der Beschaffenheit der Sache vermittelst der
Empfindung genennet; die
Ideen aber, oder die
Begriffe, gewisse
Arten der Gedancken sind, so
können wir nach dieser Erklärung und nach dem
weitern Umfang des Wortes Wahrheit selbige
überhaupt füglich eintheilen in veritatem Ideae und
Judicii. |
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Die VERITAS IDEAE, oder die Wahrheit des
Begriffs ist diejenige Beschaffenheit einer
Vorstellung, wenn selbige mit der
Sache selbst
übereinstimmt, daß man sich etwas so concipiret,
wie es in der
That beschaffen. |
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Die VERITAS JUDICII, oder die Wahrheit des
Urtheils aber beruhet in einer Übereinstimmung der
Gedancken mit dem würcklichen Verhalten zweyer
Ideen gegen einander, z.E. wenn ich urtheile, daß
die
menschliche
Seele unsterblich, so ist dieses
eine Veritas Judicii, wobey diese meine
Gedancken mit dem
Verhältnisse der beyden
Ideen, als der Seelen und der Unsterblichkeit, wie
solches würcklich beschaffen, übereinkommt.
Indem man ein Urtheil, wenn sol- |
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{Sp. 901|S. 464} |
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ches durch die
Worte äusserlich an Tag
gegeben wird, eine Proposition nennet, so kan man
diese Wahrheit auch VERITATEM
PROPOSITIONIS, oder eine Wahrheit der
Proposition (des Satzes) heissen, welche wieder
auf verschiedene Art kan eingetheilet werden.
Denn |
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1) |
ist selbige in Ansehung
der Übereinstimmung selbst entweder einige
gewisse und unstreitige, oder nur
wahrscheinliche. |
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Die gewisse Wahrheit bestehet in einer solchen Übereinstimmung der
Gedancken mit der
Sache selbst, vermittelst der
Empfindung, daß der
Verstand völlig überzeuget
wird, und kein Zweifel dabey zurück bleibt. Dieses
hat nun seinen
Grund, daß
wir nehmlich zu einer
solchen Übereinstimmung unserer Gedancken
gelangen können, welches entweder durch die
unmittelbare Empfindung, oder durch die
Natur
einer Sache, so fern sie mit der
Vernunfft begriffen
wird, oder durch das Ansehen der
Heiligen Schrifft
geschehen muß. |
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Dieses giebt Anlaß, daß
wir besondere Gattungen dieser gewissen
Wahrheit setzen können. Was nun insbesondere
die Wahrheit solcher
Sachen betrifft, die mit der
Vernunfft begriffen wird, so theilet man sie in eine
Veritatem sensualem und philosophicam ein. Jene,
die sinnliche Wahrheit, oder die VERITAS
SENSUALIS, ist diejenige gewisse Wahrheit, da
wir wegen einer unmittelbaren
Empfindung eine
völlige Übereinstimmung der
Gedancken mit der
Sache selbst haben, welche wieder ist entweder
eine gemeine, die sich bloß auf die sinnliche
Empfindung gründet, z.E. daß es heute kalt, daß
das Feuer Wärme machet, daß es jetzo regnet;
oder eine gelehrte, die man auch die
Mathematische nennen kan, welche zwar auch auf
eine unmittelbare Empfindung gegründet ist; sie
hat aber nicht mit eintzelen
Dingen, sondern mit
unmittelbaren sinnlichen
Principien zu thun, z.E.
daß ein Gantzes mehr, als ein Theil austrägt. |
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Die philosophische
Wahrheit oder VERITAS PHILOSOPHICA hat den
Grund ihrer Gewißheit in der
Natur der
Sache, von
welcher etwas
erkannt wird, nachdem die
Vernunfft
selbige durch die Definition und Division entdecket;
aus diesen aber gewisse Wahrheiten formiret,
welche zweyerley sind. |
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Einige werden unmittelbar
aus der Definition und Division gemacht, die man
VERITATES ENUNCIATIVAS nennen kan, auch
sonst
principia heissen, sofern man daraus noch
andere Wahrheiten als
Schlüsse folgert, z.E. wenn
man das natürliche Recht beschriebe, es sey
dasjenige göttliche
Gesetz, welches man aus der
Natur durch die
Vernunfft
erkennte, und daraus
lernte, was man nach demselbigen zu
thun und zu
lassen habe, so könnten aus solcher Erklärung
verschiedene Veritates enunciativae gemacht werden, z.E. |
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- das natürliche Recht ist ein Gesetz:
- das natürliche Recht ist ein Gesetz GOttes:
- das natürliche Recht wird aus der Natur erkennet:
- das natürliche Recht zeigt, was zu thun und zu lassen.
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Alle diese Sätze haben
ihren
Grund der gewissen Wahrheit in der Natur,
oder Beschaffenheit des natürlichen Rechts,
welche man durch die Definition erkläret, und
daraus solche Wahrheiten ziehet. Was wir oben
von den
Principiis angeführet, kan hier zur Erläuterung dienen. |
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Der P. Büffier hat ans Licht
gestellet: Traite des premieres verites …, davon
man in den Memoires de Trevoux 1724 … einen
Auszug findet. |
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{Sp. 902} |
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man eine dergleichen
Wahrheit
beweisen, und ihre Gewißheit darthun, so
berufft man sich auf die Definition, oder auf das
Wesen der
Sache. |
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Andere sind Veritates
RATIONATIVAE, welches die
Schlüsse sind, die
mittelbar aus einem Satze gefolgert werden, und
daher in ihrer Gewißheit in demjenigen Satze,
daraus man sie geschlossen, gegründet sind, z.E.
ist es gewiß, daß das
natürliche Recht ein
Gesetz,
so folget daraus gewiß, daß selbiges kein
Vergleich, auch nicht als ein väterlicher Rath
anzusehen; wobey zu mercken, daß ein Satz in
verschiedener Absicht bisweilen sich als ein
Principium; bisweilen aber als eine Conclusion
verhalten kan, z.E. sagt man, man soll niemanden
beleidigen, Ergo darf man niemanden beschimpffen,
so ist hier der Satz: man soll niemanden
beleidigen, ein Principium; der aber auch ein
Schluß werden kan, wenn es heist: man soll ruhig
in der
Gesellschafft leben, Ergo soll man niemanden
beleidigen. Dieses bringet die
Kunst Schlüsse zu machen mit sich, daß man immer von
einer Wahrheit auf die andere kommt. Soll man
solche Wahrheiten, die als Schlüsse anzusehen,
beweisen, so führt man nur das
Principium an. |
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Es
sind aber solche veritates ratiocinativae zweyerley,
so ferne man sie entweder materialiter, oder
formaliter betrachtet. Denn siehet man selbige
materialiter an, so haben sie ihren
Grund in einem
principio, das entweder auf die
Natur der
Sache;
oder auf ein göttlich Zeugniß gegründet, und in so
weit kan man sie in Philosophische und
Theologische eintheilen, z.E. schliesset man: GOtt
ist gerecht, Ergo muß er das
Böse
straffen, so hat hier
der
Schluß ein
Principium zum Grunde, welches
auf das Wesen GOttes beruhet, so mit der
Vernunfft kan
erkannt werden, und daher als ein
Philosophischer Schluß anzusehen ist; wolte man
aber so schliessen: Der
Heilige
Geist ist wahrer
GOtt, Ergo muß man ihn göttlich verehren, so hätte
dieser Schluß kein natürlich Principium, so zur
Vernunfft gehöret; sondern welches aus der
Schrifft muß erkannt werden, daher er der
Materie
nach als ein Theologischer Schluß
anzusehen. |
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Erwegt man die
Schlüsse
formaliter, soferne sie als solche wahre Sätze, die
aus andern geschlossen werden, zu betrachten, so
gehören sie alle zur
Vernunfft, auch diejenigen, die
der Materie nach Theologisch sind. |
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Von dieser gewissen
Wahrheit ist die wahrscheinliche, oder VERITAS
PROBABILIS unterschieden, wenn wir eine solche
Gedancken haben, die nicht völlig mit der
Beschaffenheit der
Sache übereinstimmt, und
indem noch eine gegenseitige Möglichkeit dabey
statt hat, der
Verstand auch nicht völlig überzeuget
wird, z.E. daß
GOtt allmächtig sey, ist gantz gewiß,
wobey der
menschliche Verstand nicht den
geringsten Zweiffel hat; daß aber dieser sehr
krancke Mensche
sterben werde, ist nur
wahrscheinlich, eben daher, weil der Verstand
dencken kan, es kan doch noch seyn, daß er
wieder aufkommt, wovon wir in dem
Artickel:
Wahrscheinlichkeit, gehandelt haben; |
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2) |
kan man die Wahrheit und
zwar die Veritatem Judicii auch eintheilen in
Ansehung der
Sache, davon sie gedacht oder
gesaget wird. |
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Alles, was man an einem
Dinge betrachten kan, betrifft entweder die
Existentz; oder die Beschaffenheit desselbigen,
welche Beschaffenheit entweder wesentlich oder
ausserwesentlich ist; woraus drey
Arten
dieser Wahrheit entstehen, als |
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{Sp. 903|S. 465} |
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Würcklichkeit, oder VERITAS EXISTENTIAE wenn
man eine wahre
Gedancke
von der
Würcklichkeit
einer
Sache
hat, z.E. der
Mensch
hat eine
vernünfftige
Seele; |
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- die Wahrheit des Wesens, oder VERITAS
ESSENTIAE, wenn die Wahrheit das
Wesen
eines
Dings betrifft, z.E. der Mensch kan sich bewegen,
- und die Wahrheit des Zufälligen, oder
VERITAS ACCIDENTIS, die nur auf zufällige
Eigenschafften
gehet, z.E. einige Menschen sind gelehrt.
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Das
Wesen, so eine
Sache an sich hat, ist entweder ein gemeines, so
sie mit den ihr sonst entgegen stehenden Objecten
gemein hat; oder ein besonderes, so ihr gantz
allein und keinem der entgegen gestellten Dingen
zukommt, davon man jenes das Genus; dieses
die Differentz nennet, daher wenn man noch
mehrere Abtheilungen machen wolte, so könnte
man die Wahrheit des (veritatem essentiae)
Wesens theilen in VERITATEM ESSENTIAE
COMMUNIS, oder GENERIS und in VERITATEM
ESSENTIAE SPECIFICAE, oder PROPRIAE; man
hat aber nicht nöthig, auf so gar besondere
Abtheilungen zu kommen. |
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Epicurus theilte die Wahrheit ein in
veritatem
existentiae, da etwas in der
That dasjenige sey,
was es ist, und in veritatem judicii oder
enunciationis, die er eine Gleichförmigkeit des
Judicii mit der
Sache selbst, davon ein
Urtheil
gefället wird, nennet, |
wovon Gassendus de logicae
fine … auch Stanley in histor. philosoph. … zu
lesen. |
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Diese Eintheilung aber ist nicht mit
Stillschweigen zu übergehen, da die Wahrheiten
sind entweder nothwendige (NECESSARIAE) oder
zufällige, (CONTINGENTES). Jene sind in dem
Grunde des Widerspruchs, (principio
contradictionis); diese hingegen in dem Satze des
zureichenden Grundes, (principio rationis
sufficientis,) oder der Convenientz gegründet. |
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Bey den nothwendigen Wahrheiten kan man
mit der Zergliederung zu Ende kommen, und bis zu
den ersten Grund-Wahrheiten gelangen. Bey den
zufälligen Wahrheiten kan man niemahls zu Ende
kommen, so lange man in der Reyhe der endlichen
und zufälligen
Dinge stehen bleibet. Es muß also
der zulängliche und letzte
Grund der zufälligen
Dinge in einer schlechterdings nothwendigen
Substantz gesuchet werden. |
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Herr Leibnitz theilet die Wahrheiten der
Vernunfft in ewige und gesetzte Wahrheiten
(VERITATES AETERNAS ET POSITIVAS) ein.
Unter den ewigen
verstehet er diejenigen, welche
so nothwendig sind, daß das Gegentheil, als
schlechterdings ohnmöglich, sich allezeit selbst
widerspricht; dergleichen sind diejenigen
Wahrheiten, so eine Logicalische, Metaphysische,
oder Geometrische
Nothwendigkeit haben, und die
man, ohne in die grössesten Absurditäten zu
verfallen, nicht leugnen kan. |
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Den andern ertheilet er deswegen den
Nahmen der gesetzten Wahrheiten, weil sie
entweder selbst die Gesetze ausmachen, die
GOtt
der Natur vorzuschreiben gefallen hat, oder weil sie
von solchen Gesetzen dependiren. Wir erkennen
sie entweder aus der
Erfahrung, das ist,
a
posteriori, oder aus der
Vernunfft und a priori, das
ist, aus Betrachtung ihrer Convenientz, welche
gemacht hat, daß sie vor andern erwehlet worden
sind. Diese Convenientz hat zwar ebenfals ihre
Regeln und Ursa- |
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{Sp. 904} |
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chen; indessen ist es keiner geometrische
Nothwendigkeit, sondern der freyen Wahl
GOttes,
zuzuschreiben, daß er das Convenientz
vorgezogen, und zu der
Existentz gebracht
hat. |
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Man kan dahero sagen, daß die Physicalische
Nothwendigkeit auf die
Moralische, das ist, auf die
Wahl des weisen Schöpffers, die seiner Weisheit
anständig, gegründet sey, und daß beyde von der
geometrischen Nothwendigkeit gar wohl
unterschieden werden müssen. Diese
physicalische Nothwendigkeit macht die Ordnung
der Natur aus, und bestehet in den Regeln der
Bewegung, und einigen andern allgemeinen
Gesetzen, welche
GOTT den
Dingen gegeben hat,
indem er ihnen das
Wesen ertheilet hat. Es ist
demnach wahr, daß GOtt die Gesetze nicht ohne
Grund gegeben hat: denn er erwehlet nichts aus
Eigensinn, und gleichsam nach dem Loose, noch
aus einer pur lauteren Gleichgültigkeit. Allein die
allgemeinen Gründe der
Ordnung und des Guten,
die ihn dazu bewogen haben, können in einigen
Fällen von noch wichtigern Gründen einer höhern
Ordnung überwogen werden. |
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Unter den vorhin gedachten zwey
Gründen,
des Widerspruchs und des zureichenden Grundes,
verstehen wir die zwey ersten aus der
Empfindung
von den
Gelehrten ersonnen Sätze. Der Satz des
Widerspruchs ist dieser: Es ist ohnmöglich, das
etwas zugleich sey, und auch nicht sey.
(Principium contradictionis: Impossibile est, idem
simul esse, et non esse.) Woraus man, wenn die
Empfindung den Grund geleget hat, die
Würcklichkeit eines
Dinges gewiß zu
erkennen
Anlaß bekommt. |
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Der Satz des zureichenden Grundes ist dieser:
Alles, was ist, hat seinen zureichenden
Grund,
warum es vielmehr so ist, als nicht so ist.
(Principium rationis sufficientis: Nihil est absque
ratione sufficiente, cur ita potius sit, quam non sit.)
Ein zureichender Grund ist ein solcher Grund,
daraus sich alles verständlich erklären und
herleiten läst, was bey einer
Sache anzutreffen ist.
Hieraus nimmt man Anlaß, auf die
Grund-Ursachen, folglich das
Wesen eines
Dinges,
zu gedencken. |
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Ausser diesen, giebt es noch viel mehr solche
allgemeine Grund-Sätze, welche ihren Ort in der
Grund-Wissenschafft, oder Metaphysick, haben,
wo man insonderheit von den ersten allgemeinen
Begriffen handelt, welcher Theil die Ontologie
genennet wird. Diese beyden gründen sich auf die
Empfindung und
Erfahrung, wer also diese zu dem
Grunde leget, wie es sich gehöret, der kan ohne
diese Sätze so weit kommen, als mit denselben.
Zumahl, wenn man erweget, das eine jede
Art der
Erkänntniß und der Wahrheit ihren besondern
eigenthümlichen Grund habe, welche doch alle in
dem ersten allgemeinen Grunde gegründet
sind. |
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Beyde angeführte Sätze sind eben deswegen,
weil sie Sätze sind, zusammengesetzte
Gründe,
und müssen also aus dem ersten einfachen
Grunde unserer
Erkänntniß, der
Empfindung,
erwiesen werden. Beyde muß man nicht
verwerffen, aber bey dem letztern sich in Acht
nehmen, daß man solche nicht auf
göttliche
Dinge,
ohne Unterschied, anwende, und den
zureichenden Grund, in sofern er
metaphysicalisch, oder physicalisch, oder
moralisch, oder mathematisch ist, deutlich
bestimme. |
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So viel
Arten der
Erkänntniß sind, so viel Arten
der |
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{Sp. 905|S. 466} |
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Wahrheit haben wir auch, welche theils in
Ansehung ihres Gegenstandes, (Objecti) theils in
Ansehung ihres
Grundes, (Principii) theils der
Weise, wie man solche
erkennet und abhandelt,
(Formae et modi concludendi) von einander
unterschieden sind, und also nicht mit einander
verwirret werden müssen. Da sie aber alle ihren
Grund in der
Empfindung haben, so kommen sie
darinnen alle überein, und insofern ist nur eine
Wahrheit. |
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Es sind sonderlich vier
Arten unserer
Erkänntniß, und also auch der Wahrheiten,
merckwürdig: |
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1) |
Die Wahrheiten der
Ahndung; |
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2) |
Wahrheiten der gemeinen
Erkänntniß; |
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3) |
Wahrheiten der
Gelehrsamkeit; |
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4) |
Wahrheiten der
Offenbahrung. |
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(VERITATES INSTINCTUS; IDEAE; JUDICII
ET REVELATIONIS). Keine von diesen ist zu
verachten, aber eine ist immer vollkommener, als
die andere; Was man durch die geringere
Erkänntniß von Wahrheiten erkennen kan, dazu
braucht man die vollkommenere nicht und also
muß man sie in gehöriger
Ordnung gebrauchen.
Hieraus fliessen viele nützliche
Regeln wider die
Phantasterey, Enthusiasterey, Naturalisterey, und
Narrheit, welche wohl zu mercken sind. |
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Die Wahrheiten der Ahndung oder
VERITATES INSTINCTUS gehen auf practische
Dinge, welche mehrentheils zu der Erhaltung
unsers
Cörpers abzielen, dazu wir den Trieb in
unserer
Seele
empfinden. Dieser Trieb ist eine
Regung unserer Seelen, da durch dieselbe ohne
vorher gegangene Überlegung, zu einer ihrer
nützlichen Wahrheit und Unternehmung geführet
und gereitzet wird. Seinen
Verstand gebrauchet
man hierbey recht, wenn man |
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(a) |
dieselbe nicht so
schlechterdings, mit einer vermeynten
übersichtigen
Klugheit und eingebildeten
Scharffsinnigkeit, verwirfft; |
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(b) |
Nicht, wie die alten
Weiber
mit ihren Träumen, damit umgehet, und gar zu
hefftig darauf
bauet; |
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(c) |
Sie sorgfältig von den
andern Handlungen und Regungen der
Seele
unterscheidet, denn sie muß nicht aus einem
vorhergegangenen Wissen und
Wollen, sondern
von ohngefähr, entstehen, aber auch nicht
offenbahr mit der
Vernunfft, (um so viel weniger
aber mit der göttlichen Offenbahrung) streiten. Sie
ist sonst bey den Thieren stärcker, als bey den
Menschen; Bey den Dummen und
Sterbenden an
dem stärckesten, welche sie zuweilen (in
natürlichen und irrdischen
Dingen) zu Propheten
macht. |
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Wie diese Ahndungs-Wahrheiten von
ohngefähr kommen, so haben wir dagegen zwey
Wege vor uns, die
Erkänntniß der Wahrheiten zu
suchen. Es folgen dahero die Wahrheiten der
gemeinen Erkänntniß, durch welche wir zu
gemeinen Wahrheiten gelangen, die unmittelbarer
Weise in die
Sinne fallen, und dazu man weiter
nichts gebrauchet, als
Empfindung, Gedächtniß,
und auf das Höchste die Dichtungs-Krafft; Denn
obwohl die Beurtheilungs-Krafft und das
scharffsinnige Nachdencken nicht ausgeschlossen
wird, so kommt es doch auf dieselbe hier nicht
hauptsächlich an. Z.E. Viele
Menschen sehen die
Sonne aufgehen, Finsternisse entstehen; wissen
aber nicht zu
sagen, warum dieses
geschiehet. |
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Inzwischen sind die gemeinen Wahrheiten der
Grund der |
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{Sp. 906} |
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gelehrten oder der Wahrheiten der
Vernunfft-
und gelehrten
Erkänntniß, die durch
scharffsinniges Nachdencken hergeleitet werden.
Diese gründen sich auf den
Verstand und auf die
Beurtheilungs-Krafft. Z.E. Ein Stern-Kündiger kan
demonstriren, warum und zu welcher
Zeit die
Sonne aufgehe, Finsternisse entstehen, weil er
den Zusammenhang der
Erde mit dem Himmel und
die Himmlische Bewegung einsiehet. |
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Hierher gehören |
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-
philosophische,
- metaphysicalische,
- physicalische,
- moralische,
- mathematische,
- juristische,
- medicinische,
- theologische
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Wahrheiten, u.s.w. Ferner die Wahrheiten |
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|
- der
Begriffe,
- der Sätze,
- der Erklärungen,
- der Eintheilungen,
- der
Schlüsse,
- der
Reden, (VERITAS ETHICA)
- der
Worte,
(VERITAS VERBALIS)
- der
Sachen,
(VERITAS REALIS)
- die Wahrheit
|
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Unsre
Erkänntniß von allen diesen
Dingen ist
so wohl in Ansehung der eintzelnen
Begriffe, als
der gantzen Sätze und
Schlüsse, zu prüfen, ob sie
wahr oder falsch sey. In den Begriffen ist Wahrheit,
wenn sie ihren Originalen, oder den Dingen, von
welchen wir uns Begriffe machen, ähnlich sind:
Denn alle Begriffe sind Vorstellungen, oder Bilder,
der Dinge. |
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|
In den gantzen Sätzen aber bestehet die
Wahrheit darinnen, daß die
Begriffe, die unter den
Worten liegen, eben so zusammen gehören, oder
nicht, wie die Worte des Satzes solches andeuten.
Z. E. Wenn ich mir die Tugend als eine Fertigkeit,
nach dem Gesetze der Natur zu handeln, die
Glückseligkeit aber als den
Zustand eines
beständigen Vergnügens vorstellte, und hernach
sagte, daß die Tugend glücklich macht. |
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|
Gleichwie nun bey dieser
Art Wahrheiten, die
wir vermittelst der
Sinne und der
Vernunfft
erkennen, jetztbesagte Klarheit der
Sachen
erfordert wird, so ist hingegen in solchen
Wahrheiten, die wir vermittelst eines
göttlichen
oder
menschlichen Zeugnisses erkennen, nur eine
Klarheit des Zeugnisses vonnöthen. Und eben
diese beyderley Klarheit und Deutlichkeit, und die
daraus folgende Befriedigung unsers
Verstandes,
da uns die helle Wahrheit durch ihre Klarheit und
Deutlichkeit, dergestalt in die Augen leuchtet, daß
wir innerlich überzeuget werden, wenigstens nichts
dawider mit
Grunde einwenden können, machen
eben die Kennzeichen der Wahrheit (CRITERIA
VERITATIS) aus. |
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|
Eine Gattung wäre noch zu beobachten übrig,
nehmlich die Wahrheiten der Offenbahrung; Da wir
aber hiervon unter den
Artickeln:
Wahrheit
(geoffenbahrte oder theologische) und Wahrheit
(unbegreiffliche) handeln werden, wollen wir hier
derselben nicht weiter, als nur in Ansehung ihrer
Eintheilung, (als welche zu der Lehre von den
Gattungen der Wahrheiten gehöret)
gedencken. |
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Henricus Holden, ein Sorbonnischer
Theologe, macht (in Analysi Fidei) vier Gattungen
der Christlichen Wahrheiten |
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1) |
Göttliche und Catholische
Wahrheiten, welche unmittelbar in der göttlichen
Offenbahrung gegründet sind: |
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2) |
Wahrheiten, so
schlechterdings catholisch, und mit gemeiner
Bewilligung der Kirche allezeit angenommen
worden; |
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|
3) |
Canonische Wahrheiten,
die durch allgemeine Concilien und durch Päbste
bestätiget worden; |
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{Sp. 907|S. 467} |
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|
4) |
Theologische Wahrheiten,
d.i. Folgerungen aus den
Gründen der ersten und
andern Gattung. |
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Die erste Gattung hält er vor eigentlich so
genannte Glaubens-Lehren. |
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|
Fridericus Nausea, ein Prediger zu Mayntz,
setzet in Catholica in Symbolum Apostolicum,
Mayntz 1529,… acht Gattungen der Theologischen
Wahrheiten, deren eine immer geringer sey, als die
andere. Nehmlich: |
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|
1) |
Was in
heil. Schrifft
ausdrücklich stehe: |
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|
2) |
Was durch eine nöthige,
augenscheinliche Folgerung (kata tēn dianian)
darinnen stehe; |
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3) |
Was von den Aposteln,
durch die Tradition, bis auf uns gekommen
sey; |
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|
4) |
Was in den allgemeinen
Concilien beschlossen ist; |
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|
5) |
Was der Römische Stuhl
decidiret hat; |
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|
|
6) |
Was die Patres und andre
Lehrer wider die Ketzer erstritten haben; |
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|
7) |
Was
GOtt einer
Privat-Person geoffenbahret hat; (worzu er
Johannis Offenbahrung ziehet) |
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8) |
Was aus diesen allen,
durch eine klare Folgerung, geschlossen wird. |
|
|
|
Wir halten aber billig vor Unrecht, daß unsre
Gegner unsre Eintheilung der Theologischen
Wahrheiten in Grund-Artickel, und in diejenigen, so
solche nicht sind, unter mancherley Vorwande,
verwerffen; welche doch weit besser und
gründlicher ist. |
-
Unschuld. Nachr. von
1706. …
- Gründliche Auszüge aus
Disputt B. VII. …
- Meisners Philos. Lex. …
- Bruckers Philos. Hist. Th.
VII. …
-
Wolffs Gedank. von GOtt, Welt und Seele,
Th. II. …
- Leibnitzens Theodicaea ...
- Gottscheds
Gründe der Weltweißh. Th. …
- Fabricii Logick …
- Kemmerichs Acad. der Wissensch. Eröffn. …
- Baumeisteri Philos. …
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|
Da wir unsere
Gedancken auch durch
Worte
andern bekannt machen, so sehen wir, daß die
Wahrheit der
Rede, als welche in der Übereinkunft
der Worte mit der
Sache selbst bestehet, auch
hieher gehöre.¶ |
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