Stichworte |
Text |
Quellenangaben und Anmerkungen
|
|
(B) Abweichungen in der
Philosophie. |
|
|
Es hat in den neuern Zeiten auch unter den
Philosophen an solchen nicht
gefehlet, die in diesem Stücke gefährliche
Meynungen
gehabt, und die
Freyheit
des
menschlichen Willens, wo nicht directe, doch indirecte,
geleugnet; Und wo
dieses andere nicht
gethan, haben sie sich doch einen besondern
Concept davon
formiret, wie wir gleich jetzo die
vornehmsten Urheber solcher
falschen
Meynungen anführen wollen.¶ |
|
Spinoza |
Der erste mag Benedictus Spinoza seyn, welcher nach seiner
Art, damit er Unvorsichtigen eine blaue Dunst vor die Augen mache, in
zweydeutigen
Worten diese Freyheit zuzugeben scheinet. Denn er erfordert zu der
Freyheit zwey Stücke, daß man vor das erste eine
Erkänntniß
seiner Handlungen habe, und dann selbige thun wolle. Es bedeutet aber bey ihm
das
Wollen |
|
|
{Sp. 195|S. 111} |
|
|
nichts anders, als drein willigen, daß die Handlung, die man nicht hindern
könne, geschehe. Daher bestehet nach seiner
Meynung die
Freyheit
darinnen, daß
der Mensch
empfinde und überzeuget sey, daß er sich seiner
Bewegung bewust, wenn
er gleich die
Ursach', wodurch er zu solchen Bewegungen determiniret worden,
nicht wisse, welches ein recht läppischer Concept ist, der in der
That nichts
heisset. |
|
|
Doch, was braucht es weiter Zeugniß? Er gestehet ja ausdrücklich, daß er
keine Freyheit
zulasse. Denn Part. I. ... Ethic.
schreibt er:
Voluntas [Ca. sieben Zeilen lateinischer Text]. Aus diesen
Worten sehen
wir, wie Spinoza den
Willen nicht für eine von dem
Verstande
unterschiedene Fähigkeit gehalten habe, wenn er ihn die Weise zu gedencken (Cogitandi
modum) nennet. |
|
|
Daher
schreibt er, Epist. 2 ad Oldenburgium
... der Wille, als eine Facultät betrachtet, sey nichts anders, als ein
Ding in dem Verstande, (Ens rationis) das keinesweges als eine
Ursach
dieses, oder jenes Willens, anzusehen sey. Wie er aber den Verstand auch nur als
eine Art zu gedencken (Cogitandi modum) ausgiebt; Also siehet man, daß
er die
Seele für keine von dem
Cörper unterschiedene
Substantz gehalten habe,
und das war eben der
Grund seines Systematis, daß nur eine Substantz sey, so,
daß die
Bewegung des einen Cörpers von der Bewegung des andern dependire, und
dieses auf das unendliche hinaus gienge; Mithin müste alles nothwendig
geschehen. |
|
|
Fällt nun sein Haupt-Principium weg, welches aber hier zu widerlegen, die
Umstände dieses
Artickels nicht zulassen, so giebt sich das andere gar leicht;
Wiewohl auch die Hypothesis von der
Freyheit, daß der Wille eine Art zu
gedencken sey, so beschaffen ist, daß ein jeder von deren Absurdität, durch
eigene
Empfindung der
Würckungen des Willens, leicht überzeuget wird, wie nicht
weniger, daß der
Verstand von einer andern
Ursache determiniret werden müsse. In
Propos. 48. Part. II. Ethic. lässet er sich also vernehmen:
In mente nulla est absoluta, sive libera voluntate, sed mens ad hoc, vel
illud volendum, determinatur a causa, quae etiam ab altera determinata est, et
haec iterum ab alia, et sic in infinitum.¶ |
|
Hobbes |
Diesem setzen wir den Thomas Hobbesius an die Seite. Von diesem kan man sich
leicht die Rechnung machen, was er von der
Freyheit
des
Menschen statuiret, wenn
man erweget, daß er in dem Leviathan, Cap. 4, ausdrücklich vorgiebt, es wären
keine uncörperlichen
Substantzen, und Cap. 34,
Cörper und
Substantz bedeuteten
einerley, ja eine uncörperliche Substantz bedeutete nichts, und wäre eben so
viel, als wenn man
sagen wolte: Ein uncörperlicher Cörper. |
|
|
Und wenn er sich in Append. ad Leviath. cap. 3, den Einwurff macht:
„Leugnet man, daß uncörperliche
Substantzen
anzutreffen, so muß man ent- |
|
|
{Sp. 196} |
|
|
weder leugnen, daß ein GOtt sey, oder zugeben, GOtt sey ein Cörper;„
So antwortet er,
GOtt sey freylich ein Cörper, welches ja schon
Tertullianus behauptet hätte. |
|
|
Er hat über diese
Materie von der
Freyheit
mit dem Johann Bramhall,
Bischoffe von Derry, Streitigkeiten gehabt, und sind die deswegen
gewechselte kleine Streit-Schrifften 1656 in 4 zu Londen unter dem
Titel
herausgekommen: „Fragen über die Freyheit, die
Nothwendigkeit und den Zufall, die zwischen dem Doctor Bramhall,
Bischoff von Derry, und Thomas Hobbes de Malmesbury,
sind untersucht und abgehandelt worden.„
Wie denn auch 1684 ein
Werck ediret worden, darinnen sein
Buch von der
menschlichen
Natur, sein Tractat de corpore politico, seine
Schrifft
von der Freyheit und
Nothwendigkeit, zu finden ist. |
|
|
Seine Meynung geht hier, wie leicht zu erachten, dahin, daß alles aus einer
absoluten
Nothwendigkeit geschähe, und der
Wille Gottes mache die Nothwendigkeit
aller
Dinge, und erscheint nicht undeutlich, daß das, was er
GOtt nennet,
vielmehr nur die blinde
Natur des Klumpens der materialischen
Dinge wäre, die
nach den mathematischen Gesetzen, zu Folge einer absoluten Nothwendigkeit,
würcke, wie die Atomi in dem Systema des Epicurus, und da
läufft die
Sache auf einen Spinozismus hinaus. |
|
|
Er führt unterschiedene Sprüche an, welche vor seine
Meynung seyn sollen,
und die
GOtt die
Ursach unsers
Willens zuschrieben. Als z.E. |
|
|
- 2 B. Mos. VII, 3. Ich will Pharao Hertz
verhärten.
- 2 B. Sam. XVI, 10. sage David von
Simei: Laß ihn fluchen, denn der HErr hats ihm geheissen, fluche
David.
- 1 B. Kön. XII, 15: Der König Jerobeam gehorchte dem
Volcke nicht denn es war also gewandt von dem HErrn.
- Röm. IX, 16: So liegt es nun nicht an jemands Wollen, oder Lauffen,
sondern an Gottes Erbarmen.
- Und v. 18: So erbarmet er sich nun, welches er will, und verstocket,
welchen er will.
- Vers 19: Wer kan seinem Willen widerstehen?
- Und so weiter.
|
|
|
Woraus zu ersehen ist, wie er die Sprüche nicht verstehet, oder nicht
verstehen will, und sie zu einer gottlosen Meynung verdrehet, daß GOtt auch
Ursache der sündlichen Verrichtungen sey. Er
sagt, es sey nicht gut, wenn man
die Wahrheit sage, wie GOtt das
Böse wolte, weil dieses nicht rühmlich wäre, und
stellt sich also GOtt als einen Menschen für, dessen Absichten und Handlungen
man offt verheelen muß. |
|
|
Es hat der
Herr von Leibnitz Anmerckungen über diese
Schrifft gemacht, welche sich bey seiner Theodicee befinden, darinnen er gleich
anfangs eine kurtze Nachricht von diesem Streite giebt. Beyde aber, den
Spinoza und Hobbesius, hat Clarck in
Oration. de demonstratione existent. et attributor. Dei, prop. 9.
widerleget. |
Man conferire
|
Bayle |
In diese Classe gehört auch Peter
Bayle, von welchem
bekannt genug ist, daß er die Manichäischen Irrthümer wieder aufgewärmet habe.
Er giebt zwar an einigen Orten diese
Freyheit zu, son- |
|
|
{Sp. 197|S. 112} |
|
|
derlich in dem Commentaire philosoph. ... in andern Stellen aber
hebt er selbige wieder auf; Daß er sich entweder aus Unvorsichtigkeit, oder mit
Fleiß, widersprochen hat, welches letztere viel eher, als das erstere, zu
glauben stehet. Denn, wenn wir seine hieher gehörigen
Principia ansehen, so war
ihm wohl niemahls in den Sinn gekommen, eine
Freyheit
zu statuiren; Zum Schein
aber that er bisweilen auch, als glaubte er solche. |
|
|
Wir treffen in seinen
Schrifften sonderlich drey Umstände an, daraus wir
seine Meynung gantz deutlich sehen können: |
|
|
1) |
Leugnet er, daß
GOtt die willkührlichen und
freyen Handlungen vorher sehen könne: Weil aber GOtt gleich wohl alles
vorher wisse, und er sich darinnen nicht betrüge, so müste der
Mensch
vorher von GOtt zu der Handlung, die er vorher sehe, determiniret worden
seyn, welche
Gedancken wir in seinem Dictionario, unter dem
Artickel von den Manichäern, und Tom. III, cap.
142, der Respons. ad quaest. homin. ex provinc. antreffen. |
|
|
|
|
Doch darauf läst sich leicht antworten. Es ist
ein schlechter
Schluß, den Bayle macht: Ich kan nicht
begreiffen, wie GOtt künfftige zufällige
Dinge vorher sehen könne; Er
sieht aber gleichwohl die künfftigen Dinge vorher, folglich müssen sie
alle Nothwendig seyn. Auf diese Weise würde freylich die Freyheit des
Menschen wegfallen müssen; Wer hat denn aber von Baylen
verlanget, daß er die Art und Weise dieser Vorhersehung begreiffen soll?
Und wenn dieses gleich kein Mensch thun kan, so bleibt es doch eine
Wahrheit, das GOtt die künfftigen zufällige Dinge vorhersehe. |
|
|
|
|
Einige, welche sich ebenfalls in diese Sache
nicht haben finden können, sind zwar nicht auf den Baylischen jedoch auf
einen andern Abweg verfallen. Denn, damit sie weder die Freyheit des
Menschen aufhüben, noch, wie Bayle die zufälligen
Dinge
verwürffen, so leugneten sie, daß GOtt die künfftigen zufälligen Dinge
vorhersehe, wie die Socinianer, und ein gewisser Gelehrter, in der
Histoire critique de la republique des lettres ..., dessen
Meynung
Buddeus de atheismo et superstit. ...
untersuchet. |
|
|
|
|
Es kommt ausser Streit die
Erkänntniß
solcher künftigen
Dinge
Gott zu, welches nicht nur die
Vernunfft erkennet,
sondern auch die
H. Schrifft
bestätiget. Denn erkennet die Vernunfft, daß GOtt das allervollkommenste
Wesen ist, so muß sie ihm auch die allervollkommenste Erkenntniß
beylegen, welche aber nicht die vollkommenste wäre, wenn er die
künfftigen möglichen Dinge nicht wüste. Wüste Sie GOtt nicht vorher, ehe
sie geschehen, er kennte sie aber, nachdem sie geschehen sind, welches
niemand leugnen wird, so würde folgen, daß GOtt in seiner Erkänntniß
wachse und zunehme, so offenbar ein Stück seiner Schwachheit und
Unvollkommenheit wäre. Die H. Schrifft bestätiget dieses nachdrücklich,
durch deutliche Zeugnisse: |
|
- 1 B. Mos. XVIII, 17 u.ff.
- 5 B. Mos. XXXI, 16. 20.
- Psalm CXXXIX, 2. 3.
|
|
|
Wodurch GOtt eben von den falschen
Göttern und heydnischen Götzen unterschieden seyn will, |
|
Jes. XLI, 22. Cap.
XLII, 9. Cap. |
|
{Sp. 198} |
|
|
|
XLIII, 12. |
|
|
Doch leidet dabey die
Freyheit
des
Menschen keinen
Schaden. Denn,
sagen sie, was vorher
gesehen worden ist, dass muß geschehen, so haben sie recht; Es folgt
aber nicht, daß es nothwendig sey. Denn die nothwendige
Wahrheit ist,
deren Gegentheil unmöglich ist, oder einen Widerspruch in sich fasset.
Siehet
GOtt was vorher, so muß solches geschehen, nemlich daß es
existire, weil es vorher gesehen worden ist, und GOtt nicht irren kan;
Und daß nennet man eine hypothetische
Nothwendigkeit, davon hier nicht
die
Rede ist, wenn man eine nothwendige Handlung der freyen Wahl
entgegen setzet. |
|
Es hat auch Leibnitz, in seiner Theodicee ... von
dieser
Materie gehandelt. |
|
2) |
Macht Bayle grossen Staat von
dem Systema causarum occasionalium, daß GOtt
unmittelbar alle
Bewegungen verrichte, und die Creaturen, unter denen auch der
Mensch,
ihm nur, als ein Instrument, Gelegenheit zu dieser, oder jener Bewegung,
gäben, dabey ohnmöglich die Freyheit des Willens bestehen kan, wie
Bayle selbst nicht in Abrede ist. Denn Tom. III.
respons. ad quaestion. homin. ex provincia ...
schreibet er, es
habe dieses Systema vor allen andern einen besondern Vorzug, nur fände
sich diese Schwierigkeit, daß man dabey mit der Freyheit des Menschen
nicht zu recht kommen könne. Gleichwohl aber bezeuget er so grosse
Hochachtung dafür, und giebt damit zu
verstehen, daß er sich nicht viel
um die Freyheit des Menschen bekümmere. |
|
|
|
|
Solche Hypothesin hat insonderheit wider
Baylen, Jaquelot in Conformitate fidei et rationis ...
in dem angefügten Appendice von der Seelen und der Freyheit,
und in Examine theologiae Baelii ... wiederleget. |
|
|
|
3) |
Giebt Bayle Tom. III.
respons. ad quaestion. homin. ex provinc. ... für, die Thomisten
und Jesuiten wären in der Lehre von dem freyen Willen nicht in der
Sache
selbst, sondern nur in
Worten, unterschieden, welches aber falsch ist.
Denn wir haben schon oben erinnert, daß Thomas de Aquino
in diesem Stücke wohl
unterrichtet gewesen sey, und eine weit
bessere
Meynung, als man sie heut zu Tage in der Römischen Kirche von
dem
freyen Willen hat, geheget habe, welches Dorschäus
in einem besondern
Buche: Thomas de Aquino,
confessor veritatis evangelicae, gewiesen hat; Daher auch die
Dominicaner, die sich für ächte Schüler des Thomas de Aquino
ausgeben, dieses den Jesuiten, durch welche in der Römischen
Kirche der Pelagianismus überhand genommen hat, vorwerffen, daß sie von
dem Thomas de Aquino und dessen Lehre abgegangen, wovon
auf Seiten der Dominicaner Jacob Hyacinthus Serrius, in
Histor. congregat. de auxilliis gratiae divinae ... und auf
Seiten der Jesuiten Livinus de Meyer, der sich
Theodorus Eleutherius nennet, in Histor. controvers. de
divinae gratiae auxiliis ... zu lesen sind. |
|
Überhaupt kan man hier, was
Baylens
Meynung betrifft, Wolffen de Manichaeismo ante
Manichaeos ... Christoph Matthäus Pfaffens
Dissertationes Anti-Baelianias, und sonderlich auch den Anhang D.
Langens, bey der zweyten und den folgenden |
|
|
|
|
{Sp. 199|S. 113} |
|
|
|
Herausgaben des Tractats, von der allgemeinen
Gnade Gottes, aufsuchen. |
Locke |
Der vierte ist Johann Lock, welcher de intellectu
humano ... die Frage: Ob der
menschliche Wille seine
Freyheit habe? vor
ungereimt und lächerlich ausgiebt, weil der
Wille so wohl, als die Freyheit,
eine Facultät sey; eine Facultät aber der anderen nicht beygeleget werden könne:
Es ist aber erst zu erweisen, daß die Freyheit eine von dem Willen
unterschiedene Facultät, oder
Vermögen
sey, welches ihm niemand leicht einräumen wird.
|
Wie
Buddeus in Instit. theol. moral. ... bereits
erinnert hat.
|
|
Eben dahin geht auch Clericus, welcher in Pnevmatolog.
... die Freyheit vor ein Vermögen hält, da das
Gemüth einer Proposition
beyfallen, und nicht beyfallen, etwas gutes, oder
böses, wünschen, und nicht
wünschen, an etwas gedencken, und nicht gedencken könne.
|
|
|
Von dieser
Freyheit mercket er drey Stücke an: Einmahl, daß er solche nicht
dem Willen, sondern dem Gemüthe beylege, indem der Wille eben, wie die Freyheit,
eine Facultät, oder ein Vermögen sey, ein Vermögen aber dem andern nicht
beygeleget werden könne, wenn man eigentlich
reden wolte, masen er an besagtem
Orte, § 2, sieben Vermögen des Gemüths setzet, als den
Verstand, den
Willen, das
Vermögen zu
empfinden, die Freyheit, die
Phantasie, das Gedächtniß, die Habitus,
oder die Fertigkeiten, welcher Anzahl wohl ohne Noth vermehret wird. Man kan
wohl die Freyheit ein Vermögen nennen, so der
Seele zu kommet, so fern sie durch
den Willen würcket; Deswegen aber bleibt sie doch nur eine
Eigenschafft, und
keiner von dem Willen, unterschiedene Facultät, welches erst Clericus
auch hätte
beweisen sollen.
|
|
|
Vor das andere meynet er, man habe nicht nöthig, die Freyheit in eine
Freyheit des Widerspruchs (Contradictionis) und des Mannigfaltigen (Contrarietatis)
zu theilen, weil die Actus der letztern schon in der ersten begriffen wären, und
denn, daß man die Spontaneität, die der Wille selbst sey, mit der Freyheit nicht
zu vermischen habe.
|
|
Collins |
Es ist eine Sammlung einiger kleinen
Wercke des Leibnitzens,
Clarcks, Newtons, und anderer, die
Philosophie, Historie, Mathesin
betreffend, herausgekommen, darunter sich auch Recherches philosophiques sur
la liberté de l'homme befinden, welche Dissertation Collinus
1717 in Englischer Sprache ediret hatte. Der Verfasser sucht darinnen zu
erweisen, der
Mensch thäte alles aus einer
Nothwendigkeit, und habe gar keine
Freyheit; Welches er mit unterschiedenen
Gründen erweisen will.
|
|
|
Er berufft sich auf die
Erfahrung, welche bestätige, daß bey dem Menschen
die
Empfindung, das Judicium, das
Wollen, und die Ausübung, oder die Handlung
selbst, nothwendig geschähen.
|
|
|
Den andern
Beweiß nimmt er daher, daß die Freyheit unmöglich, und mit der
Atheisterey
verknüpfft sey, und schliesset also: Alle Handlungen der Menschen
haben einen Anfang; Was einen Anfang hat, hat seine
würckende Ursache, welche
allezeit nothwendig sey, weil sie allezeit eine besondere Relation gegen ihre
Würckung habe.
|
|
|
Drittens will er darthun,
|
|
|
{Sp. 200} |
|
|
daß die Freyheit was unvollkommenes, die Nothwendigkeit aber was
vollkommenes sey; Masen bey jener der Mensch mehrer Gefahr und Unglückseligkeit,
als bey dieser, unterworffen, wenn er so determiniret sey, daß er allezeit der
Vernunfft folgen müste, welches man an
Gott und den H. Engeln sehe.
|
|
|
Vierdtens berufft er sich auf die Vorsehung Gottes, bey welcher die Freyheit
nicht bestehen könne.
|
|
|
Fünfftens meynet er, die Belohnungen und die
Straffen wären vergebens, wenn
der Wille nicht nothwendig durch die Lust zu der Erhaltung einer Belohnung
eingetrieben, und durch den Schmertz von der Straffe abgehalten würde.
|
|
|
Und sechstens schliesset er auf eben diese Art, von der
Natur des
moralischen
Guten und der
Tugend.
|
|
|
Es ist nicht nöthig, daß wir uns in weitläufftigere Erzählung und
Widerlegung dieser
Meynung aufhalten, indem dieses in zwey Dissertationen
Johann Eberhard Rößlers, de libertate hominis,
Tübingen 1722, geschehen ist.¶ |
|
Kling |
Der
Bischoff Kling
trägt in seinem
Buche de origine
mali auch eine besondere Meynung von der
Freyheit
für, und ist mit denen
nicht zufrieden, welche selbige darinnen suchen, daß sie von dem äusserlichen
Zwange frey, oder von der
Nothwendigkeit ausgenommen sey. Er bildet sich ein,
GOtt und die freyen Creaturen wären bloß und allein activ, und wenn man activ
seyn wolte, so dürffte man bloß von sich determiniret werden. Es bestünde die
Freyheit in einem solchen
Vermögen, das nicht von den Objecten, noch von dem
Verstande, determiniret werden, und sich gegen die Objecte indifferent verhalte,
welche Indifferentz bloß durch die Wahl verlassen werde, die das Objectum
angenehm mache. Diese Hypothesin haben Wolff de
manichaeismo ante manichaeos ... und Leibnitz, in den
Anmerkungen über Klings
Schrifft, de origine mali, die
seiner Theodicee angehänget sind, untersuchet.¶ |
|
Leibniz |
Daß in dem Leibnitzischen Systema vieles enthalten sey, welches der wahren
Freyheit des Willens entgegen, hat unter andern D. Weismann in
Schediasmatibus academicis ... behauptet.¶ |
|
Wolff |
Eben dieses haben auch andere von des grossen Leibnitzens
berühmtesten Nachfolger, den
Baron
Wolff, schon längstens
vorgegeben. So ist, zum Exempel, in der Beylage des unterthänigst abgestatteten
Berichts der Theologischen und Philosophischen Facultäten zu Jena, von der
Wolffischen Philosophie, an den Hochfürstlichen Eisenachischen Hof, unter dem 6
December 1725, unter andern auch folgender Punct zu lesen:
|
|
|
„Weil indessen der menschliche Wille an dem
zureichenden, oder determinirenden Grund, dermasen angebunden wird, daß er, wenn
entweder gar keine, oder doch zu beyden Seiten gleichwichtige Vorstellungen und
Bewegungs-Gründe vorhanden, so wenig zu einem Schlusse kommen könne, als eine
richtige Waage, so entweder mit keinem, oder doch zu beyden Seiten gleichem
Gewichte beleget ist, einen Ausschlag geben kan, (§. 469 it. §. 508
sequ. Met. Wolff.) gleichwohl aber nach diesen
Principiis in der Seele nicht weniger, als in der
Welt, der vorhergehende
Zustand
|
|
|
{Sp. 201|S. 114} |
|
|
der Grund von dem folgenden enthalten, (ibid. §. 767) mithin unter
denen Gedancken, die auf einander folgen, eben die unverrückte Ordnung, als
zwischen den Dingen, die in der Welt auf einander folgen, seyn muß, (§. 114.
744. 774.) und die Seele diese, und nicht andere Vorstellungen, und zwar in
dieser, und keiner andern Ordnung, hervor bringet; (§. 943) So wird auch 14) die
Freyheit des menschlichen Willens, wie sie insgemein von denen Theologis unserer
Kirche, auch Philosophis, erkläret, und wieder andere behauptet wird, gäntzlich
aufgehoben.
|
|
|
Welche Imputation den Herrn Hofrath Wolff um so viel
weniger befremden solte, weil er so wohl, als der Herr von Leibnitz,
die Sache selbst mit ausdrücklichen, klaren und deutlichen Worten bekennet,
indem er saget, es sey das Vermögen, aus wiedersprechenden Dingen eines so wohl,
als das andere, zu erwählen, ohne, daß ein Bewegungs-Grund vorhanden, warum man
eines vor dem andern erwähle, so wohl der
Vernunfft, als der
Erfahrung, zuwider,
(Met. §. 511. seq. conf. Leibn. Theod.
§. 46. 47. 301. 302. 364 etc.) auch dabey (§. 517) präsupponiret, daß der
Bewegungs-Grund das Mögliche würcklich mache, und, in so weit er zureichend,
einer Gewisheit gebe, wie auch (§. 521) daß ein Mensch, der etwas als besser
erkenne, unmöglich das schlimmere ihm vorziehen könne;
|
|
|
Dahero auch weder diejenigen Stücke, worinnen er, (§. 514 seqq.) die
Freyheit setzet, (daß wir nehmlich
|
|
|
- α) die Beschaffenheit derjenigen Handlungen,
die man frey nennet, verstehen,
- β) daß solche Handlungen nicht
schlechterdings nothwendig, sondern dasjenige, was ihnen
entgegen gesetzet wird, eben so wohl möglich seyn, und
- γ) daß die Seele den Grund ihrer
Handlungen in sich habe)
|
|
|
noch auch die Definition der Freyheit, (§. 519) daß sie nehmlich sey das
Vermögen der Seele, durch eigene Willkühr, aus zweyen möglichen Dingen,
dasjenige zu erwählen, was ihr am besten gefällt, vor hinlänglich zu achten;
Indem dasjenige keinesweges freywillig seyn kan, was von dem so genannten
zureichenden Grund, und also von dem
Verstande, (welcher Facultas necessaria)
nicht aber von dem Willen selbst, determiniret wird, ob es gleich etwan willig,
oder Spontaneum, genennet werden mögte, anderes zu geschweigen.¶ |
|
Astrologie |
Diejenigen, welche ein astrologisches Fatum statuiren, und in der Astrologie
soweit gehen, daß sie von dem Einflusse der himmlischen
Cörper auch moralische
Würckungen herleiten, müssen auch der
Freyheit
zu nahe treten, wovon wir oben
unter dem
Artickel: Astrologia, im II
Bande, p. 1959 u.f. gehandelt haben.¶ |
|
Buddeus |
Zuletzt mercken wir noch an, daß Thomasius, in der vierdten
Auflage seiner Fundamentor. Juris naturae et gentium ... hart wider den
Buddeus geschrieben, und ihm unter andern einen Widerspruch in
der Lehre von der Freyheit des menschlichen Willens, in den Elementis
philosoph. pract. Part. I, vorzuwerffen gesuchet, worauf er aber kurtz und
auf das bescheidenste, ohne den |
|
|
{Sp. 202} |
|
|
Thomasius zu nennen, in Institut. Theol. Dogmatic.
... geantwortet hat.¶ |
|
|
|
|
|
IV.
Schrifften von der
Freyheit überhaupt. ¶ |
|
|
Fabricius erzählet, in Syllabo scriptorum de veritate
religionis Christianae ... verschiedene
Scribenten von dieser
Materie. Eine
der besten Schrifften davon ist Friedrich Wagners Versuch einer
gründlichen Untersuchung, welches der wahre Begriff von der Freyheit des
Willens sey. Berlin, 1730. Man kan auch Cantzen de
philosophiae Leibnitianie et Wolffianae usu in theologia ... nachlesen;
ingleichen |
|
|
1) |
Christoph Andreas Büttners
Dissertation, de determinatione mentis per motiva, Halle, in
dem October, 1734. Der Respondent, Johann Gottlob Krüger,
soll Verfasser davon seyn. |
|
|
|
2) |
Flottwells Dissertation, de
anima in aequilibrio libera. Jena, 1734. |
|
|
|
3) |
[1]Gottlieb Friedrich Hagens
Epistola de mensurandis viribus voluntatis, Halle 1734. in 4.¶ |
|
[1] |
HIS-Data: korrigiert aus 4 |
|
|
Übrigens sehe man auch |
- Rambachs Dogmat. Theol. ...
- Kurtze Fragen aus der Kirchen Historie des Neuen Testam.
...
- Allgemeine Chronicke ...
- Comenii Kirchen-Historie der Böhm. Brüd. ...
- Rühlens Lesung des Augspurgischen Glaubens-Bekänntniß
...
- Uhsens Kirchen-Historie des XVI. und XVII,
Jahrhunderts ...
- Walchs Einleitung in die Religions-Streitigkeit in der
Evangelischen Kirche ...
- Weinrichs Henneberg ...
-
Unschuldige Nachrichten von ...
- Acta Histor. Eccles. ...
- Ludovici Historie der Wolffischen Philosophie ...
- Bruckers kurtze Frage aus der philos. Hist. ...
- Stollens Historie der heydnischen Moral ...
- Walchs phil. Lexicon ...
|
|
ingleichen die
Artickel: |
|
|
- Wille, (knechtischer) und
- Willen, (Einfluß der Wahrheit in den); wie
auch
-
Freyheit, im IX Bande, p.
1870 u.f.
|
|
|
|
|