HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Willens, (Freyheit des) [11] HIS-Data
5028-57-131-6-11
Titel: Willens, (Freyheit des) [11]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 57 Sp. 194
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 57 S. 110
Vorheriger Artikel: Willens, (Freyheit des) [10]
Folgender Artikel: Willens, (die Immerfortwährung des)
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

vorhergehender Text  Teil 10 Artikelübersicht  

Übersicht
III. Historische Abhandlung (Forts.)
  3. Von den Meinungen der Christen (Forts.)
 
  c) In den neuern Zeiten (Forts.)
 
  (B) Abweichungen in der Philosophie

Stichworte Text Quellenangaben und Anmerkungen
  (B) Abweichungen in der Philosophie.  
  Es hat in den neuern Zeiten auch unter den Philosophen an solchen nicht gefehlet, die in diesem Stücke gefährliche Meynungen gehabt, und die Freyheit des menschlichen Willens, wo nicht directe, doch indirecte, geleugnet; Und wo dieses andere nicht gethan, haben sie sich doch einen besondern Concept davon formiret, wie wir gleich jetzo die vornehmsten Urheber solcher falschen Meynungen anführen wollen.  
Spinoza Der erste mag Benedictus Spinoza seyn, welcher nach seiner Art, damit er Unvorsichtigen eine blaue Dunst vor die Augen mache, in zweydeutigen Worten diese Freyheit zuzugeben scheinet. Denn er erfordert zu der Freyheit zwey Stücke, daß man vor das erste eine Erkänntniß seiner Handlungen habe, und dann selbige thun wolle. Es bedeutet aber bey ihm das Wollen  
  {Sp. 195|S. 111}  
  nichts anders, als drein willigen, daß die Handlung, die man nicht hindern könne, geschehe. Daher bestehet nach seiner Meynung die Freyheit darinnen, daß der Mensch empfinde und überzeuget sey, daß er sich seiner Bewegung bewust, wenn er gleich die Ursach', wodurch er zu solchen Bewegungen determiniret worden, nicht wisse, welches ein recht läppischer Concept ist, der in der That nichts heisset.  
  Doch, was braucht es weiter Zeugniß? Er gestehet ja ausdrücklich, daß er keine Freyheit zulasse. Denn Part. I. ... Ethic. schreibt er: Voluntas [Ca. sieben Zeilen lateinischer Text]. Aus diesen Worten sehen wir, wie Spinoza den Willen nicht für eine von dem Verstande unterschiedene Fähigkeit gehalten habe, wenn er ihn die Weise zu gedencken (Cogitandi modum) nennet.  
  Daher schreibt er, Epist. 2 ad Oldenburgium ... der Wille, als eine Facultät betrachtet, sey nichts anders, als ein Ding in dem Verstande, (Ens rationis) das keinesweges als eine Ursach dieses, oder jenes Willens, anzusehen sey. Wie er aber den Verstand auch nur als eine Art zu gedencken (Cogitandi modum) ausgiebt; Also siehet man, daß er die Seele für keine von dem Cörper unterschiedene Substantz gehalten habe, und das war eben der Grund seines Systematis, daß nur eine Substantz sey, so, daß die Bewegung des einen Cörpers von der Bewegung des andern dependire, und dieses auf das unendliche hinaus gienge; Mithin müste alles nothwendig geschehen.  
  Fällt nun sein Haupt-Principium weg, welches aber hier zu widerlegen, die Umstände dieses Artickels nicht zulassen, so giebt sich das andere gar leicht; Wiewohl auch die Hypothesis von der Freyheit, daß der Wille eine Art zu gedencken sey, so beschaffen ist, daß ein jeder von deren Absurdität, durch eigene Empfindung der Würckungen des Willens, leicht überzeuget wird, wie nicht weniger, daß der Verstand von einer andern Ursache determiniret werden müsse. In Propos. 48. Part. II. Ethic. lässet er sich also vernehmen: In mente nulla est absoluta, sive libera voluntate, sed mens ad hoc, vel illud volendum, determinatur a causa, quae etiam ab altera determinata est, et haec iterum ab alia, et sic in infinitum.  
Hobbes Diesem setzen wir den Thomas Hobbesius an die Seite. Von diesem kan man sich leicht die Rechnung machen, was er von der Freyheit des Menschen statuiret, wenn man erweget, daß er in dem Leviathan, Cap. 4, ausdrücklich vorgiebt, es wären keine uncörperlichen Substantzen, und Cap. 34, Cörper und Substantz bedeuteten einerley, ja eine uncörperliche Substantz bedeutete nichts, und wäre eben so viel, als wenn man sagen wolte: Ein uncörperlicher Cörper.  
  Und wenn er sich in Append. ad Leviath. cap. 3, den Einwurff macht: Leugnet man, daß uncörperliche Substantzen anzutreffen, so muß man ent-  
  {Sp. 196}  
  weder leugnen, daß ein GOtt sey, oder zugeben, GOtt sey ein Cörper; So antwortet er, GOtt sey freylich ein Cörper, welches ja schon Tertullianus behauptet hätte.  
  Er hat über diese Materie von der Freyheit mit dem Johann Bramhall, Bischoffe von Derry, Streitigkeiten gehabt, und sind die deswegen gewechselte kleine Streit-Schrifften 1656 in 4 zu Londen unter dem Titel herausgekommen: Fragen über die Freyheit, die Nothwendigkeit und den Zufall, die zwischen dem Doctor Bramhall, Bischoff von Derry, und Thomas Hobbes de Malmesbury, sind untersucht und abgehandelt worden. Wie denn auch 1684 ein Werck ediret worden, darinnen sein Buch von der menschlichen Natur, sein Tractat de corpore politico, seine Schrifft von der Freyheit und Nothwendigkeit, zu finden ist.  
  Seine Meynung geht hier, wie leicht zu erachten, dahin, daß alles aus einer absoluten Nothwendigkeit geschähe, und der Wille Gottes mache die Nothwendigkeit aller Dinge, und erscheint nicht undeutlich, daß das, was er GOtt nennet, vielmehr nur die blinde Natur des Klumpens der materialischen Dinge wäre, die nach den mathematischen Gesetzen, zu Folge einer absoluten Nothwendigkeit, würcke, wie die Atomi in dem Systema des Epicurus, und da läufft die Sache auf einen Spinozismus hinaus.  
  Er führt unterschiedene Sprüche an, welche vor seine Meynung seyn sollen, und die GOtt die Ursach unsers Willens zuschrieben. Als z.E.  
 
  • 2 B. Mos. VII, 3. Ich will Pharao Hertz verhärten.
  • 2 B. Sam. XVI, 10. sage David von Simei: Laß ihn fluchen, denn der HErr hats ihm geheissen, fluche David.
  • 1 B. Kön. XII, 15: Der König Jerobeam gehorchte dem Volcke nicht denn es war also gewandt von dem HErrn.
  • Röm. IX, 16: So liegt es nun nicht an jemands Wollen, oder Lauffen, sondern an Gottes Erbarmen.
  • Und v. 18: So erbarmet er sich nun, welches er will, und verstocket, welchen er will.
  • Vers 19: Wer kan seinem Willen widerstehen?
  • Und so weiter.
 
  Woraus zu ersehen ist, wie er die Sprüche nicht verstehet, oder nicht verstehen will, und sie zu einer gottlosen Meynung verdrehet, daß GOtt auch Ursache der sündlichen Verrichtungen sey. Er sagt, es sey nicht gut, wenn man die Wahrheit sage, wie GOtt das Böse wolte, weil dieses nicht rühmlich wäre, und stellt sich also GOtt als einen Menschen für, dessen Absichten und Handlungen man offt verheelen muß.  
  Es hat der Herr von Leibnitz Anmerckungen über diese Schrifft gemacht, welche sich bey seiner Theodicee befinden, darinnen er gleich anfangs eine kurtze Nachricht von diesem Streite giebt. Beyde aber, den Spinoza und Hobbesius, hat Clarck in Oration. de demonstratione existent. et attributor. Dei, prop. 9. widerleget. Man conferire
  • Recueil des diverses Pieces sur la Philosophie, Amsterdam 1720 in 12 ...
  • Deutsche Acta Eruditor. VII Band ..
Bayle In diese Classe gehört auch Peter Bayle, von welchem bekannt genug ist, daß er die Manichäischen Irrthümer wieder aufgewärmet habe. Er giebt zwar an einigen Orten diese Freyheit zu, son-  
  {Sp. 197|S. 112}  
  derlich in dem Commentaire philosoph. ... in andern Stellen aber hebt er selbige wieder auf; Daß er sich entweder aus Unvorsichtigkeit, oder mit Fleiß, widersprochen hat, welches letztere viel eher, als das erstere, zu glauben stehet. Denn, wenn wir seine hieher gehörigen Principia ansehen, so war ihm wohl niemahls in den Sinn gekommen, eine Freyheit zu statuiren; Zum Schein aber that er bisweilen auch, als glaubte er solche.  
  Wir treffen in seinen Schrifften sonderlich drey Umstände an, daraus wir seine Meynung gantz deutlich sehen können:  
 
1) Leugnet er, daß GOtt die willkührlichen und freyen Handlungen vorher sehen könne: Weil aber GOtt gleich wohl alles vorher wisse, und er sich darinnen nicht betrüge, so müste der Mensch vorher von GOtt zu der Handlung, die er vorher sehe, determiniret worden seyn, welche Gedancken wir in seinem Dictionario, unter dem Artickel von den Manichäern, und Tom. III, cap. 142, der Respons. ad quaest. homin. ex provinc. antreffen.
 
 
  Doch darauf läst sich leicht antworten. Es ist ein schlechter Schluß, den Bayle macht: Ich kan nicht begreiffen, wie GOtt künfftige zufällige Dinge vorher sehen könne; Er sieht aber gleichwohl die künfftigen Dinge vorher, folglich müssen sie alle Nothwendig seyn. Auf diese Weise würde freylich die Freyheit des Menschen wegfallen müssen; Wer hat denn aber von Baylen verlanget, daß er die Art und Weise dieser Vorhersehung begreiffen soll? Und wenn dieses gleich kein Mensch thun kan, so bleibt es doch eine Wahrheit, das GOtt die künfftigen zufällige Dinge vorhersehe.
 
 
  Einige, welche sich ebenfalls in diese Sache nicht haben finden können, sind zwar nicht auf den Baylischen jedoch auf einen andern Abweg verfallen. Denn, damit sie weder die Freyheit des Menschen aufhüben, noch, wie Bayle die zufälligen Dinge verwürffen, so leugneten sie, daß GOtt die künfftigen zufälligen Dinge vorhersehe, wie die Socinianer, und ein gewisser Gelehrter, in der Histoire critique de la republique des lettres ..., dessen Meynung Buddeus de atheismo et superstit. ... untersuchet.
 
 
  Es kommt ausser Streit die Erkänntniß solcher künftigen Dinge Gott zu, welches nicht nur die Vernunfft erkennet, sondern auch die H. Schrifft bestätiget. Denn erkennet die Vernunfft, daß GOtt das allervollkommenste Wesen ist, so muß sie ihm auch die allervollkommenste Erkenntniß beylegen, welche aber nicht die vollkommenste wäre, wenn er die künfftigen möglichen Dinge nicht wüste. Wüste Sie GOtt nicht vorher, ehe sie geschehen, er kennte sie aber, nachdem sie geschehen sind, welches niemand leugnen wird, so würde folgen, daß GOtt in seiner Erkänntniß wachse und zunehme, so offenbar ein Stück seiner Schwachheit und Unvollkommenheit wäre. Die H. Schrifft bestätiget dieses nachdrücklich, durch deutliche Zeugnisse:
  • 1 B. Mos. XVIII, 17 u.ff.
  • 5 B. Mos. XXXI, 16. 20.
  • Psalm CXXXIX, 2. 3.
 
  Wodurch GOtt eben von den falschen Göttern und heydnischen Götzen unterschieden seyn will,
Jes. XLI, 22. Cap. XLII, 9. Cap.
  {Sp. 198}  
    XLIII, 12.
 
  Doch leidet dabey die Freyheit des Menschen keinen Schaden. Denn, sagen sie, was vorher gesehen worden ist, dass muß geschehen, so haben sie recht; Es folgt aber nicht, daß es nothwendig sey. Denn die nothwendige Wahrheit ist, deren Gegentheil unmöglich ist, oder einen Widerspruch in sich fasset. Siehet GOtt was vorher, so muß solches geschehen, nemlich daß es existire, weil es vorher gesehen worden ist, und GOtt nicht irren kan; Und daß nennet man eine hypothetische Nothwendigkeit, davon hier nicht die Rede ist, wenn man eine nothwendige Handlung der freyen Wahl entgegen setzet.
Es hat auch Leibnitz, in seiner Theodicee ... von dieser Materie gehandelt.
 
2) Macht Bayle grossen Staat von dem Systema causarum occasionalium, daß GOtt unmittelbar alle Bewegungen verrichte, und die Creaturen, unter denen auch der Mensch, ihm nur, als ein Instrument, Gelegenheit zu dieser, oder jener Bewegung, gäben, dabey ohnmöglich die Freyheit des Willens bestehen kan, wie Bayle selbst nicht in Abrede ist. Denn Tom. III. respons. ad quaestion. homin. ex provincia ... schreibet er, es habe dieses Systema vor allen andern einen besondern Vorzug, nur fände sich diese Schwierigkeit, daß man dabey mit der Freyheit des Menschen nicht zu recht kommen könne. Gleichwohl aber bezeuget er so grosse Hochachtung dafür, und giebt damit zu verstehen, daß er sich nicht viel um die Freyheit des Menschen bekümmere.
 
 
  Solche Hypothesin hat insonderheit wider Baylen, Jaquelot in Conformitate fidei et rationis ... in dem angefügten Appendice von der Seelen und der Freyheit, und in Examine theologiae Baelii ... wiederleget.
 
 
3) Giebt Bayle Tom. III. respons. ad quaestion. homin. ex provinc. ... für, die Thomisten und Jesuiten wären in der Lehre von dem freyen Willen nicht in der Sache selbst, sondern nur in Worten, unterschieden, welches aber falsch ist. Denn wir haben schon oben erinnert, daß Thomas de Aquino in diesem Stücke wohl unterrichtet gewesen sey, und eine weit bessere Meynung, als man sie heut zu Tage in der Römischen Kirche von dem freyen Willen hat, geheget habe, welches Dorschäus in einem besondern Buche: Thomas de Aquino, confessor veritatis evangelicae, gewiesen hat; Daher auch die Dominicaner, die sich für ächte Schüler des Thomas de Aquino ausgeben, dieses den Jesuiten, durch welche in der Römischen Kirche der Pelagianismus überhand genommen hat, vorwerffen, daß sie von dem Thomas de Aquino und dessen Lehre abgegangen, wovon auf Seiten der Dominicaner Jacob Hyacinthus Serrius, in Histor. congregat. de auxilliis gratiae divinae ... und auf Seiten der Jesuiten Livinus de Meyer, der sich Theodorus Eleutherius nennet, in Histor. controvers. de divinae gratiae auxiliis ... zu lesen sind.
Überhaupt kan man hier, was Baylens Meynung betrifft, Wolffen de Manichaeismo ante Manichaeos ... Christoph Matthäus Pfaffens Dissertationes Anti-Baelianias, und sonderlich auch den Anhang D. Langens, bey der zweyten und den folgenden
 
   
 
  {Sp. 199|S. 113}  
    Herausgaben des Tractats, von der allgemeinen Gnade Gottes, aufsuchen.
Locke Der vierte ist Johann Lock, welcher de intellectu humano ... die Frage: Ob der menschliche Wille seine Freyheit habe? vor ungereimt und lächerlich ausgiebt, weil der Wille so wohl, als die Freyheit, eine Facultät sey; eine Facultät aber der anderen nicht beygeleget werden könne: Es ist aber erst zu erweisen, daß die Freyheit eine von dem Willen unterschiedene Facultät, oder Vermögen sey, welches ihm niemand leicht einräumen wird. Wie Buddeus in Instit. theol. moral. ... bereits erinnert hat.
  Eben dahin geht auch Clericus, welcher in Pnevmatolog. ... die Freyheit vor ein Vermögen hält, da das Gemüth einer Proposition beyfallen, und nicht beyfallen, etwas gutes, oder böses, wünschen, und nicht wünschen, an etwas gedencken, und nicht gedencken könne.  
  Von dieser Freyheit mercket er drey Stücke an: Einmahl, daß er solche nicht dem Willen, sondern dem Gemüthe beylege, indem der Wille eben, wie die Freyheit, eine Facultät, oder ein Vermögen sey, ein Vermögen aber dem andern nicht beygeleget werden könne, wenn man eigentlich reden wolte, masen er an besagtem Orte, § 2, sieben Vermögen des Gemüths setzet, als den Verstand, den Willen, das Vermögen zu empfinden, die Freyheit, die Phantasie, das Gedächtniß, die Habitus, oder die Fertigkeiten, welcher Anzahl wohl ohne Noth vermehret wird. Man kan wohl die Freyheit ein Vermögen nennen, so der Seele zu kommet, so fern sie durch den Willen würcket; Deswegen aber bleibt sie doch nur eine Eigenschafft, und keiner von dem Willen, unterschiedene Facultät, welches erst Clericus auch hätte beweisen sollen.  
  Vor das andere meynet er, man habe nicht nöthig, die Freyheit in eine Freyheit des Widerspruchs (Contradictionis) und des Mannigfaltigen (Contrarietatis) zu theilen, weil die Actus der letztern schon in der ersten begriffen wären, und denn, daß man die Spontaneität, die der Wille selbst sey, mit der Freyheit nicht zu vermischen habe.  
Collins Es ist eine Sammlung einiger kleinen Wercke des Leibnitzens, Clarcks, Newtons, und anderer, die Philosophie, Historie, Mathesin betreffend, herausgekommen, darunter sich auch Recherches philosophiques sur la liberté de l'homme befinden, welche Dissertation Collinus 1717 in Englischer Sprache ediret hatte. Der Verfasser sucht darinnen zu erweisen, der Mensch thäte alles aus einer Nothwendigkeit, und habe gar keine Freyheit; Welches er mit unterschiedenen Gründen erweisen will.  
  Er berufft sich auf die Erfahrung, welche bestätige, daß bey dem Menschen die Empfindung, das Judicium, das Wollen, und die Ausübung, oder die Handlung selbst, nothwendig geschähen.  
  Den andern Beweiß nimmt er daher, daß die Freyheit unmöglich, und mit der Atheisterey verknüpfft sey, und schliesset also: Alle Handlungen der Menschen haben einen Anfang; Was einen Anfang hat, hat seine würckende Ursache, welche allezeit nothwendig sey, weil sie allezeit eine besondere Relation gegen ihre Würckung habe.  
  Drittens will er darthun,  
  {Sp. 200}  
  daß die Freyheit was unvollkommenes, die Nothwendigkeit aber was vollkommenes sey; Masen bey jener der Mensch mehrer Gefahr und Unglückseligkeit, als bey dieser, unterworffen, wenn er so determiniret sey, daß er allezeit der Vernunfft folgen müste, welches man an Gott und den H. Engeln sehe.  
  Vierdtens berufft er sich auf die Vorsehung Gottes, bey welcher die Freyheit nicht bestehen könne.  
  Fünfftens meynet er, die Belohnungen und die Straffen wären vergebens, wenn der Wille nicht nothwendig durch die Lust zu der Erhaltung einer Belohnung eingetrieben, und durch den Schmertz von der Straffe abgehalten würde.  
  Und sechstens schliesset er auf eben diese Art, von der Natur des moralischen Guten und der Tugend.  
  Es ist nicht nöthig, daß wir uns in weitläufftigere Erzählung und Widerlegung dieser Meynung aufhalten, indem dieses in zwey Dissertationen Johann Eberhard Rößlers, de libertate hominis, Tübingen 1722, geschehen ist.  
Kling Der Bischoff Kling trägt in seinem Buche de origine mali auch eine besondere Meynung von der Freyheit für, und ist mit denen nicht zufrieden, welche selbige darinnen suchen, daß sie von dem äusserlichen Zwange frey, oder von der Nothwendigkeit ausgenommen sey. Er bildet sich ein, GOtt und die freyen Creaturen wären bloß und allein activ, und wenn man activ seyn wolte, so dürffte man bloß von sich determiniret werden. Es bestünde die Freyheit in einem solchen Vermögen, das nicht von den Objecten, noch von dem Verstande, determiniret werden, und sich gegen die Objecte indifferent verhalte, welche Indifferentz bloß durch die Wahl verlassen werde, die das Objectum angenehm mache. Diese Hypothesin haben Wolff de manichaeismo ante manichaeos ... und Leibnitz, in den Anmerkungen über Klings Schrifft, de origine mali, die seiner Theodicee angehänget sind, untersuchet.  
Leibniz Daß in dem Leibnitzischen Systema vieles enthalten sey, welches der wahren Freyheit des Willens entgegen, hat unter andern D. Weismann in Schediasmatibus academicis ... behauptet.  
Wolff Eben dieses haben auch andere von des grossen Leibnitzens berühmtesten Nachfolger, den Baron Wolff, schon längstens vorgegeben. So ist, zum Exempel, in der Beylage des unterthänigst abgestatteten Berichts der Theologischen und Philosophischen Facultäten zu Jena, von der Wolffischen Philosophie, an den Hochfürstlichen Eisenachischen Hof, unter dem 6 December 1725, unter andern auch folgender Punct zu lesen:  
  „Weil indessen der menschliche Wille an dem zureichenden, oder determinirenden Grund, dermasen angebunden wird, daß er, wenn entweder gar keine, oder doch zu beyden Seiten gleichwichtige Vorstellungen und Bewegungs-Gründe vorhanden, so wenig zu einem Schlusse kommen könne, als eine richtige Waage, so entweder mit keinem, oder doch zu beyden Seiten gleichem Gewichte beleget ist, einen Ausschlag geben kan, (§. 469 it. §. 508 sequ. Met. Wolff.) gleichwohl aber nach diesen Principiis in der Seele nicht weniger, als in der Welt, der vorhergehende Zustand  
  {Sp. 201|S. 114}  
  der Grund von dem folgenden enthalten, (ibid. §. 767) mithin unter denen Gedancken, die auf einander folgen, eben die unverrückte Ordnung, als zwischen den Dingen, die in der Welt auf einander folgen, seyn muß, (§. 114. 744. 774.) und die Seele diese, und nicht andere Vorstellungen, und zwar in dieser, und keiner andern Ordnung, hervor bringet; (§. 943) So wird auch 14) die Freyheit des menschlichen Willens, wie sie insgemein von denen Theologis unserer Kirche, auch Philosophis, erkläret, und wieder andere behauptet wird, gäntzlich aufgehoben.  
  Welche Imputation den Herrn Hofrath Wolff um so viel weniger befremden solte, weil er so wohl, als der Herr von Leibnitz, die Sache selbst mit ausdrücklichen, klaren und deutlichen Worten bekennet, indem er saget, es sey das Vermögen, aus wiedersprechenden Dingen eines so wohl, als das andere, zu erwählen, ohne, daß ein Bewegungs-Grund vorhanden, warum man eines vor dem andern erwähle, so wohl der Vernunfft, als der Erfahrung, zuwider, (Met. §. 511. seq. conf. Leibn. Theod. §. 46. 47. 301. 302. 364 etc.) auch dabey (§. 517) präsupponiret, daß der Bewegungs-Grund das Mögliche würcklich mache, und, in so weit er zureichend, einer Gewisheit gebe, wie auch (§. 521) daß ein Mensch, der etwas als besser erkenne, unmöglich das schlimmere ihm vorziehen könne;  
  Dahero auch weder diejenigen Stücke, worinnen er, (§. 514 seqq.) die Freyheit setzet, (daß wir nehmlich  
 
  • α) die Beschaffenheit derjenigen Handlungen, die man frey nennet, verstehen,
  • β) daß solche Handlungen nicht schlechterdings nothwendig, sondern dasjenige, was ihnen entgegen gesetzet wird, eben so wohl möglich seyn, und
  • γ) daß die Seele den Grund ihrer Handlungen in sich habe)
 
  noch auch die Definition der Freyheit, (§. 519) daß sie nehmlich sey das Vermögen der Seele, durch eigene Willkühr, aus zweyen möglichen Dingen, dasjenige zu erwählen, was ihr am besten gefällt, vor hinlänglich zu achten; Indem dasjenige keinesweges freywillig seyn kan, was von dem so genannten zureichenden Grund, und also von dem Verstande, (welcher Facultas necessaria) nicht aber von dem Willen selbst, determiniret wird, ob es gleich etwan willig, oder Spontaneum, genennet werden mögte, anderes zu geschweigen.  
Astrologie Diejenigen, welche ein astrologisches Fatum statuiren, und in der Astrologie soweit gehen, daß sie von dem Einflusse der himmlischen Cörper auch moralische Würckungen herleiten, müssen auch der Freyheit zu nahe treten, wovon wir oben unter dem Artickel: Astrologia, im II Bande, p. 1959 u.f. gehandelt haben.  
Buddeus Zuletzt mercken wir noch an, daß Thomasius, in der vierdten Auflage seiner Fundamentor. Juris naturae et gentium ... hart wider den Buddeus geschrieben, und ihm unter andern einen Widerspruch in der Lehre von der Freyheit des menschlichen Willens, in den Elementis philosoph. pract. Part. I, vorzuwerffen gesuchet, worauf er aber kurtz und auf das bescheidenste, ohne den  
  {Sp. 202}  
  Thomasius zu nennen, in Institut. Theol. Dogmatic. ... geantwortet hat.  
     
  IV. Schrifften von der Freyheit überhaupt.  
  Fabricius erzählet, in Syllabo scriptorum de veritate religionis Christianae ... verschiedene Scribenten von dieser Materie. Eine der besten Schrifften davon ist Friedrich Wagners Versuch einer gründlichen Untersuchung, welches der wahre Begriff von der Freyheit des Willens sey. Berlin, 1730. Man kan auch Cantzen de philosophiae Leibnitianie et Wolffianae usu in theologia ... nachlesen; ingleichen  
 
1) Christoph Andreas Büttners Dissertation, de determinatione mentis per motiva, Halle, in dem October, 1734. Der Respondent, Johann Gottlob Krüger, soll Verfasser davon seyn.
 
 
2) Flottwells Dissertation, de anima in aequilibrio libera. Jena, 1734.
 
 
3) [1]Gottlieb Friedrich Hagens Epistola de mensurandis viribus voluntatis, Halle 1734. in 4.
[1] HIS-Data: korrigiert aus 4
  Übrigens sehe man auch
  • Rambachs Dogmat. Theol. ...
  • Kurtze Fragen aus der Kirchen Historie des Neuen Testam. ...
  • Allgemeine Chronicke ...
  • Comenii Kirchen-Historie der Böhm. Brüd. ...
  • Rühlens Lesung des Augspurgischen Glaubens-Bekänntniß ...
  • Uhsens Kirchen-Historie des XVI. und XVII, Jahrhunderts ...
  • Walchs Einleitung in die Religions-Streitigkeit in der Evangelischen Kirche ...
  • Weinrichs Henneberg ...
  • Unschuldige Nachrichten von ...
  • Acta Histor. Eccles. ...
  • Ludovici Historie der Wolffischen Philosophie ...
  • Bruckers kurtze Frage aus der philos. Hist. ...
  • Stollens Historie der heydnischen Moral ...
  • Walchs phil. Lexicon ...
  ingleichen die Artickel:  
 
  • Wille, (knechtischer) und
  • Willen, (Einfluß der Wahrheit in den); wie auch
  • Freyheit, im IX Bande, p. 1870 u.f.
 
     

vorhergehender Text  Teil 10 Artikelübersicht  

HIS-Data 5028-57-131-6-11: Zedler: Willens, (Freyheit des) [11] HIS-Data Home
Stand: 5. April 2013 © Hans-Walter Pries